L 3 SB 1387/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3.
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 1513/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 1387/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Der Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X steht nicht entgegen, wenn der Verwaltungsakt, dessen Abänderung begehrt wird, in Ausführung eines gerichtlichen Urteils oder eines gerichtlichen Gerichtsbescheides ergangen ist.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.03.2024 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des Grades der Behinderung (GdB) streitig.

Der Beklagte hatte bei dem 1964 geborenen Kläger in Ausführung des unter anderem nach Einholung der Arztauskunft des H1 vom 22.05.2017, in dem eine mittel- bis schwergradige lungenfunktionelle Einschränkung beschriebenen worden war sowie der Gutachten des B1, Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 16.03.2018, in dem eine leichte depressive Störung beschrieben und der GdB hierfür mit 30 eingeschätzt worden waren, und des L1 vom 16.11.2018, in dem ein Hals- und Lendenwirbelsäulensyndrom mit mäßiger Bewegungseinschränkung und Schmerzen sowie Schulterschmerzen beidseits beschrieben und der GdB hierfür jeweils mit 10 eingeschätzt worden waren, unter dem Aktenzeichen S 12 SB 465/17 ergangenen Gerichtsbescheides des Sozialgerichts (SG) Reutlingen vom 14.02.2019 mit Bescheid vom 16.04.2019, in dem als Funktionsbeeinträchtigungen ein chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden und eine Depression, eine Lungenfunktionseinschränkung und eine chronische Bronchitis, ein operiertes Schulter-Arm-Syndrom, eine Rosacea, ein operierter Leistenbruch rechts sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule aufgeführt worden waren, den GdB des Klägers mit 40 ab dem 14.07.2016 festgestellt.

Der Kläger beantragte unter Vorlage diverser ärztlicher Unterlagen, insbesondere der Entlassungsberichte des R1 in S1 – Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 30.07.2019 und 14.11.2019 über die vom 04.06.2019 bis zum 30.07.2019 und vom 15.10.2019 bis zum 14.11.2019 erfolgten stationären Behandlungen, am 20.01.2020 die Neufeststellung seines GdB. Der Z1 berücksichtigte in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 12.05.2020 als Funktionsbeeinträchtigungen ein chronisches Schmerzsyndrom, funktionelle Organbeschwerden und eine Depression mit einem Einzel-GdB von 30, eine Lungenfunktionseinschränkung und eine chronische Bronchitis mit einem Einzel-GdB von 30, ein operiertes Schulter-Arm-Syndrom mit einem Einzel-GdB von 10, eine Rosacea mit einem Einzel-GdB von 10, einen operierten Leistenbruch rechts mit einem Einzel-GdB von 10 sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und degenerative Veränderungen der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10 und bewertete den Gesamt-GdB mit 40. Daraufhin lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 27.05.2020 den Antrag des Klägers ab.

Hiergegen legte der Kläger am 18.06.2020 Widerspruch ein. Der Beklagte zog diverse ärztliche Unterlagen bei und holte die Arztauskünfte des R2 vom 21.07.2020 sowie des L2 vom 20.11.2020 ein. S2 hielt in seiner versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 14.12.2020 an der bisherigen GdB-Beurteilung fest. Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 16.06.2021 zurück.

Hiergegen hat der Kläger am 05.07.2021 Klage zum SG Reutlingen erhoben.

Das SG Reutlingen hat zunächst diverse ärztliche Unterlagen beigezogen und R2 unter dem 08.11.2021, den P1 unter dem 08.11.2021 sowie L2 unter dem 07.02.2022 schriftlich als sachverständige Zeugen gehört.

