L 7 SO 1571/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 5 SO 454/22
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 1571/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Zum Erstattungsanspruch des erstangegangenen Rehabilitationsträgers gegen den materiell zuständigen Träger nach Verurteilung des erstangegangenen Trägers zur Leistungserbringung. Der Erstattungsanspruch des erstangegangenen Rehabilitationsträgers gegen den materiell zuständigen Rehabilitationsträger setzt zwar die Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung voraus. Nicht erforderlich hierfür ist aber ein abgeschlossenes Gesamtplanverfahren.

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. März 2023 abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die Kosten für eine Inklusionskraft für Z1 für die Zeit vom 1. November 2019 bis zum 31. August 2021 in Höhe von insgesamt 37.933,65 Euro zu erstatten. Im Übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen und die Klage abgewiesen.

Der Beklagte trägt vier Fünftel (4/5), die Klägerin trägt ein Fünftel (1/5) der Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob und in welcher Höhe der Beklagte der Klägerin die Kosten für eine Integrationskraft zum Besuch des Kindergartens vom 1. November 2019 bis zum 31. August 2021 durch die geborene Z1 (Z.) zu erstatten hat.

Z. leidet an einem adrenogenitalen Syndrom (AGS) mit Salzverlust vom Typ 21-Hydroxylasemangel. Sie ist über ihre Mutter bei der Klägerin im Rahmen der Familienversicherung kranken- und pflegeversichert. Sie besuchte seit dem 4. September 2018 die altersgemischte Gruppe des Kinderhauses K1 in M1. Zum 31. August 2021 wechselte sie vom Kindergarten in die Grundschule.

Z. beantragte am 18. Oktober 2018 bei der Klägerin unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung von Unterstützungspflege nach § 37 Abs. 1a Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) die Bewilligung einer Integrationskraft für den Besuch des Kindergartens. In der gutachtlichen Stellungnahme vom 15. November 2018 führte der Medizinische Dienst der Krankenkassen Baden-Württemberg (MDK BW) aus, bei Z. bestehe kein Hilfebedarf bei der Überwachung der Vitalfunktionen, eine ständige Interventionsbereitschaft müsse nicht gewährleistet sein. Bei den allgemeinen Maßnahmen handele es sich nicht um ärztliche Leistungen im Sinne der Richtlinien der häuslichen Krankenpflege, die der behandelnde Arzt an eine qualifizierte Pflegekraft delegieren könne. Deshalb lägen auch die Voraussetzungen für Maßnahmen der speziellen Krankenbeobachtung gem. Ziff. 24 der Richtlinien häusliche Krankenpflege nicht vor. Weiter wurde auf die Möglichkeit der Gewährung von Eingliederungshilfe für eine angemessene Schulbildung hingewiesen. Mit Bescheid vom 20. November 2018 lehnte die Klägerin den Antrag ab und wies auf die Möglichkeit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Beklagten hin.

Im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) wurde die Klägerin mit Beschluss vom 2. April 2019 (S 10 KR 588/19 ER) verpflichtet, vorläufig ab dem 5. März 2019 Eingliederungshilfe in Form einer Integrationskraft für den Kindergartenbesuch von Z. jeweils von Montag bis Freitag von 9:00 Uhr bis 13:30 Uhr zu gewähren. Die Klägerin habe den Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe nicht innerhalb der Frist des § 14 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) an den zuständigen Sozialhilfeträger weitergeleitet, bleibe deshalb als erstangegangener Träger zuständig und habe den Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) umfassend zu prüfen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Mai 2019 wies die Klägerin den Widerspruch gegen den Bescheid vom 20. November 2018 zurück. Ein Betreuungsbedarf, der über die Leistungen der Kranken- und Pflegeversicherung hinausgehe, lasse sich aus den gesundheitlichen Einschränkungen der Z. nicht ableiten.

Im anschließenden Klageverfahren vor dem SG (S 10 KR 1395/19), zu dem der vorliegend Beklagte mit Beschluss vom 24. Februar 2020 (ohne Differenzierung nach seiner Funktion als Sozialhilfeträger oder Eingliederungshilfeträger) und die Stadt M2 als Träger des Kindergartens beigeladen waren, wurde die Klägerin mit Gerichtsbescheid vom 11. August 2021 verpflichtet, Z. für den Zeitraum ihrer Kindergartenzeit vom 4. September 2018 bis 13. August 2021 Eingliederungshilfe in Form einer Integrationskraft, jeweils Montag bis Freitag von 09:00 Uhr bis 13:30 Uhr, zu gewähren. Zur Begründung führte das SG aus, die Klägerin sei erstangegangener Träger nach § 14 SGB IX. Sie habe den Antrag nicht unverzüglich an den eigentlich hierfür zuständigen Leistungsträger weitergeleitet, sodass sie auch den Antrag auf Gewährung von Eingliederungshilfe nach dem SGB XII umfassend zu prüfen habe und zur Erbringung der Leistung nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen verpflichtet sei. Bei Z. lägen auch die medizinischen Voraussetzungen für den Erhalt von Eingliederungshilfe vor. Aufgrund der Erkrankung an AGS liege eine wesentliche körperliche Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 SGB IX und im Sinne des § 1 Nr. 3 der auf der Grundlage des § 60 SGB XII ergangenen Eingliederungshilfe-Verordnung vor. Um die Teilhabe zu gewährleisten, reichten die durch die Beklagte – die Klägerin im hiesigen Verfahren – als gesetzliche Krankenkasse zu erbringenden Leistungen der häuslichen Krankenpflege nicht aus, es bestehe ein weiterer Assistenzbedarf, der durch die bereits vorhandenen Erzieherinnen im Kindergarten K1 nicht gedeckt werden könne. Bei Z. sei eine ständige vermehrte Beaufsichtigung und Beobachtung notwendig, da bei ihr ein deutlich erhöhtes gesundheitliches Risiko aufgrund der immer wieder auftretenden Anfälle mit der Gefahr der Bewusstlosigkeit bestehe. Aufgrund des damit bestehenden vermehrten Beaufsichtigungs- und Beobachtungsbedarfs habe sie neben einem Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach entsprechender vertragsärztlicher Verordnung einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe in Form einer Integrationskraft für den Kindergartenbesuch. Die Stadt M2 hatte der Klägerin hierzu mitgeteilt, der Beklagte schließe in solchen Fällen mit dem Leistungsanbieter einen Eingliederungshilfevertrag ab, der als Vorbild für eine Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Stadt M2 dienen könne.

Am 15. März 2021 fand eine Fallkonferenz statt, in welcher die abschließende Bewertung erfolgte, dass bei Z. eine wesentliche Behinderung bzw. eine drohende wesentliche Behinderung nach § 99 SGB IX vorliege.

Die Stadt M2 stellte eine Integrationskraft für die Begleitung von Z. im Kindergarten und stellte hierfür der Klägerin für die Zeit vom 1. November 2019 bis zum 31. August 2021 insgesamt 47.210,47 Euro in Rechnung, welche von dieser beglichen wurde.

Bereits mit Schreiben vom 7. Mai 2019 hatte die Klägerin gegenüber dem Beklagten einen Erstattungsanspruch nach § 105 Zehntes Buch Sozialgerichtsgesetzbuch (SGB X) geltend gemacht, den sie mit Schreiben vom 18. Oktober 2021 für die Zeit vom 1. November 2019 bis zum 31. August 2021 auf 47.210,17 Euro (2019: 4.343,27 Euro; 2020: 26.549,44 Euro; 2021: 16.317,46 Euro) bezifferte.

Nachdem der Beklagte eine Kostenerstattung abgelehnt hatte, hat die Klägerin am 9. März 2022 Klage zum SG erhoben, mit der sie eine Kostenerstattung für die Zeit vom 1. November 2019 bis zum 31. August 2021 in Höhe von insgesamt 47.210,17 Euro geltend gemacht hat.

