L 9 BK 12/22

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 19 BK 39/20
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 BK 12/22
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufungen des Klägers gegen die Urteile des Sozialgerichts Köln vom 31.10.2022 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 15.12.2023 werden zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt in drei verbundenen Streitverfahren Kinderzuschlag (KiZ) für die Zeiträume März 2018 bis Juni 2019, Juli 2019 bis März 2020 und ab April 2020. Umstritten ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger die Mindesteinkommensgrenze erfüllt hat.

Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist Vater des am 00.00.0000 geborenen W. F.. Er lebt von seiner Ehefrau, der Mutter des Sohnes, getrennt. Der Kläger wohnt mit dem Sohn in einem Haushalt in R. und ist für ihn kindergeldberechtigt.

Der Kläger beantragte erstmals am 19.03.2018 KiZ ab März 2018. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 26.04.2018 ab. Der Kläger sei nach § 6a Abs. 3 Satz 3 BKGG verpflichtet, zumutbare Anstrengungen zur Verwirklichung von Einkommen des Kindes zu unternehmen. Nach den vorliegenden Unterlagen sei für das Kind Unterhaltsvorschuss beim Jugendamt nicht geltend gemacht worden. Gegen diesen Bescheid wandte sich der Kläger mit Widerspruch vom 02.05.2018. Aus den Merkblättern ergebe sich nur, dass der KiZ gegenüber Unterhaltszahlungen nachrangig sei, die tatsächlich geleistet würden. Er habe die Mutter zu Unterhaltszahlungen aufgefordert und Ansprüche nach dem UVG geltend gemacht. Deshalb stehe ihm KiZ zu. Eine Bearbeitung des Widerspruchs erfolgte zunächst nicht.

Am 29.07.2019 beantragte der Kläger erneut KiZ für den Sohn W. ab Juli 2019. Der Kläger teilte mit, er wohne in der ehemaligen Familienwohnung, die im Eigentum der Mutter stehe. Wegen einer familienrechtlichen Auseinandersetzung sei die Vorlage einer Vermieterbescheinigung derzeit nicht möglich. Der Kläger legte einen Mietvertrag vor, wonach die Monatsmiete für die Dreizimmerwohnung 271,79 € beträgt. Später gab der Kläger an, er wohne mietfrei in der Wohnung.

Am 02.04.2020 beantragte der Kläger erneut KiZ für den Sohn W. ab April 2020. In einer „Anlage zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit“ gab er für den Zeitraum Oktober 2019 bis März 2020 an, er habe in diesem Zeitraum aus Nachhilfetätigkeit insgesamt 1.867,04 € erzielt. Der Sohn bezog im März 2020 Unterhaltsleistungen iHv 374 €.

Mit Bescheid vom 07.05.2020 versagte die Beklagte KiZ ab Juli 2019, da der Kläger verschiedene Nachweise, u.a. zu seinem Einkommen aus dem Zeitraum Januar 2019 bis Juli 2019 nicht vorgelegt habe. Der Kläger reichte daraufhin eine „Anlage zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit“ für den Zeitraum Januar 2019 bis Juli 2019 ein. Hieraus ergibt sich ein Einkommen aus selbständiger Tätigkeit als Nachhilfelehrer iHv insgesamt 1.311,77 €.

Gegen den Bescheid vom 07.05.2020 erhob der Kläger am 16.05.2020 Widerspruch. Er habe alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt. Er habe keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II und sei auch nicht hilfebedürftig. Die Berechnung der Beklagten sei nicht nachvollziehbar.

Mit Bescheid vom 18.08.2020 lehnte die Beklagte den Antrag auf KiZ vom 02.04.2020 ab. Der Kläger könne auch mit dem KiZ den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft nicht decken. Die Beklagte fügte dem Ablehnungsbescheid einen Berechnungsbogen „für April 2020“ bei und führte aus: „Die Ablehnung wirkt nur für den Monat April 2020 (Monat der Antragstellung). Sie können jederzeit einen neuen Antrag auf Kinderzuschlag stellen. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich Ihre tatsächlichen Verhältnisse ändern oder das die Freibeträge übersteigende Vermögen verbraucht wurde. Hierfür ist die Einreichung eines neuen Antrags auf Kinderzuschlag erforderlich. Sämtliche Antragsformulare können Sie von der Homepage www.familienkasse.de herunterladen.“ Die Beklagte wies auf einen möglicherweise nach dem SGB II bestehenden Anspruch hin und forderte den Kläger zu einer entsprechenden Antragstellung auf.

