L 7 R 418/24 ZV

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 4 R 764/23 ZV
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 418/24 ZV
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Den Angehörigen der Nationalen Volksarmee der DDR standen nach den Besoldungsverordnungen der NVA und den Besoldungsordnungen der NVA keinerlei Zahlungsansprüche auf Überstundenvergütungen, etwa in Form von Erschwerniszuschlägen, zu. Geleistete Überstunden sind daher bereits dem Grunde nach nicht als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG feststellungsfähig.

Bemerkung

Sonderversorgung der Angehörigen der Nationalen Volksarmee - ehemalige DDR - Berücksichtigung von angeblichen Überstunden(-vergütungen) als Arbeitsentgelt

  1. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 18. September 2024 wird zurückgewiesen.
  2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur Sonderversorgung der Angehörigen der Nationalen Volksarmee (NVA) der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) in Form der Einbeziehung von Überstunden(-vergütungen) als Erschwerniszuschläge für die Jahre 1972 bis 1988 festzustellen.

 

Der 1952 geborene Kläger leistete vom 3. Mai 1971 bis 31. Mai 1971 seinen Grundwehrdienst bei der NVA der DDR ab und war vom 3. Mai 1982 bis 25. August 1983 als Produktionsarbeiter im volkseigenen Betrieb (VEB) Kältetechnik Z.... beschäftigt. Er stand im Zeitraum vom 1. Juni 1971 bis 29. April 1982 und vom 1. September 1983 bis 15. Dezember 1990 jeweils als Berufssoldat (zu DDR-Zeiten zuletzt bis 2. Oktober 1990 im Dienstrang eines Stabsfähnrichs) in einem Dienstverhältnis zur NVA der DDR bzw. (ab 3. Oktober 1990) zur Bundeswehr (zuletzt im Dienstgrad eines Hauptfeldwebels). Er erhielt neben seiner Besoldung teilweise weitere Zulagen und Zuschläge.

 

Mit Überführungsbescheid vom 20. Februar 2002 stellte die Beklagte die Anwendbarkeit des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG), die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Juni 1971 bis 29. April 1982 und vom 1. September 1983 bis 15. Dezember 1990 als nachgewiesene Zeiten der Zugehörigkeit zur Sonderversorgung der Angehörigen der NVA (Sonderversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 2 zum AAÜG) sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Jahresbruttoarbeitsentgelte (Besoldung für den Dienstgrad, die Dienststellung und das Dienstalter sowie Wohnungsgeld) fest. Mit Änderungsbescheid vom 1. September 2023 stellte die Beklagte – in Ausführung des Urteils des Sächsischen Landessoziallgerichts (im Verfahren L 7 R 233/23 ZV) vom 17. Juli 2023 – weitere Arbeitsentgelte für die Jahre 1987 bis 1989 (in Form von Zuschlägen im diensthabenden System [DHS-Zuschläge]) fest.

 

Mit Schreiben (bereits) vom 17. März 2023 begehrte der Kläger im Wege des Überprüfungsverfahrens die Feststellung weiterer Entgelte in Form von Überstunden während seiner Dienstzeiten bei der NVA und listete dabei folgende selbstverfasste Übersicht auf:

 

 

 

"Überstundennachweis 1972 – 1988

Jahr

Bemerkung

Monat

Tage

Std

Ges.Std

1972

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1973

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1974

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1975

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1976

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1977

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1977

Gefechtsschießen in Aschuluk UDSSR

7/8

19

16

304

1978

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1979

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1980

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1981

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1982

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1981*

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1982*

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1984

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1985

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1986

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1987

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1987

Gefechtsschießen in Aschuluk UDSSR

6/7

10

16

160

1988

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

 

Gesamt

 

 

 

1744"

* doppelte Aufführung der Jahre 1981 und 1982 im Original des Klägers

 

Mit Bescheid vom 10. Mai 2023 und bestätigendem Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2023 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, Überstundenvergütungen seien als gewährte Leistungen laut der Besoldungsordnung der NVA nicht bekannt. Laut der vorliegenden Unterlagen seien solche Zahlungen dem Kläger auch nicht zugeflossen und daher nicht nachgewiesen. Deshalb handele es sich nicht um berücksichtigungsfähiges Arbeitsentgelt.

