L 16 KR 401/23

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Braunschweig (NSB)
Aktenzeichen
S 56 KR 1156/21
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 16 KR 401/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Braunschweig vom 22. August 2023 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.942,52 Euro festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt die weitere Vergütung für eine stationäre Krankenhausbehandlung. Streitig sind die Vergütung der Nebendiagnose (ND) E87.6 (Hypokaliämie) und die Auslegung von § 4 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2017.

Die Klägerin betreibt ein nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenes Krankenhaus in J.. Dort wurde die am K. 1954 geborene, bei der beklagten Krankenkasse versicherte L. stationär vom 11. Oktober bis 4. November 2019 behandelt. Die Klägerin berechnete die Fallpauschale (Diagnosis Related Group 2019 - DRG -) I12A (Knochen- und Gelenkinfektion / -entzündung mit verschiedenen Eingriffen am Muskel-Skelett-System und Bindegewebe mit äußerst schweren CC). Sie kodierte hierzu neben der Hauptdiagnose (HD) ICD-10-GM T84.6 (Infektion und entzündliche Reaktion durch eine interne Osteosynthesevorrichtung [jede Lokalisation]) 18 verschiedene Nebendiagnosen, ua E87.6 (Hypokaliämie) und M00.96 (Eitrige Arthritis, nicht näher bezeichnet: Unterschenkel [Fibula, Tibia, Kniegelenk]) sowie zahlreiche Prozeduren (5-787.0J, 5-895.XE, 5-895.0E, 8-836.0S, 5-800.2H, 5-800.4H, 9-984.7, 8-190.31).

Mit Rechnung vom 2. Dezember 2019 machte sie bei der Beklagten einen Betrag (abzüglich Zuzahlungen iHv 250 Euro) von insgesamt 14.279,47 Euro geltend.

Die Beklagte beglich zunächst die Rechnung und beauftragte sodann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit der Überprüfung der sachlichen Richtigkeit der Abrechnung. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2019 zeigte der MDK gegenüber der Klägerin die Einleitung des Prüfverfahrens an. In diesem heißt es:

Prüfgegenstände:

Kodierprüfung

Fragestellungen:

11 - Ist die Hauptdiagnose (HD) korrekt? (Anhand der Falldaten ist die HD nicht

nachvollziehbar.)

12 - Ist / sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt? (Anhand der Prozeduren ist kein

Ressourcenverbrauch der Nebendiagnosen ersichtlich.)

Zum Prüfgegenstand und/oder zur Fragestellung korrespondierende

Diagnosen/Prozeduren/Entgelte:

Diagnosen: T84.6

Prozeduren: Keine markierten Prozeduren vorhanden.

Entgelte: Keine markierten Entgelte vorhanden.

Mit Schreiben vom 18. Dezember 2019 forderte der MDK von der Klägerin verschiedene medizinische Unterlagen an (Krankenhausentlassungsbericht, kumulatives Laborblatt (+ Mikrobiologie), OP Bericht (11.10.19, 14.10.19, 18.10.19, 21.10. 19, 23.10.19, 24.10.19), Pflegebericht, Fieberkurve., Stationskurve, ärztliche Visitenanordnung, Anamnese/Aufnahmebefund) mit Frist bis zum 12. Februar 2020. Nach Eingang dieser Unterlagen prüfte der MDK die Hauptdiagnose sowie die abrechnungsrelevanten Nebendiagnosen. Er bestätigte in seiner Stellungnahme vom 3. Mai 2020 die Hauptdiagnose und führte weiter aus, T84.15 wäre nicht sachgerecht gewesen, M00.96 wäre hingegen möglich gewesen, jedoch mit etwa gleichem Ressourcenverbrauch wie T84.6. Eine Kodierung von E87.6 lasse sich anhand der vorliegenden Unterlagen nicht verifizieren und sei daher zu löschen. Es resultiere die DRG I22B (Gewebe-/Hauttransplantation, außer an der Hand, mit kleinflächiger Gewebetransplantation od. mit großflächiger Gewebetransplantation ohne kompliz Konst., oh Eingr. an mehreren Lokal., oh. schw. Weichteilschaden, oh. kompl. Gewebetranspl. m. schw. CC).

Gestützt auf diese Stellungnahmen teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass nach Streichung von E87.6 nur die DRG I22B mit Kostengewicht 3,237 abgerechnet werden könne, ihr Erstattungsbetrag betrage 2.942,52 Euro. Sie verrechnete den sich ergebenden Differenzbetrag von 2.942,52 Euro am 6. Juli 2020 mit einer anderen Forderung der Klägerin.

