Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.03.2023 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Dem Kläger werden Verschuldenskosten in Höhe von 500,00 Euro auferlegt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger im Wege eines Verschlimmerungsantrags Anspruch auf eine Beschädigtenrente als Leistung der Opferentschädigung hat.
Der am 00.00.0000 in W. geborene Kläger lebt seit 0000 in der Bundesrepublik Deutschland.
Am 00.00.0000 zwischen 04:30 Uhr und 05:00 Uhr wurden der Kläger und seine Familie Opfer eines Wohnungseinbruchs. Die Einbrecher verschafften sich über eine gekippte Balkontür Zugang in die damals in X. bewohnte Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Als die Täter das Schlafzimmer des Klägers und seiner Ehefrau durchsuchen wollten, wurden sie von der Ehefrau des Klägers überrascht, die von der Toilette zurückkehrte. Sie dachte zunächst, es handele sich um ihren Sohn und rief dessen Namen, woraufhin der Kläger wach wurde. Der Täter verließ daraufhin das Schlafzimmer und flüchtete mit seinem Komplizen über den Balkon aus der Wohnung. Der Kläger, der zwischenzeitlich festgestellt hatte, dass sein Sohn schlafend im Bett lag und es sich um Einbrecher handelte, nahm daraufhin die Verfolgung über den Balkon auf. Nachdem er einen der beiden Täter gestellt hatte, zog dieser ein Messer und stach zweimal im Bereich des Oberkörpers und einmal im Bereich der Wade auf ihn ein. Zudem erlitt der Kläger Kratzwunden am rechten Arm. Akute Lebensgefahr bestand nicht. Der zunächst flüchtige Täter wurde gestellt. Das Landgericht (LG) Dortmund sprach ihn wegen dieses und weiterer Delikte mit Urteil vom 11.12.2014 (Az. 31 KLs 49/14) des Wohnungseinbruchsdiebstahls mit Waffen in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und mit Nötigung, des Wohnungseinbruchsdiebstahls, des Raubes, des Diebstahls, des versuchten Diebstahls, der vorsätzlichen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung und des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen für schuldig und verurteilte ihn zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und zehn Monaten. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Urteils Bezug genommen.
Am 18.08.2014 erlitt der Kläger einen Arbeitsunfall. Er verfing sich auf einem Baugerüst mit der Kleidung in demselben und verlor das Gleichgewicht. Er stürzte zwei Meter in die Tiefe auf seine Füße und erlitt ein Distorsionstrauma beider Sprunggelenke. Ausweislich des fachchirurgischen Gutachtens von A. vom 03.07.2019 wurden u.a. folgende Unfallfolgen beschrieben, nämlich Z.n. durchgeführter Arthroskopie mit Mikrofrakturierung des Talus sowie der Tibia, Bewegungseinschränkungen im Bereich des linken oberen sowie unteren Sprunggelenkes. Aufgrund der Unfallfolgen wurde die Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit des linken oberen Sprunggelenkes mit 20 eingeschätzt.
Seit dem Arbeitsunfall ist der Kläger erwerbslos, erhält eine Rente der zuständigen Berufsgenossenschaft und bezieht Arbeitslosengeld II bzw. nunmehr Bürgergeld.
Am 14.11.2013 beantragte der Kläger die Gewährung von Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Der Beklagte stellte daraufhin mit Bescheid vom 02.12.2013 fest, dass Narben an der linken seitlichen Brustwand, am rechten seitlichen Oberbauch und an der linken Wade durch eine schädigende Einwirkung i.S.d. § 1 OEG hervorgerufen seien. Ein Grad der Schädigungsfolgen (GdS) von wenigstens 25 bestehe jedoch nicht, weshalb eine Rente nicht gewährt werden könne. Es bestehe indes ein Anspruch auf Heilbehandlung. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Am 16.04.2015 stellte der Kläger einen erneuten Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem OEG und begründet dies im Wesentlichen damit, dass er noch immer unter den Folgen der Tat leide. Er sei im Bereich der Bauchwunde wetterfühlig, habe Schmerzen und leide unter Angstzuständen. Er sei jedoch nicht in psychotherapeutischer Behandlung.
Der Beklagte holte zunächst einen Befundbericht des den Kläger behandelnden Praktischen Arzt M. ein (Bericht vom 22.07.2015), der u.a. über einen Verdacht auf psychische Überbelastung (Trauma) berichtete.
