Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juni 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Die 1970 in der Türkei geborene und seit den 1990er Jahren in Deutschland allein lebende Klägerin, bei der seit 01.02.2018 Pflegegrad 2 festgestellt ist, war zuletzt bis Juli 2012 als Reinigungskraft versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 03.12.2012 sind bei der Klägerin ein Grad der Behinderung von 80 und der Nachteilsausgleich RF festgestellt (Bl. 411 f. VerwA).
Ausgehend von einem am 18.07.2013 eingetretenen Versicherungsfall der vollen Erwerbsminderung (Leistungsvermögen unter drei Stunden, Besserung nicht unwahrscheinlich) bezog die Klägerin zunächst vom 01.02.2014 bis 31.03.2016 (Bescheid vom 25.04.2014, monatlich 85,37 € brutto, Bl. 98 ff. VerwA) und sodann vom 01.04.2016 bis 30.04.2018 (Bescheid vom 01.06.2016, monatlich 92,32 € brutto, Bl. 263 ff. VerwA) eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Seit 01.05.2018 bezieht sie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).
Grundlage für die Bewilligung der erstmaligen Rente wegen Erwerbsminderung war das Gutachten der O1 vom 12.03.2014 (Diagnose: Posttraumatische Belastungsstörung [PTBS], Agoraphobie mit Panikattacken, Migräne ohne Aura, Adipositas; Leistungsvermögen: unter drei Stunden, Besserung wahrscheinlich, Bl. 831 ff. VerwA). Grundlage für die Weiterbewilligung der Rente war das Gutachten der E1 vom 21.04.2016 (Diagnosen: PTBS, Agoraphobie mit Panikstörung, Zwangsgedanken und Zwangshandlungen; Leistungsvermögen: unter drei Stunden als Reinigungskraft und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt; Bl. 552 ff. VerwA).
Den Weitergewährungsantrag vom 28.12.2017 lehnte die Beklagte auf der Grundlage des von ihr eingeholten Gutachtens von E1 vom 22.03.2018 (Diagnosen: Angst und Depression gemischt, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren; Leistungsvermögen: sechs Stunden und mehr als Reinigungskraft und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt, Bl. 618 ff. VerwA) ab (Bescheid vom 16.04.2018 [Bl. 334 ff. VerwA]/ Widerspruchsbescheid vom 12.06.2018 [Bl. 382 ff. VerwA]). Die gegen den Ablehnungsbescheid erhobene Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart (S 24 R 3804/18) nahm die Klägerin zurück. Auch den erneut gestellten Weitergewährungsantrag vom 25.10.2018 lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 30.11.2018/Widerspruchsbescheid vom 23.07.2019).
Am 28.04.2021 stellte die Klägerin erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.
Nach Beiziehung ärztlicher Befundberichte wurde die Klägerin im Auftrag der Beklagten von dem B1 (ohne Beiziehung eines türkischsprachigen Dolmetschers) sozialmedizinisch begutachtet. B1 führte in seinem Gutachten vom 14.02.2022 (Tag der Untersuchung 08.02.2022, Bl. 1083 ff. VerwA) aus, dass bei der Klägerin eine Mischung aus Ängsten und Depression, eine aktuell stabile Migräne und ein Rentenbegehren bestehe. Für die Diagnose einer schizoaffektiven Psychose bestehe keine Rationale. Es zeige sich eine deutliche Versorgungshaltung. Hinweise auf eine schwere depressive Symptomatik oder auf eine schwere Beeinträchtigung der früher dominierenden PTBS-Symptomatik ließen sich nicht finden. Zudem gebe es Hinweise für ein nichtauthentisches Antwortverhalten in der Testpsychologie wie auch im Rahmen der Aggravation bei der Anamneseerhebung. In Bezug auf die Belastbarkeit als Reinigungskraft bestehe aus nervenärztlicher Sicht ein vollschichtiges Leistungsvermögen, wie auch für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, im Gehen und Stehen, ohne Akkord oder anderen Zeittakt. Trotz der Vielzahl der von der Klägerin angegebenen Antipsychotika habe sich zudem kein relevanter Blutspiegel in der Laboruntersuchung gefunden. Es sei somit davon auszugehen, dass die Klägerin ihre Medikamente nicht in der angegebenen Weise einnehme. Leistungen zur medizinischen Rehabilitation seien indiziert.
