Auch bei einem nahtlosen Übergang vom Ausbildungsverhältnis in ein Beschäftigungsverhältnis beim gleichen Arbeitgeber liegt kein bloßer Statuswechsel unter Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses vor, sondern die Aufnahme einer neuen Beschäftigung.
Bei Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze wird die Versicherungsfreiheit des Beschäftigten daher nicht nach § 6 Abs. 4 SGB V auf das Ende des Kalenderjahres hinausgeschoben, sondern tritt nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V mit der Aufnahme der neuen Beschäftigung ein.
§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Hs. 2 SGB V erfasst auch Beschäftigungen zur Berufsausbildung.
- Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 19. Juli 2022 wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens. Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten.
- Die Revision wird zugelassen.
- Der Streitwert wird auf 8.099,63 Euro festgesetzt.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Pflicht zur Zahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung für den Beigeladenen zu 1. im Zeitraum vom 01.02.2015 bis zum 31.12.2015.
Der 1962 geborene und am 17.06.2023 verstorbene E V war Versicherungsfachmann im Sinne des Berufsbildungswerks der Deutschen Versicherungswirtschaft und betrieb eine Generalvertretung der A -Versicherung in P (im Folgenden: Generalvertreter). Er wurde von seinen drei Kindern, den Klägern zu 1. bis 3., zu je 1/3 beerbt (vgl. Erbschein des Amtsgerichts P vom 17.07.2023). Die Erbengemeinschaft teilte am 14.07.2023 mit, das vorliegende Berufungsverfahren fortzusetzen.
Der 1989 geborene Sohn des Generalvertreters – der Kläger zu 3. und Beigeladener zu 1. – war während seiner Schulausbildung vom 01.12.2008 bis zum 31.08.2010 bei ihm geringfügig beschäftigt (ohne Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung). Ab dem 01.09.2010 war der Beigeladene zu 1. bei seinem Vater als Berufsakademiestudent beschäftigt (Arbeitsvertrag vom 23.07.2010). Aufgrund des Berufsausbildungsvertrags unter Bezugnahme auf §§ 10 f. Berufsbildungsgesetz (BBiG) vom 17.08.2012 nahm der Beigeladene zu 1. am 01.09.2012 bei dem Generalvertreter eine Ausbildung zum Kaufmann für Versicherung und Finanzen in der Fachrichtung Versicherung auf. Die Ausbildungsvergütung betrug im ersten, zweiten bzw. dritten Ausbildungsjahr monatlich 803,00, 878,00 bzw. 952,00 Euro brutto. Nach dem von der Industrie- und Handelskammer erteilten Prüfungszeugnis vom 20.01.2015 schloss der Beigeladene zu 1. die Ausbildung mit der letzten Prüfungsleistung an diesem Tag erfolgreich ab. Zwischen der letzten Prüfung und dem 01.02.2015 arbeitete der Beigeladene zu 1. in der Versicherungsagentur nicht. Die Ausbildungsvergütung wurde für den gesamten Januar 2015 gezahlt. Zum 01.02.2015 schlossen der Generalvertreter und der Beigeladene zu 1. einen Arbeitsvertrag für Angestellte ohne Tarifbindung. Der Beigeladene zu 1. wurde bei dem Generalvertreter als Kaufmann für Versicherungen und Finanzen eingestellt. In § 4 des Arbeitsvertrages vom 29.01.2015 wurde eine monatliche Bruttovergütung von 5.000,00 Euro und ein Stundenlohn von 31,25 Euro bei einer nach § 5 des Arbeitsvertrages regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden vereinbart. In § 13 des Arbeitsvertrages trafen die Vertragsparteien zusätzliche Vereinbarungen wie je ein halbes Gehalt Urlaubs- und Weihnachtsgeld, vermögenswirksame Leistungen in Höhe von 40,00 Euro monatlich und „50% des Gehaltes sind ein Fixgehalt die anderen 50% müssen durch Provisionen erarbeitet werden“.
Der Beigeladene zu 1. war bis zum 31.01.2015 bei der Beigeladenen zu 2. krankenversichert und der Beigeladenen zu 3. pflegeversichert. Dort war er vom 01.09.2010 bis zum 31.12.2011 mit einer versicherungspflichtigen Beschäftigung gemeldet, die ausschließlich der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Unfallversicherung unterliege, vom 01.01.2012 bis 31.01.2015 mit dem Personengruppenschlüssel 102 für Auszubildende und vom 01.02.2015 bis jedenfalls zum 31.12.2018 mit dem Personengruppenschlüssel 101 als sozialversicherungspflichtig Beschäftigter ohne besondere Merkmale, wobei er ab dem 01.02.2015 als versicherungsfrei in der Kranken- und Pflegeversicherung erfasst worden war. Dementsprechend wurden für ihn vom Generalvertreter keine Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung an die Einzugsstelle abgeführt. Zum 31.01.2015 bzw. 01.02.2015 erfolgten eine Ab- und eine Anmeldung wegen eines Beitragsgruppenwechsels.