Am 27. Dezember 2021 hat die Klägerin Klage vor dem Sozialgericht (SG) Braunschweig erhoben und vorgetragen, hinsichtlich der Nebendiagnose erfülle der Prüfauftrag nicht die Voraussetzungen des § 4 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2017. Der bloße Prüfauftrag: „Ist/sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt?“, erfülle nicht die Regelung des § 4 PrüfvV. Die Beklagte habe den sich aus der Auffälligkeit ergebenden Prüfgegenstand so konkret wie möglich mitzuteilen und den Prüfgegenstand nach § 4 Abs 2 PrüfvV zu benennen. Sei kein Prüfgegenstand benannt, liege keine ein Prüfverfahren einleitende Mitteilung vor. Der Auftrag der Beklagten sei zu pauschal, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass die Beklagte nur bezüglich der Hauptdiagnose, die der MDK bestätigt habe, ein Prüfverfahren eingeleitet habe. Da eine Erweiterung des Prüfgegenstandes der Klägerin nicht angezeigt worden sei, bestehe mangels ordnungsgemäßem Prüfverfahren ein Beweisverwertungsverbot bzw Einwendungsausschluss bzgl von Einwendungen gegen die Kodierung der Nebendiagnose. Fehler des MDK müsse sich die Beklagte zurechnen lassen. Im Übrigen habe E87.6 auch inhaltlich vorgelegen. Dies ergebe sich aus den Labor- und Medikationswerten.

Die Beklagte hat auf die Stellungnahme des MDK Bezug genommen. Das Prüfverfahren sei auch bezüglich der Nebendiagnose ordnungsgemäß eingeleitet worden. Eine Erweiterung des Prüfauftrages habe nicht vorgelegen.

Die Klägerin hat die Patientenakte auf Anforderung des SG mit der Maßgabe übersandt, dass diese der Beklagten nicht zur Verfügung gestellt werden dürfe. Das SG hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass damit deren Verwertung im Verfahren nicht in Betracht kommt, und die Akte gelöscht (Vermerk vom 10. Juli 2023).

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. August 2023 abgewiesen. Die zulässige Leistungsklage sei unbegründet. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Vergütung der Behandlung einer anderen Versicherten sei in Höhe des streitigen Betrages von 2.942,52 Euro erloschen, da die Beklagte wirksam mit ihrem Erstattungsanspruch wegen der Überzahlung der Vergütung für die Behandlung der Versicherten aufgerechnet habe. Die Klägerin habe keinen Vergütungsanspruch gegen die Beklagte in der streitigen Höhe gehabt. Sie könne den streitigen Behandlungsfall hier nicht nach DRG I12A abrechnen, weil dies die sachlich-richtige Kodierung von E87.6 als Nebendiagnose voraussetzen würde. Der MD habe diese Nebendiagnose gestrichen, weil sich aus den diesem zur Verfügung stehenden Unterlagen das Vorliegen des Kodes nicht habe verifizieren lassen. Ob dies im Ergebnis unzutreffend sei, könne die Kammer nicht feststellen. Zwar habe die Klägerin einzelne Tatsachen behauptet, die die sachlich-richtige Kodierung von E87.6 belegen sollten. Deren Überprüfung sei dem Gericht aber nicht möglich, weil die Klägerin die hierzu notwendige Patientenakte dem Gericht nur mit der Maßgabe zur Verfügung gestellt habe, dass die Beklagte keine Einsicht in diese erhalte. Die Kammer könne ihre Entscheidung aber auch nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützen, zu denen sich die Beteiligten hätten äußern können (§§ 128 Abs 2, 62 Sozialgerichtsgesetz –SGG-, Art 103 Abs 1 Grundgesetz – GG). Mithin könne die Kammer die von der Klägerin behaupteten Tatsachen nicht mit der notwendigen Sicherheit im Vollbeweis feststellen. Dies gehe zu deren Lasten, sie trage die Darlegungs- und Beweislast.