Hiergegen legte der Kläger am 21.08.2020 Widerspruch ein. Er brauche kein Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld. Das mietfreie Wohnen sei als geldwerter Vorteil und damit als Einkommen zu werten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2020 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 18.04.2020 „für den Antragsmonat April 2020“ zurück. Nach § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG bestehe kein Anspruch auf KiZ für alleinerziehende Personen, die mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des KiZ über Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II iHv weniger als 600 € verfügten. Für die Ermittlung des zu berücksichtigen Einkommens sei der Durchschnitt des Einkommens aus dem Bemessungszeitraum maßgeblich. Der Bemessungszeitraum umfasse die sechs Monate vor Beginn des Bewilligungszeitraumes. Abweichend von § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG sei für Anträge, die in der Zeit vom 01.04.2020 bis zum 30.09.2020 eingehen, bei der Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens der Eltern nur das Einkommen aus dem letzten Monat vor dem Bewilligungszeitraum maßgeblich. Der alleinerziehende Kläger verfüge lediglich über Einkommen iHv durchschnittlich monatlich 260 €. Die Mietfreiheit sei nicht als Einkommen zu berücksichtigen und würde ohnehin nicht zur Überschreitung der Mindesteinkommensgrenze führen.

Hiergegen hat der Kläger am 09.11.2020 Klage bei dem SG Köln. (S 19 BK 39/20) erhoben. Das mietfreie Wohnen müsse bei der Prüfung der Mindesteinkommensgrenze angerechnet werden.

 

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2020 zu verpflichten, ihm für den Zeitraum ab April 2020 monatlich einen Kinderzuschlag zu bewilligen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

            die Klage abzuweisen.

 

Mit Urteil vom 31.10.2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Streitgegenstand sei ein Anspruch auf KiZ von April 2020 bis zur mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts. Im Verfügungssatz des angefochtenen Bescheides werde der Antrag auf KiZ ohne zeitliche Einschränkung abgelehnt. Auch der Widerspruchsbescheid führe nicht zu einer zeitlichen Begrenzung. Schließlich habe das Gericht den Beteiligten dargelegt, von welchem streitigen Zeitraum es ausgehe, die Beteiligten hätte sich hiergegen nicht gewendet. Die Klage sei unbegründet, der Kläger habe keinen Anspruch auf KiZ, da er die Mindesteinkommensgrenze nicht erfülle. Das mietfreie Wohnen könne für die Erreichung der Mindesteinkommensgrenze nicht als Einkommen gewertet werden.

Gegen das ihm am 10.11.2022 zugestellte Urteil hat der Kläger am 08.12.2022 Berufung eingelegt. Er macht weiterhin geltend, er erfülle die Mindesteinkommensgrenze aufgrund des mietfreien Wohnens.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.11.2020 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 07.05.2020 betreffend KiZ „ab Juli 2019“ zurück. Aus den vom Kläger vorgelegten Einkommensnachweisen ergebe sich ein durchschnittliches Einkommen aus selbständiger Tätigkeit im Bemessungszeitraum (Januar 2019 bis Juni 2019) iHv monatlich 378,33 Euro. Auch mit diesem Einkommen erfülle der Kläger die Mindesteinkommensgrenze nicht.

Hiergegen hat der Kläger am 14.12.2020 bei dem SG Köln Klage (S 19 BK 1/21) erhoben.

 

Er hat beantragt,

im Rahmen eines Zwischenurteils festzustellen, dass der geldwerte Vorteil des mietfreien Wohnens als fiktives Einkommen bei der Berechnung des Kinderzuschlags zu berücksichtigen ist,

hilfsweise

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2020 zu verpflichten, ihm für die Zeit ab Juli 2019 einen Kinderzuschlag zu bewilligen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

            die Klage abzuweisen.