 

Hiergegen erhob der Kläger am 27. Juli 2023 Klage zum Sozialgericht Dresden und begehrte weiterhin die rückwirkende Neufeststellung weiterer Entgelte im Sonderversorgungszeitraum in Form von Überstunden in den Jahren 1972 bis 1988 während seiner Dienstzeiten bei der NVA. Zur Begründung trug er vor: Die Arbeitszeit habe nach der Soldatenarbeitszeitverordnung 41 Stunden betragen. Alle anderen Stunden seien unter erschwerten Bedingungen durch ihn als Angehörigen der Fernmeldeeinheit bei Übungen erbracht worden. Überstunden seien unter erschwerten Bedingungen erbracht worden, beispielsweise 1977 und 1988 beim Gefechtsschießen in der kasachischen Steppe bei 28,5° C bis 50° C. Seine selbstverfasste Übersicht hatte diesmal folgende Gestalt:

 

 

 

"Überstundennachweis 1972 bis 1988

Jahr

Bemerkung

Monat

Tage

Std

Ges.Std

1972

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1973

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1974

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1975

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1976

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1977

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1977

Gefechtsschießen in Aschuluk UDSSR

7+8

19

16

304

1978

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1979

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1980

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1981

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1982

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1984

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1985

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1986

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1987

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

1987

Gefechtsschießen in Aschuluk UDSSR

6+7

10

16

160

1988

Feldlager der Nachrichtentruppen

3

5

16

80

 

Gesamt

 

 

 

1744"

 

Die Klage hat das Sozialgericht Dresden – nach Anhörung der Beteiligten mit gerichtlichen Schreiben vom 7. Mai 2024 – mit Gerichtsbescheid vom 18. September 2024 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Vorliegend sei nicht ersichtlich, dass und ggf. in welcher Höhe dem Kläger während der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der NVA Überstundenvergütungen bzw. weitere – als im Überführungsbescheid vom 20. Februar 2002 in der Fassung des Überführungsbescheides vom 1. September 2023 bereits festgestellte – Erschwerniszulagen zugeflossen seien. Dies werde vom Kläger auch nicht vorgetragen. Allein der Umstand, dass ihm nach heutigem Recht möglicherweise ein Anspruch auf eine entsprechende Überstundenvergütung bzw. auf weitere Erschwerniszulagen für die von ihm erfolgte Teilnahme an den Feldlagern der Nachrichtentruppen bzw. an dem Gefechtsschießen in Aschuluk UdSSR / Kasachstan (insgesamt 1744 Stunden) zustünden, genüge nicht für die Berücksichtigung als Arbeitsentgelt gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG. Eine Anspruchsgrundlage des Klägers gegenüber der Beklagten dafür, eine Bescheinigung und Nachzahlung von Beträgen im Zusammenhang mit von ihm geleisteten Überstunden bzw. Erschwernissen verlangen zu können, bestehe nicht. Aufgabe der Beklagten sei es lediglich, während der Zugehörigkeit des Klägers zum Sonderversorgungssystem der Angehörigen der NVA "zugeflossenes" Arbeitsentgelt festzustellen.

 

Gegen den – ihm – am 20. September 2024 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 1. Oktober 2024 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren nach Feststellung weiterer Entgelte in Form von Überstunden sowie diesbezüglichen Erschwerniszulagen als Arbeitsentgelt weiterverfolgt. Zur Begründung führt er aus: Das Sozialgericht habe zu Unrecht "die Überstunden bzw. -Auslösung und diesbezügliche Erschwerniszulagen von 1972 bis 1988" nicht als Arbeitsentgelt anerkannt und demzufolge nicht bei der Berechnung der Altersrente berücksichtigt. Das Urteil werde daher in vollem Umfang der Überprüfung durch das Berufungsgericht gestellt. Das Sozialgericht habe auch nicht berücksichtigt, dass die Bundesverwaltung gewesen sei, dem für die Feststellung der Leistungen zuständigen Träger der Rentenversicherung unverzüglich die Daten mitzuteilen, die zur Durchführung der Versicherung und zur Feststellung der Leistungen aus der Rentenversicherung erforderlich seien. Das Sozialgericht habe weiterhin weder das Verpflegungsgeld von 1974 bis 1990 noch die Vergütung für das diensthabende System von 1972 bis 1983 als Bestandteile des Arbeitsentgeltes berücksichtigt. Die Beklagte behaupte, dass bei den Überstunden und Erschwerniszulagen keine so bezeichnete Zahlungen nachgewiesen seien. Weiterhin seien diese Stunden nicht in der Karte der Dienstbezüge nachgewiesen. Nachgewiesen seien die Lohn/DHS-Gehaltsabrechnungen. Hier habe jeder persönlich quittieren müssen. Diese Listen hätten in EDV Format vorgelegen, jeder Angehörige der Kompanie sei verzeichnet gewesen. Für die Eintragungen in die Karte der Dienstbezüge sei er nicht zuständig gewesen. Für die Durchführung von Nachrichtenfeldlagern von 1972 bis 1988 sowie Gefechtsschießen in der ehemaligen UdSSR 1977 und 1987 habe es entsprechende Befehle vom Kommando der LSK/LV bzw. der 1. LVD und dem Kommandeur des FRR 16 / FRB 41 gegeben. Diese Unterlagen befänden sich im Archiv der Beklagten. Das SGB IV-Arbeitsentgelt fordere aber in § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, auf den es in seiner Begründung verweise, genau das. Nach ihm seien Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen bestehe, oder in welcher Form sie geleistet würden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt würden.