Die Streichung bzw Überprüfung von E87.6 als Nebendiagnose sei der Beklagten bzw dem Gericht auch nicht deshalb versagt, weil es diesbezüglich an einem ordnungsgemäß eingeleiteten Prüfverfahren im Sinne der PrüfvV 2017 gefehlt habe. Bei der gebotenen Auslegung des Prüfauftrages nach dem wirklichen Willen ausgehend vom objektiven Empfängerhorizont seien die Voraussetzungen des § 4 PrüfvV bzgl des hier betroffenen Prüfauftrages zu den Nebendiagnose noch erfüllt. Der Satz „Ist/sind die ND korrekt“ sei nicht unkonkreter als der von der Klägerin unbeanstandete Teil für die Hauptdiagnose. Vor allem aber werde aus dem Klammerzusatz „anhand der Prozeduren ...“ deutlich, dass der für die Kodierung der (abrechnungsrelevanten) Nebendiagnosen erforderliche Ressourcenverbrauch geprüft werden solle. Mangels Einschränkung auf einzelne Nebendiagnosen beziehe sich dies mithin auf alle (abrechnungsrelevanten) Nebendiagnose. Zuzugestehen sei der Klägerin, dass § 4 Satz 2 PrüfvV 2017 anders als die Vorgängerfassung bei einer Kodierprüfung „die Benennung der beanstandeten (...) Nebendiagnosen“ verlange. Warum bei einer Vollprüfung der Nebendiagnosen diese aber nochmal im Einzelnen aufgelistet werden sollten, erschließe sich nicht und wäre bloßer Formalismus, zumal § 4 Satz 2 PrüfvV 2017 die konkret benannte Konstellation auch nur „beispielsweise“ benenne. Im Übrigen bleibe es dem Leistungserbringer selbstverständlich unbenommen beim MDK nachzufragen, wenn er meine, dass der Prüfauftrag unklar sei. Dies sei hier offenbar aber gar nicht erfolgt. Selbst wenn bezüglich der Überprüfung der Nebendiagnosen das Prüfverfahren nicht im Sinne des § 4 PrüfvV 2017 eingeleitet worden sein sollte, ergebe sich keine für die Klägerin günstige Beurteilung. Der MD sei nicht auf den einleitenden Prüfgegenstand (hier Hauptdiagnose) beschränkt (§ 6 Abs 3 Satz 5 PrüfvV 2017). Er habe die Erweiterung lediglich dem Krankenhaus anzuzeigen (§ 6 Abs 3 Satz 6 PrüfvV 2017). Konkrete Vorgaben für die Form der Anzeige mache die PrüfvV nicht. Anders als die Klägerin wohl meine, lasse sich der PrüfvV auch an keiner Stelle entnehmen, dass bei fehlender oder fehlerhafter Anzeige eine Präklusion bzw ein Einwendungsausschluss zulasten des Leistungsträgers eintrete. Einzige Rechtsfolge der Anzeige der Erweiterung sei die Möglichkeit der einmaligen Korrektur oder die Ergänzung von Datensätzen innerhalb einer weiteren Frist von fünf Monaten (§ 7 Abs 5 Satz 5 PrüfvV 2017). Hier sei der Klägerin spätestens nach Erhalt des MD-Gutachtens bekannt gewesen, dass der MDK die Nebendiagnose geprüft und mithin den Prüfauftrag erweitert hätte. Dem Umstand, dass der MDK im dafür vorgesehen Teil des Gutachtensformulars die Frage „Erweiterung des Prüfauftrages“ verneint habe, könne im hiesigen Fall keine entscheidende Rolle spielen. Der MDK sei schließlich davon ausgegangen, dass er schon von der Beklagten mit der Prüfung der Nebendiagnosen beauftragt worden sei. Dies sei für die Klägerin auch erkennbar gewesen. Die Klägerin hätte also nach Erhalt des Gutachtens genügend Zeit gehabt, inhaltliche Beanstandungen vorzunehmen und ggf weitere Unterlagen zu übersenden. Warum sie dies nicht getan habe, erschließe sich der Kammer in diesem wie auch in ähnlich gelagerten Fällen weiterhin nicht. Die Vorlage von medizinischen Unterlagen bzw entsprechender Vortrag könne die Erfolgsaussichten des Begehrens des Leistungserbringers sowohl im Verwaltungs- als auch im Klageverfahren nur erhöhen.