Die Prüfärztin O2 stimmte dieser Einschätzung in ihrer Stellungnahme vom 22.03.2022 zu, schlug jedoch keine Rehabilitationsmaßnahme vor.
Auf der Grundlage des Gutachtens von B1 und der Stellungnahme von O2 lehnte die Beklagte den Antrag auf Rente wegen Erwerbsminderung mit Bescheid vom 07.04.2022 (Bl. 450 ff.,464 ff., 472 ff. VerwA) ab.
Dagegen legte die Klägerin am 09.05.2022 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie aus, sie leide unter einer Vielzahl an psychischen Erkrankungen seit einem traumatischen Erlebnis im Jahr 1999 (Erleben eines Erdbebens). Es bestünden Flashbacks sowie Zwangsgedanken, sie höre innere Stimmen, welche sie zu Handlungen auffordern würden. Es bestehe ein Kontroll- und Putzzwang. So habe bereits ihr behandelnder A1 befundet, dass sie nie mehr in der Lage sein werde, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen.
Nach Einholung einer sozialmedizinischen Stellungnahme des H1 vom 17.08.2022 wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 26.08.2022 zurück. Der Klägerin seien noch leichte Arbeiten im Wechselrhythmus mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zumutbar. Vermieden werden solle bei diesen Tätigkeiten Schichtarbeit, besondere Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, besondere Anforderungen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen, die Einbindung in komplexe Arbeitsvorgänge, Akkord und taktgebundene Arbeit sowie besonderer Zeitdruck.
Hiergegen hat die anwaltlich vertretene Klägerin am 29.09.2022 Klage zum SG Stuttgart erhoben und ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren wiederholt.
Das SG hat die die Klägerin behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der H2 hat mit Schreiben vom 05.12.2022 mitgeteilt, dass sich bei der Klägerin, die seit 2020 ein Mal jährlich zur Verlaufskontrolle komme, unter der konservativen, medikamentösen Therapie messtechnisch keine relevanten Befundverschlechterungen fänden. Zuletzt hätten sich eine recht befriedigende Belastbarkeit, eine adäquate Blutdrucksituation, ein echokardiografischer Normalbefund, im EKG keine Rhythmusstörungen oder Ischämiezeichen nachweisbar und auch im Bereich der Carotiden glattwandige Gefäßwände gezeigt. Eine körperlich leichte Arbeit könne die Klägerin für sechs bis acht Stunden verrichten.
Mit Schreiben vom 07.12.2022 hat die Praxisnachfolgerin von A1 D1 mitgeteilt, dass sie die Klägerin seit dem 01.07.2022 zweimal gesehen habe. Es lägen eine schizoaffektive Psychose, eine PTBS, eine Zwangsstörung, eine Panikstörung und Schlafstörungen vor. Hierbei handele es sich um eine chronische schwere seelische Erkrankung, weswegen die Klägerin auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur unter drei Stunden arbeitsfähig sei.
Der K1 hat mit Schreiben vom 06.12.2022 mitgeteilt, dass der Blutdruck der Klägerin gut eingestellt sei und kein schwerwiegender Befund vorliege.
Die S1 hat mit Schreiben vom 22.12.2022 ausgeführt, dass der Schwerpunkt der Beeinträchtigungen der Klägerin auf dem psychiatrischen Fachgebiet liege und A1 dazu befragt werden solle.
Der Y1 hat mit Schreiben vom 05.02.2023 mitgeteilt, dass er die Frage nach der Erwerbsfähigkeit der Klägerin nicht beantworten könne, da er kein Psychologe sei.
Die Beklagte hat sodann die sozialmedizinische Stellungnahme der G1 vom 02.03.2023 übersandt, nach der an der bisherigen Leistungseinschätzung festgehalten werde und keine zeitliche Leistungsminderung der Klägerin vorliege. Die vorherige Anregung des SG, der Klägerin eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren, hat die Beklagte abgelehnt. Es solle auf den Abschluss des Klageverfahrens gewartet werden. Die Klägerin hat dem zugestimmt.