Sodann hat das SG Reutlingen das im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung erstellte Gutachten der E1 vom 13.05.2019 sowie das im Auftrag des SG Reutlingen im Rahmen des auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gerichteten und unter dem Aktenzeichen S 3 R 2088/19 geführten Klageverfahrens erstellte Gutachten des D1 vom 07.02.2021 beigezogen. E1 hat als Diagnosen ein chronisches Schmerzsyndrom mit körperlichen und psychischen Faktoren, eine leichtgradige depressive Episode sowie eine Anpassungsstörung aufgeführt und dargelegt, dass der Kläger in der Lage sei, seiner bisherigen Tätigkeit oder einer entsprechenden Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt weiterhin sechs Stunden und mehr pro Tag nachzugehen. D1 hat als Diagnosen eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine depressive Entwicklung im Sinne einer Dysthymia, differentialdiagnostisch eine rezidivierende depressive Störung mit bis zu mittelgradigen depressiven Episoden, aufgeführt und dargelegt, dass der Kläger Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit gewissen qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten könne. B2 hat in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.02.2023 ausgeführt, aufgrund der vorgelegten Gutachten könne eine Änderung der bisherigen Bewertung nicht vorgeschlagen werden.

Ferner hat das SG Reutlingen den Entlassungsbericht des R1 in S1 – Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 24.10.2023 über die vom 24.08.2023 bis zum 28.09.2023 erfolgte stationäre Behandlung des Klägers samt Medikationsplan und weiterer ärztlicher Befunde beigezogen. Darin sind eine
rezidivierende depressive Störung bei gegenwärtig schwerer depressiver Episode ohne psychotische Symptome bei double Depression, klinisch larvierend erscheinend, eine benigne essentielle Hypertonie ohne Angabe einer hypertensiven Krise sowie Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung im Sinne eines Burn-Out-Syndroms beschrieben worden.

Zuletzt hat das SG Reutlingen das im Rahmen des weiteren auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung gerichteten und unter dem Aktenzeichen S 3 R 1346/22 geführten Klageverfahrens erstellte Gutachten des L3 vom 06.09.2023 beigezogen. L3 hat als Diagnose eine gegenwärtig remittierte rezidivierende depressive Störung aufgeführt und dargelegt, der Kläger sei aus neurologisch-psychiatrischer Sicht in der Lage, leichte bis mittelschwere körperliche Arbeiten zu verrichten.

Das SG Reutlingen hat mit Urteil vom 11.03.2024 die Klage abgewiesen. Im Vergleich zu dem im letzten Bescheid vom 16.04.2019 mit einen GdB von 40 bewerteten Behinderungszustand des Klägers sei keine Änderung eingetreten, aufgrund derer der GdB des Klägers höher als mit 40 zu bemessen wäre. Eine in diesem Sinne eingetretene Verschlechterung des Gesundheitszustandes des Klägers sei nicht nachgewiesen.

Der Einzel-GdB von 30 für die Beeinträchtigungen des Klägers im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ sei weiterhin angemessen. Nach dem Gutachten des L3 liege beim Kläger eine depressive Erkrankung im Sinne rezidivierender depressiver Episoden, gegenwärtig remittiert und ohne Hinweis auf eine Dysthymia, vor. Auch L2 habe in seiner Arztauskunft die Diagnose einer schweren Depression mit psychotischen Symptomen genannt. Darüber hinaus sei im Entlassbericht des R1 in S1 – Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 24.10.2023 die Diagnose einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome bei double Depression benannt. In diesem Rahmen liege beim Kläger eine wesentliche Einschränkung der Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit vor, die die Annahme eines Einzel-GdB von 30 im unterem Beurteilungsspielraum, nicht jedoch höher, rechtfertige.