Mit Urteil vom 21. März 2023 hat das SG den Beklagten verpflichtet, der Klägerin die Kosten für die Integrationskraft vom 1. November 2019 bis 31. August 2021 in Höhe von insgesamt 47.210,17 Euro zu erstatten. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, der Erstattungsanspruch richte sich nach § 104 SGB X sowie im Umfang nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Vorliegend sei die Klägerin durch das SG als erstangegangener Leistungsträger verurteilt worden, Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zu erbringen. Damit habe das SG in dem Verfahren S 10 KR 1395/19 den Bedarf der Z. hinsichtlich einer Integrationskraft bejaht; im Anschluss an den Kindergartenbesuch habe der Beklagte auch eine Schulbegleitung im Rahmen der Leistungen zur Teilhabe an Bildung für das Schuljahr 2021/22 als Bedarf anerkannt. Die Klägerin habe auch Eingliederungshilfeleistungen erbracht. Damit stehe ihr dem Grunde nach der begehrte Erstattungsanspruch zu. Hinsichtlich der Höhe habe der Beklagte nicht dargelegt, dass er den Leistungsanspruch auf Eingliederungshilfeleistungen hätte günstiger realisieren können, wenn er entsprechend angegangen worden wäre. Es sei deshalb davon auszugehen, dass auch der Beklagte Aufwendungen in derselben Höhe gehabt hätte, weshalb der Erstattungsanspruch in der geltend gemachten Höhe bestehe.

Gegen das ihm am 17. Mai 2023 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 1. Juni 2023 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er trägt vor, eine Erstattung nach der einzig in Betracht kommenden Rechtsgrundlage des § 104 SGB X habe die Klägerin nicht geltend gemacht, sondern den Kostenerstattungsantrag explizit zuerst auf § 105 SGB X und dann auf § 102 SGB X begrenzt. Auch die Höhe und der Zeitraum der begehrten Leistung sei nicht ausreichend bestimmt. Weiter habe die Klägerin nicht nachgewiesen, dass und in welcher Höhe sie rechtmäßig Leistungen erbracht habe. Bisher sei nicht dargestellt worden, welche Leistungen über die häusliche Krankenpflege hätten abgedeckt werden können und müssen. Ebenso seien keinerlei Nachweise zu einem Gesamtplan und zu einer Leistungs- bzw. Vergütungsvereinbarung mit der Stadt M2 bzw. der leistenden Person vorgelegt worden. Auch sei die Leistungserbringung nicht rechtmäßig erfolgt, da weder ein Bewilligungsbescheid erlassen worden sei noch Vereinbarungen im sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis zwischen der Leistungsempfängerin, der Leistungserbringerin und der Klägerin getroffen worden seien. Die Rechtmäßigkeit der erbrachten Leistungen sei somit weder in ihrer Höhe noch in ihrem Umfang nachgewiesen worden.

Weiter trägt der Beklagte vor (Schreiben vom 27. Juli 2023), sofern eine Inklusionskraft über die Eingliederungshilfe nach dem SGB IX bewilligt werde, erfolge die Abrechnung entsprechend verschiedener Pauschalen (pädagogische Hilfe, begleitende Hilfe, pädagogische/begleitende Hilfe). Diese Pauschalen könnten je nach Bedarf des Kindes auch miteinander kombiniert bzw. könnten Pauschalen auch doppelt bewilligt werden, so dass auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes eingegangen werden könne. Auch im Falle der Z. hätte er diese Pauschalen bewilligt, wobei es im Nachhinein schwierig sei festzustellen, welche Pauschalen genau bewilligt worden wären. Die Pauschalen seien grundsätzlich nicht darauf ausgelegt, die gesamte Betreuungszeit abzudecken, da die Träger der Kindergarteneinrichtung in der Pflicht seien, ggf. die übrige Zeit anderweitig abzudecken bzw. einen Teil der Kosten der Integrationskraft mitzutragen, da auch ihnen die zusätzliche Betreuungskraft zugutekomme. Grundsätzlich sei die Pauschale „Pädagogische + begleitende Hilfe“ (mtl. 997,10 Euro) der „Normalfall“. In Ausnahmefällen werde diese Pauschale doppelt bewilligt. Da der Fall der Z. etwas spezieller sei, hätte möglicherweise zweimal die Pauschale für begleitende Hilfe (mtl. 399,90 Euro) bewilligt werden können. Im vorliegenden Fall hätte ein Teil der Kosten für die Inklusionskraft auch über die von der Klägerin zu tragende Behandlungspflege abgedeckt werden können.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 21. März 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Sie trägt vor, mit dem Erstattungsanspruch würden Eingliederungshilfeleistungen geltend gemacht, die sie als vorleistender Träger erbracht habe. Spätestens seit dem Erlass des sozialgerichtlichen Beschlusses im Verfahren S 10 KR 588/19 ER vom 2. April 2019 habe der Beklagte gewusst, dass er materiell für die Leistungserbringung zuständig sei. Eine Vereinbarung über die Leistungserbringung sei mit der Stadt M2 nicht getroffen worden. Grundlage für die Zahlungen an die Stadt M2 sei der Beschluss des SG vom 2. April 2019 im Verfahren S 10 KR 588/19 ER gewesen. Danach seien die von der Stadt M2 vorgelegten Gehaltsabrechnungen für die Integrationskraft übernommen worden.

Die Klägerin trägt weiter vor, Krankenbeobachtungen stellten keine behandlungspflegerischen Maßnahmen dar, es sei auch aufgrund der gut eingestellten Medikation zu keinen lebensbedrohlichen Situationen, bei denen schnell eingegriffen werden musste, gekommen. Damit könnten nur die Kosten für den Einsatz im Rahmen der Medikamentengabe angerechnet werden. Für den Einsatz einer Medikamentengabe hätten nach den damaligen Preisen rund 11,00 Euro angesetzt werden können. Bei einem Besuch der Kita an fünf Tagen pro Woche und 20 Ferientagen könnten ohne Berücksichtigung krankheitsbedingter Ausfälle 230 Tage pro Kalenderjahr der Berechnung zugrunde gelegt werden. Werde unterstellt, dass während des Besuches in der Kita zwei Einsätze für die Medikamentengabe angefallen seien, ergäben sich 460 Einsätze und damit Kosten in Höhe von 5.060,00 Euro pro Jahr. Nach der Umrechnung auf einen Kalendermonat seien Kosten in Höhe von 421,66 Euro pro Monat angefallen. Bei zweiundzwanzig Monaten seien der Klägerin Kosten höchstens in Höhe von 9.276,52 Euro entstanden.

In der mündlichen Verhandlung am 7. November 2024 hat die Klägerin die Klage zurückgenommen, soweit ein Erstattungsbetrag von mehr als 37.933,65 Euro geltend gemacht worden ist.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beteiligten, die Akten des SG S 10 KR 588/19 ER, S 10 KR 1395/19 und S 5 SO 454/22 sowie die Senatsakten ergänzend Bezug genommen.


Entscheidungsgründe

Die Berufung ist statthaft (§ 143 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die Berufung nicht zulassungsbedürftig, da der Wert des Beschwerdegegenstands in der vorliegenden Erstattungsstreitigkeit 10.000 Euro überschreitet (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG).

Der Senat konnte über die Sache entscheiden, ohne dass der Leistungsberechtigte notwendig nach § 75 Abs. 2 SGG beizuladen war. Dessen Rechtsposition wird durch den Erstattungsstreit mehrerer Sozialhilfeträger nicht berührt (vgl. Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 28 m. w. N.).

Streitgegenständlich ist der Erstattungsanspruch der Klägerin gegen den Beklagten für die an die Stadt M2 gezahlten Kosten einer Integrationskraft für den Besuch des Kindergartens durch Z. vom 1. November 2019 bis zum 31. August 2021, den diese zutreffend mit der (echten) Leistungsklage gem. § 54 Abs. 5 SGG geltend macht. Nachdem die Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Klage teilweise zurückgenommen hat (§ 102 Abs. 1 SGG), ist die Berufung des Beklagten nicht begründet.