Gegen den am 25. August 2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 31. August 2023 Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen erhoben. Das SG habe die Klage der Klägerin zu Unrecht abgewiesen. Zu Unrecht habe das SG ausgeführt, dass von einer Prüfung aller abrechnungsrelevanten Nebendiagnosen hätte ausgegangen werden müssen, wobei es auch ohne Relevanz sei, dass der MDK entgegen seiner Verpflichtung aus § 6 PrüfvV die Erweiterung des Prüfgegenstandes nicht angezeigt habe. Die Auffassung des SG, der MDK und die Beklagte könnten sich willkürlich und unfair gegenüber der Klägerin verhalten, ohne dass dies Konsequenzen hätte, sei grundlegend falsch. Entgegen der Auffassung des SG sei der Prüfgegenstand "Ist die Hauptdiagnose (HD) korrekt?" sehr konkret, dass auf der Hand liege, was die Hauptdiagnose sei. Im krassen Gegensatz dazu sei bei der Benennung des Prüfgegenstandes "Ist/sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt?" nicht auf der Hand liegend, welche Diagnosen damit gemeint sein sollten. Die Beklagte könne ihren behaupteten öffentlich-rechtlichen Rückforderungsanspruch nicht auf die Stellungnahme des MD stützen, da insoweit ein nicht ordnungsgemäßes, unfaires Prüfverfahren vorliege. Es stehe fest, dass lediglich die Hauptdiagnose Prüfgegenstand gewesen sei, nicht aber die Prüfung der Nebendiagnosen und der Prozeduren. Denn gemäß § 4 PrüfvV sei eine Einleitung des Prüfverfahrens nur zulässig, wenn die Beklagte bei der Prüfung nach § 3 PrüfvV Auffälligkeiten entdeckt habe, die es erforderlich machten, eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen oder der Korrektheit der Abrechnung im Sinne des § 2 Abs 1 Satz 1 PrüfvV einzuleiten. Der bloße Prüfauftrag - "Ist/sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt?" - erfülle insoweit die Voraussetzungen der Regelung des § 4 PrüfvV nicht für die Prüfung der Kodierung der Nebendiagnosen sowie der Prozeduren, denn die Beklagte hätte der Klägerin den sich aus der Auffälligkeit ergebenden Prüfgegenstand so konkret wie möglich mitzuteilen (§ 4 Satz 1 PrüfvV) und dabei den Prüfgegenstand mindestens aber beispielsweise wie folgt zu benennen (§ 4 Satz 2 PrüfvV):- primäre Fehlbelegung- sekundäre Fehlbelegung- Kodierprüfung unter Benennung der beanstandeten Haupt- und/oder Nebendiagnose(n) und/oder Prozedur(en) unter Benennung der beanstandeten OPS-Ziffern- Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen (medizinische Indikation, NUB etc.). Weiter heiße es in § 4 Satz 4 PrüfvV: „Ist kein Prüfgegenstand benannt, liegt keine ein Prüfverfahren einleitende Mitteilung vor.“ Damit stehe fest, dass die Beklagte mit ihrem lediglich pauschalem Auftrag - "Ist/sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt?" - keinen konkreten Prüfgegenstand im Sinne von § 4 PrüfvV hinsichtlich der Prüfung der Nebendiagnosen und Prozeduren benannt habe, so dass davon ausgegangen werden müsse, dass die Beklagte gemäß § 4 Satz 4 PrüfvV nur bezüglich der Hauptdiagnose, die der MDK bestätigt hätte, ein Prüfverfahren eingeleitet habe. Insoweit werde ausdrücklich auch auf die Entscheidungen des LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25. April 2023 (L 10 KR 15/21), LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 26. April 2023 (L 5 KR 872 21) und des SG Münster verwiesen. Das SG Münster wende konsequent die Vorgaben der PrüfvV an. Gemäß § 4 PrüfvV sei der Prüfgegenstand dem Krankenhaus so konkret wie möglich mitzuteilen. Hierbei handele es sich entgegen der Auffassung der Krankenkasse nicht bloß um eine Obliegenheit, sondern um eine Pflicht. Werde der Prüfgegenstand entsprechend dieser Verpflichtung gegenüber dem Krankenhaus konkretisiert, sei eine Erweiterung des Prüfungsgegenstands möglich, aber nur, wenn dies dem Krankenhaus auch angezeigt werde (§ 6 Abs 3 PrüfvV). Die Auffassung der Krankenkasse, dass die auf die Fragestellung „Ist die DRG korrekt?" ohne konkrete Benennung jeden sonstigen Aspekt der Kodierung umfasse, sei zu widersprechen. Eine solche Auslegung widerspräche nicht nur einem effizienten, konsensorientierten und in konstruktiver Zusammenarbeit durchzuführenden Verfahren (§ 1 PrüfvV), sondern auch rechtsstaatlichen Grundsätzen. Nach der Prüfverfahrensvereinbarung sei die Beklagte nicht berechtigt, den MDK „Wünsch Dir was" spielen zu lassen. Es bestehe daher zulasten der Beklagten ein Beweisverwertungsverbot und ein Einwendungsausschluss, die auch vom Gericht zu beachten seien (Bundessozialgericht <BSG> Beschluss vom 10. November 2022 - B1 KR 57/22 B). Die Beklagte sei so zu stellen, als habe sie einen Abzug ohne vorheriges Prüfverfahren durchgeführt, sodass der Abzug rechtswidrig sei. Zwar bestünde gemäß § 6 Abs 3 Satz 5 PrüfvV keine Beschränkung der MDK-Prüfung auf den Prüfgegenstand, jedoch hätte eine Erweiterung des Prüfgegenstandes der Klägerin gemäß § 6 Abs 3 Satz 4 PrüfvV angezeigt werden müssen. Dies sei hier seitens des MDK nicht geschehen. Vielmehr habe der MDK auf Seite 1 seiner Stellungnahme auch noch selbst mitgeteilt, dass eine Erweiterung des Prüfauftrages nicht erfolgt sei. Das Verhalten des MDK und damit auch der Beklagten sei in höchstem Maße unfair. Nach der einhelligen Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 20. Januar 2021 - B 1 KR 31/20 juris Rn 37 mwN; BSG Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 43/20) folge aus § 1 PrüfvV (konsensorientiertes Verfahren und konstruktive Zusammenarbeit zwischen Krankenkassen, MDK und Krankenhäusern) ein Fairnessgebot. Gegen dieses habe der MDK bewusst und gewollt verstoßen, was schon die Prüfung der Prozedur belege, die gar nicht Prüfungsgegenstand gewesen sei und für die der MDK keine Erweiterung der Prüfung angezeigt habe. Das Prüfungsverfahren sei nicht ordnungsgemäß abgelaufen, die Fristen seien abgelaufen. Die Beklagte müsse sich den Fehler des MDK zurechnen lassen.  