Im Rahmen einer Stellungnahme des Ärztlichen Dienstes wurde vorgeschlagen den Leidenstenor zu erweitern. Ein höherer GdS sei allerdings nicht die Folge. Es sei im Einzelnen von folgenden auszugehen:
„Narben nach Messerstichverletzungen linke seitliche Brustwand, rechter seitlicher Oberbauch, linke Wade. Unspezifische, wetterabhängige Beschwerden im Bereich der abdominellen Narbenregion. (Einzel-GdS 10) Psychoreaktive Störung. (Einzel-GdS 10).“
Mit Bescheid vom 02.12.2015 hob der Beklagte den Bescheid vom 02.12.2013 ab dem 16.04.2015 auf und erkannte als Gesundheitsstörungen „Narben nach Messerstichverletzung linke seitliche Brustwand, rechter seitlicher Oberbauch, linke Wade, wetterunabhängige Beschwerden im Bereich der abdominellen Narbenregion sowie eine psychoreaktive Störung“ an. Es bestehe ab dem 16.04.2015 ein Anspruch auf Heilbehandlung, jedoch nicht auf eine Rente, da die Schädigungsfolgen keinen GdS von wenigstens 25 bedingten.
Hiergegen erhob der Kläger am 28.12.2015 Widerspruch und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass er sich seit dem 14.01.2016 in nervenärztlicher Therapie befinde. Er leide unter einer schweren posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS), welche auf den Überfall zurückzuführen sei. Der Kläger legte ein Attest des ihn behandelnden Arztes für Neurologie und Psychiatrie J. vom 18.01.2016 vor. Auf dessen Inhalt wird Bezug genommen.
Der Beklagte holte daraufhin ein Gutachten des Arztes für Nervenheilkunde und Geriatrie X. aufgrund ambulanter Untersuchung am 12.05.2016 ein (Gutachten vom 12.05.2016). Dieser führte aus, dass die Frage nach den Schädigungsfolgen wegen erheblicher Inkonsistenzen nicht sicher zu beantworten sei. Jedoch sei die Diagnose einer PTBS nach zweijährigem freien Intervall bei dann plötzlichem Auftreten nicht nachvollziehbar. Es sei keine Psychotherapie und keine Traumatherapie erfolgt. In den Laboruntersuchungen seien die nach Aussage des Klägers eingenommenen Medikamente nicht nachweisbar gewesen. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Gutachtens Bezug genommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2017 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet zurück. Die Schädigungsfolgen seien unter Bezugnahme auf § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) hinsichtlich Art und Ausmaß zutreffend bewertet. Weitere Schädigungsfolgen seien nach dem Gutachten nicht mit dem erforderlichen Grad an Wahrscheinlichkeit festzustellen.
Der Kläger hat am 29.05.2017 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Dortmund erhoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, dass er seit der Tat unter einer schweren PTBS leide. Er träume von Blut und einem Messer, habe Angstzustände mit Schweißausbrüchen und Panik. Bei X. sei er ohne Dolmetscher begutachtet worden, obwohl er z.B. nicht wisse, was eine Depression sei. Vor dem Wohnungseinbruch sei er nie psychisch krank gewesen, so dass seine jetzigen Beschwerden allein schädigungsbedingt seien.
Zudem hat sich der Kläger auf weitere Atteste des J. vom 09.10.2017, 11.02.2019 und 13.05.2019 bezogen, wonach er unter schwerer Traumatisierung leide. Er sei vor fast drei Jahren angegriffen worden und leide seither unter einer schweren PTBS. Die Berichte von Herrn I. und H. aus 1995 seien nach der darin geäußerten Ansicht von J. falsch und nicht von Relevanz.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 02.12.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2017 zu verurteilen, dem Kläger unter Abänderung des Bescheids vom 02.12.2013 ab 01.04.2015 Beschädigtenrente zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Zur Begründung hat er auf seine Bescheide Bezug genommen.
Das Gericht hat Befundberichte der den Kläger behandelnden Ärzte eingeholt, nämlich von J. (Befundbericht vom 30.04.2018), dem Praktischen Arzt M. (Befundbericht vom 30.04.2018) und dem behandelnden Orthopäden U. (Befundbericht vom 07.06.2018). J. hat unter weiterer Bezugnahme auf ein erneutes Attest vom 08.01.2018 darauf verwiesen, dass er den Kläger bisher in dem Zeitraum 14.01.2016 bis 22.03.2018 behandelt habe. Die Diagnose der PTBS stehe im Zusammenhang mit einer Messerattacke. Es sei bisher keine Besserung eingetreten. Herr M. hat angegeben, dass der Kläger laut Auskunft des J. und der Unfallklinik unter einer PTBS im Zusammenhang mit einer Messerattacke leide. Es sei keine Besserung hinsichtlich der psychischen Leiden eingetreten, hinsichtlich der körperlichen Leiden schon. Zudem werden Konflikte in der Ehe beschrieben. Im Übrigen wird auf den Inhalt der eingeholten Befundberichte Bezug genommen.