Am 05.10.2016 führte die Beklagte bei dem Generalvertreter eine Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) für den Zeitraum 01.01.2012 bis zum 31.12.2015 durch. Im Rahmen der Anhörung vom 25.10.2016 machte der Generalvertreter geltend, dass der Arbeitsvertrag ein neues Arbeitsverhältnis begründe und sich darin nicht das Ausbildungsverhältnis lediglich im Sinne eines Statuswechsels fortgesetzt habe. Es könne nicht darauf ankommen, ob ein Arbeitnehmer für einen Tag in einem anderen Unternehmen an- und dann wieder abgemeldet und dann wieder in seinem früheren Ausbildungsbetrieb angemeldet werde.
Mit Bescheid vom 18.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 forderte die Beklagte vom Generalvertreter Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung sowie den Krankenzusatzbeitrag für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. für den Zeitraum vom 01.02.2015 bis zum 31.12.2015 in Höhe von 8.099,63 Euro. Säumniszuschläge erhob die Beklagte nicht. Zur Begründung führte die Beklagte aus, erhöhe sich während einer laufenden Beschäftigung das regelmäßige Arbeitsentgelt, so ende die Krankenversicherungspflicht nach § 6 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) bzw. die Pflegeversicherungspflicht nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) entsprechend mit Ablauf des Kalenderjahres, wenn das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt die entsprechende Jahresarbeitsentgeltgrenze und auch die des nächsten Jahres überschreite. Durch die Festanstellung des Beigeladenen zu 1. mit einem monatlichen Gehalt von 5.040,00 Euro brutto ergebe sich im Jahr 2015 ein Bruttogehalt von 55.440,00 Euro und im Jahr 2016 von 60.480,00 Euro. Dadurch seien die Jahresarbeitsentgeltgrenzen für die beiden Jahre überschritten. Nach § 6 Abs. 4 SGB V trete die Versicherungsfreiheit mit Ablauf des Jahres 2015 ein. Der Grund der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze sei bei einer bestehenden Beschäftigung ohne Belang. Auch der mit einer Entgelterhöhung einhergehende Statuswechsel vom Auszubildenden zum Arbeitnehmer führe bei dem gleichen Arbeitgeber frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres des Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze zum Ende der Versicherungspflicht, so wie sich dies aus einem Protokoll der Besprechung des GKV-Spitzenverbands‚ der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 08.05.2012 bzw. 09.05.2012 und dem Gesetz ergebe.
Am 20.05.2019 stellte der Generalvertreter bei der Beklagten einen Überprüfungsantrag gemäß § 44 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) in Bezug auf den Bescheid vom 18.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017. Die Nachforderung in Höhe von 8.099,63 Euro sei nicht rechtmäßig. Bei einem Berufseinsteiger müsse bei prognostischem Überschreiten der Versicherungspflichtgrenze die sonst geltende Zwölfmonatsgrenze nicht abgewartet werden, um in die private Krankenversicherung zu wechseln. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Die Ausbildung sei im Januar 2015 beendet worden. Auch dürfe es keinen Unterschied machen, ob zuvor eine Ausbildung oder ein Studium abgeschlossen worden sei.
Mit Bescheid vom 17.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2020 lehnte die Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Es seien keine Tatsachen und Beweismittel vorgebracht worden, die darauf schließen ließen, dass bei Erteilung des Bescheides von einer unrichtigen Rechtsanwendung oder einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen worden sei. Ein Absendevermerk zum Widerspruchsbescheid vom 19.02.2020 befindet sich nicht in der Verwaltungsakte.
Der Generalvertreter hat am 24.03.2020 gegen den Bescheid vom 17.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2020 Klage bei dem Sozialgericht Speyer (SG) erhoben. Der Widerspruchsbescheid sei am 25.02.2020 zugegangen. Im Frühjahr 2020 habe er die angeforderten Beiträge beglichen. Das Ausbildungsverhältnis zwischen ihm und dem Beigeladenen zu 1. habe mit dem Bestehen der Prüfung am 20.01.2015 geendet. Es liege eine Zäsur zwischen der Ausbildung und dem Beginn des Arbeitsverhältnisses vor. Bei der Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses nach einem Studium und zu erwartender Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze sei der Berufsanfänger versicherungsfrei in der Kranken- und Pflegeversicherung. Bei einer vorangegangenen Ausbildung könne kein Unterschied bestehen. Der Arbeitsvertrag vom 29.01.2015 sei, wie vom SG zutreffend angenommen, so zu verstehen, dass ein fixes Bruttogehalt in Höhe von 5.000,00 Euro vereinbart gewesen sei. Es hätten zusätzlich weitere 2.500,00 Euro durch Provisionen beansprucht werden können.
Die Beklagte hat an ihrer Rechtsauffassung festgehalten. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V beziehe sich auf Schüler, Studenten oder Beamte auf Widerruf im Vorbereitungsdienst für das 2. juristische Staatsexamen. Damit werde klat, dass eine Berufsausbildung mit fortlaufender Entgeltzahlung bereits eine Beschäftigung darstelle und ein im Anschluss an die Berufsausbildung eingegangenes neues Beschäftigungsverhältnis folglich nicht als erstmalige Aufnahme einer Beschäftigung gelte. Dass die Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.06.2019 nicht durch den Widerspruchsausschuss, sondern durch die Dezernentin erfolgt sei, sei nach der Neufassung des § 26 in ihrer Satzung vom 30.11.2018 zulässig.