Das SG hat sodann von Amts wegen das Gutachten des G2 der Medius Kliniken K2, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie unter Hinzuziehung eines türkischsprachigen Dolmetschers eingeholt. G2 hat in seinem Gutachten vom 06.08.2023 (Tag der Untersuchung 27.07.2023) die von ihm erhobenen Befunde dargelegt. Danach sei die Klägerin pünktlich zum Termin erschienen. Sie habe problemlos Kontakt aufgenommen und sei unauffällig gekleidet gewesen. Sie sei wach und zu allein Qualitäten orientiert gewesen. Es hätten sich keine Hinweise auf Auffassungs- oder Konzentrationsstörungen gezeigt. Der Eindruck einer Unwilligkeit, alle Fragen mit ausreichender Nachdenklichkeit und Aufmerksamkeit für Widersprüche zu beantworten, sei nicht zu übersehen gewesen. Es hätten sich keine psychopathologisch begründbaren Störungen des Neu- oder Altgedächtnisses gezeigt. Die Klägerin habe angegeben, sie könne nicht 7 von 100 subtrahieren, wisse nicht, wieviel 100 minus 7 seien oder welches Jahr 2000 plus 5 ergebe. Bei der Frage nach der Merkfähigkeit habe sie ein Wort von drei wiederholen können. Dabei habe sie angegeben, sie wisse nicht, was Oslo sei. Auf die Frage, ob sie andere Städte kenne, habe sie angegeben, sie sei früher mit ihrem Mann in Holland, Belgien und Österreich gewesen. Am besten habe es ihr in Österreich an einem See gefallen. Die Stimmung sei –nach den Ausführungen des Sachverständigen – nicht tief herabgestimmt und depressiv gewesen, anfangs eher moros verstimmt. Sie sei affektiv schwingungsfähig gewesen, habe themenabhängig verschiedene Affekte gezeigt. Es hätten sich keine Hinweise auf psychomotorische oder Antriebsstörungen, auf formale oder inhaltliche Denkstörungen, auf Ich-Störungen oder Wahrnehmungsstörungen gezeigt. Angaben der Klägerin zu den nächtlichen Tieren und dem Sehen eines Manns mit weißen Bart könnten nicht psychopathologisch eingeordnet werden. Sie seien inkonsistent und der Eindruck sei entstanden, dass es sich um Konfabulationen handele. Zudem hätten sie keine verhaltenssteuernden Auswirkungen auf das Alltagsverhalten. Die Klägerin habe nicht über Flashbacks oder Alpträume, nicht über ein hohes vegetatives Anspannungsniveau berichtet. Vegetative Zeichen seien während der zwei Stunden der Begutachtung nicht zu beobachten gewesen. Es hätten sich keine Hinweise auf Ängste im Sinne der ICD-10 und keine Hinweise auf eine Zwangsstörung gezeigt. Festzustellen sei, dass sich die Stimmung der Klägerin in den zwei Stunden der Begutachtung verbessert habe. Am Ende habe sie angegeben, der Sachverständige hätte es geschafft, sie zum Lachen zu bringen, sie habe sich während der Untersuchung gut gefühlt. Es hätten sich deutliche Hinweise auf Aggravation bei widersprüchlichen und oft nicht wirklich verwertbaren Angaben gefunden. Sehr auffällig gewesen sei, dass die Klägerin zu gleichen Fragen und Ereignissen im Verlauf der Jahre bei verschiedenen Untersuchungen unterschiedliche Angaben gemacht habe, was Zweifel an ihrer Glaubwürdigkeit aufkommen lasse. Die widersprüchlichen Angaben hätten damit begonnen, dass ihre Angaben zum Besuch der Schule vom Besuch der Grundschule mit dem Erlernen von Grundfertigkeiten bis hin zum Besuch des Gymnasiums mit Abschluss reichten. In Bezug auf die Anzahl der Ehen habe es Angaben gegeben, dass es zwei, aber auch Angaben, dass es drei gewesen seien. Auch die Angaben zum Erdbeben seien nicht konsistent gewesen.
G2 hat ausgeführt, dass sich auf psychiatrische Fachgebiet die Diagnose Angst und Depression (ICD-10 F41.2) stellen lasse. Dabei sei zu beachten, dass für diese Diagnose ausreiche, dass lediglich Angst und Depression angegeben werden müsse, ohne dass die Kriterien für eine Angststörung oder auch nur für eine leichte depressive Störung erfüllt sein müssten. Funktionsstörungen ließen sich auf der Basis dieser Diagnose (Angst und Depression gemischt) nicht ableiten. Es handele sich um eine seelische Störung leichter Art. Die Klägerin sei in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche auszuüben.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 24.06.2024 abgewiesen. Es hat die maßgeblichen Rechtsgrundlagen des § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) dargelegt und ausgeführt, dass die Klägerin keinen Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung habe, da die Klägerin weder voll noch teilweise erwerbsgemindert sei.