Beim Kläger stünden vor allen Dingen Schlafstörungen und Lustlosigkeit im Vordergrund. Dies ergebe sich aus seinen Angaben gegenüber L3. Er werde in der Nacht immer wieder wach und finde nicht mehr in den Schlaf, weil er sich Sorgen um unterschiedliche Dinge mache. Zudem habe er an manchen Tagen zu gar nichts Lust. Diese Feststellungen des L3 begründeten auf körperlich-funktioneller Ebene lediglich mittelgradige Einbußen und auf psychisch-emotionaler Ebene keine Einbußen. So habe sich der Kläger in der Untersuchung durch L3 bewusstseinsklar und allseits orientiert gezeigt. Es hätten sich keine Anhaltspunkte für inhaltliche oder formale Denkstörungen, auch nicht für Ich-Störungen, ergeben. Klinisch hätten sich keine Hinweise für grobe Störungen von Wahrnehmung, Konzentration und Merkfähigkeit feststellen lassen. Erst in der fachpsychologischen Untersuchung hätten sich – bei ausreichender Leistungsmotivation – eine deutliche kognitive Auffälligkeit bei der Aufmerksamkeitsintensität, der Umstellungsfähigkeit bei Mehrfachanforderungen und der spontanen kognitiven Flexibilität, sowie zudem eine leichte Auffälligkeit des Arbeitsgedächtnisses, des verbalen Langzeitgedächtnisses und der Verarbeitungsgeschwindigkeit ergeben. Auch habe sich eine vorzeitige Ermüdung gezeigt. Zu berücksichtigen seien dabei ein unterdurchschnittliches logisches Denken als Aspekt der fluiden Intelligenz und eine nur geringe Schulbildung, wobei die Auffälligkeit jedoch über das Maß hinausgingen, die allein durch ein geringes Bildungsniveau zu erwarten wären.

In Bezug auf die beklagte Lustlosigkeit hätten sich Antrieb und Psychomotorik unauffällig gezeigt. Die Stimmungslage sei überwiegend ausgeglichen gewesen, lediglich beim Berichten über den Tod seiner Mutter, habe der Kläger traurig gewirkt. Das affektive Schwingungsvermögen sei regelrecht gewesen und die Affektäußerung sei hinsichtlich Mimik, Gestik und Prosodie lebhaft gewesen. Der Kläger habe viel gelächelt.

Auf sozial-kommunikativem Gebiet sei demgegenüber eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit erkennbar. So ergebe sich aus den Angaben des Klägers gegenüber L3, dass er sein früheres Hobby, das Spielen türkischer Gitarre aufgegeben habe. Weiter gehe er nicht nur aus finanziellen Gründen nicht auf Reisen, sondern auch weil er Menschenmengen meide. So sei er beispielweise im Jahr 2023 nicht im Freibad gewesen und habe sich lieber auf seiner heimischen Terrasse aufgehalten. Er gehe nur wenig von Zuhause weg, sage auch Einladungen zu Hochzeiten in der Regel ab. Wenn überhaupt gehe er nur zu kleineren Familienfeiern. Demgegenüber nehme der Kläger einmal wöchentlich an Wassergymnastik teil und sei dort (ehrenamtlicher) Gruppensprecher. Die Wahrnehmung der letztgenannten Aufgabe erfordere nach Ansicht des Gerichts ein gewisses Maß an Strukturierung und die Fähigkeit zur selbstständigen Aufgabenwahrnehmung. Dies erscheine beim Kläger erhalten zu sein, weshalb die bei ihm vorliegende psychische Erkrankung als wesentliche Einschränkung der Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit mit einem Einzel-GdB 30 lediglich im unteren Beurteilungsspielraum zu bewerten sei.

Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Auskunft des L2. Zwar nenne L2 die Diagnose einer schweren Depression mit psychotischen Symptomen. Er nenne jedoch keine Befunde, die seine Diagnose nachvollziehbar machten. Er führe lediglich an, Durchhaltefähigkeit
und Gruppenfähigkeit seien stark reduziert. Diese Angaben reichten nach Ansicht des Gerichts indes nicht aus, um den genannten Schweregrad der depressiven Erkrankung zu rechtfertigen oder Rückschlüsse auf die Teilhabebeeinträchtigungen des Klägers auf sozial-kommunikativer Ebene zuzulassen.