Mit Urteil vom 19.07.2022 hat das SG der Klage stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2020 verpflichtet, den Bescheid vom 18.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 aufzuheben. Der Beigeladene zu 1. sei im Zeitraum vom 01.02.2015 bis zum 31.12.2015 nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 und Abs. 6 SGB V in Verbindung mit § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI nicht (mehr) kranken- und pflegeversicherungspflichtig gewesen, so dass die entsprechende Beitragserhebung durch die Beklagte rechtswidrig sei. Ab dem 01.02.2015 habe das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt des Beigeladenen zu 1. die damals geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze in Höhe von 54.900,00 Euro jährlich bzw. 4.575,00 Euro monatlich überschritten. Die Überschreitung sei bereits durch das regelmäßige Einkommen in Höhe von jedenfalls 5.000,00 Euro pro Monat und für den Zeitraum Februar bis Dezember 2015 von insgesamt 55.000,00 Euro erfolgt. Daher komme es auf die Frage der Hinzurechnung weiterer Leistungen des Arbeitgebers nicht an. Nach dem Arbeitsvertrag vom 29.01.2015 habe der Beigeladene zu 1. durchgehend 5.000,00 Euro fixes Bruttogehalt pro Monat beanspruchen können. Die Regelung im Arbeitsvertrag, wonach 50 Prozent des Gehalts ein Fixgehalt seien und die anderen 50 Prozent durch Provisionen erarbeitet werden müssten, enthalte eine Leistungsanforderung, keine Bedingung für den an anderer Stelle vereinbarten Bruttolohn. Somit habe anhand der erkennbaren und zu erwartenden Umstände auch keine Ungewissheit darüber bestanden, dass die Jahresarbeitsentgeltgrenze bereits ab dem 01.02.2015 dauerhaft und somit auch im Jahr 2016 (erforderliche Prognose zum 01.02.2015), als sie auf 56.250,00 Euro jährlich und 4.687,50 Euro monatlich gestiegen sei, überschritten worden sei. § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V, wonach, wenn die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten werde, die Versicherungspflicht mit Ablauf des Kalenderjahres ende, in dem sie überschritten werde, sei nicht einschlägig. Die Regelung des § 6 Abs. 4 Satz 1 SGB V sei nicht anwendbar, wenn ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis beendet werde und ein neues mit einem über der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegenden regelmäßigen Arbeitsentgelt aufgenommen werde, weil sie zwar einen kurzfristigen Wechsel zwischen Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit vermeiden und damit eine gewisse Kontinuität im Versicherungsverlauf gewährleisten solle. Dies sei aber gerade bei der auch für das laufende Jahr bereits erforderlichen Prognose, zumal bei deren entsprechendem Ergebnis keine soziale Schutzbedürftigkeit ersichtlich sei, sichergestellt (Verweis auf Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Urteil vom 20.03.2019 – L 5 KR 799/18, juris, u.a.). Es sei nicht mit Sinn und Zweck der Regelung zu vereinbaren, einen Arbeitslosen, der mit Aufnahme einer Beschäftigung mit einem Entgelt über der Jahresentgeltgrenze sogleich versicherungsfrei würde, gegenüber einem Beschäftigten zu bevorzugen, der von einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in eine mit einem Entgelt über der Jahresentgeltgrenze einhergehende Beschäftigung wechsele. Dabei könne es keine Rolle spielen, ob ein Wechsel des Arbeitgebers vorliege, wenn jedenfalls nicht nur durch eine Gehaltserhöhung die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten werde, sondern ein neues Beschäftigungsverhältnis begründet werde (Verweis auf Peters, in: Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, § 6 SGB V, Rn. 21). Zum 01.02.2015 sei hier nicht lediglich ein Statuswechsel bei unverändertem Beschäftigungsverhältnis eingetreten, sondern nach dem Ende der Ausbildung sei ein grundständig neues Beschäftigungsverhältnis als ausgebildeter Arbeitnehmer durch Abschluss des Arbeitsvertrags vom 29.01.2015 zum 01.02.2015 begründet worden. Nicht streitentscheidend sei daher, ob die Ausbildung bereits vor dem 31.01.2015 beendet gewesen sei. § 6 Abs. 4 SGB V sei zudem nicht anwendbar, weil der Beigeladene zu 1. Berufsanfänger im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB Vsei. Nach dieser Vorschrift könnten Personen, die erstmals eine Beschäftigung im Inland aufnehmen und nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei seien - wobei Beschäftigungen vor und während der beruflichen Ausbildung unberücksichtigt blieben - freiwillig der gesetzlichen Krankenversicherung beitreten. Für diese Gruppen gebe das Beitrittsrecht ab Aufnahme der Beschäftigung nur dann Sinn, wenn nicht ohnehin Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung bestehe (Verweis auf Peters, aaO, § 6 SGB V, Rn. 21; § 9 SGB V, Rn. 30; Gerlach, in: Hauck/Noftz, Sozialgesetzbuch, Gesamtkommentar, § 9 SGB V, Rn. 72 f.). Es liege eine erstmalige Beschäftigungsaufnahme bei dem Beigeladenen zu 1. vor, weil es sich um eine Beschäftigung handele, die erstmalig nach Abschluss der beruflichen Ausbildung aufgenommen worden sei, wobei Beschäftigungen vor oder während der beruflichen