Im Vordergrund stünden bei der Klägerin nach dem Gesamtergebnis der medizinischen Ermittlungen Beschwerden auf dem psychiatrischen Fachgebiet. Sowohl gegenüber B1 als auch gegenüber G2 habe sie ihren Krankheitsverlauf ausführlich geschildert, ihren Beschwerden sei nachgegangen und die Klägerin sorgfältig untersucht worden. Dabei sei jedoch zu beachten, dass bei der Untersuchung durch B1 kein türkischsprachiger Dolmetscher zugegen gewesen sei, weswegen es – das SG – in der Folge den nachvollziehbaren und überzeugenden Gründen des gerichtlichen Gutachtens von G2 folge. Die Klägerin leide auf psychiatrischem Fachgebiet unter Angst und Depression. Die Diagnose schizoaffektive Psychose habe der Sachverständige nicht bestätigen können. Es handele sich dabei – unter Verweis auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen – um eine schwere psychische Störung mit Realitätsverlust, Störung der Wahrnehmung, des Denkens, des Antriebs und Affektivität, die in aller Regel eine oder mehrere stationäre Behandlungen in der Psychiatrie erforderlich machen würden. Die Klägerin habe sich aber nach ihren Angaben gegenüber dem gerichtlichen Sachverständigen bisher noch nie in stationärer psychiatrischer Behandlung befunden. Die ambulante psychiatrische Behandlung, die höchstens alle zwei bis drei Monate stattfinde, könne nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen nicht als intensive Behandlung bezeichnet werden. Das alles spreche ausweislich des gerichtlichen Sachverständigen gegen das Vorliegen einer schizoaffektiven Psychose. In der aktuellen Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen G2 wie schon in den Untersuchungen bei B1 hätten sich keine hinreichenden und widerspruchsfreien Angaben oder psychopathologische Befunde, die diese Diagnose begründen könnten, gefunden. Im ärztlichen Gutachten der E1 vom 21.04.2016 seien zwar die Diagnosen PTBS, Agoraphobie mit Panikstörung, Zwangsgedanken und Zwangshandlungen gestellt worden, jedoch hätten sich – unter Verweis auf das Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen G2 – dafür in dem Gutachten vom 21.04.2016 keine entsprechenden Angaben und Befunde gefunden. Der gerichtliche Sachverständige habe nachvollziehbar ausgeführt, dass die Angaben der Klägerin allein, sie habe das Erdbeben erlebt, Familienangehörige und Freunde verloren, Erinnerungen an das Erdbeben, Riechen von Blut und Unwohlsein, für die Diagnose PTBS nicht ausreiche, weil ein dazu passender psychischer Befund fehle. Ebenso habe er nachvollziehbar ausgeführt, die Angaben der Klägerin, dass sie Angst habe, die Wohnung zu verlassen, sich verirre, schon von Bekannten nach Hause gebracht worden sei, für die Diagnose Agoraphobie mit Panikstörung nicht ausreiche. Dies gelte auch für die Annahme, dass die Klägerin einen Kontroll- und Ordnungszwang haben solle, weil alles auf seinem richtigen Platz liegen müsse, ohne weitere spezifische Angaben und Befunde und die Diagnose Zwangsgedanken und Zwangshandlungen. Weiter hat das SG ausgeführt, dass sich Funktionsstörungen auf der Basis der durch B1 und G2 gestellten Diagnose (Angst und Depression gemischt) nicht ableiten ließen. Die Klägerin sei somit zur Überzeugung des SG noch in der Lage, leichte bis mittelschwere Arbeiten im Wechselrhythmus mindestens sechs Stunden täglich im Rahmen einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten. Vermieden werden sollten bei diesen Tätigkeiten Schichtarbeit, besondere Anforderungen an das Konzentrations- und Reaktionsvermögen, besondere Anforderungen an das Anpassungs- und Umstellungsvermögen, Verantwortung für Personen und Maschinen, die Einbindung in komplexe Arbeitsvorgänge, Akkord und taktgebundene Arbeit sowie besonderer Zeitdruck. Das SG mache sich dabei insgesamt das Gutachten der Sachverständigen G2 zu eigen. So habe die Klägerin in der Untersuchung bei diesem zur Symptomatik keine verwertbaren Angaben gemacht. Ihre Angaben zum vermeintlich psychotischen Erleben, die sich in den Arztbriefen der behandelnden Ärzte fänden, würden so wirken, wie sich nicht psychisch kranke Menschen das Erleben von Erdbeben vorstellten. Diese Angaben würden schwanken, variieren und es sei nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen letztlich nicht klar, was die Klägerin tatsächlich gesagt habe oder sagen wolle. Die Übersetzung dieser Angaben in psychopathologische Befunde seitens der behandelnden Ärzte sei nicht nachvollziehbar. In der aktuellen Untersuchung durch den gerichtlichen Sachverständigen habe die Klägerin keine Angaben, die auch nur in die Nähe von Symptomen einer schizoaffektiven Psychose, Panikstörung oder Zwangsstörung gehörten, gemacht. Auf die Frage, wegen welcher Symptome sie Neuroleptika einnehme, habe sie geantwortet: Sie wisse nicht, warum der Arzt sie verschreibe. Wahrscheinlich habe sich dieser Arzt ein Bild von dem gemacht, was sie ihm erzähle. Aus den vom gerichtlichen Sachverständigen während der Untersuchung der Klägerin erhobenen Befunden würden sich keine Funktionseinschränkungen ableiten lassen.