 

Mit Urteil vom 31.10.2022 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die Feststellungsklage sei unzulässig. Die Anfechtungs- und Leistungsklage sei unbegründet. Streitgegenstand sei der Zeitraum Juli 2019 bis März 2020. In diesem Zeitraum erfülle der Kläger die Mindesteinkommensgrenze nicht.

Das Urteil ist dem Kläger am 10.11.2022 zugestellt worden. Hiergegen hat der Kläger am 07.12.2022 Berufung eingelegt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 03.03.2023 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.04.2018 unter Bezugnahme auf § 6a Abs. 3 Satz 3 BKGG zurück. Der Kläger habe zumutbare Bemühungen unterlassen, Einkommen des Sohnes zu erzielen.

Hiergegen hat der Kläger am 05.04.2023 beim Sozialgericht Köln Klage erhoben (S 19 BK 3/23). Auch hier hat er geltend gemacht, das mietfreie Wohnen sei als Einkommen zur Erfüllung der Mindesteinkommensgrenze anzuerkennen. Er hat ausgeführt, „das anderweitige (reale) Einkommen in 2018“ unterscheide sich nicht von dem in den beiden anderen Verfahren nachgewiesenen Einkommen. Die Einkommensnachweise und die übrigen Nachweise für 2019 und 2020 könnten „problemlos auf das Jahr 2018 übertragen werden.“

Das Sozialgericht hat die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört. Mit Gerichtsbescheid vom 15.12.2023 hat es die Klage abgewiesen. Streitgegenstand sei der Zeitraum März 2018 bis Juni 2019. Der Kläger habe auch in diesem Zeitraum die Mindesteinkommensgrenze nicht erfüllt.

Gegen die ihm am 19.12.2023 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 19.01.2024 Berufung eingelegt.

Der Senat hat die Berufungen mit Beschlüssen vom 16.10.2023 und vom 02.07.2024 gem. § 113 Abs. 1 SGG zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.

Der Kläger beantragt unter Aufrechterhaltung seiner Rechtsauffassung schriftsätzlich sinngemäß,

  1. das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 31.10.2022 (S 19 BK 39/20) zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 18.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2020 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum ab April 2020 Kinderzuschlag zu bewilligen,
  2. das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 31.10.2022 (S 19 BK 1/21) zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2020 zu verpflichten, ihm für die Zeit ab Juli 2019 Kinderzuschlag zu bewilligen sowie die erstinstanzlich begehrte Feststellung zu treffen,
  3. den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Köln vom 15.12.2023 (S 19 BK 3/23) zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2023 zu verurteilen, Kinderzuschlag von März 2018 bis Juni 2019 zu bewilligen.

 

Die Beklagte beantragt,

            die Berufungen zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig. Das mietfreie Wohnen sei nicht als Einkommen zur Erfüllung der Mindesteinkommensgrenze zu berücksichtigen.

Der Kläger hat eine Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung beantragt (Schriftsatz vom 17.11.2024), die Beklagte hat ihr Einverständnis hiermit erklärt (Schriftsatz vom 28.11.2024).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die übrige Gerichtsakte und die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die auch im Übrigen zulässigen Berufungen sind gem. § 144 Abs. 1 SGG statthaft. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 31.10.2022 – S 19 BK 39/20 hat den Zeitraum ab April 2020 jedenfalls bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Sozialgerichts (Oktober 2022), mithin einen überjährigen Zeitraum iSd § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG, zum Gegenstand. Die Berufung gegen das Urteil vom 31.10.2022 – S 19 BK 1/21 hat den Zeitraum Juli 2019 bis März 2020 zum Gegenstand. Meistbegünstigend ist davon auszugehen, dass der Kläger in diesem Verfahren den in den Jahren 2019/2020 geltenden KiZ-Höchstbetrag iHv 185 € monatlich (§ 20 Abs. 3 BKGG in der ab 01.07.2019 gF) beanspruchen will. Der in diesem Verfahren gestellte Feststellungsantrag führt nicht dazu, dass es sich insoweit um eine nicht auf eine Geldleistung gerichtete Streitigkeit handelt, weil der Antrag ersichtlich nur zur Begründung des Anspruchs im Rahmen des Geldleistungsbegehrens gestellt worden ist. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid vom 15.12.2023 betrifft den Zeitraum März 2018 bis Juni 2019 und ist ebenfalls bereits aufgrund des überjährigen Zeitraums, für den Leistungen begehrt werden, statthaft.