Ausbildung unberücksichtigt blieben. Zwar nenne die Gesetzesbegründung beispielhaft Schüler, Studenten und Beamte auf Widerruf, jedoch sei diese Aufzählung nicht abschließend (Verweis auf Gerlach, a.a.O., § 9 SGB V, Rn. 74), zumal Gegenteiliges dem Gesetz nicht zu entnehmen sei. Am 01.02.2015 sei der Beigeladene zu 1. im Anschluss an seine berufliche Ausbildung in das Berufsleben gestartet. Die zunächst während der Schulausbildung ausgeübte geringfügige Beschäftigung sei von vornherein wegen der diesbezüglichen anderweitigen Versicherungsfreiheit unbeachtlich, ebenso wie die lediglich unfallversicherungspflichtige Tätigkeit als Berufsakademiestudent, wobei diese sowie das folgende Ausbildungsverhältnis, das nicht mehr versicherungsfrei gewesen sei, ohnehin unter die Regelung im zweiten Halbsatz von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V falle (Verweis auf Baier, in: Krauskopf, SGB V, § 9 SGB V, Rn. 12; Nebendahl, in: Spickhoff, Medizinrecht, § 9 SGB V, Rn. 21). Die zur Überbrückung ausgeübte Tätigkeit bzw. fortgesetzte Tätigkeit als Berufsakademiestudent bis zum Abbruch des Studiums und Beginn der Berufsausbildung zum 01.09.2012 sei nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Hs. 2 SGB V ebenso unbeachtlich. Eine hinreichend zu rechtfertigende sachliche Unterscheidung könne sich nicht daraus ergeben, ob die Aufnahme der ersten Beschäftigung im Ausbildungsbetrieb oder in einem anderen Betrieb erfolge.
Gegen das ihr am 20.07.2022 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11.08.2022 Berufung eingelegt. Bei einem neuen Beschäftigungsverhältnis richte sich die Versicherungsfreiheit in der gesetzlichen Krankenversicherung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, unabhängig von der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze in der vorangegangenen Beschäftigung. In einem laufenden versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis schiebe § 6 Abs. 4 SGB V den Zeitpunkt, zu dem die Versicherungspflicht des Arbeitnehmers wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze ende, auf den Ablauf des Kalenderjahres des Überschreitens, vorausgesetzt, dass das regelmäßige Jahresarbeitsentgelt auch die vom Beginn des nächsten Kalenderjahres an geltende Jahresarbeitsentgeltgrenze übersteige. Die Anwendung des § 6 Abs. 4 SGB V unterscheide nicht danach, aus welchem Grund die Jahresarbeitsentgeltgrenze überschritten werde. Der mit einer Entgelterhöhung einhergehende Statuswechsel vom Auszubildenden zum Arbeitnehmer führe daher frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres des Überschreitens zum Ende der Versicherungspflicht. Bei einem Wechsel vom Auszubildenden zum Arbeitnehmer bei dem gleichen Arbeitgeber liege keine neue Beschäftigung vor. Dies ergebe sich auch aus § 7 Abs. 2 SGB IV, der eine betriebliche Berufsbildung als Beschäftigung definiere. Der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Hs. 2 SGB V erfasse keine Beschäftigungen zur Berufsausbildung. Aus der Gesetzesbegründung gehe hervor, dass Beschäftigungen als Schüler, während eines Studiums oder als Beamter auf Widerruf zur Vorbereitung auf das 2. Juristische Staatsexamen davon erfasst seien.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 19.07.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verweisen auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil. Die Ausführungen der Beklagten zu § 7 Abs. 2 SGB IV und § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V seien nicht überzeugend. § 7 SGB IV diene der Abgrenzung einer Beschäftigung und einer selbständigen Tätigkeit. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Hs. 2 SGB V beziehe sich explizit auf eine Beschäftigung vor oder während einer beruflichen Ausbildung, wie hier zu beurteilen.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Die Beteiligten haben am 31.08.2023, 01.09.2023, 07.09.2023 und 12.09.2023 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erklärt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils, die Prozessakte und die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der Beratung gewesen ist.
Entscheidungsgründe:
Die nach §§ 143 ff. SGG zulässige Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist nicht begründet. Das SG hat der Klage zu Recht stattgegeben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2020 verpflichtet, den Bescheid vom 18.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 aufzuheben, weil der Beigeladene zu 1. vom 01.02.2015 bis zum 31.12.2015 in der Beschäftigung bei dem Generalvertreter nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung versicherungsfrei gewesen ist.
Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 17.06.2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.02.2020, der die Rücknahme des Bescheides vom 18.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X abgelehnt hat. Das SG hat den Klageantrag zutreffend als Anfechtungs- und Verpflichtungsantrag ausgelegt und dargelegt, dass die Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 durch das Gericht ausscheidet, sondern die Beklagte hierzu zu verpflichten ist.
