Grundsätzlich keine Übernahme von Tilgungsleistungen für eine selbst bewohnte Eigentumswohnung als Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II. Dies gilt auch, wenn die monatlichen Tilgungsraten ggfs. gleich hoch oder niedriger sind, als die im Sinne von § 22 SGB II angemessenen Mietkosten.
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger u.a. im Wege des Zugunstenverfahrens nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches -SGB X- für die Bewilligungszeiträume vom 01.05.2016 bis zum 31.10.2016 und vom 01.11.2016 bis zum 31.10.2017 Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft unter Berücksichtigung von Tilgungsleistungen hat.
Der am 00.00.0000 geborene Kläger hatte am 31.05.2016 einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches –SGB II- gestellt. Er hatte hierzu einen notariellen Vertrag vom 22.03.2013 über den Kauf einer Eigentumswohnung vorgelegt, die er zum Zeitpunkt der Antragstellung selbst bewohnt hatte. Darüber hinaus hatte er einen Jahreskontoauszug der Bank F. für das Jahr 2015 über ein Annuitätendarlehen, welches der Finanzierung der Eigentumswohnung gedient hatte, vorgelegt, wonach er monatliche Tilgungsraten in Höhe von 375,00 € sowie Schuldzinsen in Höhe von monatlich durchschnittlich 77,84 € zu leisten hatte. Ausweislich des Kontoauszugs betrug die Restschuld zum 31.12.2015 29.722,58 €.
Mit Bewilligungsbescheid vom 29.06.2016 hatte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 31.10.2016 Arbeitslosengeld II in Höhe von monatlich 633,44 Euro bewilligt, wobei er als Kosten der Unterkunft die monatlichen Schuldzinsen in Höhe von 77,84 €, Nebenkosten in Höhe von 113,00 € sowie Heizkosten in Höhe von 29,31 €, also insgesamt 220,15 € zugrunde gelegt hatte.
Am 26.09.2016 hatte der Kläger einen Antrag auf Weiterbewilligung von Arbeitslosengeld II für die Zeit ab dem 01.11.2016 gestellt.
Der Beklagte hatte mit Bewilligungsbescheid vom 27.10.2016 für die Zeit vom 01.11.2016 bis zum 31.10.2017 Arbeitslosengeld II in Höhe von 636,70 Euro bewilligt und dabei als Kosten der Unterkunft insgesamt 228,41 € monatlich, darunter Schuldzinsen i.H.v. 86,10 €, berücksichtigt.
Mit Änderungsbescheid vom 23.12.2016 nahm der Beklagte eine Anpassung der Regelbedarfssätze ab 01.01.2017 vor und bewilligte nunmehr Leistungen in Höhe von monatlich 641,82 Euro.
Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und stellte hilfsweise bezüglich sämtlicher vorher ergangener Bescheide einen Antrag auf Überprüfung nach § 44 SGB X. Er machte dabei die Übernahme der Kosten der Unterkunft im angemessenen Rahmen geltend. Er leide unter einer Post- bzw. Postkastenphobie und habe deshalb erst am 24.01.2017 die Post seit dem 09.12.2016 wahrnehmen können.
Mit Schreiben vom 01.02.2017 hörte der Beklagte den Kläger zu seinem Überprüfungsantrag an und wies ihn darauf hin, dass dieser nicht die konkreten zu überprüfenden Bescheide angegeben habe.
Mit Bescheid vom 23.02.2017 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag des Klägers mit der Begründung ab, dass der Überprüfungsantrag nicht konkretisiert worden sei, insbesondere nicht dargelegt worden sei, welche konkreten Bescheide überprüft werden sollen. Deshalb sei eine Überprüfung in der Sache nicht vorzunehmen.