Gleiches gelte für den Entlassungsbericht des R1 in S1 – Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 24.10.2023. Zwar werde dort der Schweregrad einer schweren depressiven Episode genannt, diese sei jedoch anhand der erhobenen Befunde nicht nachvollziehbar. Die Stimmung werde als subjektiv gedrückt und niedergeschlagen sowie objektiv mittelschwer gedrückt beschrieben. Die affektive Schwingungsfähigkeit sei leicht, der Antrieb mittelschwer reduziert. Das Interesse sei leicht reduziert. Psychomotorisch habe eine leichte Verlangsamung bestanden. Subjektiv habe der Kläger mittelschwere Konzentrationsstörungen angegeben, die sich objektiv als leicht ergeben hätten. Des Weiteren werde beschrieben, dass er als absprachefähig und motiviert wahrgenommen worden sei. Der Kläger sei viel in Bewegung, sei regelmäßig, mal alleine oder mit einem oder mehreren Mitpatienten, viele Kilometer durch den Wald gelaufen. Zudem habe er sich auch mal ein E-Fahrrad der Klinik ausgeliehen und sei damit viele Kilometer durch den Wald gefahren. Eine schwere depressive Episode lasse sich anhand dieser Feststellungen nicht nachvollziehen.

Abschließend sei auszuführen, dass der Einzel-GdB von 30 für das Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ auch nicht vor dem Hintergrund einer etwaigen Schmerzstörung weiter zu erhöhen sei. Das Gericht schließe sich insoweit den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des L3 an, wonach sich beim Kläger die Diagnose einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren nicht belegen lasse. So seien beim Kläger über das – in Anbetracht der orthopädischen Gesundheitsstörungen – zu erwartende Maß hinausgehende Schmerzen weder in der Verhaltensbeobachtung noch in den klinischen Befunden auffällig gewesen. In den mehrstündigen Untersuchungen sei keine Schonhaltung eingenommen worden und seien umschriebene Muskelminderungen, umschriebene trophische Störungen oder vegetative Fehlregulationen nicht festzuhalten gewesen.

In Bezug auf die weiteren Behinderungen im Funktionssystem „Atmung“ in Form einer Lungenfunktionseinschränkung und einer chronischen Bronchitis mit einem Einzel-GdB von 30, im Funktionssystem „Rumpf“ in Form einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10, im Funktionssystem „Arme“ in Form eines Schulter-Arm-Syndroms mit einem Einzel-GdB von 10, im Funktionssystem „Beine“ in Form eines Leistenbruchs mit einem Einzel-GdB von 10 und im Funktionssystem „Haut“ in Form einer Rosacea mit einem Einzel-GdB von 10 lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass eine derartige Verschlechterung im Gesundheitszustand des Klägers eingetreten sei, die eine Abweichung von der bisherigen GdB-Bewertung rechtfertige. Die bisher nicht berücksichtigte Diabetes-Erkrankung rechtfertige keinen eigenständigen Einzel-GdB von wenigstens 10. Es sei nicht ersichtlich, dass der Kläger insoweit überhaupt medikamentös therapiert werde. Das von L3 in seinem Gutachten vermutete Schlafapnoe-Syndrom sei bisher nicht nachgewiesen. Der Kläger befinde sich insoweit nicht in ärztlicher Behandlung.

Gegen das ihm am 11.04.2024 zugestellte Urteil hat der Kläger am 30.04.2024 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Er hat zur Begründung ausgeführt, die Summe seiner Einschränkungen ließen ihn den Alltag kaum bewältigen, da er dauerhaft von Schmerzen geplagt sei. Nur mit seinen erwachsenen Kindern, die bei ihm im Haushalt lebten, sei ihm dies ohne eine Haushalts- oder Pflegehilfe möglich. Seit seinem Besuch beim Gutachter im Juli 2023 hätten sich seine körperlichen Beschwerden verschlechtert. Nachdem er eine fünfwöchige Kur in S1 bekommen habe, hätten sich seine Beschwerden ein wenig verbessert. Zwischenzeitlich stehe er wieder am Ausgangspunkt.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 11.03.2024 sowie den Bescheid des Beklagten vom 27.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, bei ihm einen GdB von 50 festzustellen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Es werde auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen. Sachargumente, die eine abweichende Beurteilung begründen könnten, seien der Berufungsschrift nicht zu entnehmen.