Die Kläger haben als Rechtsnachfolger des verstorbenen Generalvertreters den Anspruch auf Aufhebung des Bescheides vom 18.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nach § 58 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) i.V.m. § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geerbt. Da es sich nicht um Ansprüche auf laufende Geldleistungen im Sinne von § 56 Abs. 1 SGB I handelt, scheidet eine vorrangige Sonderrechtsnachfolge aus. Vererblich nach Maßgabe des § 58 Satz 1 SGB I sind Sozialleistungsansprüche nur, wenn sie nicht gemäß § 59 SGB I mit dem Tode des Berechtigten erlöschen. Es muss sich also – weil Ansprüche auf Dienst- und Sachleistungen nach § 59 Satz 1 SGB I mit dem Tod des Berechtigten untergehen – um Geldleistungen i.S.d. § 11 Satz 1 SGB I handeln (Groth, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB I, 3. Aufl., Stand: 21.12.2022, § 58 SGB I). Dies ist hier der Fall. Der Anspruch ist auch nicht nach § 59 Satz 2 SGB I mit dem Tod des Generalvertreters erloschen, weil zum Zeitpunkt seines Todes das Verwaltungsverfahren bereits anhängig gewesen ist. Eine Unterbrechung des Berufungsverfahrens nach § 202 SGG i.V.m. § 139 Zivilprozessordnung (ZPO) ist nicht eingetreten, da eine Vertretung durch einen Prozessbevollmächtigten stattfand. Ein Antrag auf Aussetzung des Verfahrens wurde nicht gestellt (§ 202 SGG i.V.m § 246 Abs. 1 ZPO).
In dem vorliegenden Verfahren ist, nachdem der Generalvertreter nach Berufungseinlegung verstorben ist, die Erbengemeinschaft als nichtrechtsfähige Personenvereinigung nach § 70 Nr. 2 SGG beteiligtenfähig (vgl. zur Beteiligtenfähigkeit einer Erbengemeinschaft: BSG, Urteil vom 25.02.2010 – B 10 LW 2/09 R, juris, Rn 10; Beschluss vom 22.11.2021 – B 11 SF 18/21 S, juris, Rn 1). Alle Miterben der Erbengemeinschaft haben ihren Wohnsitz in Rheinland-Pfalz und somit im Zuständigkeitsbereich des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz.
Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Der Widerspruchsbescheid vom 19.02.2020 ist nicht bereits deswegen rechtswidrig, weil er nicht vom Widerspruchsausschuss der Beklagten erlassen worden ist. Gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 2 SGG erlässt den Widerspruchsbescheid in Angelegenheiten der Sozialversicherung – und damit auch der Rentenversicherung (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) – die von der Vertreterversammlung bestimmte Stelle. Nach § 26 Abs. 1 Satz 1 der seit dem 15.04.2019 geltenden Satzung der Beklagten vom 30.11.2018 (vgl. § 33 der Satzung mit Fußnote) werden die Entscheidungen über Widersprüche gegen Bescheide bei deren Erlass (a) eine Ermessensausübung erforderlich war und (b) durch die ein Antrag auf Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung oder eine Leistung zur Teilhabe trotz Erfüllung der versicherungsrechtlichen Voraussetzungen abgelehnt wurde, dem Widerspruchsausschuss übertragen. Da beide Varianten nicht Gegenstand der Entscheidung nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind, war die Entscheidung über den Widerspruch gegen den Bescheid vom 17.06.2019 nach § 26 Abs. 1 Satz 2 der Satzung durch die Dezernentin, als einer von der Geschäftsführung hierfür bestellten Vertreterin, zulässig.
Beim Erlass des Bescheides vom 18.11.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 ist das Recht unrichtig angewandt und sind deshalb Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für die Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. bei dem Generalvertreter im Zeitraum vom 01.02.2015 bis zum 31.12.2015 zu Unrecht erhoben worden. Da nicht die nachträgliche Erbringung von Sozialleistungen, sondern die Zahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung streitgegenständlich ist, greift § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X von vornherein nicht. Da der Generalvertreter die streitgegenständlichen Beiträge für das Kalenderjahr 2015 erst im Frühjahr 2020 entrichtet hat, kann ein Erstattungsanspruch unabhängig von dessen Entstehung (vgl. BSG, Urteil vom 31.03.2015 – B 12 AL 4/13 R –, juris Rn. 18 ff.) nach dem Wortlaut des § 27 Abs. 2 SGB IV, der auf den Zeitpunkt der Entrichtung der Beiträge abstellt, auch nicht verjährt sein (vgl. Zieglmeier in BeckOGK, Stand: 15.02.2023, § 27 SGB IV, Rn. 18 f.).
Der Bescheid vom 18.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 ist nicht bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben, weil der Beigeladene zu 1. entgegen § 12 Abs. 2 SGB X von der Einleitung des auch für ihn rechtsgestaltende Wirkung entfaltenden Verwaltungsverfahrens nicht benachrichtigt worden ist und sich infolgedessen in diesem Stadium nicht beteiligen konnte. Denn dieser Fehler des Verwaltungsverfahrens ist jedenfalls nicht mehr erheblich. Da der Beigeladene zu 1. bereits vor dem SG rechtskundig durch den Prozessbevollmächtigten (auch) des Generalvertreters vertreten gewesen ist und keinen eigenen Antrag gestellt hat, ebenso wie im Berufungsverfahren, kann unterstellt werden, dass er auf die Wiederholung des Verwaltungsverfahrens (die Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG reicht hierfür nach BSG, Urteil vom 22.06.1983 – 12 RK 73/82 –, juris Rn. 16 nicht aus; Berchtold, ASR 2022, 198, 205) verzichtet und keinen Nutzen aus einem entsprechenden Fehler ziehen möchte (vgl. BSG, Urteil vom 09.08.2006 – B 12 KR 3/06 R –, juris Rn. 14), zumal er seit dem Tod seines Vaters als Teil der Erbengemeinschaft am Berufungsverfahren beteiligt ist. Daher kann dahinstehen, ob eine nach § 12 Abs. 2 SGB X unterbliebene Benachrichtigung eines Dritten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Abs. 1 SGB X überhaupt beachtlich sein kann (vgl. zur Unbeachtlichkeit von Verstößen gegen die Anhörungspflicht und reine Formverstöße: Schütze, in: Schütze, SGB X, 9. Auflage 2020, § 44 SGB X, Rn. 18 mwN). Außerdem kann jedenfalls die materielle Rechtsposition des Bescheidadressaten durch die unterbliebene Benachrichtigung eines Dritten nicht verkürzt worden sein.