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Braunschweig vom 22. August 2023 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.942, 52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 2 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 6. Juli 2020 zu zahlen.

Die Beklagt beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Das SG habe richtig dargestellt hat, dass der MDK von der Beklagten mit der Prüfung aller (abrechnungsrelevanten) Nebendiagnosen beauftragt worden sei. Entgegen der Behauptung der Klägerin stehe gerade nicht fest, dass lediglich die Hauptdiagnose zur Prüfung beauftragt worden sei. Der MDK habe den Prüfauftrag der Beklagten auch richtig verstanden und die abrechnungsrelevanten Nebendiagnosen und Prozeduren bzw einen entsprechenden Aufwand geprüft. Bei Beauftragung aller Nebendiagnosen sei eine zusätzliche Aufzählung eben dieser Nebendiagnosen nicht mehr erforderlich. Als Prüfgegenstand sei eine Kodierprüfung angegeben und unter den Fragestellungen konkret die Hauptdiagnose und die Nebendiagnosen angefragt worden. Zudem enthalte die Frage nach den Nebendiagnosen den Zusatz, dass Anhand der Prozeduren kein Ressourcenverbrauch der Nebendiagnosen erkennbar sei. Sowohl der MDK als Empfänger des Prüfauftrages als auch die Klägerin als Empfängerin der Prüfanzeige hätten die konkrete Frage nach allen Nebendiagnosen richtig verstanden. Jedenfalls habe die Klägerin auf die Prüfanzeige hin die Unterlagen übersandt, ohne diese zu bemängeln. Maßgeblich für die Auslegung von empfangsbedürftigen Willenserklärungen sei der objektive Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten. Empfänger des Prüfauftrages sei der MDK. Dieser habe den Prüfauftrag hinsichtlich der Nebendiagnosen richtig verstanden. Es bestehe auch kein Beweisverwertungsverbot oder gar ein Einwendungsausschluss. Das Prüfverfahren sei ordnungsgemäß und fristgerecht eingeleitet worden. Die Klägerin habe sich dementsprechend auch rügelos darauf eingelassen und die Unterlagen übersandt. Die Beklagte habe in ihrer Leistungsentscheidung konkret die zu streichende Nebendiagnose E87.6 benannt. Vorsorglich werde noch darauf hingewiesen, dass der MDK nicht auf den beauftragten Prüfgegenstand beschränkt sei. Selbst wenn man eine Beschränkung des Prüfauftrages annehmen würde, hätte der MDK spätestens mit dem Gutachten angezeigt, dass und welche Nebendiagnosen geprüft würden, wobei das SG diesbezüglich ebenfalls zu Recht ausführe, dass der MDK keine Erweiterung hätte anzeigen müssen da er den Auftrag korrekt verstanden habe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakte verwiesen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung geworden.

Der Senat hat vorsorglich die Patientenakte angefordert, die die Klägerin nicht übersandt hat.

Entscheidungsgründe

Die gemäß §§ 143 f SGG form – und fristgerecht erhobene Berufung ist zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet

Der Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass die zulässige Klage nicht begründet ist und der Klägerin ein Anspruch auf die geltend gemachte weitere Vergütung nicht zusteht. Das SG hat die richtigen Rechtsgrundlagen herangezogen und ist zu einem zutreffenden Ergebnis gekommen. Auf die Ausführungen im Urteil des SG wird Bezug genommen, § 153 Abs 2 SGG.

Aus dem Berufungsvorbringen ergibt sich keine andere Beurteilung.

Die Klägerin hat nicht nachgewiesen, dass die Voraussetzungen für die Kodierung der ND E87.6 vorliegen. Das SG hat richtig ausgeführt, dass das Krankenhaus die Beweislast für das Vorliegen der anspruchsbegründenden Tatsachen trägt (st Rechtsprechung des BSG, Urteil vom 20. November 2008 – B 3 KR 4/08 R; BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KN 3/08 KR R, SozR 4-2500 § 109 Nr 15 Rn 28 mwN). 