Der Berichterstatter hat das Sach- und Streitverhältnis am 09.10.2024 mit den Beteiligten erörtert. Der Kläger hat dabei das Attest des L2 vom 11.09.2024 übergeben. Der Berichterstatter hat erläutert, dass das Landessozialgericht, außer in den Fällen, in den denen das Sozialgericht durch Gerichtsbescheid entschieden habe, die Berufung durch Beschluss zurückweisen könne, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte, darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, von der Möglichkeit, die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, Gebrauch zu machen, und den Beteiligten die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.

Entscheidungsgründe


Der Senat kann auf Grund dessen, dass das SG Reutlingen nicht durch Gerichtsbescheid entschieden hat und er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält sowie die Beteiligten hierzu vorher gehört hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss entscheiden.

Die gemäß §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des auf die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage des Klägers im Sinne des § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG ergangenen Urteils des SG Reutlingen vom 11.03.2024 sowie des Bescheides des Beklagten vom 27.05.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.06.2021 und die Verpflichtung des Beklagten, den GdB mit 50 festzustellen.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf die Feststellung eines GdB von mindestens 50.


Ermächtigungsgrundlage für die vom Kläger begehrte Entscheidung ist § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X in Verbindung mit § 2 Abs. 1 SGB IX in Verbindung mit § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX. Der Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X steht nicht entgegen, wenn der Verwaltungsakt, dessen Abänderung begehrt wird, in Ausführung eines gerichtlichen Urteils oder eines gerichtlichen Gerichtsbescheides ergangen ist (für eine analoge Anwendung des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X: BeckOGK/Sandbiller SGB X § 48 Rn. 21; vergleiche zur Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf einen, einen Vergleich vollziehenden Ausführungsbescheid: LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.12.2022 – L 6 SB 198/21, juris Rn. 41; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2016 – L 6 U 34/16, juris Rn. 46; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.2014 – L 6 VK 934/12, juris Rn. 20; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2013 – L 6 SB 5459/11, juris Rn. 26; BeckOGK/Sandbiller SGB X § 48 Rn. 21; Steinwedel, jurisPR-SozR 5/2017 Anm. 3 [C II.]; vergleiche zur Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf einen, ein Anerkenntnis vollziehenden Ausführungsbescheid: BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 13 R 16/09 R, juris Rn. 28-30). Die Beteiligten können deshalb in einem neuen Verfahren, in dem derselbe Anspruch geltend gemacht wird, Tatsachen vorbringen, die erst nach dem gerichtlichen Urteil oder dem gerichtlichen Gerichtsbescheid entstanden sind (vergleiche Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 10.10.1978 – 7 RAr 56/77, juris Rn. 21).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, wenn in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eingetreten ist. Im Falle eines ein gerichtliches Urteil oder einen gerichtlichen Gerichtsbescheid ausführenden Bescheides sind der notwendige Vergleichsmaßstab diejenigen Umstände, die dieser gerichtlichen Entscheidung zu Grunde gelegt haben (vergleiche zum Vergleichsmaßstab bei einem, einen Vergleich vollziehenden Ausführungsbescheid: LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 19.12.2022 – L 6 SB 198/21, juris Rn. 41; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20.10.2016 – L 6 U 34/16, juris Rn. 47; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29.04.2014 – L 6 VK 934/12, juris Rn. 21; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.10.2013 – L 6 SB 5459/11, juris Rn. 27; Steinwedel, jurisPR-SozR 5/2017 Anm. 3 [C II.]; vergleiche zur Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X auf einen, ein Anerkenntnis vollziehenden Ausführungsbescheid: BSG, Urteil vom 06.05.2010 – B 13 R 16/09 R, juris Rn. 28-30). Von einer wesentlichen Änderung ist bei einer Änderung im Gesundheitszustand auszugehen, wenn aus dieser die Erhöhung oder Herabsetzung des Gesamt-GdB um wenigstens 10 folgt, während das Hinzutreten weiterer Funktionsstörungen mit einem Einzel-GdB von 10 regelmäßig ohne Auswirkung auf den Gesamt-GdB bleibt.