1. Vorliegend ist eine unter das Regelungsgefüge der §§ 14 ff. SGB IX fallende Sachlage gegeben, denn Z. hatte bei der Klägerin am 18. Oktober 2018 einen Antrag auf Unterstützungspflege nach § 37 Abs. 1a SGB V in Form der Bewilligung einer Integrationskraft für den Besuch des Kindergartens und mithin (auch) einen Antrag auf Teilhabeleistungen i.S.d. § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IX gestellt, den dieser nicht innerhalb der Frist des § 14 Abs. 1 SGB IX an einen anderen Rehabilitationsträger weitergeleitet hat. Damit ist die Klägerin erstangegangener Träger im Sinne des § 14 Abs. 1 SGB IX.

Der umfassenden Anwendung der §§ 14 ff. SGB IX in der hiesigen Sache steht auch nicht entgegen, dass die Leistungen der Eingliederungshilfe mit Ablauf des 31. Dezember 2019 aus dem Recht der Sozialhilfe herausgelöst worden sind und seit dem 1. Januar 2020 dem neu geschaffenen Regelungsgefüge der §§ 90 ff. SGB IX unterfallen (vgl. dazu BSG, Urteil vom 28. Januar 2021 – B 8 SO 9/19 R – juris Rdnr. 19). Denn der Antrag vom 18. Oktober 2018 ist nicht nur als Antrag auf Unterstützungspflege, sondern auf Rehabilitationsleistungen nach allen in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen zu werten, welcher mithin insgesamt – für alle Rechtsbereiche – den Prüfungs- und Weiterleitungspflichten aus § 14 SGB IX unterfällt. Daher kann jedenfalls in der hiesigen Sache, in welcher die Krankenkasse wegen der Nichtweiterleitung des Antrags auf Unterstützungspflege die Klägerin gem. § 14 Abs. 2 SGB IX zuständiger Rehabilitationsträger geworden ist, dahinstehen, ob sich eine vor der Herauslösung der Eingliederungshilfe aus dem Sozialhilferecht nach § 14 SGB IX begründete Zuständigkeit eines Rechtsträgers, der auch nach dem 1. Januar 2020 Rehabilitationsträger i.S.d. § 6 SGB IX (geblieben) ist, ohnehin auch über den 31. Dezember 2019 hinaus erstreckt (so bereits Senatsurteil vom 20. Januar 2022 – L 7 SO 3290/20 – juris Rdnr. 31; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10. November 2020 – L 8 SO 84/20 ER – juris Rdnrn. 10 ff.; verneinend Eicher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 3. Aufl., Anhang zu § 19 SGB XII – Stand: 17. Dezember 2021 – Rdnr. 2.2 ff.; zu der Konstellation einer vor dem 1. Januar 2020 begründeten Zuständigkeit eines Sozialhilfeträgers für Leistungen der Eingliederungshilfe vgl. Senatsurteil vom 22. Februar 2024 – L 7 SO 87/23 – juris Rdnr. 42). Denn die Zuständigkeit der Klägerin als Rehabilitationsträger nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB IX für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation (§ 5 Nr. 1 SGB IX), welche ihre Zuständigkeit als erstangegangener Rehabilitationsträger begründet, wurde durch die Neuregelung des Rechts der Eingliederungshilfe zum 1. Januar 2020 nicht berührt.

2.
Die Klägerin kann sich nicht auf die in § 16 SGB IX für die Fallgestaltungen der §§ 14 und 15 SGB IX geregelten Erstattungsansprüche stützen. Ein Anspruch aus § 16 Abs. 1 i.V.m. § 14 Abs. 2 Satz 4 SGB IX scheidet bereits aus, da dieser eine Leistung des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers – mithin des Trägers, an welchen von einem anderen, zuerst angegangenen Rehabilitationsträger ein Antrag auf Leistungen zur Teilhabe weitergeleitet worden ist – vorsieht, der hier maßgebliche Antrag aber bei der Klägerin als mithin erstangegangenem Rehabilitationsträger gestellt worden ist. Auch soweit § 16 SGB IX dem erstangegangenen Träger Erstattungsansprüche zuspricht, sind deren Voraussetzungen nicht erfüllt. Ein Erstattungsanspruch aus § 16 Abs. 2 und 5 SGB IX scheidet aus, da die Klägerin keinen anderen Rehabilitationsträger im Sinne des § 15 SGB IX beteiligt hat, daneben liegt hinsichtlich des § 16 Abs. 5 SGB IX auch kein Fall selbstbeschaffter Leistungen vor.

Auch die Voraussetzungen der speziell sozialhilferechtlichen Erstattungsregelungen sind nicht erfüllt. Insbesondere scheidet ein Anspruch nach § 106 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, nach welchem der nach § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII zuständige Träger der Sozialhilfe dem nach § 98 Abs. 2 Satz 3 vorläufig leistenden Träger die aufgewendeten Kosten zu erstatten hat, bereits deswegen aus, weil die Leistungsberechtigte nicht in einer stationären Einrichtung untergebracht war (Senatsurteil vom 20. Januar 2022 – L 7 SO 3290/20 – juris Rdnrn. 32 f.)

Damit verbleiben die allgemeinen Erstattungsregelungen der §§ 102 ff. SGB X als mögliche Grundlagen des seitens der Klägerin geltend gemachten Anspruchs. Diese sind – mangels entgegenstehender Vereinbarung der Rehabilitationsträger – mit Ausnahme des § 105 SGB X (vgl. § 16 Abs. 4 Satz 1 SGB IX) auch in einer unter § 14 SGB IX unterfallenden Konstellation nicht von vorneherein für den erstangegangenen Träger, mithin hier die Klägerin, ausgeschlossen. Das zunächst bis zum 31. Dezember 2016 in § 14 Abs. 4 SGB IX und nunmehr in § 16 SGB IX normierte Erstattungssystem regelt Erstattungsansprüche nicht abschließend (vgl. BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 – B 5 R 44/08 RBSGE 104, 294-303, SozR 4-3250 § 14 Nr. 9, juris Rdnr. 15; BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 34/06 RBSGE 98, 267, SozR 4-3250 § 14 Nr. 4, juris Rdnr. 27 f.; BSG, Urteil vom 25. September 2014 - B 8 SO 7/13 – juris). Streitigkeiten über die Zuständigkeitsfrage einschließlich der vorläufigen Leistungserbringung bei ungeklärter Zuständigkeit sollen nach § 14 Abs. 1 und 2 SGB IX nicht mehr zu Lasten der behinderten Menschen gehen (BT-Drucks. 14/5074, S. 95). Deshalb soll nach § 14 Abs. 1 SGB IX der zuerst angegangene Leistungsträger kurzfristig seine Zuständigkeit prüfen und den Antrag bei negativem Ergebnis an den seiner Auffassung nach zuständigen Rehabilitationsträger weiterleiten, der dann im Verhältnis zum Versicherten zuständig und ihm gegenüber leistungspflichtig ist (BT-Drucks. 14/5074, S. 102). Das System der Erstattungsansprüche muss dem Primärzweck des § 14 SGB IX, der schnellen Zuständigkeitsklärung im Außenverhältnis, dienen. Notwendiges Korrelat der schnellen und strikten Zuständigkeitsklärung im Außenverhältnis zum Versicherten unter Beibehaltung des gegliederten Sozialsystems (§ 7 SGB IX) ist ein umfassender Ausgleichsmechanismus, der sicherstellt, dass der Rehabilitationsträger seine Zuständigkeit im Rahmen von § 14 SGB IX bejahen kann, ohne allein deshalb verpflichtet zu sein, im Verhältnis zu anderen Rehabilitationsträgern diese Lasten auch endgültig zu tragen. Hätte die Leistungserbringung durch den erstangegangenen Rehabilitationsträger zwingend den Ausschluss von Erstattungsansprüchen zur Folge, während eine nachträgliche Zuständigkeitsprüfung im Rahmen von Erstattungsstreitigkeiten des zweitangegangenen Rehabilitationsträgers stets gewährleistet wäre, könnte dies ein Anreiz sein, Rehabilitationsanträge – und sei es unter den fadenscheinigsten Vorwänden – weiterzuleiten (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 34/06 R – juris Rdnrn. 15, 26; BSG, Urteil vom 20. Oktober 2009 – B 5 R 44/08 RBSGE 104, 294-303, SozR 4-3250 § 14 Nr. 9, juris Rdnr. 16; Senatsurteil vom 20. Januar 2022 – L 7 SO 3290/20 – juris Rdnr. 34).