Weiter hat das SG dargelegt, dass sich aus den vorliegenden sachverständigen Zeugenaussagen ebenfalls keine Angaben ergäben, welche für eine aufgehobene quantitative Leistungsfähigkeit sprechen würden. Diesbezüglich schließe sich das SG nach eigener Prüfung der ausführlichen Stellungnahme des ärztlichen Dienstes der Beklagten vom 02.03.2023 an.
Auf internistischem Gebiet leide die Klägerin an einem Bluthochdruck und einem metabolischen Syndrom. Diese Erkrankungen seien durch adäquate Blutdruckeinstellung, diabetische Maßnahmen und ausreichend Bewegung gut behandelbar und wirkten sich keinesfalls quantitativ erwerbsmindernd aus. Von orthopädischer Seite seien Ganzkörperschmerzen ohne bildgebenden Nachweis gravierender degenerativer Veränderungen bzw. orthopädische Dokumentation schwerwiegender Funktionseinschränkungen diagnostiziert worden. Eine Schmerztherapie sei empfohlen worden, zuletzt sei jedoch nur eine analgetische Bedarfsmedikation durchgeführt worden. Auf weiteren Fachgebieten ergäben sich aus den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Befundberichten ebenfalls keine so schwerwiegenden Beeinträchtigungen, dass eine quantitative Leistungseinbuße von unter sechs Stunden für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes unter Beachtung der oben genannten qualitativen Einschränkungen ersichtlich sei.
Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 24.06.2024 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 24.07.2024 durch ihren Prozessbevollmächtigten Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg erheben lassen.
Zur Begründung hat sie im Wesentlichen ausführen lassen, der gerichtliche Sachverständige verkenne Schwere und Ausmaß ihrer seelischen Erkrankung und verharmlose ihre nachts auftretenden Halluzinationen. Bei den bei ihr vorliegenden Erkrankungen handele es sich in einem sehr weiten Bereich um subjektive und individuelle Erkrankungen, die evtl. als Reaktion des traumatischen Erlebens des Erdbebens auftreten würden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24. Juni 2024 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2022 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie ist der Berufung entgegengetreten und verweist auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung erteilt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie die bei der Beklagten geführte Verwaltungsakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, ausdrücklich Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das SG hat die statthafte kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 und Abs. 4 SGG) zu Recht abgewiesen. Der Klägerin steht eine Rente wegen Erwerbsminderung nicht zu. Der Bescheid vom 07.04.2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.08.2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
Rechtsgrundlage für die begehrte Rente wegen voller, hilfsweise teilweiser Erwerbsminderung ist § 43 SGB VI. Danach haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser (Abs. 1 der Regelung) bzw. voller (Abs. 2 Satz 1 der Regelung) Erwerbsminderung, wenn sie – u.a. – teilweise oder voll erwerbsgemindert sind. Nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI sind teilweise erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein Nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI sind voll erwerbsgemindert Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Volle Erwerbsminderung besteht über die Regelung des § 43 Abs. 2 SGB VI hinaus, nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Großer Senat, Beschluss vom 10.12.1976, u.a. GS 2/75, juris) bei regelmäßig bejahter Verschlossenheit des Arbeitsmarktes auch dann, wenn eine zeitliche Leistungseinschränkung von drei bis unter sechs Stunden vorliegt. Nach § 43 Abs. 3 SGB VI ist nicht erwerbsgemindert, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage.