Nach § 2 Abs. 1 Satz 1, Satz 2 SGB IX sind Menschen mit Behinderungen Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können, wobei eine Beeinträchtigung in diesem Sinne vorliegt, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht. 

Nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX sind auf Antrag des behinderten Menschen von den für die Durchführung des BVG beziehungsweise des SGB XIV zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und der GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung festzustellen. Nach § 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX werden die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Nach § 152 Abs. 1 Satz 6 SGB IX ist eine Feststellung nur zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt. Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt.

Nach § 153 Abs. 2 SGB IX wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB, die Kriterien für die Bewertung der Hilflosigkeit und die Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden. Indes bestimmt § 241 Abs. 5 SGB IX, dass – soweit eine solche Verordnung nicht erlassen ist – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der auf Grund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ (AHP) getretene Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I S. 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I S. 249), 14.07.2010 (BGBl. I S. 928), 17.12.2010 (BGBl. I S. 2124), 28.10.2011 (BGBl. I S. 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I S. 2122), die Gesetze vom 23.12.2016 (BGBl. I S. 3234) und 12.12.2019 (BGBl. I S. 2652) sowie die Verordnung vom 19.06.2023 (BGBl. I S. 158) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind unter anderem die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach antizipierte Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R, juris).

Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R, juris). Nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. c ist bei der Bildung des Gesamt-GdB in der Regel von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB auszugehen und sodann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Insoweit führen nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. d, von Ausnahmefällen abgesehen, zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es danach vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Außerdem sind nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind.

Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen (BSG, Urteil vom 17.04.2013 – B 9 SB 3/12 R, juris).

Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze ist seit Erlass des
Gerichtsbescheides des SG Reutlingen vom 14.02.2019, den der Beklagte mit Bescheid vom 16.04.2019 ausgeführt und mit dem er den GdB mit 40 festgestellt hat, im Gesundheitszustand des Klägers keine einen höheren GdB als 40 rechtfertigende und damit keine wesentliche Änderung eingetreten.

Die Behinderungen im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ bedingen weiterhin einen Einzel-GdB von 30.

Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 beträgt bei Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen für leichtere psychovegetative oder psychische Störungen der GdB 0 bis 20, für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (zum Beispiel ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen) der GdB 30 bis 40 und für schwere Störungen (zum Beispiel schwere Zwangskrankheit) mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 50 bis 70 und mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten der GdB 80 bis 100.

Ferner ist zu beachten, dass in dem Beiratsprotokoll des Sachverständigenbeirats „Versorgungsmedizin“ vom 18./19.03.1998 (vergleiche Wendler/Schillings in Schwerbehindertenrecht, VdK-Kommentar, 10. Auflage, zu VG Nr. 3.6, S. 166 und 167, Nr. 3.7, S. 173) die verschiedenen Grade der Anpassungsschwierigkeiten im Sinne der VG, Teil B, Nr. 3.7 wie folgt definiert werden: 1. Leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten: zum Beispiel Berufstätigkeit trotz Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich. Wesentliche Beeinträchtigung nur in besonderen Berufen, zum Beispiel Lehrer, Manager. Keine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation oder bei Freundschaften, das heißt zum Beispiel keine krankheitsbedingten wesentlichen Eheprobleme. 2. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten: In den meisten Berufen sich auswirkende psychische Veränderung, die zwar weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubt, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt, die auch eine berufliche Gefährdung einschließt. Erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung, aber noch keine Isolierung und noch kein sozialer Rückzug in einem Umfang, der zum Beispiel eine vorher intakte Ehe stark gefährden könnte. 3. Schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten: Weitere berufliche Tätigkeit sehr stark gefährdet oder ausgeschlossen. Schwerwiegende Probleme in der Familie oder im Freundes-beziehungsweise Bekanntenkreis, bis zur Trennung von der Familie, vom Partner oder Bekanntenkreis.