Gegen den Bescheid vom 23.02.2017 legte der Kläger Widerspruch ein und begründete diesen damit, dass das Gesetz die Übernahme der Kosten der Unterkunft in angemessenem Rahmen verlange. Dieser betrage für einen Singlehaushalt 340,00 € Nettokaltmiete zuzüglich Kosten für Heizung.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23.03.2017 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 23.12.2017 zurück und führte im Wesentlichen zur Begründung aus, dass die Aufwendungen für die Kredittilgung oder aus Anlass des Erwerbs vereinbarte Leibrenten die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auch dann ausnahmslos nicht habe berücksichtigen wollen, wenn die Aufwendungen selbst bei Berücksichtigung dieser Kosten hinter den für eine angemietete Unterkunft angemessene Aufwendungen zurückbleiben. Die Leistungen nach dem SGB II seien auf die aktuelle Existenzsicherung beschränkt und sollen nicht der Vermögensbildung dienen können. Ausnahmen von diesem Grundsatz seien im Hinblick auf den im SGB II ausgeprägten Schutz des Grundbedürfnisses „Wohnen“ nur in besonderen Ausnahmefällen angezeigt, wenn es um die Erhaltung von Wohneigentum gehe, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitestgehend abgeschlossen sei.
Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 27.03.2017 wies der Beklagte auch den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid vom 23.02.2017 als unbegründet zurück und führte unter Wiederholung der im Widerspruchsbescheid vom 23.03.2017 dargelegten rechtlichen Erwägungen zu der Nichtberücksichtigung von Tilgungsleistungen aus, dass ein rechtswidriger Verwaltungsakt nicht vorliege.
Hiergegen hat der Kläger am 23.04.2017 Klage erhoben
Mit seiner Klage trägt er vor, dass, sofern er seine Eigentumswohnung aufgeben und in eine Mietwohnung zurückziehen würde, der Beklagte die Kosten der Unterkunft zu übernehmen hätte, die mit Anpassung an das heutige Preisniveau den Kosten seiner jetzigen Unterkunft entsprechen würden. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts sei grob rechtswidrig und deshalb zu missachten. Es gebe auch kein gesetzliches Verbot, welches einem Arbeitslosengeld II-Empfänger verbiete, Vermögen aufzubauen.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 23.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.03.2017 und unter Aufhebung des Bescheides vom 23.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.2017 den Beklagten jeweils in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.12.2021, zu verurteilen, unter Abänderung der Bescheide vom 29.06.2016 und 27.10.2016 für die Zeit vom 01.05.2016 bis zum 31.12.2016 und für die Zeit vom 01.01.2017 bis zum 31.10.2017 höhere Unterkunftskosten unter Einbeziehung von Tilgungsleistungen für die von ihm bewohnte Eigentumswohnung zu gewähren.
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Er bleibt bei seiner Auffassung, dass Tilgungsleistungen nicht als Kosten der Unterkunft zu übernehmen seien. Allerdings seien die monatlichen tatsächlichen Aufwendungen bei der Feststellung des Unterkunftsbedarfs zu ermitteln. Nach Vorlage von Nachweisen über die tatsächlichen Aufwendungen sollten die Kosten der Unterkunft endgültig ermittelt und festgesetzt werden. Insofern müsste der Kläger Nachweise über das Hausgeld sowie die Grundbesitzabgaben des Jahres 2017 und den Jahreskontoauszug 2016 über das Annuitätendarlehen vorlegen.
Allerdings sei auch aufzuklären, inwieweit der Kläger bislang in der Lage gewesen sei, bei einer Regelleistung in Höhe von derzeit 409,00 € monatlich Tilgungsbeträge von mehr als 300,00 € aufzubringen. Insofern sei anzunehmen, dass der Kläger über unbekannte Geldmittel verfüge. Zunächst seien hinsichtlich der Hilfebedürftigkeit des Klägers Ermittlungen anzustellen.
Mit Bescheid vom 16.12.2021 hat der Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 01.05.2016 bis zum 31.10.2017 unter Berücksichtigung der nachgewiesenen tatsächlichen Aufwendungen für Grundbesitzabgaben einen Betrag in Höhe von 99,18 Euro nachgezahlt.
Im Hinblick auf die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten.
Entscheidungsgründe:
Das Gericht konnte den Rechtsstreit nach Anhörung der Beteiligten gemäß § 105 Absatz 1 SGG durch Gerichtsbescheid entscheiden. Die Voraussetzungen hierfür liegen vor, denn die Sache weist keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf und der Sachverhalt ist geklärt.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere hat der Kläger sein Klagebegehren in zulässiger Weise auf einen höheren Anspruch auf Kosten der Unterkunft nach dem SGB II beschränkt.
Die Klage ist jedoch nicht begründet.