Daher kommt zur „nachträglichen Korrektur“ der irrtümlichen Bejahung seiner Zuständigkeit durch den erstangegangenen Träger im Erstattungswege ein Anspruch wegen nachrangiger Verpflichtung des Leistungsträgers aus § 104 SGB X in Betracht. Das beruht darauf, dass § 14 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX einerseits die Zuständigkeit gegenüber dem Menschen mit Behinderung schnell, klar und endgültig regelt, andererseits die „eigentliche“ Zuständigkeitsordnung (außerhalb des § 14 SGB IX) im Verhältnis der Rehabilitationsträger untereinander nicht antasten will. Deshalb schafft § 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX nur eine nachrangige Zuständigkeit, die es zulässt, dass der erstangegangene Rehabilitationsträger im Rahmen eines Erstattungsstreits sich die Kosten der Rehabilitationsmaßnahmen nach § 104 SGB X vom „eigentlich“ zuständigen, in diesem Sinne vorrangigen Rehabilitationsträger erstatten lässt. Der Träger, der irrtümlich seine Zuständigkeit bejaht, wird damit nicht – im dargelegten Sinne dem Primärziel des § 14 SGB IX zuwiderlaufend – dauerhaft mit den Kosten der Rehabilitationsmaßnahme belastet. Er wird aber auch nicht wie ein vorleistungspflichtiger oder zweitangegangener Träger in der Rechtsfolge privilegiert, sondern erhält Erstattung nur im Umfang des § 104 Abs. 3 SGB X nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 34/06 RSozR 4-1300 § 104 Nr. 2 Rdnr. 27f.; Senatsurteil vom 22. Februar 2024 – L 7 SO 87/23 – juris Rdnr. 44).


Unbeachtlich ist, dass die Klägerin als Anspruchsgrundlage die Norm des § 105 SGB X angegeben hat, auf die der geltend gemachte Anspruch nicht gestützt werden kann. Das Gericht prüft nämlich den geltend gemachten Anspruch hinsichtlich aller in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen.

Der Klägerin steht ein Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X zu, und zwar sowohl in der bis zum 31. Dezember 2019 geltenden Fassung als auch in der seit dem 1. Januar 2020 gültigen, als einziger Neuerung die geänderte Trägerschaft der Eingliederungshilfe berücksichtigenden Fassung. Nach § 104 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Nachrangig verpflichtet ist ein Leistungsträger, soweit dieser bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre (§ 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X). Der Erstattungsanspruch des § 104 SGB X, der auch die Geltendmachung von Aufwendungsersatz und die Erhebung von Kostenbeiträgen seitens der Träger der Sozialhilfe erfasst (§ 104 Abs. 1 Satz 4 SGB X a.F.), setzt damit als Grundkonstellation voraus, dass gestufte Leistungspflichten (mindestens) zweier Leistungsträger nebeneinander bestehen (BSG, Urteil vom 25. September 2014 – B 8 SO 7/13 R –, BSGE 117, 53-64, SozR 4-3500 § 54 Nr. 13 – juris Rdnr. 24).

In Fällen, in denen ein (erstangegangener) Leistungsträger insbesondere infolge unterlassener oder fehlerhafter Zuständigkeitsprüfung Leistungen erbringt, ohne dass ein Fall des § 103 SGB X oder eine zielgerichtete Zuständigkeitsanmaßung, die eine Erstattung nach § 104 SGB X ausschließen würde, vorliegt, begründet § 14 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB IX für das Erstattungsverhältnis zwischen den Trägern eine nachrangige Zuständigkeit des erstangegangenen Trägers, wenn er außerhalb der durch § 14 SGB IX geschaffenen Zuständigkeitsordnung unzuständig, ein anderer Träger aber eigentlich zuständig gewesen wäre (BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 28 Rdnr. 13f.). Darauf, dass Kläger und Beklagter außerhalb des § 14 SGB IX nicht in einem Verhältnis des Vor- oder Nachrangs zueinander stehen, kommt es nicht an; denn § 14 SGB IX schafft gerade das von § 104 SGB X vorausgesetzte Verhältnis des Vor- und Nachrangs und lässt das von sonstigen Vorschriften bestimmte Verhältnis der Rehabilitationsträger zueinander, auch solcher, die unabhängig von § 14 SGB IX in einem Vorrang-/Nachrangverhältnis stehen können, unberührt (BSG, Urteil vom 1. März 2018 – B 8 SO 22/16 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 28 Rdnr. 14). Die Klägerin war für die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe nicht originär zuständig, sondern wurde dies erst, weil der Rehabilitationsantrag der Z. nicht weitergeleitet worden war. Zuständig hierfür war vielmehr der Beklagte, so dass grundsätzlich die Voraussetzungen eines Erstattungsanspruchs nach § 104 SGB X gegeben sind.

Für die von der Klägerin erbrachten Leistungen – mit Ausnahme der Leistungen für die häusliche Krankenpflege – wäre außerhalb der Zuständigkeitsbestimmung des § 14 SGB IX eigentlich der Beklagte sowohl für die Zeit bis 31. Dezember 2019 als Träger der Sozialhilfe als auch für die Zeit ab 1. Januar 2020 als Träger der Eingliederungshilfe sachlich und örtlich zuständig gewesen.

Bis zum 31. Dezember 2019 bestimmt sich die sachliche Zuständigkeit nach §§ 3 Abs. 1 und 2, 97 Abs. 1 SGB XII, §§ 1 Abs. 1, 2 Gesetz zur Ausführung des SGB XII in der ab 1. Januar 2005 geltenden Fassung des Art. 122 des Verwaltungsstruktur-Reformgesetzes vom 1. Juli 2004 (AGSGB XII). Danach ist für die Sozialhilfe sachlich zuständig der örtliche Träger der Sozialhilfe, soweit nicht der überörtliche Träger sachlich zuständig ist. Die sachliche Zuständigkeit des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe wird gemäß § 97 Abs. 2 Satz 1 SGB XII nach Landesrecht bestimmt. Soweit Landesrecht keine Bestimmung nach Absatz 2 Satz 1 enthält, ist der überörtliche Träger der Sozialhilfe insbesondere für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach den §§ 53 bis 60 sachlich zuständig (§ 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII). In Baden-Württemberg ist – abweichend von der grundsätzlichen Zuständigkeit des überörtlichen Sozialhilfeträgers nach § 97 Abs. 3 Nr. 1 SGB XII – nach § 2 Satz 1 AGSGB XII der örtliche Sozialhilfeträger zuständig für die in § 8 SGB XII genannten Hilfen, somit für die Eingliederungshilfe für behinderte Menschen nach §§ 53 bis 60a SGB XII a.F. (§ 8 Nr. 4 SGB XII in der bis 31. Dezember 2019 gültigen Fassung).