Dem Gerichtsbescheid des SG Reutlingen vom 14.02.2019 haben auf psychiatrischem Fachgebiet im Wesentlichen der Entlassungsbericht der B3 vom 05.07.2016, in dem eine rezidivierende depressive Störung mit mittelgradiger Symptomatik beschrieben worden war, die Arztauskunft der T1 vom 17.05.2017, in dem eine rezidivierende depressive Störung mit mittelgradiger Symptomatik und ein chronisches Schmerzsyndrom beschrieben und der GdB hierfür mit jeweils 30 bis 40 eingeschätzt worden waren, das Gutachten des B1 vom 16.03.2018, in dem eine leichte depressive Störung beschrieben und der GdB hierfür mit 30 eingeschätzt worden waren, und die versorgungsärztliche Stellungnahme des H2 vom 16.07.2018, in dem die psychische Störung mit einem GdB von 30 beurteilt worden war, zu Grunde gelegen.

In Auswertung der seither angefallenen ärztlichen Unterlagen auf psychiatrischem Fachgebiet, nämlich der Entlassungsberichte des R1 S1 – Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie vom 30.07.2019, 14.11.2019 und 24.10.2023, dem Befundbericht des S3 vom 18.01.2020, der Arztauskünfte des L2 vom 20.11.2020 und 07.02.2022 sowie der Rentengutachten der E1 vom 13.05.2019, des D1 vom 07.02.2021 und des L3 vom 06.09.2023, kann der Senat keine Gesundheitsverschlechterung des Klägers feststellen. Nachdem E1 eine leichtgradige depressive Episode im Sinne einer Anpassungsstörung und D1 eine eher chronische, nicht hochgradige depressive Entwicklung und eine chronische Schmerzstörung angenommen haben, hat B2 in ihrer versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 16.02.2023 gut nachvollziehbar für die Behinderungen im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ weiterhin einen Einzel-GdB von 30 angenommen, indem sie unter anderem darauf hingewiesen hat, dass beim Kläger die Grundstimmung nur als leicht missbefindlich und die affektive Schwingungsfähigkeit nicht als aufgehoben beschrieben worden sind und eine regelmäßige Psychotherapie nicht erfolgt. Sodann hat L3 eine rezidivierende depressive Störung ohne Anhalt für eine Dysthymie beziehungsweise depressive Verstimmung über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren und ohne Belegbarkeit einer chronischen Schmerzstörung beschrieben. Mithin hat sich die GdB-Beurteilung der B2 bestätigt. Eine höhere GdB-Einschätzung ergibt auch nicht aus den Entlassungsberichten des R3. Zwar werden in den Entlassungsberichten vom 30.07.2019 und 14.11.2019 eine mittelgradige depressive Episode und eine somatoforme Schmerzstörung und im Entlassungsbericht vom 24.10.2023 erhebliche depressive Beschwerden angegeben. Qualitativ ergibt sich aber aus der dortigen Beschreibung des psychopathologischen Befundes keine wesentliche Änderung im Vergleich zum Gesundheitszustand des Klägers im Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheides des SG Reutlingen vom 14.02.2019. Dasselbe gilt für die vom S3 sowie von L2 gemachten Angaben. L2 hat nicht begründet, warum es sich um ein schweres depressives Bild handeln soll. Gegen ein schweres Krankheitsbild spricht schon, dass nach dessen Angaben nur circa ein Kontakt pro Quartal und nur bei Bedarf ein häufigerer Kontakt zu ihm stattfindet.

Dass und warum die Behinderungen des Klägers darüber hinaus im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ weiterhin mit einem Einzel-GdB von 30 zu beurteilen sind, hat im Übrigen das SG Reutlingen in dem mit der Berufung angegriffenen Urteil in Auswertung der aktenkundigen ärztlichen Unterlagen zutreffend dargelegt.
Der Senat schließt sich den Ausführungen des SG Reutlingen, insbesondere indem seine GdB-Beurteilung mit den im Gutachten des L3 beschriebenen Befunden überzeugend begründet hat, an und sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Der Senat weist ergänzend darauf hin,
dass auch aus dem vom Kläger im Berufungsverfahren vorgelegten Attest des L2 vom 11.09.2024 nichts anderes folgt. Dass dem Kläger, wie L2 meint, eine Arbeitstätigkeit von drei Stunden und mehr nicht zumutbar sein soll, ist durch die überzeugenden Rentengutachten wiederlegt worden.