Eine Beiladung des Jobcenters aufgrund eines möglicherweise bestehenden Anspruchs auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II gem. § 75 Abs. 2 Satz 1 HS 2 SGG kommt in der vorliegenden Konstellation – Nichterfüllung der Mindesteinkommensgrenze – grundsätzlich in Betracht, ebenso in Fällen, in denen ein Anspruch auf KiZ abgelehnt wurde, weil der Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft auch mit dem KiZ nicht gedeckt wird. Voraussetzung ist allerdings, dass im konkreten Einzelfall eine Auslegung des Antrags auf KiZ als Antrag auf Arbeitslosengeld II bzw. Bürgergeld nach dem SGB II in Betracht kommt. Hieran fehlt es im vorliegenden Fall, denn der Kläger hat ausdrücklich erklärt, Leistungen nach dem SGB II nicht beanspruchen zu wollen. Außerdem ist er dem ausdrücklichen Hinweis der Beklagten auf eine Antragstellung nach dem SGB II nicht nachgekommen.

Die Berufungen sind unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig iSd § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG. Der Kläger hat in keinem der Zeiträume, für die er zulässig einen Anspruch geltend macht, einen Anspruch auf KiZ, denn er hat jeweils die Mindesteinkommensgrenze nicht erfüllt. Das Feststellungsbegehren ist unzulässig, da der Kläger seinen Anspruch im Rahmen der erhobenen Anfechtungs- und Leistungsklagen verfolgen kann (Subsidiarität der Feststellungsklage, dazu nur Böttiger in Fichte/Jüttner, SGG, 3. Aufl. § 55 Rn. 14).

Abweichend zu der Entscheidung des Sozialgerichts ist die Klage S 19 BK 39/20 gegen den Ablehnungsbescheid vom 18.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2020 indes nur für den Monat April 2020 zulässig. Im Übrigen, d.h. für die Zeit ab Mai 2020 ist die Klage unzulässig, weshalb das Sozialgericht die Klage für diesen Zeitraum (nur) im Ergebnis zu Recht abgewiesen hat.

Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage ist die Durchführung eines Verwaltungs- und Widerspruchsverfahrens. Fehlt es an einer Verwaltungsentscheidung, liegt kein mit der Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) anfechtbarer Verwaltungsakt vor (dazu nur LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 25.08.2016 – L 7 AS 1571/15 mwN). Die Notwendigkeit eines Widerspruchsverfahrens als Zulässigkeitsvoraussetzung für eine Klage ergibt sich aus § 78 Abs. 1 Satz 1 SGG.

Grundsätzlich gilt allerdings nach der Rechtsprechung des BSG auch im Recht des Kinderzuschlags, dass ein Ablehnungsbescheid eine zukunftsoffene Entscheidung darstellen und zulässiger Streitgegenstand eines gerichtlichen Verfahrens damit der Anspruch bis zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung sein kann (BSG Urteile vom 13.07.2022 – B 7/14 KG 1/21 R, vom 17.02.2015 – B 14 KG 1/14 R und vom 14.03.2012 – B 14 KG 1/11 R). Dies gilt aber nicht, wenn der angefochtene Bescheid sich ausdrücklich nur auf einen bestimmten Monat oder Zeitraum bezieht. So verhält es sich im vorliegenden Fall. Der Ablehnungsbescheid vom 18.08.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2020 ist ausdrücklich nur auf den Monat April 2020 bezogen.