Der Bescheid vom 18.11.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.04.2017 ist hingegen rechtswidrig, weil der Beigeladene zu 1. nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 20 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung ab dem 01.02.2015 und nicht erst ab dem 01.01.2016 versicherungsfrei war. Die daraus folgende Beitragsnacherhebung erweist sich als rechtswidrig. Das SG hat die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen, die geltenden Jahresarbeitsentgeltgrenzen, die Höhe des monatlichen Entgelts des Beigeladenen zu 1. von mindestens 5.000,00 Euro brutto (wodurch die weiteren Entgeltbestandteile dahinstehen können), die anzustellende Prognose bei der Aufnahme der Beschäftigung für das Kalenderjahr 2015 und 2016, die Nichtanwendung von § 6 Abs. 4 SGB V auf ein – wie vorliegend – neues Beschäftigungsverhältnis, auch im Umkehrschluss aus der Einschlägigkeit von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V, ausführlich und zutreffend dargestellt. Der Senat schließt sich diesen Darlegungen nach eigener Überzeugung an, sieht von deren Wiederholung nach § 153 Abs. 2 SGG ab und ergänzt diese, insbesondere im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Beklagten wie folgt:
Die Auffassung der Beklagten, dass der Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Hs. 2 SGB V keine Beschäftigungen zur Berufsausbildung erfasse, überzeugt den Senat nicht. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Hs. 2 SGB V in der seit seiner Einführung zum 01.01.2011 (BGBl. 2010, S. 2309) gültigen Fassung besagt, dass Beschäftigungen vor oder während der beruflichen Ausbildung unberücksichtigt bleiben. Eine berufliche Ausbildung ist nicht definiert und umfasst nach dem Wortlaut jedenfalls eine Berufsausbildung im Sinne von § 1 Abs. 3 BBiG. Da dieser gesetzlich definierte Begriff jedoch im Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Hs. 2 SGB V nicht aufgegriffen wird, ist die „berufliche Ausbildung“ weiter zu fassen und auch beispielsweise ein Studium hierunter zu subsumieren. Dies entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, der in der Gesetzesbegründung ausdrücklich Beschäftigungen als Schüler, während eines Studiums oder als Beamter auf Widerruf zur Vorbereitung auf das 2. Juristische Staatsexamen genannt hat (vgl. BT-Drs. 14/1245, S. 60). Sofern die Beklagte aus der zeitlichen Dimension des Wortlauts („vor und während“) im Umkehrschluss folgert, dass nur Beschäftigungen neben, also zusätzlich zu, einer Berufsausbildung und nicht Beschäftigungen zur Berufsausbildung erfasst sein sollen, überzeugt dies den Senat nicht. Zwar sind Auszubildende nach dem BBiG in der Aufzählung in der Gesetzesbegründung nicht enthalten. Diese gibt sich – wie das SG bereits ausgeführt hat – jedoch einerseits keinen abschließenden Charakter (so auch Baierl, in: jurisPK-SGB V, Stand: 15.06.2020, § 9 SGB V, Rn. 51; Gerlach, in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 11. Ergänzungslieferung 2023, § 9 SGB V, Rn. 74; auf Berufsausbildung im Sinne des § 1 Abs. 3 BBiG nach dem Wortlaut begrenzend: Minn, in: Figge, Sozialversicherungs-Handbuch Beitragsrecht, 11/2022, 4.1.1.3, Seite 9) und andererseits geht aus der Gesetzesbegründung für den Senat eindeutig hervor, dass auch Beschäftigungen zur Berufsausbildung von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Hs. 2 SGB V erfasst sein sollen. Denn vor dieser Aufzählung heißt es darin, dass eine Beschäftigung, die im Rahmen oder während der Berufsausbildung ausgeübt wird, nicht als erstmalige Beschäftigung anzusehen sei. Bei den Überlegungen des Gesetzgebers mag der Berufseinstieg nach einer Berufsausbildung im Sinne von § 1 Abs. 3 BBiG nicht im Fokus gestanden haben, weil sich danach in seltenen Fällen eine regelmäßige Entlohnung oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze ergibt. Nach Wortlaut, Sinn und Zweck der Regelung ist der Senat jedoch davon überzeugt, dass von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Hs. 2 SGB V auch Beschäftigungen zur Berufsausbildung, wie beim Beigeladenen zu 1., umfasst sind, weil Berufsanfängern, die nach Abschluss ihrer Ausbildung wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei sind, die Möglichkeit zur freiwilligen Versicherung eröffnet werden sollte. Aufgrund der beim Berufseinstieg oft fehlenden Vorversicherungszeit wäre sonst ein Beitritt zur freiwilligen Versicherung nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V häufig nicht möglich. Es liegt kein Grund vor, weshalb Berufsanfängern, die nach dem Abschluss einer Berufsausbildung im Sinne von § 1 Abs. 3 BBiG wegen Überschreitens der Jahresarbeitsentgeltgrenze nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V versicherungsfrei sind, diese Möglichkeit nicht offenstehen sollte.