Für die Zeit ab 1. Januar 2020 bestimmt sich die sachliche Zuständigkeit nach Landesrecht (§ 94 Abs. 1 SGB IX n.F.). Nach § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (AGSGB IX) vom 10. April 2018 sind Träger der Eingliederungshilfe nach § 94 Abs. 1 SGB IX die Stadt- und Landkreise. Örtlich zuständig ist gemäß § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB IX n.F. bei Personen, die am 31. Dezember 2019 Leistungen nach dem Sechsten Kapitel des SGB XII in der am 31. Dezember 2019 geltenden Fassung bezogen haben und auch ab dem 1. Januar 2020 Leistungen nach Teil 2 des SGB IX erhalten, der Träger der Eingliederungshilfe, dessen örtliche Zuständigkeit sich am 1. Januar 2020 im Einzelfall in entsprechender Anwendung von § 98 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 5 SGB XII oder in entsprechender Anwendung von § 98 Absatz 2 Satz 1 und 2 in Verbindung mit § 107 SGB XII ergeben würde. Danach ergibt sich auch für die Zeit ab dem 1. Januar 2020 eine örtliche Zuständigkeit des Beklagten.

3. Der Beklagte kann mit dem Vortrag nicht mehr durchdringen, es habe kein durch ihn zu deckender Eingliederungshilfebedarf vorgelegen. Der Hilfebedarf der Z. war vielmehr Gegenstand des Klageverfahrens S 10 KR 1395/19. Das SG hat in dem dortigen Gerichtsbescheid vom 11. August 2021 ausgeführt, bei Z. seien die Voraussetzungen für den Erhalt von Leistungen der Eingliederungshilfe im streitigen Zeitraum erfüllt. Zu diesem Verfahren war der Beklagte gem. § 75 Abs. 2 SGG notwendig beigeladen. Sind danach an dem streitigen Rechtsverhältnis Dritte derart beteiligt, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann oder ergibt sich im Verfahren, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, ein Träger der Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz oder in Angelegenheiten des Sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt, so sind sie beizuladen.

Ob der Beklagte der im Sinne des § 14 SGB IX für die Rehabilitationsleistung der Eingliederungshilfe eigentlich zuständige Rehabilitationsträger ist, ist im vorliegenden Prozess wegen der Rechtskraft des Gerichtsbescheids des SG vom 11. August 2021 nicht mehr zu prüfen. Insoweit wirkt die Rechtskraft jener Entscheidung nicht nur gegenüber Z. und der Klägerin im vorliegenden Verfahren (als Beklagte jenes Verfahrens), sondern wegen der dortigen Beiladung auch gegenüber dem jetzigen Beklagten (BSG, Urteil vom 25. April 2013 – B 8 SO 12/12 R – juris Rdnr. 11). Der Beklagte war durch den Gerichtsbescheid des SG auch materiell beschwert, weil aufgrund des Gerichtsbescheids ein Erstattungsanspruch in Betracht kam (LSG Baden-Württemberg – Urteil vom 17. August 2022 – L 2 SO 63/22 – juris Rdnr. 34).

Allerdings reicht die Bindungswirkung rechtskräftiger Urteile nach § 141 Abs. 1 SGG nur soweit, wie über den Streitgegenstand entschieden worden ist. In späteren Prozessen darf eine bereits rechtskräftig entschiedene Vorfrage nicht anders entscheiden werden.

Zwar nehmen die Entscheidungsgründe an der aus der Rechtskraft eines Urteils folgenden Bindungswirkung grundsätzlich nicht teil (Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Aufl. 2023, § 141 Rdnr. 7 ff.), jedoch gilt eine Ausnahme im Falle der Präjudizialität für einen Folgeprozess (vgl.  Schütz in jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 141 Rdnr. 41), die hier gegeben ist. Eine Präjudizialität liegt vor im Falle der direkten Abhängigkeit der im Zweitprozess geltend gemachten Rechtsfolge von der Rechtsfolge, über die im Erstprozess entschieden worden ist. Voraussetzung ist eine Identität der Streitgegenstände, d.h. eine Deckungsgleichheit des in dem früheren und in dem erneut anhängig gemachten Rechtsstreit erhobenen Anspruchs (BSG, Urteil vom 6. Februar 1992 –  7 RAr 78/90, SozR 3-1500 § 54 Nr. 9; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Juni 2022 – L 11 KR 1253/22 – juris Rdnr. 41). Das Urteil des SG ist präjudiziell in einem Prozess über die Erstattung der Aufwendungen der Klägerin durch den damaligen Beigeladenen bzw. jetzigen Beklagten. In einem Prozess über die Erstattung kommt es entscheidend darauf an, dass bzw. ob die jetzige Klägerin die Leistungen nach den für den jetzigen Beklagten geltenden materiellen Vorschriften und nicht aufgrund eigener originärer Zuständigkeit zu erbringen hatte.

Durch die Entscheidung des SG ist jedoch nicht im Sinne einer Präjudizialität bindend festgestellt, dass allein Leistungen der Eingliederungshilfe durch die jetzige Klägerin als erstangegangener Rehabilitationsträger zu erbringen waren, sondern lediglich, dass sie auch für die Erbringung der Leistungen der Eingliederungshilfe im Außenverhältnis zu Z. zuständig war. Die Frage, ob und in welcher Höhe daneben ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestanden hat, hat das SG im Verfahren S 10 KR 1395/19 nicht entschieden.

Das SG hat im Gerichtsbescheid vom 11. August 2021 (S 10 KR 1395/19) lediglich entschieden, dass die jetzige Klägerin verpflichtet ist, der Z. für den Zeitraum ihrer Kindergartenzeit vom 4. September 2018 bis zum 13. August 2021 Eingliederungshilfe in Form einer Inklusionskraft jeweils Montag bis Freitag von 9:00 bis 13:30 Uhr zu gewähren. Es hat damit jedoch nicht entschieden, in welcher Höhe Leistungen zu erbringen sind. Es hat auch nicht entschieden, dass lediglich Leistungen der Eingliederungshilfe als Leistungen zur sozialen Teilhabe und nicht auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation zu erbringen sind. Das SG hat in den Entscheidungsgründen vielmehr ausgeführt, um die Teilhabe zu gewährleisten reichten die durch die jetzige Klägerin als gesetzliche Krankenkasse zu erbringenden Leistungen der häuslichen Krankenpflege nicht aus. Über diese Leistungen hinaus bestehe ein weiterer Assistenzbedarf. Bei Z. sei eine ständige vermehrte Beaufsichtigung und Beobachtung notwendig, da bei ihr ein deutlich erhöhtes gesundheitliches Risiko aufgrund der immer wieder auftretenden Anfälle mit der Gefahr der Bewusstlosigkeit bestehe. Aufgrund des vermehrten Beaufsichtigungs- und Beobachtungsbedarfes habe Z. neben einem Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach entsprechender vertragsärztlicher Verordnung einen Anspruch auf Gewährung von Eingliederungshilfe. Damit ist eine Leistungspflicht der Klägerin für Leistungen der häuslichen Krankenpflege neben den Leistungen der Eingliederungshilfe grundsätzlich bejaht worden.

Bei Z. lagen die Voraussetzungen für die Gewährung von häuslicher Krankenpflege nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V vor. Danach erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege). In den Richtlinien nach § 92 SGB V legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können (§ 37 Abs. 6 SGB V). Der GBA hat in Umsetzung seiner gesetzlichen Verpflichtung in der Häusliche Krankenpflege-Richtlinie (HKP-Richtlinie) vom 17. September 2009 (BAnz vom 9. Februar 2010, zuletzt geändert am 17. September 2020, BAnz AT 4. Dezember 2020 B3) nähere Festlegungen vorgenommen. Der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungssicherungspflege besteht neben dem Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege aus der sozialen Pflegeversicherung (§ 13 Abs. 2 SGB XI). Zur Behandlungspflege gehören alle Pflegemaßnahmen, die durch bestimmte Erkrankungen erforderlich werden, speziell auf den Krankheitszustand des Versicherten ausgerichtet sind und dazu beitragen, die Krankheit zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu verhindern oder zu lindern, wobei diese Maßnahmen typischerweise nicht von einem Arzt, sondern von Vertretern medizinischer Hilfsberufe oder auch von Laien erbracht werden. Die Hilfeleistungen umfassen Maßnahmen verschiedenster Art, wie z.B. Injektionen, Verbandwechsel, Katheterisierung, Einläufe, Spülungen, Einreibungen, Dekubitusversorgung, Krisenintervention, Feststellung und Beobachtung des jeweiligen Krankenstandes und der Krankheitsentwicklung, die Sicherung notwendiger Arztbesuche, die Medikamentengabe sowie die Kontrolle der Wirkungen und Nebenwirkungen von Medikamenten (BSG, Urteil vom 10. November 2005 – B 3 KR 38/04 R – juris Rdnr. 14 m.w.N.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Juli 2022 – L 5 KR 2686/21 – juris Rdnr. 40).