Das SG hat sodann Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Arztes für Neurologie und Psychiatrie R. (Gutachten vom 05.12.2018). Die Exploration erfolgte am 05.12.2018 unter Zuziehung eines Dolmetschers für die Muttersprache des Klägers. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Befundberichte des ambulant behandelnden J. bezüglich der augenscheinlich unterschiedlich zu beurteilenden psychischen Auffälligkeiten wenig aufschlussreich seien. Es seien zunehmend depressive Denkinhalte bis hin zu suizidalen Tendenzen nicht erlebnisreaktiv auf das Ereignis vom November 2013 zurückzuführen. Es handele sich offenbar um eine davon unabhängige, unter Berücksichtigung der beschriebenen Stimmungsschwankungen als rezidivierend einzuschätzende depressive Erkrankung. Zudem sei jenes Ereignis vom November 2013 gemäß psychiatrischer oder psychotraumatologischer Erfahrungen nicht geeignet, einen Persönlichkeitswandel oder eine Wesensänderung hervorzurufen. Der Gutachter hat weiter erläutert, dass der Kläger während der körperlich-neurologischen Untersuchung massive aggravierende Verhaltensweisen gezeigt habe. Schädigungsfolge seien lediglich leichtgradige Restsymptome einer PTBS in Form von ereignisbezogenen Albträumen sowie etwas erhöhter Angstbereitschaft. Eine ebenfalls vorhandene leichtgradige rezidivierende depressive Störung sei nicht Schädigungsfolge. Ein GdS liege nicht vor, zumal die Narben des Klägers reizlos seien. Im Übrigen wird auf den Inhalt des Gutachtens Bezug genommen.
In einer im Hinblick auf ein weiteres Attest des J. vom 11.02.2019 eingeholten ergänzende Stellungnahme hat der Sachverständige R. ausgeführt, es bestünden keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine fortbestehende PTBS. Auch ergebe sich aus der Vorgeschichte des Klägers keine erhöhte Vulnerabilität hinsichtlich der Verarbeitungsfähigkeit der Folgen des Traumas. Die bisher unbekannte Angabe einer nervenärztlichen Behandlung in den 90er Jahren stütze seine Einschätzung hinsichtlich der depressiven Störung des Klägers. Es sei nochmals auf die Aggravationstendenzen des Klägers zu verweisen.
Mit Urteil vom 07.08.2019 hat das SG Dortmund stützend auf das gerichtlich eingeholte Gutachten die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.
Auf die am 30.09.2019 gegen das am 18.09.2019 zugestellte Urteil eingelegte Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG NRW) durch den Berichterstatter als Einzelrichter im Einverständnis der Beteiligten die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 29.06.2020 (Az. L 13 VG 50/19) aufgehoben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Dortmund zurückverwiesen. Vor Einholung des Sachverständigengutachtens sei der Sachverhalt bezüglich des Tagesablaufs, Veränderungen im Verhalten nach dem Einbruch, etc. nicht hinreichend aufgeklärt worden. Auf die Entscheidungsgründe wird im Übrigen Bezug genommen.
In dem vor dem SG Dortmund (S 77 VG 11/21 ZVW) fortgeführten Verfahren hat der Kläger mitgeteilt, dass seine Frau und sein Sohn Aussagen über seinen Zustand vor und nach der Tat machen könnten und ein weiteres Attest des J. vom 04.10.2021 vorgelegt, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheids vom 02.12.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2017 zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheids vom 02.12.2013 ab dem 01.04.2015 Beschädigtenrente zu gewähren.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Dem Vortrag seien keine neuen Aussagen zu entnehmen.
Das SG hat sodann Beweis erhoben durch die persönliche Vernehmung des Klägers, der Ehefrau des Klägers, der Zeugin F., und des Sohnes des Klägers, dem Zeugen B.. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift über die Nichtöffentliche Sitzung vom 21.03.2022 Bezug genommen.