Hiervon ausgehend, macht die Regelung des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V nur Sinn, wenn bei dem Berufseinstieg im Inland nicht ohnehin Versicherungspflicht besteht (Peters, in: BeckOGK, SGB V, Stand: 01.09.2019, § 6 SGB V, Rn. 21). Dies führt zwar nicht zwingend zur Nichtanwendung von § 6 Abs. 4 SGB V auf neue Beschäftigungsverhältnisse nach Beendigung einer Berufsausbildung mit dem vorherigen Ausbilder. Es zeigt jedoch, dass der Gesetzgeber, auch bei einem Berufsanfänger nach einer Berufsausbildung, die Möglichkeit der Versicherungsfreiheit nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V erkannt und eröffnet hat.
Entgegen der Ansicht der Beklagten liegt auch ohne einen Arbeitgeberwechsel nach Abschluss der betrieblichen Berufsausbildung bei dem Beigeladenen zu 1. kein bloßer Statuswechsel unter Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses vor, welcher – wie von der Beklagten zutreffend angenommen – unter Anwendung von § 6 Abs. 4 SGB V erst mit Ablauf des Kalenderjahres zur Versicherungsfreiheit unter Erfüllung der weiteren Bedingungen, führen würde. Sondern es handelt sich, wie bereits vom SG zutreffend dargelegt, bei der Aufnahme einer Beschäftigung als (ausgebildeter) Angestellter zum 01.02.2015 um ein vom vorherigen Berufsausbildungsverhältnis getrennt zu betrachtendes Beschäftigungsverhältnis, wie sich auch an den zwei verschiedenen Verträgen zur Berufsausbildung einerseits und als angestellter Kaufmann für Versicherungen und Finanzen andererseits manifestiert. Entgegen der Auffassung der Beklagten spricht § 7 Abs. 2 SGB IV für zwei eigenständige Beschäftigungsverhältnisse – vorliegend beim gleichen Arbeitgeber. Nach § 7 Abs. 2 SGB IV gilt auch der Erwerb beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten oder Erfahrungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung als Beschäftigung. Es handelt sich zwar um eine Ergänzung zur Definition einer Beschäftigung in § 7 Abs. 1 SGB IV, weshalb auch die allgemeinen Grundsätze des § 7 Abs. 1 SGB IV für eine Beschäftigung vorliegen müssen (vgl. Scheer, in: jurisPK-SGB IV, 4. Auflage, Stand: 01.08.2021, § 7 SGB IV, Rn. 17). Die Ergänzung ist jedoch notwendig, weil die Beschäftigung zur Berufsausbildung geprägt wird durch die Vermittlung beruflicher Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen sowie der Erziehung und Bildung und die Erbringung von produktiver Arbeit hierbei weniger im Vordergrund steht (vgl. BSG, Urteil vom 12.10.2000 – B 12 KR 7/00 R –, juris Rn. 18). Der Erwerb der notwendigen Kenntnisse, Fertigkeiten und Erfahrungen wird versicherungsrechtlich der Berufsarbeit gleichgestellt (Zieglmeier, in: BeckOGK, SGB IV, Stand: 15.08.2023, § 7 SGB IV, Rn. 312). Hierdurch wird belegt, dass die Ausbildung ein Aliud zur späteren Berufsarbeit darstellt. Die unterschiedliche Zielrichtung eines Vertrages zur betrieblichen Berufsbildung und eines späteren Arbeitsvertrages nach Abschluss der Ausbildung spiegelt sich auch in den abweichenden Pflichten von Auszubildendem und Ausbilder sowie Arbeitnehmer und Arbeitgeber wieder. Zudem unterliegen Berufsausbildungsverträge, wobei § 7 Abs. 2 SGB IV über deren Erfassung hinausgeht, den Vorgaben des BBiG mit den dort normierten Pflichten der Auszubildenden (§ 13 BBiG) und der Ausbildenden (§ 14 ff. BBiG). Die Beendigung dieser Pflichten und die Aufnahme eines Arbeitsverhältnisses stellen eine Zäsur dar, die nicht nur in unterschiedlichen Verträgen existent ist, sondern auch die Beschäftigung bei einem durchgehend gleichbleibenden Arbeitgeber neu beginnen lässt. Hierfür spricht auch, dass der Gesetzgeber an Beschäftigungen im Rahmen betrieblicher Berufsbildung unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft. In diesen Fällen sind Beschäftigungen trotz Erfüllung der Geringfügigkeitsvoraussetzungen des § 8 SGB IV versicherungspflichtig (§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB V, § 5 Abs. 2 Satz 5 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch <SGB VI>, § 27 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch <SGB III>). Letztendlich ergibt sich die Differenzierung zwischen den Beschäftigungsverhältnissen zur Ausbildung und als Arbeitnehmer aber auch aus den gesetzlichen Vorgaben zur Versicherungspflicht und Versicherungsfreiheit im SGB V. Denn nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V sind Arbeiter, Angestellte und zu ihrer Berufsausbildung Beschäftigte, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, versicherungspflichtig. Dies zeigt, dass die Versicherungspflicht im Zeitpunkt des Wegfalls der Beschäftigung zur Berufsausbildung erneut geprüft werden muss um festzustellen, ob diese nunmehr als gegen