Das SG hat auch zutreffend ausgeführt, dass der Streichung bzw Überprüfung von E87.6 als Nebendiagnose nicht entgegensteht, dass es diesbezüglich an einem ordnungsgemäß eingeleiteten Prüfverfahren im Sinne der PrüfvV gefehlt habe.

Die mit Wirkung vom 1. Januar 2017 aufgrund der Ermächtigung des § 17c Abs 2 Krankenhausfinanzierungsgesetzes (KHG) in Kraft getretene PrüfvV erfasst Überprüfungen bei Versicherten, die ab dem 1. Januar 2017 aufgenommen wurden.

Eine Verletzung von § 4 PrüfvV, die zu einem Verwertungsverbot führen würde, ist nicht ersichtlich. § 4 PrüfvV 2017 lautet wie folgt:

„Erkennt die Krankenkasse bei der Prüfung nach § 3 Auffälligkeiten, die es erforderlich machen, eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen oder der Korrektheit der Abrechnung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 einzuleiten, hat sie dem Krankenhaus den sich aus den Auffälligkeiten ergebenden Prüfgegenstand innerhalb von 6 Wochen nach Eingang der nach § 3 übermittelten Daten und der entsprechenden Krankenhausrechnung so konkret wie möglich mitzuteilen. Dabei hat sie den Prüfgegenstand mindestens aber beispielsweise wie folgt zu benennen:

- primäre Fehlbelegung

- sekundäre Fehlbelegung

- Kodierprüfung unter Benennung der beanstandeten Haupt- und/oder Nebendiagnose(n) und/oder Prozedur(en) unter Benennung der beanstandeten OPS-Ziffer(n)

- Fragen zur Voraussetzung bestimmter Maßnahmen (medizinische Indikation, NUB etc).

Die Aufzählung in Satz 2 ist nicht abschließend, Mehrfachnennungen sind möglich. Ist kein Prüfgegenstand benannt, liegt keine ein Prüfverfahren einleitende Mitteilung vor. Die Mitteilung muss dem Krankenhaus in der Frist nach Satz 1 zugehen.“

 

§ 4 PrüfvV regelt die ein Prüfverfahren einleitende Mitteilung der Krankenkasse an das Krankenhaus, welcher Prüfgegenstand das Prüfverfahren haben soll.

Die Voraussetzungen von § 4 PrüfvV sind hier erfüllt.

Die Beklagte hat bei der Prüfung nach § 3 Auffälligkeiten erkannt, die es erforderlich gemacht haben, eine Prüfung der Korrektheit der Abrechnung einzuleiten. Nach § 3 PrüfvV hat die Krankenkasse die von dem Krankenhaus übermittelten Leistungs- und Abrechnungsdaten in Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistung und Korrektheit deren Abrechnung zu prüfen. Die Prüfung folgt auf der Grundlage der Daten, die von den Krankenhäusern nach § 301 in Verbindung mit den hierzu getroffenen Vereinbarungen korrekt und vollständig zu übermitteln sind. Nach den Deutschen Kodierrichtlinien (DKR) 2019 ist eine Nebendiagnose definiert als eine Krankheit oder eine Beschwerde, die entweder gleichzeitig mit der Hauptdiagnose besteht oder sich während des Krankenhausaufenthaltes entwickelt. Für Kodierzwecke müssen Nebendiagnosen interpretiert werden, die das Patientenmanagement in der Weise beeinflussen, dass irgendeiner der folgenden Faktoren erforderlich ist: therapeutische Maßnahmen, diagnostische Maßnahmen, erhöhter Betreuungs-, Pflege- und/oder Überwachungsaufwand. 

Die Auffälligkeiten, die die Beklagte hier entdeckt hat, die es erforderlich machten, eine Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Krankenhausleistungen oder der Korrektheit der Abrechnung einzuleiten, ergeben sich daraus, dass nach Prüfung der Beklagten „anhand der Prozeduren kein Ressourcenverbrauch der Nebendiagnosen ersichtlich“ ist. Dies ergibt sich auch aus den vorliegenden Unterlagen, denn die aufgeführten Prozeduren (OPS) stehen sämtlich nur im Zusammenhang mit der chirurgischen Operation eines Gelenkes (Kniegelenk) bzw der Exzision von erkranktem Gewebe an Haut und Unterhaut am Oberschenkel/Knie. 

Die Beklagte hat dem Krankenhaus den sich aus den Auffälligkeiten ergebenden Prüfgegenstand fristgerecht nach Dateneingang mitgeteilt.

Sie hat auch den sich aus den Auffälligkeiten ergebenden Prüfgegenstand in Hinblick auf die Nebendiagnosen hinreichend konkret bezeichnet. Der Prüfgegenstand ist so konkret wie möglich mittzuteilen. § 4 Satz 2 zählt dabei beispielsweise (nicht abschließend - Satz 3) „Kodierprüfung unter Benennung der beanstandeten Haupt- und/oder Nebendiagnose(n) und/oder Prozedur(en) unter Benennung der beanstandeten OPS-Ziffer(n)“ auf.