 

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

 

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 18. September 2024 aufzuheben und die Beklagte, unter Aufhebung des Überprüfungsablehnungsbescheides vom 10. Mai 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2023, zu verurteilen, den Überführungsbescheid vom 20. Februar 2002 in der Fassung des Überführungsänderungsbescheides vom 1. September 2023 abzuändern und weitere Arbeitsentgelte in Form von Überstunden(-vergütungen) als Erschwerniszuschläge für die Jahre 1972 bis 1988 festzustellen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

 

Mit Schriftsätzen vom 31. Oktober 2024 (Kläger) und vom 21. November 2024 (Beklagte) haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits in der Hauptsache durch den Einzelrichter erklärt. Mit Schriftsätzen vom 31. Oktober 2024 (Kläger) und vom 21. November 2024 (Beklagte) haben die Beteiligten zudem jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

 

Dem Senat haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe:

 

I.

Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung sowie durch den Vorsitzenden (als berichterstattenden [konsentierten] Einzelrichter) durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit jeweils einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 sowie § 155 Abs. 3 und 4 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

 

II.

Die statthafte und zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage zu Recht sowie mit zutreffender Begründung mit dem angefochtenen Gerichtsbescheid vom 18. September 2024 abgewiesen hat. Der Überprüfungsablehnungsbescheid der Beklagten vom 10. Mai 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2023 (§ 95 SGG) ist rechtmäßig, weil mit dem Überführungsbescheid (von der Beklagten bezeichnet als Entgeltbescheid) vom 20. Februar 2002 in der Fassung des Überführungsänderungsbescheides vom 1. September 2023 weder das Recht unrichtig angewandt noch von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Feststellung zusätzlicher Entgelte in Form von Überstunden(-vergütungen) als Erschwerniszuschläge für die Jahre 1972 bis 1988 im Rahmen der bereits anerkannten (bestandskräftig festgestellten) Beschäftigungszeiten zur Sonderversorgung der Angehörigen der NVA der DDR (Sonderversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 2 zum AAÜG).

 

1.

Zur Klarstellung des Streitgegenstandes wird ausdrücklich auf Folgendes hingewiesen:

 

Streitgegenständlich ist im konkreten Verfahren ausschließlich das Begehren des Klägers nach Feststellung weiterer Entgelte in Form von Überstunden(-vergütungen) als Erschwerniszuschläge für die Jahre 1972 bis 1988, weil der Kläger mit dem konkreten streitgegenständlichen Überprüfungsantrag vom 17. März 2023 ausschließlich dieses Begehren anhängig machte und weil der Beklagte ausschließlich über dieses konkrete streitgegenständliche Begehren mit dem konkreten streitgegenständlichen Überprüfungsablehnungsbescheid vom 10. Mai 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Juli 2023 entschieden hat. Eine Klageerweiterung im Klageverfahren lag nicht vor, weil der Kläger im Klageverfahren keine weiteren Streitgegenstände, die dem soeben beschriebenen Streitgegenstand entgegenstehen, anhängig gemacht hat.

 