Arbeitsentgelt beschäftigter Arbeiter oder Angestellter bzw. nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 bis 13 SGB V besteht. Zu diesem Zeitpunkt steht ein grundständig neues Beschäftigungsverhältnis zur Prüfung der Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit an – auch wenn es mit dem gleichen Arbeitgeber geführt wird. Da die von der Beklagten angeführte Besprechung des GKV-Spitzenverbandes, der Deutschen Rentenversicherung Bund und der Bundesagentur für Arbeit über Fragen des gemeinsamen Beitragseinzugs vom 08./09.05.2012 sowie die wortgleichen grundsätzlichen Hinweise des GKV-Spitzenverbandes zur Versicherungsfreiheit von Arbeitnehmern bei Überschreiten der Jahresarbeitsentgeltgrenze vom 20.03.2019 ohne weitere Begründung auf einen bloßen Statuswechsel vom Auszubildenden zum Arbeitnehmer (beim gleichen Arbeitgeber) abstellt, überzeugt dies den Senat nicht. Im Gegenteil wären nach dieser Auffassung verfassungsrechtliche Bedenken zu gegenwärtigen, weshalb die Gruppe der Auszubildenden, die nach Abschluss der Ausbildung beim gleichen Arbeitgeber beschäftigt werden, beitragsrechtlich anders behandelt wird als die Gruppe der Auszubildenden, die anschließend von einem anderen Arbeitgeber beschäftigt werden und mit dem dort erzielten Entgelt die Jahresarbeitsentgeltgrenze des laufenden und des nächsten Jahres übersteigen. Denn Gründe der Verwaltungsvereinfachung sprechen nicht für diese Differenzierung. Der Gesetzgeber darf zwar Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung berücksichtigen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07.04.2022 - 1 BvR 2257/16, juris Rn. 298). Diese dürften hingegen nicht ausreichen, um die unterschiedliche Behandlung von ausgebildeten Personen bei der Aufnahme der Berufsarbeit zu rechtfertigen, weil zu diesem Zeitpunkt ohnehin nach § 12 Abs. 2 oder Abs. 1 der Verordnung über die Erfassung und Übermittlung von Daten für die Träger der Sozialversicherung (DEÜV) eine Meldung zur Einzugsstelle vorzunehmen ist und von Arbeitgeber und Einzugsstelle verarbeitet werden muss.
Wie vom SG zutreffend ausgeführt, kann daher dahinstehen, wann das Beschäftigungsverhältnis zur Berufsausbildung geendet hat, weil auch ein nahtloser Anschluss am 01.02.2015 nicht zu einem durchgängigen Beschäftigungsverhältnis führen würde und jedenfalls kein Arbeitsverhältnis vor dem 01.02.2015 begründet worden ist. Es kommt nach der Auffassung des Senats auch nicht darauf an, zu welchem Zeitpunkt der Generalvertreter und der Beigeladene zu 1. eine Einigung zur Anstellung ab dem 01.02.2015 erzielt haben oder ob dies von Beginn der Ausbildung an beabsichtigt gewesen ist. Denn selbst im letzteren Fall geht der Senat von zwei isolierten Beschäftigungsverhältnissen aus. Die am 01.02.2015 neu aufgenommene Beschäftigung des Beigeladenen zu 1. bei dem Generalvertreter erfüllt die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, unabhängig von der Überschreitung der Jahresarbeitsentgeltgrenze in der vorangegangenen Beschäftigung (vgl. Ausführungen des SG). Die Versicherungsfreiheit des Beigeladenen zu 1. wird daher nicht auf das Ende des Kalenderjahrs 2015 hinausgeschoben, sondern tritt mit der Aufnahme der neuen Beschäftigung zum 01.02.2015 ein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1, Hs. 3 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Ein Fall des § 183 Satz 1 oder Satz 2 SGG liegt hier nicht vor. Weder der Generalvertreter noch die das Berufungsverfahren nach dessen Tod weiterführende Erbengemeinschaft als nichtrechtsfähige Personenvereinigung sind Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Menschen mit Behinderungen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 SGB I (zur Erbengemeinschaft vgl. Streitwertkatalog für die Sozialgerichtsbarkeit, 6. Aufl. 2023, A I Nr. 1.5 und 1.6 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 07.07.2017 - B 13 SF 9/17 S). Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht zu erstatten, da diese keine eigenen Anträge gestellt haben und hierfür im Berufungsverfahren auch keine Gründe der Billigkeit sprechen (§ 197a Abs. 1 Satz 1 3. HS SGG i.V.m. § 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
Die Revision an das Bundessozialgericht wird nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen.
Die endgültige Festsetzung des Streitwerts auf 8.099,63 Euro für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 52 Abs. 1, 2 und 3 und § 47 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG). Der Streitwert entspricht dem Wert der Nachforderung der Beiträge. Da sich die angefochtenen Bescheide darauf beziehen, ist deren Höhe nach § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG maßgebend.