Die auch hier angewendete Praxis der Familienkasse (DA KiZ S. 63 E.3. Abs. 1), einen Ablehnungsbescheid nur auf den Antragsmonat zu beziehen, ist nicht etwa im Hinblick auf eine evtl. Verkürzung von gerichtlichem Rechtsschutz rechtsmissbräuchlich und deshalb unbeachtlich, sondern vielmehr rechtmäßig. Zwar ist gem. § 6a Abs. 7 Satz 1 BKGG über den Gesamtkinderzuschlag jeweils für sechs Monate zu entscheiden. Diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf Bewilligungen, wie sich dem angefügten Klammerzusatz (Bewilligungszeitraum) entnehmen lässt. Demgegenüber ist es bei einer Ablehnung zulässig, nur für einen Monat zu entscheiden. Denn gem. § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG in der ab 01.07.2019 gF ist für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich. Der Bewilligungszeitraum beginnt mit dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, jedoch frühestens nach Ende eines laufenden Bewilligungszeitraums. Aufgrund der coronabedingten Sonderregelung des § 20 Abs. 6 Satz 1 BKGG ist abweichend von § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG für Anträge, die in der Zeit vom 01.04.2020 bis zum 30.09.2020 eingingen, bei der Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens der Eltern nur das Einkommen aus dem letzten Monat vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich, was die Beklagte vorliegend berücksichtigt hat. Die Familienkasse könnte zwar bei Anwendung dieser Regelungen den KiZ auch für mehrere Monate ablehnen, indem sie jeweils das nach diesen Vorschriften maßgebliche Durchschnittseinkommen für den betreffenden Monat heranzieht. Dazu ist sie jedoch nicht verpflichtet, so dass sie den Antrag auch nur für einen Monat ablehnen kann (in diesem Sinne auch Beschluss des Senats vom 07.06.2023 – L 9 BK 1/23 B; Kühl in jurisPK SGB II § 6a BKGG Rn. 84; ders. in NZS 2020 S. 362; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 6a BKGG Rn. 221). Ein solcher Bescheid kann auch nicht in der Weise ausgelegt werden, dass damit ungeachtet einer entsprechenden Beschränkung der KiZ für einen Zeitraum von sechs Monaten abgelehnt worden ist. Würde man die Regelung über den Bewilligungszeitraum in § 6a Abs. 7 Satz 1 BKGG zur Auslegung von Ablehnungsbescheiden heranziehen, hätte dies gem. § 6a Abs. 7 Satz 3 BKGG zur Konsequenz, dass Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums abweichend von § 48 SGB X nicht zu berücksichtigen wären. Dies ginge abweichend zur materiellen Rechtslage zu Lasten des jeweiligen Antragstellers, denn die Regelung gilt auch für Änderungen zugunsten des Antragstellers (Kühl in jurisPK SGB II § 6a BKGG Rn. 87).

In Fällen, in denen die Familienkasse den Ablehnungsbescheid nicht ausdrücklich auf den Antragsmonat beschränkt, kann Regelungsgegenstand des Bescheides demgegenüber der Zeitraum von sechs Monaten sein (so der Sachverhalt bei LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 05.07.2019 – L 9 BK 8/23) oder es kann sich um einen zukunftsoffenen Ablehnungsbescheid handeln. Letzteres kommt insbesondere in Betracht, wenn die Familienkasse den Anspruch ablehnt, weil nach ihrer Auffassung bereits dem Grunde nach - unabhängig vom Einkommen - die Voraussetzungen für einen Anspruch auf KiZ, beispielsweise wegen fehlender Zugehörigkeit zum anspruchsberechtigten Personenkreis, fehlen (so der Sachverhalt bei BSG Urteil vom 13.07.2022 – B 7/14 KG 1/21 R).

Für die Monate ab Mai 2020 fehlt es damit an einer Entscheidung der Beklagten über den Anspruch des Klägers auf KiZ und damit an der Zulässigkeit der Klage insoweit. In diesem Zusammenhang weist der Senat darauf hin, dass der Antrag des Klägers vom 02.04.2020 mindestens auf die Bewilligung von KiZ für sechs Monate gerichtet ist (dazu Kühl, NZS 2020, 362 f [368]) und eine Bescheidung für die Zeit ab Mai 2020 noch aussteht. Ob eine darüberhinausgehende Antragswirkung angenommen werden kann (in diesem Sinne wohl BSG Urteil vom 13.07.2022 – B 7/14 KG 1/21 R), lässt der Senat offen.