Soweit der Kläger erstmals im Berufungsbegründungsschriftsatz vom 28. September 2024 ausführt, das Sozialgericht habe weder das Verpflegungsgeld von 1974 bis 1990 noch die Vergütung für das diensthabende System von 1972 bis 1983 als Bestandteile des Arbeitsentgeltes berücksichtigt, ist darauf hinzuweisen, dass sich das Sozialgericht mit diesen Begehren nicht befasst hat, weil sie im sozialgerichtlichen Verfahren nicht streitgegenständlich waren. Soweit man in den Äußerungen des Klägers eine diesbezügliche Klageerweiterung im Berufungsverfahren erblicken wollte, ist diese, als Unterform der Klageänderung, gemäß §§ 153 Abs. 1, 99 Abs. 1 SGG nicht zulässig, weil weder eine Einwilligung der Beklagten noch eine Sachdienlichkeit vorliegt. Eine ausdrückliche Einwilligung der Beklagten in die Klageerweiterung lag zu keinem Zeitpunkt vor. Eine konkludente Einwilligung durch rügelose Einlassung (§ 99 Abs. 1 SGG) liegt gleichfalls nicht vor. Zwar hat sich die Beklagte im Berufungserwiderungsschriftsatz vom 21. November 2024 sowohl zum Verpflegungsgeldbegehren des Klägers als auch zum Begehren des Klägers bezüglich der Vergütungen für das diensthabende System geäußert, allerdings konkret lediglich dahingehend, dass diese Begehren aus ihrer Sicht "nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens" seien. Ein "Einlassen" im Sinne des § 99 Abs. 2 SGG liegt daher nicht vor, weil dieses ein inhaltliches (nicht lediglich – wie teilweise vorliegend – hilfsweises) Eingehen auf das geänderte Klagebegehren erfordert (vgl. dazu bspw.: Bieresborn in: Roos / Wahrendorf / A., beckOGK-SGG, 2. Aufl. 2021, § 99, RdNr. 52; B. Schmidt in: Meyer-Ladewig / Keller / Leitherer / Schmidt, SGG-Kommentar, 13. Aufl. 2020, § 99, RdNr. 9). Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich, weil sie mit dem Verpflegungsgeld- und Vergütungsbegehren im diensthabenden System einen gänzlich anderen (als den bereits anhängigen) Lebenssachverhalt als Streitstoff streitgegenständlich stellt und weitergehende Ansprüche verfolgt, die die Beklagte im Verwaltungsverfahren nicht geprüft hat. An der Sachdienlichkeit fehlt es nämlich immer dann, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Prozess eingeführt wird (vgl. dazu bspw.: Guttenberger in: jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 99, RdNr. 28; Bieresborn in: Roos / Wahrendorf / A., beckOGK-SGG, 2. Aufl. 2021, § 99, RdNr. 41; Bayerisches LSG, Urteil vom 28. Januar 2014 - L 8 SO 166/12 - JURIS-Dokument, RdNr. 28). Auch eine Einbeziehung neuer Ansprüche, die unter Umgehung eines Verwaltungsverfahrens unmittelbar bei Gericht geltend gemacht werden, ist nicht sachdienlich (vgl. dazu bspw.: Haupt / Wehrhahn in: Fichte / Jüttner, SGG-Kommentar, 3. Aufl. 2020, § 99, RdNr. 18; Bayerisches LSG, Urteil vom 9. August 2012 - L 8 SO 206/10 - JURIS-Dokument, RdNr. 34). Im Übrigen waren (oder sind – zumindest teilweise –, insoweit ist der aktuelle Sachstand beim Beklagten ab Dezember 2024 hier bei Gericht nicht bekannt) die weiteren Begehren des Klägers Gegenstand selbständiger Überprüfungsverfahren (teilweise mit nachfolgenden Gerichtsverfahren, bis in die Berufungsinstanz), sodass eine "Einbeziehung" in das anhängige Berufungsverfahren, mangels Vorliegens der Voraussetzungen von §§ 153 Abs. 1, 96 SGG, weder zulässig, noch tunlich ist:

  • Das Begehren des Klägers nach Feststellung von weiterem Arbeitsentgelt in Form von Zuschlägen für das diensthabende System für die Jahre 1971 bis 1990 war Gegenstand seines Überprüfungsantrages vom 23. Oktober 2018 und 6. November 2018. Über dieses Begehren hat die Beklagte mit Überprüfungsablehnungsbescheid vom 18. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2020 entscheiden. Es war zudem Gegenstand des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Dresden vom 20. April 2023 sowie des Urteils des Sächsischen Landessozialgerichts vom 17. Juli 2023. Für die Jahre 1987 bis 1989 wurden dem Kläger mit dem teilweise stattgebenden Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 17. Juli 2023 im Übrigen weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Zuschläge im diensthabenden System im Rahmen der bereits festgestellten Sonderversorgungszeiten der Angehörigen der NVA der DDR zugesprochen. Dieses teilweise stattgebende Urteil hat die Beklagte mit dem Überführungsänderungsbescheid vom 1. September 2023 vollständig umgesetzt, sodass für eine nochmalige (gerichtlich begehrte) Feststellung desselben Entgeltbestandteils für denselben Zeitraum (1987 bis 1989) weder ein (objektives) Rechtsschutzbedürfnis, noch ein (subjektives) Rechtsschutzinteresse) besteht.
  • Das Begehren des Klägers nach Feststellung von weiterem Arbeitsentgelt in Form von Verpflegungsgeld für die Jahre 1971 bis 1990 war gleichfalls Gegenstand seines Überprüfungsantrages vom 23. Oktober 2018 und 6. November 2018. Über dieses Begehren hat die Beklagte mit Überprüfungsablehnungsbescheid vom 18. Februar 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Mai 2020 entscheiden. Es war zudem Gegenstand des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Dresden vom 20. April 2023 sowie des Urteils des Sächsischen Landessozialgerichts vom 17. Juli 2023. Das Begehren des Klägers nach Feststellung von weiterem Arbeitsentgelt in Form von Verpflegungsgeld war zudem Gegenstand seines Überprüfungsantrags vom 21. November 2023. Über dieses Begehren hat die Beklagte mit Überprüfungsablehnungsbescheid vom 6. Dezember 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Januar 2024 entscheiden. Das Begehren des Klägers nach Feststellung von weiterem Arbeitsentgelt in Form von Verpflegungsgeld war darüber hinaus nochmaliger Gegenstand seines Überprüfungsantrags vom 11. Juli 2024. Über dieses Begehren hat die Beklagte mit Überprüfungsablehnungsbescheid vom 22. Juli 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. September 2024 entscheiden.