Der angefochtene Bescheid vom 23.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.20217 und der angefochtene Bescheid vom 23.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.03.20217 –jeweils in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.12.2021- sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten im Sinne von § 54 Absatz 1 und 2 SGG, denn der Kläger hat für die streitbefangenen Zeiträume vom 01.05.2016 bis zum 31.12.2016 und vom 01.01.2017 bis zum 31.10.2017 keinen Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft.
Der Beklagte hat zu Recht mit Bescheid vom 23.02.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.2027 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.12.2021 im Wege des Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die Abänderung der Bewilligungsbescheide vom 29.06.2016 und vom 26.09.2016 und damit die Gewährung höherer Unterkunftskosten abgelehnt.
Gemäß §§ 40 Absatz 1 SGB II, 44 Absatz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass des Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Diese Voraussetzungen liegen im Hinblick auf die Bewilligungsbescheide vom 29.06.2016 und 26.09.2016 sowie des Änderungsbescheides vom 16.12.2021 nicht vor, denn der Kläger hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung der mit seinem Annuitätendarlehen verbundenen Tilgungsleistungen bei der Gewährung von Unterkunftskosten.
Gemäß § 22 Absatz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind.
Zu den Unterkunftskosten für selbst genutzte Hausgrundstücke, Eigenheime oder Eigentumswohnungen zählen Aufwendungen, die tatsächlich und untrennbar mit der Nutzung verbunden sind, d.h. hierzu zählen neben den laufenden Betriebskosten insbesondere tatsächlich aufzuwendende Schuldzinsen (s. Luik in Eicher/Luik, SGB II, 4. Aufl., § 22, Rdnrn. 57 und 58 m.w.N.).
Tilgungsleistungen sind dagegen nicht als Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen, denn diese tragen zur Bildung von Vermögen bei. Nach dem Grundsatz des Sozialhilferechts dürfen SGB II-Leistungen nicht der Vermögensbildung dienen (Bundessozialgericht –BSG-, Urteil vom 04.06.2014, Aktenzeichen B 14 AS 42/13 R; Urteile vom 07.11.2006, Az. B 7b AS 8/06 R, B 7b AS 2/05 R). Hierbei handelt es sich um eine gefestigte und ständige Rechtsprechung sowohl des BSG als auch in den Erst- und Zweitinstanzen und den einschlägigen juristischen Kommentierungen (vgl. hierzu Luik, a.a.O., Rdnr. 62 m.w.N.).
Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen können Tilgungsleistungen nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts übernommen werden und nur dann, wenn noch eine (geringe) Restschuld abzutragen ist,. Maßgeblich ist, ob es nach den konkreten Umständen um die Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung zum Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist (so z.B. BSG, Urteil vom 03.12.2015, Az. B 4 AS 49/14 R). Nur die Feststellung einer konkreten und unvermeidbaren Bedarfslage kann eine ausnahmsweise Tilgungsverpflichtung der Jobcenter eröffnen (BSG, Urteil vom 16.02.2012, Az. B 4 AS 14/11 R).
Nicht relevant ist hingegen, dass die Verpflichtung zur Zahlung eines Mietzinses bei bestehendem Mietverhältnis der gleichen Höhe der mit dem Eigentum verbundenen Verpflichtungen entsprechen oder eine höhere finanzielle Belastung bedeuten würde.
Vorliegend ist ein Ausnahmefall im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung nicht gegeben. Insbesondere war die Finanzierung der Eigentumswohnung zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Zeitraumes nicht weitgehend abgeschlossen, sondern noch zu einem großen Teil finanziell in Höhe von ca. 29.000,00 Euro abzutragen. Es ergeben sich auch keine konkreten Umstände, die auf eine unvermeidbare Bedarfslage hinweisen. Der Kläger wäre auch in der Lage, die Eigentumswohnung zu vermieten.
Der Beklagte hat daher zu Recht für den streitgegenständlichen Zeitraum für die Berechnung der zu gewährenden Unterkunftskosten die Tilgungsleistungen außer Acht gelassen.
Dies gilt auch im Hinblick auf den angefochtenen Änderungsbescheid vom 23.12.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.03.20217 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 16.12.2021. Soweit hierdurch der Bewilligungszeitraum ab dem 01.01.2017 streitbefangen ist, stehen dem Kläger für den Zeitraum vom 01.01.2017 bis zum 31.10.2017 aus den vorgenannten Gründen keine höheren Unterkunftskosten zu.
Der Klage konnte daher nicht stattgegeben werden.