In Bezug auf die weiteren Behinderungen im Funktionssystem „Atmung“ in Form einer Lungenfunktionseinschränkung und einer chronischen Bronchitis mit einem Einzel-GdB von 30, im Funktionssystem „Rumpf“ in Form einer Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und degenerativen Veränderungen der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10, im Funktionssystem „Arme“ in Form eines Schulter-Arm-Syndroms mit einem Einzel-GdB von 10, im Funktionssystem „Beine“ in Form eines Leistenbruchs mit einem Einzel-GdB von 10 und im Funktionssystem „Haut“ in Form einer Rosacea mit einem Einzel-GdB von 10 lassen sich keine gesundheitlichen Verschlechterungen feststellen, die höhere GdB-Werte rechtfertigen könnten. Auch insoweit schließt sich der Senat den Ausführungen des SG Reutlingen an und sieht daher gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass R2 in seiner Arztauskunft vom 08.11.2021 dargelegt hat, dass die aktuellen Untersuchungen vom 19.09.2019 bis zum 13.07.2020 keine maßgeblichen Einschränkungen der oberen oder unteren Extremitäten, auch kein sensomotorisches Defizit gezeigt haben, die Nervendehnungszeichen unauffällig gewesen sind und das Gangbild regelrecht gewesen ist. Er hat die Fragen, ob die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen in der versorgungsärztlichen Beurteilung vollständig erfasst sind, ebenso bejaht, wie diejenige, ob sie mit einem zutreffenden GdB bewertet worden sind. Den vom SG Reutlingen beigezogenen ärztlichen Unterlagen auf orthopädischem Fachgebiet lassen sich keine Bewegungseinschränkungen entnehmen, die höhere GdB-Werte rechtfertigen könnten. Ärztliche Unterlagen auf orthopädischem Fachgebiet, die eine seither eingetretene Gesundheitsverschlechterung nahelegen würden, sind nicht aktenkundig. Mangels substantiierter Darlegung einer etwaigen Gesundheitsverschlechterung waren weitere Sachverhaltsermittlungen nicht erforderlich.

Der H3 hat in seinem Arztbrief vom 21.10.2021 eine mittelgradige obstruktive Ventilationsstörung beschrieben, die keine Gesundheitsverschlechterung der vom H1 in seiner Arztauskunft vom 22.05.2017 beschriebenen mittel- bis schwergradigen lungenfunktionellen Einschränkung darstellt.

Auch hat das SG Reutlingen die Behinderung im Funktionssystem „Stoffwechsel, innere Sekretion“ in Form der Diabetes-Erkrankung zutreffend mit keinem Einzel-GdB von wenigstens 10 bewertet und zu Recht ausgeführt, dass das von L3 in seinem Gutachten vermutete Schlafapnoe-Syndrom bisher nicht nachgewiesen ist.


Unter Berücksichtigung der unveränderten Einzel-GdB-Werte von zweimal 30 und viermal 10 lässt sich weiterhin ein Gesamt-GdB von lediglich 40 feststellen. Unverändert sind die beim Kläger dokumentierten Einschränkungen mit solch gravierenden Funktionsbehinderung wie dem Verlust eines Armes im Unterarm oder dem Verlust eines Beines im Unterschenkel bei genügender Funktionstüchtigkeit des Stumpfes und der Gelenke, die nach den VG, Teil B, Nr. 18.13 oder 18.14 mit einem GdB von 50 zu bewerten sind, nicht vergleichbar.

Nach alledem ist die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des SG Reutlingen vom 11.03.2024 zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG gegeben ist.



 

Rechtskraft
Aus
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