L 6 AS 153/24

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 153/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze


Eine Berufung, die im Ergebnis allein auf die Abänderung der erstinstanzlich getroffenen Kostenentscheidung zielt, ist nach § 144 Abs. 4 SGG unzulässig.


Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.


G r ü n d e

Erledigt sich – wie vorliegend – die von dem Kläger ursprünglich erhobene Berufung anders als durch Urteil, hat das Gericht gemäß § 193 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf Antrag über die Kosten zu entscheiden. Ein entsprechender Antrag wurde mit Schriftsatz vom 16. April 2024 von dem Prozessbevollmächtigten des Klägers gestellt. 

Die Kostenentscheidung hat nach billigem Ermessen zu erfolgen. Bei der Ermessensentscheidung kommt es im Wesentlichen auf die Erfolgsaussichten des Antrags und das sogenannte Veranlassungsprinzip an (LSG Hessen, Beschluss vom 7. Februar 2003, Az.: L 12 B 93/02 RJ; Schmidt, in: Meyer-Ladewig, SGG Kommentar, 13. Auflage, 2020, § 193 Rn. 12b). Bei der Kostenentscheidung darf deshalb nicht allein auf das Ergebnis des Rechtsstreites abgestellt werden. Das Gericht kann ebenfalls den Anlass für die Berufungserhebung berücksichtigen. 

Da maßgebend für die Entscheidung die Erfolgsaussichten des Antrags sind, kommt bei Ungewissheit der Erfolgsaussichten eine Teilung der Kostenlast in Betracht. In diesem Fall obliegt es dem Gericht, nach allgemein billigem Ermessen, unter Einbeziehung der Erfolgsaussichten und des Veranlassungsprinzips, gegebenenfalls eine Kostenquotelung vorzunehmen. 

Unter Anwendung dieser Maßstäbe hat der Beklagte dem Kläger keine Kosten zu erstatten. 

Im zugrundeliegenden Rechtsstreit begehrte der Kläger die Überprüfung des Eingliederungsverwaltungsakts des Beklagten vom 5. Mai 2021 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 2. August 2021. Der Kläger hat gegen diesen Bescheid Klage beim Sozialgericht Kassel erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 2. April 2024 als unzulässig abgewiesen. Der Kläger habe zunächst eine Anfechtungsklage erhoben. Diese habe er auf eine Fortsetzungsfeststellungsklage umgestellt, nachdem sich der Eingliederungsverwaltungsakt durch Zeitablauf erledigt habe. Die Klage sei unzulässig, da der Kläger kein berechtigtes Fortsetzungsfeststellungsinteresse mehr habe. Seit der dem Inkrafttreten der neuen Regelungen zum Bürgergeld sei eine Wiederholungsgefahr nicht mehr gegeben, da der neue § 15 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II), der den Kooperationsplan als Ablösung der früheren Eingliederungsvereinbarung regele, keine Ersatzbefugnis vorsähe. Ein Kooperationsplan könne nicht wie nach alter Rechtslage durch einen Verwaltungsakt ersetzt werden. Die Wiederholungsgefahr sei damit nicht mehr gegeben. 

Der Kläger hat am 10. April 2024 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht ohne Begründung eingelegt. Am 16. April 2024 hat der Kläger die Berufung für erledigt erklärt und den in diesem Schriftsatz gestellten Kostenantrag ausführlich begründet.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kassel war mangels Feststellungsbedürfnis unzulässig. Denn ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Klägers war zum Zeitpunkt der Berufungseinlegung aufgrund der geänderten Rechtslage nicht erkennbar. Ein solches Feststellungsinteresse ist nach dem Außerkrafttreten des § 15 SGB II in der bis zum 30. Juni 2023 geltenden Fassung entfallen. Weder im Klageverfahren noch im Berufungsverfahren ist ein beachtliches Interesse des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der des angegriffenen Eingliederungsverwaltungsakts mehr erkennbar. 

§ 15 SGB II war in der alten, bis zum 30. Juni 2023 geltenden Fassung für bereits abgeschlossene Eingliederungsvereinbarungen bis zur erstmaligen Erstellung eines Kooperationsplans nach § 15 SGB II, spätestens bis zum 31. Dezember 2023, weiter anzuwenden. Mit Personen ohne abgeschlossene Eingliederungsvereinbarung war ab dem 1. Juli 2023 sofort nach neuem Recht ein Kooperationsplan zu schließen. Für alle anderen gilt die sechsmonatige Übergangsfrist. Zum Ende des Jahres 2023 verloren alle Eingliederungsvereinbarungen ihr Gültigkeit (Formann in: Schlegel/Voelker, jurisPK-SGB II, 5. Aufl., § 65 1. Überarbeitung (Stand: 16. Februar 2023), Rn. 10). 

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist nicht mehr erkennbar und kann auch nicht mit dem Kosteninteresse begründet werden (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Auflage, 2020, § 144 Rn. 48a).

Das Begehren des Klägers im Berufungsverfahren zielt im Ergebnis allein auf die Abänderung der erstinstanzlich getroffenen Kostenentscheidung.

Die Berufung in Bezug auf die Kostenentscheidung ist jedoch nach § 144 Abs. 4 SGG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift ist die Berufung ausgeschlossen, wenn es sich um die Kosten des Verfahrens handelt, wobei mit "Verfahren" der laufende Rechtsstreit, d.h. das Gerichtsverfahren, gemeint ist (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 1998, B 12 KR 18/97 R, juris, Rn. 14 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Auflage 2020, § 144 Rn. 48). Zu den Kosten des Verfahrens, über deren Erstattung das Gericht nach § 193 Abs. 1 SGG zu befinden hat, gehören die gesamten (außergerichtlichen) Kosten des Rechtsstreits (vgl. BSG, Urteil vom 24. August 1976, 12/1 RA 105/75, juris, Rn. 7 ff.; BSG, Urteil vom 20. Oktober 2010, B 13 R 15/10 R, juris, Rn. 21 m.w.N.). 

Das im Berufungsverfahren verfolgte Begehren des Klägers zielt im Ergebnis auf die Kosten des Verfahrens in diesem Sinne, nämlich die Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten. Der Kläger verkennt, dass die Regelung des § 144 Abs. 4 SGG der Prozessökonomie dient und daher das Rechtsmittel ausschließen soll, wenn die Berufung sich "nur" um die Kosten des Verfahrens bezieht. Die Regelung soll außerdem verhindern, dass das Rechtsmittelgericht, die nicht angefochtene Hauptsacheentscheidung zumindest inzident mit nachprüfen muss, weil davon letztlich auch die Kostenentscheidung abhängt (BSG, Beschluss vom 13. Juli 2004, B 2 U 84/04 B, juris, Rn. 13; LSG NRW, Urteil vom 26. April 2012, L 9 SO 505/11, juris, Rn. 26 m.w.N.; LSG NRW, Urteil vom 29. Januar 2020 – L 12 AS 1753/18 –, juris, Rn. 16). Dies steht im Einklang mit der Willen des Gesetzgebers, der die alleinige Überprüfung der Kostenentscheidung vom Berufungsverfahren ausschließen wollte (vgl. Gesetzbegründung, BT-Drucks 12/1217, S. 52).

Da die Kostenentscheidung des Sozialgerichts aufgrund der Regelung des § 144 Abs. 4 SGG nicht angegriffenen werden kann, und die Berufung insoweit unzulässig war, sind dem Beklagten keine Kosten aufzuerlegen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.
 

Rechtskraft
Aus
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