Die Notwendigkeit von häuslicher Krankenpflege entnimmt der Senat dem Aktenvermerk zur Fallkonferenz vom 15. März 2021, wonach die Nebennierenrinde von Z. kein Cortison und kein Aldosteron produzieren kann. Durch eine reguläre Cortisongabe drei Mal täglich solle der normale Cortisonspiegel erreicht werden. Werde weiteres Cortison aufgrund von Stresssituationen benötigt, müsse eine zusätzliche Cortisongabe erfolgen. Da es hierzu keinen Messwert gebe, sei es schwer abzuschätzen, wann sie zusätzlich Cortison benötige, um eine Entgleisung zu vermeiden. Sowohl positiver, als auch negativer Stress machten eine zusätzliche Vergabe von Cortison erforderlich. In Stresssituationen, bei Aufregung oder körperlichen Verletzungen sei eine zusätzliche Cortisongabe notwendig. Auslöser hierfür seien bisher körperliche Verletzungen, Vorfreude auf Feste, heiße Sommertage, zu viel Bewegung, Konflikte, Ungeduld, Krankheiten, Hochzeiten oder die Vorfreude auf Weihnachten gewesen. Erfolge in diesen Situationen keine zusätzliche Cortisongabe, könne dies zu Stoffwechselentgleisungen führen, während denen Z. ohnmächtig werde. In diesen Situationen müsse sehr schnell gehandelt werden, da diese sonst lebensbedrohlich werden könnten. Es verblieben dann etwa 20 Minuten bis zu einer intensivmedizinischen Behandlung. Falle jegliche Behandlung aus, könne dies bis zum Tode führen. Inzwischen könnten frühe Anzeichen von geschulten und mit ihr vertrauten Personen erkannt und behandelt werden. Wenn Z. zu wenig Cortison (oder seltener Aldosteron) im Blut habe, bestehe die Möglichkeit, dass sie bei nicht regelmäßiger Kohlenhydratzufuhr unterzuckere. Dies sei messbar und im Kindergarten schon häufig vorgekommen. In diesen Situationen schwitze sie sehr stark, lalle oder sei eingetrübt. Nachts wache sie bei Unterzuckerung auf und esse etwas, wenn es ihr nicht gut gehe. Es bestehe jederzeit die Gefahr einer Unterzuckerung, unter Umständen mit lebensbedrohlichem Verlauf. Inzwischen könnten unter Beobachtung einer Person, die sie kenne, frühe Anzeichen erkannt werden. Bei Bedarf müsse ihr dann Zucker zugeführt werden, in Abwägung mit oder ohne Cortison. Für den Notfall trage sie immer Traubenzucker bei sich. Es komme auch vor, dass sie trotz eines unauffälligen Blutzuckerwerts entgleise und der Kreislauf kollabiere. Sie falle dann in einen hyporeagiblen Zustand, erbreche meist und sei nicht mehr ansprechbar. Hier sei schnellstmöglich eine intensivmedizinische Versorgung notwendig, da sich ihr Zustand andernfalls lebensbedrohlich verschlechtern könne.

Die Beobachtung eines Versicherten durch eine medizinische Fachkraft wird grundsätzlich von dem Anspruch auf Behandlungssicherungspflege erfasst, wenn die medizinische Fachkraft wegen der Gefahr von ggf. lebensgefährdenden Komplikationen jederzeit einsatzbereit sein muss. Soweit die HKP-Richtlinien medizinisch notwendige Maßnahmen von der häuslichen Krankenpflege ausnehmen, sind sie für die Gerichte nicht bindend (BSG, Urteil vom 17. März 2005 – B 3 KR 35/04 RBSGE 94, 205 = SozR 4-2500 § 37 Nr. 4; BSG, Urteil vom 10. November 2005 – B 3 KR 38/04 RSozR 4-2500 § 37 Nr. 6; Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 2024, § 37 Rdnr. 107).

Dementsprechend hat die Klägerin auch in der mündlichen Verhandlung die Klage in Höhe von 9.276,52 Euro zurückgenommen und den Klagantrag auf 37.933,95 Euro beschränkt. Höhere Kosten für die häusliche Krankenpflege sind jedenfalls nicht entstanden. Die Klägerin hat ihrer Berechnung zugrunde gelegt, dass an fünf Tagen pro Woche bzw. an 230 Tagen im Jahr (250 Arbeitstage abzüglich 20 Tage Ferien) zwei Einsätze für die Medikamentengabe angefallen sind, für die jeweils Kosten von 11,00 Euro anzusetzen waren, so dass bei 460 Einsätzen jährlich Kosten von 5.060,00 Euro pro Jahr bzw. von 421,66 Euro je Kalendermonat angefallen sind, woraus sich bei 22 Monaten damit Kosten in Höhe von 9.276,52 Euro für die häusliche Krankenpflege ergeben. Nachdem nach den vorliegenden Unterlagen dreimal täglich eine Medikamentengabe erforderlich war und nur eine dieser Medikamentengaben zwingend in die Kindergartenzeit fiel, bestand jedenfalls kein höherer Kostenbedarf für die häusliche Krankenpflege.

4. Der Erstattungsanspruch ist fristgemäß geltend gemacht worden. Nach § 111 SGB X ist der Anspruch auf Erstattung ausgeschlossen, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht. Der Lauf der Frist beginnt frühestens mit dem Zeitpunkt, zu dem der erstattungsberechtigte Leistungsträger von der Entscheidung des erstattungspflichtigen Leistungsträgers über seine Leistungspflicht Kenntnis erlangt hat. Die Leistung wurde erbracht für die Zeit vom 1. November 2019 bis zum 31. August 2021. Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs mit Schreiben vom 7. Mai 2019, der mit Schreiben vom 18. Oktober 2021 beziffert worden ist, war danach fristgerecht.

5. Der Erstattungsanspruch in der zuletzt geltend gemachten Höhe ist auch begründet, da die Sozialleistungen insoweit rechtmäßig erbracht worden sind (Böttiger in LPK-SGB X, 6. Aufl. 2023, § 104 Rdnr. 14; Pattar in jurisPK-SGB X, Stand 24. November 2023, § 104 Rdnr. 28).

Die Sozialleistungen, und zwar sowohl die erbrachten als auch diejenigen, die letztlich zu erbringen sind, müssen rechtmäßig sein – abgesehen von den in § 105 SGB X geregelten Fällen der Unzuständigkeit (BSG, Urteil vom 22. Mai 1985 – 1 RA 33/84BSGE 58, 119, SozR 1300 § 104 Nr. 7, juris Rdnr. 23; BSG, Urteil vom 19. März 1992 – 7 RAr 26/91BSGE 70, 186, SozR 3-1200 § 53 Nr. 4 = SGb 1993, 70 ff; BSG, Urteil vom 25.  Januar 1994 – 7 RAr 42/93BSGE 74, 36, SozR 3-1300 § 104 Nr. 8; BSG, Urteil vom 28. August 1997 – 14/10 RKg 11/96BSGE 81, 30, SozR 3-1300 § 104 Nr. 12, juris Rdnr. 13; BSG, Urteil vom 17. Dezember 2013 – B 1 KR 50/12 R – SozR 4-3250 § 14 Nr. 20, Rdnr. 24 zu § 105). Bei zu Unrecht erbrachten Sozialleistungen hat der Leistungserbringer ggf. einen Anspruch gegen den Leistungsempfänger, nicht aber gegen einen anderen Leistungsträger (Becker in Hauck/Noftz, 1. Ergänzungslieferung 2024, Vorbemerkung zu §§ 102 – 114, Rdnr. 67).