Das SG hat in den Gründen angefochtenen Entscheidung zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung dargelegt und gestützt auf das Sachverständigengutachten von G2 ebenso zutreffend ausgeführt und begründet, dass die Klägerin diese Voraussetzungen nicht erfüllt, weil ihr Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter Berücksichtigung der von dem Sachverständigen G2 beschriebenen und vom SG zutreffend – im Tatbestand – festgestellten qualitativen Einschränkungen nicht weniger als sechs Stunden beträgt. Schließlich hat das SG überzeugend dargelegt, dass und warum sich aus den sachverständigen Zeugenauskünften der behandelnden Ärzte keine andere Einschätzung ableiten lässt.
Der Senat schließt sich daher der Begründung des SG nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Das Berufungsvorbringen der Klägerin führt zu keiner anderen Einschätzung.
Soweit die Klägerin vorgetragen hat, dass sie von Tabletten abhängig sei, da nur diese sie beruhigen und betäuben würde, weist der Senat darauf hin, dass bereits B1 in seinem von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten, dass der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet (vgl. BSG, Beschluss vom 14.11.2013 - B 9 SB 10/13 B -, juris Rn. 6; BSG, Urteil vom 05.02.2008 - B 2 U 8/07 R -, juris Rn. 51), einen Blutserumspiegel erhob, in dem sich die von der Klägerin bei der gutachterlichen Untersuchung angegebenen Medikamente gerade nicht nachweise ließen.
Soweit die Klägerin vorgebracht hat, dass der gerichtliche Sachverständige G2 Schwere und Ausmaß ihrer seelischen Erkrankung, insbesondere der mehrfach vordiagnostizierten PTBS verkannt habe, folgt dem der Senat nicht. Vielmehr hat dieser – und hierauf gestützt das SG –, wie im Tatbestand festgestellt, unter Berücksichtigung der aktenkundigen medizinischen Vorbefunde und Angaben der Klägerin sowie der von ihm selbst erhobenen Befunde und ihm gegenüber von der Klägerin getätigten Angaben im Detail dargelegt, dass und warum weder die Diagnosen einer PTBS noch einer schizoaffektiven Psychose, Panikstörung oder Zwangsstörung zu stellen seien. Diese Ausführungen sind für den Senat schlüssig und überzeugend. Soweit die Klägerin im Zusammenhang mit der geltend gemachten PTBS vorgetragen hat, dass sich diese im Verhalten der Klägerin über die Jahre wiederspiegele, da sie das Erlebte nicht mehr vollständig erinnere und dann durch die Lücken einen anderen Verlauf erhalte, überzeugt dies angesichts der von G2 in seinem Gutachten dargelegten Kriterien einer PTBS nicht.
Unabhängig davon, kommt es im Rahmen der Prüfung von Erwerbsminderung nicht maßgeblich auf die Diagnosestellung, die Art oder Anzahl von Diagnosen oder auf die Bezeichnung von Befunden an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen (BSG, Beschluss vom 28.02.2017 - B 13 R 37/16 B -, juris), also auf die durch die Gesundheitsstörungen verursachten funktionellen Beeinträchtigungen. Dem entsprechend spielen auch die Ursachen der Gesundheitsstörung keine entscheidende Rolle (BSG a.a.O.). Solche rentenrelevanten Funktionseinschränkungen sind bei der Klägerin unter Berücksichtigung der von G2 erhobenen – im Tatbestand festgestellten – Befunde nicht nachgewiesen.
Aus den vorgenannten Gründen ist die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2.
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 3028/22
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
L 2 R 2262/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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