Mit dem Versagungsbescheid vom 07.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.11.2020 lehnt die Beklagte den Antrag des Klägers auf KiZ demgegenüber ausdrücklich für die Zeit „ab Juli 2019“ ab. Dieser Bescheid ist grundsätzlich als zukunftsoffener Ablehnungsbescheid anzusehen, dessen Wirkung allerdings im vorliegenden Fall bis zum Monat März 2020 begrenzt ist, da der Kläger ab April 2020 einen neuen Leistungsantrag gestellt hat, über den ein Bescheid ergangen ist. Für diesen Zeitraum fehlt es daher nicht an einer Verwaltungs- und Widerspruchsentscheidung über den geltend gemachten Anspruch als Zulässigkeitsvoraussetzung für die Klage.

Die zeitliche Wirkung des Bescheides vom 26.04.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03.03.2023, mit dem der KiZ ab März 2018 abgelehnt worden ist, wird durch den Bescheid vom 07.05.2020 bis Juni 2019 beschränkt.

Der Kläger kann daher im vorliegenden Verfahren zulässig einen Anspruch von März 2018 bis April 2020 geltend machen. Insoweit hat das Sozialgericht zu Recht erkannt, dass ein Anspruch auf KiZ nicht besteht.

Da sich der zulässige streitige Zeitraum auf die Zeit von März 2018 bis April 2020 bezieht, sind als Anspruchsgrundlage für das Begehren des Klägers alle in diesem Zeitraum geltenden Fassungen des § 6a BKGG relevant. In dieser Zeit ist die Vorschrift durch das StaFamG mWv 01.07.2019 bzw. 01.01.2020 geändert worden. Außerdem ist für die Bestimmung des Anspruchs die aufgrund der Corona-Pandemie erfolgte Sonderregelung (§ 20 BKGG in der ab dem 28.03.2020 gF des „Sozialschutz-Pakets“ vom 27.03.2020 – BGBl I 575) maßgeblich. Für alle Fassungen der Norm gilt die Mindesteinkommensgrenze des § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG (in der zuletzt für den geltend gemachten Anspruch relevanten Fassung vom 01.01.2020), dh der Kläger müsste als Alleinerziehender über Einkommen iHv monatlich mindestens 600 € verfügen. Bis zum 30.06.2019 kam es auf das monatlich laufende Einkommen an (§ 6a Abs. 1 BKGG in der bis zum 30.06.2019 gF). Seit dem 01.07.2019 ist gem. § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG – wie oben dargelegt – der Durchschnitt des Einkommens aus den letzten sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraum maßgeblich. Gem. § 20 Abs. 6 Satz BKGG ist abweichend von § 6a Abs. 8 Satz 1 BKGG für Anträge, die in der Zeit vom 01.04.2020 bis zum 30.09.2020 eingehen, bei der Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens der Eltern nur das Einkommen aus dem letzten Monat vor Beginn des Bewilligungszeitraums (hier also März 2020) maßgeblich.

Der Kläger erfüllt – ungeachtet aller sonstigen Voraussetzungen für den KiZ, die der Senat offenlassen kann – die Mindesteinkommensgrenze nicht, da er in allen maßgeblichen Varianten (laufend, sechs Monate vor dem Bewilligungszeitraum, ein Monat vor dem Bewilligungszeitraum) nicht über anzurechnendes Einkommen iHv mindestens 600 € monatlich verfügt.