 

Gegenstand des konkreten Verfahrens sind auch nicht die, vom Beklagten als identisch behandelten, von ihr – ausgehend vom konkreten Begehren des Klägers – allerdings missverstandenen Überprüfungsanträge des Klägers vom 15. Mai 2024 sowie vom 20. August 2024, konkret gerichtet "auf Bescheinigung zusätzlicher Verdienste auf [der] Wehrsoldstammkarte" geworden, über die die Beklagte zum einen (Überprüfungsantrag vom 15. Mai 2024) mit Überprüfungsablehnungsbescheid vom 11. Juni 2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. August 2024 und zum anderen (Überprüfungsantrag vom 20. August 2024) – soweit aus den Akten ersichtlich – noch nicht entschieden hat. Auch insoweit liegen in keiner Weise die Voraussetzungen von §§ 153 Abs. 1, 96 SGG vor, zumal die Beklagte weder abändernde, noch ersetzende, sondern lediglich, zum einen, die Antragsablehnung wiederholende, und zum anderen, Nichtentscheidungen getroffen hat. Im Übrigen waren bzw. sind diese konkreten Überprüfungsanträge des Klägers nicht auf das identische Ziel gerichtet, weil sie ausdrücklich "auf Bescheinigung zusätzlicher Verdienste auf [der] Wehrsoldstammkarte" gerichtet sind. Sie umfassen damit – wie sich aus den wiederholten erklärenden Begründungen des Klägers ergibt – vielmehr, die Vorstufe zur – vom Beklagten um- bzw. missinterpretierten – konkreten Entgeltfeststellung, weil der Kläger zwischenzeitlich verstanden hat, dass das Begehren nach Entgeltfeststellungen nur Sinn macht, wenn die entsprechenden Entgelte auch in seinen Besoldungsstamm- bzw. Dienstbezügekarten konkret eingetragen sind. So "verquer" und im Ergebnis, mangels Bestehens einer gesetzlichen Rechtsgrundlage, erfolglos dieses Begehren des Klägers auch sein mag, unterscheidet es sich doch – sowohl seinem Inhalt als auch seinem Ziel nach – von einem konkreten (erst auf der Nachfolgestufe logisch anhängig gemachten bzw. zu machenden) Entgeltfeststellungsbegehren. Die Beklagte sollte dies, worauf aus Gründen der richterlichen prozessualen Fürsorge und Vorsorge hingewiesen werden soll, in Bezug auf den (vermutlich noch) offenen Überprüfungsantrag des Klägers vom 20. August 2024 berücksichtigen.

 

2.

Das vom Kläger im Wege der Kombination (§ 56 SGG) einer Anfechtungs- und zweier Verpflichtungsklagen (§ 54 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 und 3 SGG) geltend gemachte Klagebegehren, die Ablehnungsentscheidung im Überprüfungsablehnungsbescheid vom 10. Mai 2023 und den Widerspruchsbescheid vom 11. Juli 2023 (§ 95 SGG) aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, die bestandskräftigen (§ 77 SGG) Verwaltungsakte (§ 31 Satz 1 SGB X) zur Feststellung des Höchstbetrags der Arbeitsentgelte des Klägers im Überführungsbescheid vom 20. Februar 2002 in der Fassung des Überführungsänderungsbescheides vom 1. September 2023 teilweise zurückzunehmen und anstelle der alten Entgelthöchstbetragsregelungen neue Höchstbetragsregelungen festzusetzen, ist hinsichtlich der begehrten Feststellung weiteren Arbeitsentgelts in Form von Überstunden(-vergütungen) als Erschwerniszuschläge für die Jahre 1972 bis 1988 unbegründet. Es besteht daher kein (auch nicht teilweiser) Neufeststellungsanspruch des Klägers.