Entgegen der Auffassung der Klägerin war nach dem Wortlaut des Prüfauftrages „Ist/sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt? (anhand der Prozeduren ist kein Ressourcenverbrauch für die Nebendiagnosen ersichtlich.), objektiv erkennbar, dass sich der Prüfauftrag auf alle (abrechnungsrelevanten) Nebendiagnosen bezog. 

Das SG hat zutreffend ausgeführt, dass bei der gebotenen Auslegung des Prüfauftrages nach dem wirklichen Willen ausgehend vom objektiven Empfängerhorizont die Voraussetzungen des § 4 PrüfvV bzgl des hier betroffenen Prüfauftrages erfüllt sind. Nach der Rechtsprechung des BSG unterliegen die normenvertraglichen Bestimmungen der PrüfvV den allgemein für Gesetzte geltenden Auslegungsmethoden der Rechtswissenschaft und nicht den für die Abrechnungsbestimmungen geltenden Einschränkungen im Sinne einer eng am Wortlaut orientierten, nicht durch systematische Erwägungen unterstützten Auslegung (BSG, Urteil vom 18. Mai 2021 – B 1 KR 34/20 R Rn 21; 10. November 2021 – B 1 KR 22/21 R Rn 17). Es ist demnach auf den objektiven Empfängerhorizont eines verständigen Beteiligten abzustellen (BSG, Urteil vom 26. Oktober 2016 – B 1 KR 7/16 R; BSG, Urteil vom 28. März 2017 – B 1 KR 15/16 R Rn 14) und nicht auf den subjektiven Willen der Beteiligten.

Wenn als Prüfungsgegenstand in der Prüfanzeige der Begriff „Nebendiagnose(n)“ genannt wird und das Krankenhaus zuvor der Krankenkasse im Datensatz nach § 301 SGB V mehrere (Neben-)Diagnosen übermittelt hat, lässt sich eine Prüfanzeige, die sich neben der Hauptdiagnose generell auch auf die Nebendiagnosen bezieht, zwanglos dahingehend auslegen, dass sämtliche vergütungsrelevanten Nebendiagnosen geprüft werden sollen. Die Forderung, dass diese Nebendiagnosen nochmals im Einzelnen aufgelistet werde müssten, um den Vorgaben der PrüfvV an die Konkretisierung gerecht zu werden, erscheint als bloßer Formalismus (so auch LSG Schleswig-Holstein, Urteile vom 31. Januar 2024 – L 5 KR 117/20 Rn 47; L 5 KR 189/21 Rn 46 – zitiert nach juris), der nur dazu führen würde, dass in der Prüfanzeige nochmals alle nach § 301 SGB V übermittelten Nebendiagnosen genannt werden.   

Das Ziel der PrüfvV ist es ein effizientes und konsensorientiertes Prüfverfahren bei dem die Krankenkassen, der MDK und die Krankenhäuser konstruktiv zusammenarbeiten. Es soll ein Ausgleich geschaffen werden, zwischen dem Anspruch des Krankenhauses auf vollständige Vergütung und dem zügigen Abschluss des Prüfverfahrens. Die Verantwortung für die Festlegung des Prüfumfangs und der Ermittlungstiefe liegt beim MDK, der sich auf die punktuelle Fragestellung und Unterlagen beschränken kann, aber auch den Behandlungsfall unter Beiziehung sämtlicher Unterlagen vollständig prüfen kann (BSG, Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 16/21 R Rn 25 ff, 28). Gerade bei einer sehr umfangreichen Angabe von Nebendiagnosen –wie hier-, deren Kodierung anhand der abgerechneten Prozeduren in Hinblick auf den Ressourcenverbrauch auffällig ist, erscheint es sinnvoll, eine vollständige Prüfung aller abrechnungsrelevanten Nebendiagnosen durchzuführen.

Der Senat folgt damit nicht der Auffassung des LSG Schleswig-Holstein im Urteil vom 25. April 2023 – L 10 KR 15/21, wonach im Anwendungsbereich der PrüfvV eine allgemeingehaltene Frage nach der Richtigkeit der kodierten Nebendiagnosen dem klaren Auftrag des § 4 Abs 2 PrüfvV entgegenstünde und die zu prüfenden Nebendiagnosen konkret bezeichnet werden müssten, sondern der Auffassung des 5. Senates dieses LSG.

Aus dem Wortlaut des Prüfauftrages bezüglich der Nebendiagnosen ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin, dass hier nicht lediglich die konkret benannte Hauptdiagnose geprüft werden sollte. Eine Prüfung der einzelnen Prozeduren ist nicht beauftragt worden, so dass es hier nicht darauf ankommt, dass einzelne OPS-Ziffern im Prüfauftrag nicht benannt worden sind.