a. Einer Erstattungspflicht steht zunächst nicht entgegen, dass die Klägerin geleistet hat, obwohl sie ihre Zuständigkeit verneint, gleichwohl den Antrag jedoch nicht weitergeleitet hat. Nach der Rechtsprechung des BSG (BSG, Urteil vom 26. Juni 2007 – B 1 KR 34/06 R; BSG, Urteil vom 11. September 2018 – B 1 KR 6/18 R – juris Rdnr. 15; LSG Hamburg, Urteil vom 30. Juni 2020 – L 3 135/18 – juris Rdnr. 40) ist zwar eine Erstattungspflicht ausgeschlossen, wenn der erstangegangene Rehabilitationsträger aufgrund eines Antrags bei ihm seine Zuständigkeit geprüft und verneint hat, dann jedoch dennoch leistet, weil dadurch zielgerichtet in fremde Angelegenheiten eingegriffen und das Weiterleitungsgebot des § 14 Abs. 1 Satz 2 SGB IX missachtet wird. Soweit das LSG Hamburg in der angeführten Entscheidung dem den Fall gleichgestellt hat, dass der erstangegangene Träger bei Antragstellung überhaupt keine Zuständigkeitsprüfung vornimmt und die Zwei-Wochen-Frist ergebnislos verstreichen lässt, liegt eine entsprechende Konstellation hier nicht vor. Die Klägerin hat vielmehr im Bescheid vom 20. November 2018 – nach vorheriger Einholung eines MDK-Gutachtens – Leistungen nach dem SGB V abgelehnt und weiter ausgeführt, für die begehrte Leistung einer Inklusionskraft kämen allein Leistungen der Eingliederungshilfe in Betracht. Die Beklagte hat sodann auch nicht „dennoch“ geleistet, sondern erst nach Verurteilung durch das SG.

b. Eine rechtmäßige Leistungserbringung setzt – jedenfalls in der vorliegenden Konstellation – kein abgeschlossenes Gesamtplanverfahren voraus. Zutreffend ist zwar, dass auch der erstangegangene Rehabilitationsträger, der den Antrag nicht weiterleitet, zur Leistungserbringung unter allen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen verpflichtet ist und diese Verpflichtung auch die Durchführung der dort jeweils vorgegebenen Verfahren umfasst. Allerdings ist weiter zu berücksichtigen, dass mit dem Gesamtplanverfahren erst zu beginnen ist, wenn die Zuständigkeit geklärt ist (Bieritz-Harder in Dau/Düwell/Joussen/Luik, Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen, 6. Aufl. 2022, § 120 SGB IX Rdnr. 6). Eine endgültige Klärung der Zuständigkeit der Klägerin für die Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe erfolgte erst mit Erlass des Gerichtsbescheids am 11. August 2021 und damit vor dem unmittelbaren Ende des Leistungszeitraums am 31. August 2021, so dass ein Gesamtplanverfahren erst nach Abschluss der Leistungserbringung durchzuführen gewesen wäre. Zudem wird in den „Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gesamtplanung in der Eingliederungshilfe und ihr Verhältnis zur Teilhabeplanung“ (NDV 2019, 337 - 345) ausgeführt, dass das Gesamtplanverfahren in jedem Fall vom Träger der Eingliederungshilfe durchzuführen sei (vgl. auch Wehrhahn in jurisPK-SGB IX, Stand 22. August 2024, § 117 Rdnr. 9). Danach wäre es treuwidrig von dem Beklagten, dem Erstattungsanspruch das von ihm durchzuführende fehlende Gesamtplanverfahren entgegenzuhalten.

Zwar ist die im Gesamtplanverfahren zu erfolgende Bedarfsermittlung von zentraler Bedeutung. Insoweit ist vorliegend jedoch zu berücksichtigen, dass eine von der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren S 10 KR 588/19 ER und im Klageverfahren S 10 KR 1395/19 ausgesprochenen Verpflichtung – Gewährung von Eingliederungshilfe in Form einer Integrationskraft, jeweils Montag bis Freitag von 09:00 Uhr bis 13:30 Uhr – abweichende Regelung, insbesondere hinsichtlich eines geringeren Eingliederungshilfebedarfs, nicht bindend hätte getroffen werden können. Unbeachtlich ist, ob ggf. ein höherer Eingliederungshilfebedarf bestanden hätte, da nur Leistungen in dem Umfang erbracht wurden, wie vom SG festgesetzt.

c. Gem. § 120 Abs. 2 SGB IX endet das Gesamtplanverfahren mit dem Erlass eines Verwaltungsaktes über die festgestellte Leistung nach den Kapiteln 3 bis 6. Eine rechtmäßige Leistungserbringung liegt aber auch dann vor, wenn diese nicht auf einem Bewilligungsbescheid, sondern – wie vorliegend – auf einer gerichtlichen Anordnung beruht. Unbeachtlich ist deshalb, dass die Klägerin keinen Bewilligungsbescheid erlassen hat. Ausreichend ist, dass sie mit Gerichtsbescheid des SG vom 11. August 2021 verpflichtet worden ist, Z. für den Zeitraum ihrer Kindergartenzeit vom 4. September 2018 bis 13. August 2021 Eingliederungshilfe in Form einer Integrationskraft, jeweils Montag bis Freitag von 09:00 Uhr bis 13:30 Uhr, zu gewähren.

d. Eine rechtmäßige Leistungserbringung liegt nur in dem Umfang vor, wie sie auch vom Beklagten hätte erbracht werden müssen. Denn der Erstattungsanspruch nach § 104 SGB X setzt eine rechtmäßige Sozialleistungserbringung voraus (Böttiger in LPK-SGB X, 6. Aufl. 2023, § 104 Rdnr. 14). Der erstattungspflichtige Leistungsträger soll nur so viel erstatten, wie er nach seinen Rechtsvorschriften gegenüber dem Leistungsberechtigten verpflichtet ist zu leisten (Becker in Hauck/Noftz, SGB X, 2. Ergänzungslieferung 2023, § 104 Rdnr. 76). Nach § 104 Abs. 3 SGB X richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruchs nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Danach hat der erstattungspflichtige Träger nicht mehr zu erstatten, als er bei rechtzeitiger Leistung aufzuwenden gehabt hätte.

Soweit der Beklagte vorgetragen hat, bei der Bewilligung von Leistungen für eine Inklusionskraft über die Eingliederungshilfe sei die Abrechnung entsprechend verschiedener Pauschalen für pädagogische Hilfe, begleitende Hilfe sowie pädagogische und begleitende Hilfe erfolgt, wobei diese Pauschalen auch kombiniert und gegebenenfalls auch doppelt bewilligt werden könnten; hierbei sei die Pauschale „Pädagogische + begleitende Hilfe“ i.H.v. monatlich 997,10 Euro der Regelfall, wobei in Ausnahmefällen diese Pauschale doppelt bewilligt werden könne, kann diese Berechnungsweise vorliegend nicht zugrunde gelegt werden. Denn der Berechnung nach Pauschalen liegt der Regelfall zugrunde, dass eine pädagogische Kraft eingesetzt wird, die neben der Inklusionstätigkeit auch weitere Aufgaben in der Kindertagesstätte verrichtet. Der Auffassung des Beklagten, eine vermehrte Beaufsichtigung und Beobachtung der Z. erfordere keine 1 : 1 Betreuung durch eine Inklusionskraft,  diese könne auch in die Betreuung anderer Kinder eingebunden sein, steht vorliegend entgegen, dass für die Begleitung der Z. eine Krankenschwester erforderlich war, die mangels Qualifikation für erzieherische Aufgaben in die sonstige Tätigkeit in der Kindertagesstätte nicht eingebunden werden konnte und deshalb der gesamte Zeitaufwand als Inklusionsbedarf zu berücksichtigen ist. Zu berücksichtigen sind deshalb die gesamten für die Inklusionskraft angefallenen Kosten.  Hiervon sind lediglich die Kosten für die häusliche Krankenpflege i.H.v. 9.276, 52 Euro abzusetzen. Der Erstattungsanspruch beträgt demnach 37.933,65 Euro.