 

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 SGB X, der nach § 8 Abs. 3 Satz 2 AAÜG anwendbar ist, gilt: Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Im Übrigen ist ein rechtswidriger, nicht begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft zurückzunehmen. Er kann auch für die Vergangenheit zurückgenommen werden.

 

Diese Voraussetzungen liegen nicht vor, denn der Überführungsbescheid vom 20. Februar 2002 in der Fassung des Überführungsänderungsbescheides vom 1. September 2023 ist nicht rechtswidrig. Anspruchsgrundlage für die Feststellung von weiteren Entgelten im Rahmen der Zugehörigkeit zu einem Versorgungssystem, in denen eine Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt worden ist, sind §§ 1, 5 und 8 AAÜG.

 

Gemäß § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der für das Sonderversorgungssystem der Angehörigen der NVA der DDR (Nr. 1 der Anlage 2 zum AAÜG) zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Überführungsbescheid vom 20. Februar 2002 in der Fassung des Überführungsänderungsbescheides vom 1. September 2023 die Anwendbarkeit des AAÜG (§ 1 AAÜG), Zeiten der Zugehörigkeit zum Sonderversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 2 zum AAÜG (§ 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Die vom Kläger mit der Berufung begehrten weiteren Entgeltfeststellungen in Form von Überstunden(-vergütungen) als Erschwerniszuschläge für die Jahre 1972 bis 1988 hat die Beklagte jedoch zu Recht nicht berücksichtigt.

 

3.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Die Norm definiert den Begriff des Arbeitsentgeltes zwar nicht selbst. Aus dem Wort "erzielt", folgt aber im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln muss, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden, ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Dabei muss es sich um eine Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung handeln, wobei unerheblich ist, ob das erzielte Arbeitsentgelt in der DDR einer Beitrags- oder Steuerpflicht unterlag (BSG, Urteil vom 23. August 2007 – B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 19). Die inhaltliche Bedeutung des Begriffs "Arbeitsentgelt" im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG bestimmt sich nach dem bundesdeutschen Arbeitsentgeltbegriff nach § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch - SGB IV - (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 24; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Dabei ist ausschließlich die Rechtslage maßgeblich, die im Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG am 1. August 1991 bestand (BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 35; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 15; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 16). Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV sind Arbeitsentgelt alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf die Einnahmen besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden. Dabei ist es – dem Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV entsprechend – ausreichend, wenn ein mittelbarer (innerer, sachlicher) Zusammenhang mit der Beschäftigung besteht (vgl. BSG, Urteil vom 29. Januar 2004 – B 4 RA 19/03 R - SozR 4-8570 § 8 Nr. 1, RdNr. 18 = JURIS-Dokument, RdNr. 18), weil der Arbeitsentgeltbegriff grundsätzlich weit gefasst ist. Insofern stellen grundsätzlich alle direkten und indirekten Leistungen des Arbeitgebers eine Gegenleistung für die vom Beschäftigten zu erfüllende Arbeitspflicht dar und werden im Hinblick hierauf gewährt. Etwas Anderes gilt ausnahmsweise allerdings dann, wenn sich für die Einnahme eine andere Ursache nachweisen lässt. Leistungen, die aus einem ganz überwiegend eigenbetrieblichen Interesse erbracht werden, sind keine Gegenleistungen für die Arbeitsleistung oder die Dienstbereitschaft des Arbeitnehmers und daher kein Arbeitsentgelt. Dies gilt insbesondere für Vorteile, die sich lediglich als notwendige Begleiterscheinung betriebsfunktionaler Zielsetzungen darstellen (dazu ausdrücklich: BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 6 = JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/13 R - JURIS-Dokument, RdNr. 20; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 1/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 2/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 17; BSG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - B 5 RS 3/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 18; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 - B 5 RS 5/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 30; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 - B 5 RS 6/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 31; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 – B 5 RS 7/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 31; BSG, Urteil vom 29. Oktober 2015 - B 5 RS 8/14 R - JURIS-Dokument, RdNr. 31; BSG, Urteil vom 27. Juni 2019 - B 5 RS 2/18 R - JURIS-Dokument, RdNr. 43; ebenso: Knospe in: Hauck / Noftz, Kommentar zum SGB IV, § 14, RdNr. 27 [Stand: Februar 2016]).