Auch aus dem Umstand, dass zahlreiche weitere aufgeführte Nebendiagnosen vom MDK nicht geprüft worden sind, weil sie nicht abrechnungsrelevant sind, kann die Klägerin keine andere Beurteilung herleiten. Maßgeblich ist, dass alle prüfungsrechtlich relevanten Nebendiagnosen vom Prüfauftrag erfasst waren und auch geprüft wurden.

Aus dem von der Klägerin angeführten Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 26. April 2023 – L 5 KR 872/21 ergibt sich keine andere Beurteilung, da dort der Prüfauftrag nur eine Nebendiagnose (L89.15) konkret benannt hatte.

Die vorliegende Situation ist – anders als die Klägerin meint – auch nicht mit der allgemeinen Fragestellung „Ist die DRG“ korrekt?“ ohne konkrete Benennung sonstiger Aspekte der Kodierung vergleichbar.

Auch aus § 6 PrüfvV erfolgt keine andere Beurteilung. Nach § 6 Abs 3 Satz 5 PrüfvV besteht keine Beschränkung des MDK auf den Prüfgegenstand, der MDK muss aber eine Erweiterung des Prüfgegenstandes gemäß § 6 Abs 3 Satz 6 PrüfvV anzeigen. Im vorliegenden Fall hat jedoch keine anzeigepflichtige Erweiterung des Prüfauftrages stattgefunden, da sich der Prüfauftrag von vornherein iS einer Vollprüfung auf alle vergütungsrelevanten Nebendiagnosen bezog (zu einer Vollprüfung auch BSG, Urteil vom 22. Juni 2022 – B 1 KR 17/21 R Rn 14).

Auch das Argument der Klägerin, dass das Verhalten des MDK und der Beklagten in höchstem Maße unfair sei und gegen das aus § 1 PrüfvV folgende Fairnessgebot verstoße, verfängt nicht. Die Beklagte hat der Klägerin als Prüfgegenstand die Prüfung aller Nebendiagnosen („die“ Nebendiagnosen) angezeigt und mit dem Hinweis verbunden, dass anhand der Prozeduren kein Ressourcenverbrauch der Nebendiagnosen ersichtlich sei. Daraufhin hat der MDK neben M00.96 auch die abrechnungsrelevante Nebendiagnose E87.6 näher geprüft und konnte deren Voraussetzungen anhand der am 18. Dezember 2019 angeforderten, im Einzelnen konkret bezeichneten (zur Notwendigkeit der konkreten Bezeichnung auch BSG, Urteil vom 22. Juni 2022 – B 1 KR 17/21 R Rn 15; BSG, Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 9/21 R Rn 17; Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 16/21 R Rn 20 ff) und ihm vorliegenden Unterlagen nicht verifizieren. Was daran - die Formulierung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin aufgreifend - „unfair“ sein soll, erschließt sich nicht. Vielmehr ist das sich aus §§ 12, 70 Abs 2 SGB V ergebende Wirtschaftlichkeitsgebot zu beachten, wonach die Versorgung der Versicherten in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden muss. Das Krankenhaus kann eben keine Vergütung für Leistungen verlangen, deren Voraussetzungen nicht nachweislich vorliegen. Es wäre vielmehr „unfair“, wenn die Versichertengemeinschaft für Leistungen zahlen müsste, obwohl die Vergütungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Das BSG hat bereits ausgeführt, dass im Verhältnis zwischen Krankenkassen und Krankenhäusern Leistungen im Grundsatz so zu fordern und gewähren sind, wie es der materiellen Rechtslage entspricht (BSG, Urteil vom 17. Dezember 2020 – B 1 KR 21/20 R Rn 38). Die strikte Maßgeblichkeit der materiellen Rechtslage kann nur ausnahmsweise durch Grundsätze des Vertrauensschutzes modifiziert werden. Gründe, dass der Klägerin Vertrauensschutz zu gewähren ist, sind hier jedoch nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 154 Abs 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Die Festsetzung des Streitwertes erfolgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2, 52 Abs 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).

Die Revision war gemäß § 160 Abs 2 SGG zuzulassen, weil der Rechtsfrage, wie konkret der Prüfauftrag an den MDK formuliert werden muss, grundsätzliche Bedeutung zukommt. Es besteht bislang auch eine uneinheitliche obergerichtliche Rechtsprechung hierzu (Entscheidungen des erkennenden Senates und des LSG Schleswig-Holstein, Urteile vom 31. Januar 2024 – L 5 KR 117/20 Rn 46, 47; L 5 KR 189/21 Rn 44ff sowie LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 25. April 2023 – L 10 KR 15/21 R).

 

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