Für die Frage, ob die Mindesteinkommensgrenze erfüllt ist, verweist § 6a Abs. 1 Nr. 2 BKGG im maßgeblichen Zeitraum auf § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Erst seit dem 01.01.2023 verweist die Vorschrift auch auf § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II, was aber in der Sache nichts ändert. Die Vorschrift bestimmt: „Als Einkommen zu berücksichtigen sind Einnahmen in Geld abzüglich der nach § 11b abzusetzenden Beträge mit Ausnahme der in § 11a genannten Einnahmen sowie Einnahmen, die nach anderen Vorschriften des Bundesrechts nicht als Einkommen im Sinne dieses Buches zu berücksichtigen sind. Dies gilt auch für Einnahmen in Geldeswert, die im Rahmen einer Erwerbstätigkeit, des Bundesfreiwilligendienstes oder eines Jugendfreiwilligendienstes zufließen.“

Einnahmen in Geldeswert, zu denen auch die Sachleistung „freie Unterkunft“ gehört, sind seit 2016 nicht mehr als Einnahmen zu berücksichtigen (zur Rechtsentwicklung Söhngen in jurisPK SGB II § 11 Rn. 44). Einnahmen in Geldeswert sind erst ab dem 01.01.2023 den Einnahmen in Geld gleichzusetzten, wenn es sich um Einnahmen im Rahmen der genannten Tätigkeiten handelt.

Der Kläger verfügte im streitigen Zeitraum nur über Einnahmen aus der Nachhilfetätigkeit, die in keinem Monat die Mindesteinkommensgrenze erreichten. Dies ist zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Die Berechnung des jeweils maßgeblichen Einkommens hat die Beklagte rechtsfehlerfrei vorgenommen. Dies gilt auch für den Zeitraum März 2018 bis Juni 2019. Für diesen Zeitraum liegt zwar keine monatliche Aufstellung der Einkünfte vor, aber der Kläger hat selbst darauf hingewiesen, dass die Einkommensverhältnisse sich nicht von denen in den späteren Zeiträumen unterschieden haben (Schreiben des Klägers vom 16.06.2022).

Das mietfreie Wohnen stellt nach der gesetzlichen Regelung keine Einnahme in Geld dar. Verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich der Nichtberücksichtigung der Sachleistung „freies Wohnen“ bei der Frage, ob die Mindesteinkommensgrenze erfüllt ist, hat der Senat nicht. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vor, indem Personen, die Leistungen in Geldeswert beziehen, gegenüber Personen, die Leistungen in Geld beziehen, in verfassungswidriger Weise benachteiligt würden, denn für diese Differenzierung besteht ein sachlicher Grund (ausführlich zum Maßstab dieses Grundrechts im Recht des KiZ BSG Urteil vom 13.07.2022 – B 7/14 KG 1/21 R). Es folgt aus dem Grundkonzept des KiZ, der auch einen Erwerbsanreiz setzen will (BSG Urteil vom 13.07.2022 – B 7/14 KG 1/21 R), dass die Leistung bereite Geldmittel voraussetzt, mit denen der Betroffene einen Teil seines Lebensunterhalts selbst finanzieren kann. Mietfreies Wohnen führt zu einer Reduzierung des Bedarfs. Die Nichtberücksichtigung des kostenfreien Wohnens ist für den Anspruch auf KiZ daher nicht unbeachtlich. Für die Frage, ob durch den KiZ Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II vermieden wird (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 BKGG in der seit dem 01.01.2020 gF, vorher § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG in der bis zum 31.12.2019 gF) spielt die Frage, welche Unterkunfts- und Heizkosten anfallen, eine Rolle. Eine Person, die kostenfrei wohnt, kann dann leichter KiZ erhalten. Zudem sind die Anspruchsvoraussetzungen entsprechend dem Sinn dieser Leistung – Vermeidung von Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II – eng mit den Voraussetzungen nach dem SGB II verknüpft. Auch im SGB II ist mietfreies Wohnen nicht als Einkommen, sondern auf der Bedarfsseite zu berücksichtigen. Vor diesem Hintergrund kann auch offenbleiben, wie der geldwerte Vorteil der Mietfreiheit überhaupt als Einkommen berechnet werden sollte. Nähme man die (allerdings wohl nicht dem Marktwert entsprechenden) Werte aus dem Mietvertrag aus dem Jahr 2012, würde auch hiermit - wie die Beklagte bereits dargelegt hat - die Mindesteinkommensgrenze nicht erreicht.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.

 

 

 

Dr. Stölting                                                   Dr. Evermann                                                          Dr. Kühl

 

 

 

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