 

Eine bundesrechtliche Qualifizierung der vom Kläger begehrten Entgelte in Form von Überstunden(-vergütungen) als Erschwerniszuschläge für die Jahre 1972 bis 1988 als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist ausgeschlossen, weil derartige tatsächliche Zahlungen / "Entgeltzuflüsse" zu DDR-Zeiten nicht stattfanden. Denn

  • die im Zeitraum vom 25. Januar 1962 bis 31. Dezember 1982 geltende "Verordnung über die Besoldung der Wehrpflichtigen für die Dauer des Dienstes in der Nationalen Volksarmee (Besoldungsverordnung der NVA)" vom 24. Januar 1962 (DDR-GBl. 1962, II, Nr. 7, S. 49) in der Fassung der "Durchführungsbestimmung (Besoldungsordnung der NVA)" vom 7. April 1962 sowie
  • die im Zeitraum vom 1. Mai 1982 (bezogen auf die Besoldungsverordnung der NVA) bzw. vom 1. Januar 1983 (bezogen auf die Besoldungsordnung der NVA) bis 2. Oktober 1990 geltende "Verordnung über die finanzielle Versorgung während des Wehrdienstes (Besoldungsverordnung der NVA)" vom 25. März 1982 (DDR-GBl. 1982, I, Nr. 12, S. 253) in der Fassung der "Ordnung Nr. 005/9/001 des Ministers für Nationale Verteidigung über die Besoldung der Angehörigen der Nationalen Volksarmee (Besoldungsordnung der NVA)" vom 12. Oktober 1982

enthielten keinerlei Bestimmungen zur Zahlungen von Überstunden(-vergütungen) bzw. zur Zahlung von diesbezügliche Überstunden vergütenden Erschwerniszuschlägen. Die Besoldung als Vergütung für geleisteten Dienst setzte sich vielmehr zusammen aus:

  1. Wehrsold, Leistungszuschlägen und Übergangsgeld (für Grund- und Reservistenwehrdienstleistende),
  2. Dienstbezügen (als Vergütungen für die Dienstgrade, die Dienststellung sowie das Dienstalter), Zulagen, Unterhaltszuschüssen, Erschwerniszuschlägen und Wohnungsgeld (für Soldaten auf Zeit und Berufssoldaten).

Mit dieser Besoldung wurden alle Ansprüche auf finanzielle Versorgung, die sich aus dem Dienstverhältnis ergaben, abgegolten (Nr. 101 Ziff. 4 Abs. 1 der Besoldungsordnung der NVA der DDR vom 7. April 1962 sowie Nr. 101 Ziff. 6 der Besoldungsordnung der NVA der DDR vom 12. Oktober 1982).

 

Weder die Besoldungsverordnungen der NVA, noch die Besoldungsordnungen der NVA sahen eine Vergütung von Überstunden vor:

 

Nach der "Besoldungsordnung der NVA" vom 7. April 1962 existierten lediglich folgende Zulagen und Erschwerniszuschläge: Zulagen wurden gewährt für:

  • Panzerfahrer,
  • Militärärzte, Militärzahnärzte und Militärapotheker,
  • Flugzeugführer (= Fliegerzulage),
  • Armeeangehörige der selbständigen Transportfliegerstaffel,
  • seemännische Führungsarbeit (= Kommandantenzulage),
  • Sportinstrukteure,
  • Armeeangehörige im Erich-Weinert-Ensemble,
  • Armeeangehörige im zentralen Orchester und in den Musikkorps,
  • besonders hervorragende wissenschaftliche Qualifikation und Tätigkeit.

Erschwerniszuschläge wurden gewährt für:

  • Panzerbesatzungen,
  • Grenzdienst,
  • Erschwernis und Gefährdung im medizinischen Dienst,
  • Fallschirmjäger,
  • Fallschirmsprünge,
  • das Fliegen unter erschwerten Bedingungen,
  • Taucherarbeiten,
  • das Tauchen mit leichten Tauchgeräten,
  • Bord- und Seearbeit (= Bord- und Seezuschläge),
  • das Minenräumen auf See (= Minenräumzuschläge),
  • Arbeiten in Infanterieminensperren.

 

Nach der "Besoldungsordnung der NVA" vom 12. Oktober 1982 existierten lediglich folgende Zulagen und Erschwerniszuschläge: Zulagen wurden gewährt:

  • für Fähnrich- und Offiziersschüler,
  • für Offiziere (= leistungs- und qualifikationsabhängige Zulagen bei strukturellen Veränderungen),
  • für Militärärzte, Militärzahnärzte und Militärapotheker,
  • für Flugzeugführer (= Fliegerzulage),
  • für zusätzliche Dienstpflichten,
  • für Kommandanten,
  • im SAS- und Chiffrierdienst,
  • für Hauptfeldwebel.