e) Unbeachtlich ist im Ergebnis, dass der Gerichtsbescheid des SG vom 11. August 2021 keine Ausführungen zu der ab dem 1. Januar 2020 geltenden neuen Rechtslage enthält. In den Entscheidungsgründen wird lediglich ausgeführt, Grundlage für das Begehren der Z. auf Gewährung einer Integrationskraft im Rahmen der Eingliederungshilfe sei § 19 Abs. 3 SGB XII i.V.m. den §§ 53 ff. SGB XII. Der über § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII anwendbare § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX in der am 31. Dezember 2017 geltenden Fassung bestimme, dass die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben umfassten. Hierbei hat das SG verkannt, dass das Recht der Eingliederungshilfe zum 1. Januar 2020 neu gefasst, die im Sechsten Kapitel des SGB XII bis dahin geregelte Eingliederungshilfe für behinderte Menschen gestrichen und als Teil 2 des SGB IX neu geregelt worden ist.

Nach der Rechtsprechung des BSG konnten Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB XII nur bis zum 31. Dezember 2019 erbracht werden (BSG, Beschluss vom 24. Juni 2021 – B 8 SO 19/20 B – juris Rdnr. 4). Enthalten Verwaltungsakte keine Regelung über Leistungen nach dem SGB IX, ist ihr Regelungsgegenstand beschränkt auf Eingliederungshilfe als Leistung der Sozialhilfe nach dem bis 31. Dezember 2019 geltenden Recht, und enden Bewilligungen von Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII zu diesem Zeitpunkt. Wie das BSG zwischenzeitlich entschieden hat (BSG, Urteil vom 28. Januar 2021 – B 8 SO 9/19 R – juris Rdnr.19), handelt es sich bei der antragsabhängigen Eingliederungshilfe nach neuem Recht nicht mehr um (jetzt im SGB IX verortete) materielle Sozialhilfe im Sinne einer existenzsichernden Leistung, sondern wegen des „Herauslösens der Eingliederungshilfe aus dem System der Sozialhilfe“ (BT-Drucks 18/9522 S. 282, 320) und der personenzentrierten Neuausrichtung (BT-Drucks 18/9522 S. 199 f., 330 f.) der  besonderen Leistungen zur selbstbestimmten Lebensführung für Menschen mit Behinderung  um ein gänzlich neues Leistungserbringungsrecht (BT-Drucks. 18/9522 S. 330 f.). Trotz bestehender Parallelen zu dem bis 31. Dezember 2019 geltenden Recht ist damit eine systematisch andere Leistung im Streit, auch wenn der heutige Eingliederungshilfeträger nach Maßgabe des Landesrechts mit dem früheren Sozialhilfeträger identisch sein mag.

Dies steht aber einem Erstattungsanspruch der Klägerin nicht entgegen. Denn Rechtsgrundlage für die Verpflichtung der Klägerin zur Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe war nicht ein Verwaltungsakt über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII, sondern der Gerichtsbescheid des SG (S 10 KR 1395/19) vom 11. August 2021, mit dem der Ablehnungsbescheid der Klägerin vom 20. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Mai 2019 aufgehoben und die Klägerin verurteilt worden war, der Z. für den Zeitraum ihrer Kindergartenzeit vom 4. September 2018 bis 13. August 2021 Eingliederungshilfe in Form einer Integrationskraft zu gewähren. Damit war die Klägerin gem. § 141 Abs. 1 Nr. 1 SGG verpflichtet, an Z. auch über den 31. Dezember 2019 hinaus Eingliederungshilfeleistungen zu erbringen.

Unbeachtlich ist zudem, dass der Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe ab dem 1. Januar 2020 nach § 108 SGB IX einen Antrag voraussetzt und dieser grundsätzlich eine materielle Anspruchsvoraussetzung darstellt (Gutzler in Hauck/Noftz, SGB IX, 4. Aufl. 2024, § 108 Rdnr. 5). Soweit Z. am 16. Oktober 2018 bei der Klägerin einen Antrag gestellt hatte, bezog sich dieser allein auf Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII und allein über diesen Antrag war entschieden worden. Auch in der Folgezeit wurde kein Antrag nach § 108 SGB IX gestellt, so dass grundsätzlich die materiellen Voraussetzungen für die Erbringung von Eingliederungshilfeleistungen nach dem SGB IX nicht vorgelegen haben.

Der fehlende Antrag steht jedoch einem Erstattungsanspruch nicht entgegen. Hat ein Gericht den Streitgegenstand eines rechtskräftig entschiedenen Prozesses als Vorfrage erneut zu prüfen, hat es den Inhalt der rechtskräftigen Entscheidung zugrunde zu legen (BSG, Urteil vom 23. Oktober 2014 – B 11 AL 52/14 B – juris Rdnr. 10).

In den Fällen einer rechtzeitigen Weiterleitung des Leistungsantrags an den dann zur Leistungserbringung verpflichteten zweitangegangenen Träger ist Sinn und Zweck des § 14 SGB IX lediglich eine schnelle Zuständigkeitsklärung im Außenverhältnis (BSGE 93, 283 ff. Rdnr. 7 m.w.N. = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1), nicht aber eine Zuständigkeits- und Lastenverschiebung im Innenverhältnis der Leistungsträger (BSGE 98, 267 ff. Rdnr. 15 f = SozR 4-3250 § 14 Nr. 4). Der eigentlich zuständige Leistungsträger ist sogar im Außenverhältnis nicht völlig aus seiner Verantwortung entlassen (vgl. BSGE 93, 283 ff. Rdnr. 9 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1); vielmehr bleibt er weiter zusammen mit dem zuständig gewordenen Zweitangegangenen sachlich involviert und ist sowohl am Verwaltungsverfahren als auch am Gerichtsverfahren wegen der Identität des Verfahrensgegenstands notwendig zu beteiligen, und zwar nicht als anderer Leistungsträger, sondern als derjenige, der – nicht zuletzt wegen seiner fachlichen Kompetenz – an der Entscheidung des zuständig gewordenen zweitangegangenen Rehabilitationsträgers beteiligt werden muss, weil materiell-rechtlich er der eigentlich zuständige ist (BSG, Urteil vom 25. April 2013 – B 8 SO 12/12 R – juris Rdnr. 12 f.; vgl. BSGE 93, 283 ff. Rdnr. 5 = SozR 4-3250 § 14 Nr. 1). Diese Erwägungen gelten auch dann, wenn der (materiell unzuständige) Träger wegen nicht rechtzeitiger Weiterleitung als erstangegangener Träger leistungspflichtig wird.

Gerade diese Verpflichtung zur engen Zusammenarbeit des eigentlich zuständigen Rehabilitationsträgers mit dem leistenden Rehabilitationsträger, der Klägerin, erlaubt es dem Beklagten in vorliegendem Verfahren nicht, der Klägerin erneut Einwendungen entgegenzuhalten, die bereits im vorherigen Verfahren zu prüfen waren, zu dem der Beklagte beigeladen war. Der Beklagte hätte deshalb bereits im vorherigen Verfahren vortragen müssen, dass es für die Zeit ab dem 1. Januar 2020 an einem Antrag der Z. fehlt; im Erstattungsstreit kann er sich hierauf nicht mehr berufen.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Beteiligten sind im vorliegenden Erstattungsstreit nicht von den Gerichtskosten freigestellt (§ 197a Abs. 3 SGG; vgl. BSG, Beschluss vom 28. Januar 2016 – B 13 SF 3/16 S – juris Rdnr. 8).

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG) liegen nicht vor.


 

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Aus
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