Erschwerniszuschläge wurden gewährt:

  • in Dienststellungen der Kampf-, Führungs- und Sicherstellungstechnik,
  • im Grenzdienst,
  • im medizinischen Dienst,
  • für Fallschirmsprünge,
  • für Flieger (= Fliegerzuschläge),
  • für das Tauchen,
  • für Bord- und Seearbeit (= Bord- und Seezuschläge),
  • für das Minenräumen (= Minenräumzuschläge),
  • für Arbeiten in Infanterieminensperren,
  • im diensthabenden System, in Schutzbauten, Nachrichtenzentralen und Rechenbetriebseinrichtungen,
  • auf Ausbildungsbasen,
  • für Bautruppen und beim Einsatz in der Volkswirtschaft,
  • für die Sicherstellung des Flugdienstes.

 

Vor diesem Hintergrund weisen die beim Beklagten vorliegenden, zum Kläger lückenlos vorhandenen und vom Senat im Detail nochmals durchgesehenen Karten der Dienstbezüge auch keinerlei Überstunden(-vergütungen) oder solchermaßen ersichtliche Erschwerniszuschläge aus, sodass der Kläger einen entsprechenden tatsächlichen Entgeltzufluss auch weder nachweisen, noch glaubhaft machen kann. Der Kläger behauptet zudem nicht einmal, derartige Vergütungen für Überstunden erhalten zu haben, weshalb es – entgegen seiner Ansicht – auch nicht erforderlich ist, den von ihm geleisteten (also möglicherweise in Überstunden oder gegebenenfalls unter erschwerten Bedingungen verrichteten) Dienst im Einzelnen zu rekonstruieren. Vor diesem Hintergrund bedarf es weder einer Überprüfung des vom Kläger in tabellarischer Form selbsterstellten "Überstundennachweis[es] [im] Zeitraum 1972 bis 1988", noch der tatsächlichen Ermittlung von durchgeführten Feldlagern der Nachrichtentruppen oder von stattgefundenen Gefechtsschießübungen in Aschuluk, zu denen der Kläger kommandiert war. Irrelevant für das vorliegende Verfahren der Entgeltfeststellung ist dabei, dass der Kläger als Soldat der NVA einen fordernden Dienst geleistet hat. Die Teilnahme an Feldlagern oder Schießübungen war, ebenso wie die dazugehörigen dienstlich bedingten Reisen, Bestandteil seiner Arbeit als Soldat. Die Beklagte hat allerdings keine Überstunden oder schwierige Arbeitsbedingungen zu bescheinigen, sondern das Entgelt nach dem AAÜG. Zusätzliches durch die Beklagte zu bescheinigendes Entgelt nach dem AAÜG ergibt sich aber aus dem Vortrag des Klägers nicht. Der Beklagten liegen in Bezug auf die Soldaten der NVA Personalunterlagen vor. Die zum Kläger im Hinblick auf das Entgelt relevanten Unterlagen befinden sich in der dem Senat vorliegenden Verwaltungsakte. Zutreffend wies die Beklagte daraufhin, dass es bei ihr kein, unabhängig von den Personalunterlagen bestehendes, geordnetes Archiv zur NVA im Allgemeinen gibt, in dem nach den Dienstverrichtungen einzelner Einheiten geforscht werden und herausgefunden werden könnte, wann, wo und unter welchen konkreten Bedingungen Feldlager oder Gefechtsschießübungen oder ähnliche Ereignisse stattgefunden haben. Eine derartige Recherche ist für die Entgeltermittlung im Fall des Klägers aber auch, wie bereits erwähnt, aufgrund der vorhandenen Besoldungsunterlagen nicht erforderlich.

 

Aus der vom Kläger im Klageverfahren erwähnten "Soldatenarbeitszeitverordnung" (= Verordnung über die Arbeitszeit der Soldatinnen und Soldaten – Soldatenarbeitszeitverordnung – vom 16. November 2015 [BGBl. I 2015, S. 1995]), nach der die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 41 Stunden betrage, sodass alle anderen Stunden unter erschwerten Bedingungen durch ihn als Angehörigen der Fernmeldeeinheit bei Übungen erbracht worden seien, ergibt sich keine andere Bewertung der maßgeblichen Sach- und Rechtslage. Zum einen handelte es sich bei der "Soldatenarbeitszeitverordnung" nicht um DDR-Recht (sondern um eine bundesrepublikanische Rechtsgrundlage, die den Dienst des Klägers in der NVA im geltend gemachten Zeitraum von 1972 bis 1988 nicht regelte), zum anderen sieht auch die – im Fall des Klägers nicht anwendbare – "Soldatenarbeitszeitverordnung" keine Überstundenvergütung oder Zahlung von Erschwerniszuschlägen, sondern den Zeitausgleich (auch auf Langzeitkonten) bei Mehrarbeit vor.

 

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG. Sie berücksichtigt Anlass, Verlauf und Ergebnis des Rechtsstreits.

 

IV.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.

 

Rechtskraft
Aus
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