Nach Beiziehung der Patientenakten der behandelnden Ärzte J., Herrn C. und Dres. I. und T. hat das SG von Amts wegen ein Sachverständigengutachten des Arztes für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Psychosomatische Medizin Y. eingeholt (Gutachten vom 25.10.2022). Der Sachverständige ist in seinem Gutachten nach einer persönlichen Untersuchung des Klägers – unter Hinzuziehung eines Dolmetschers – am 17.10.2022 zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger auf psychiatrisch-psychosomatischem Fachgebiet als Schädigungsfolge unter einer leichtgradigen Rest- und Teilsymptomatik einer PTBS in Überschneidung mit konkurrierenden, schädigungsunabhängigen Mitfaktoren leide, wie z.B. einer kontrollierten Bildung der Persönlichkeit, einem Zurückfallen auf eine Leidens- und Opferrolle nach seinem Arbeitsunfall in 2014 bei seitdem bestehender rezidivierenden depressiven Störung, seit 20 Jahren bestehender chronischer Kopfschmerzen sowie einer chronischen Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren. Hinzukommen als weitere Schädigungsfolgen die bereits anerkannten Narben nach den Messerstichverletzungen, wobei hierzu keine Hinweise auf körperliche Restbeschwerden bestehen, weshalb diese in der GdS-Bewertung nicht mehr erhöhend wirken. Insgesamt ergebe sich ein Gesamt-GdS von 20 ausschließlich bezogen auf die leichtgradige Rest- und Teilsymptomatik einer PTBS. Im Übrigen wird auf die Ausführungen es Gutachters Bezug genommen.
Mit Zustimmung der Beteiligten hat das SG sodann mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 06.03.2023 die Klage erneut abgewiesen. Auf die Entscheidungsründe wird Bezug genommen.
Gegen das ihm am 16.03.2023 zugestellte Urteil hat der Kläger am 03.04.2023 Berufung eingelegt. Er leide unter einer schweren PTBS. Gegen das Sachverständigengutachten des Dr. Volpert sei zu sagen, dass nicht erkennbar sei, wie der Gutachter zwischen Restsymptomen der PTBS und einer rezidivierenden Störung differenzieren könne. Auch mit dem weiteren Gutachten Y. sei er nicht einverstanden.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.03.2023 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 02.12.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2015 zu verurteilen, ihm eine Beschädigtenrente nach einem GdS von mindestens 25 v.H. nach weiterer Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er erachtet die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend.
Auf Hinweis des Senats, dass keine weiteren Ermittlungen von Amts wegen mehr beabsichtigt seien und auf die Möglichkeit der Antragstellung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG), hat der Kläger den Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie L. benannt. Nach Durchführung eines Termins zur Erörterung des Sachverhaltes und Beweiserhebung am 21.03.2022, bei dem die Sachverständigen D. und L. durch den zuständigen Berichterstatter gehört worden sind – hinsichtlich des Inhalts wird auf die Niederschrift Bezug genommen – hat der Senat gemäß des klägerischen Antrages weiteren Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens nach § 109 SGG durch L. (Gutachten vom 29.02.2024). Der Gutachter hat den Kläger unter dem 19.12.2023 ambulant – unter Hinzuziehung eines Dolmetschers – untersucht. Er hat erläutert, dass er begründete Hinweise auf Verdeutlichungstendenzen bei dem Kläger gefunden habe. Das subjektive Erleben der Krankheitslast sei deutlicher ausgeprägt als dies dem objektivierbaren Befund entspreche und sei am ehesten durch bewusste oder zumindest teilbewusste Aggravation bedingt. Dabei müsse aber auch bedacht werden, dass der Kläger innerpsychisch den Abwehrvorgang der Projektion aufweise. Es falle dem Kläger sehr schwer, selbst zu differenzieren oder zu akzeptieren, dass einzelne Symptome auch durch andere Gesundheitsstörungen oder durch andere Lebensereignisse hervorgerufen werden können. Möglicherweise habe er dazu auch keine ausreichende therapeutische Anleitung erhalten. Auch der behandelnde Arzt J. benenne keine weitere psychiatrische Gesundheitsstörung neben der posttraumatischen Belastungsstörung (s. nervenärztliches Attest vom 30.11.2023). In Folge des Tatereignisses vom 07.11.2013 sei es zu folgenden unmittelbaren Verletzungen gekommen, nämlich Stichwunde links seitliche Brustwand, Stichwunde rechter seitlicher Oberbauch und Stichwunde linke Wade. Diese Verletzungen seien in der Folge bis auf leichtgradige Schmerzen bei insbesondere Wetterwechsel folgenlos verheilt. In der Folge der Tat sei es zu einer Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung gekommen, welche einen geringen Ausprägungsgrad aufweise. Parallel zu dieser Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung, welche eine geringe Krankheitslast und eine geringe Einschränkung der Alltagsaktivitäten sowie der sozialen Teilhabe bedinge, sei es nach dem Unfall vom 18.08.2014 zu einer depressiven Entwicklung mit teilweise leichtgradigen, teilweise mittelgradigen depressiven Symptomen gekommen, welche von dem Kläger in seinem innerpsychischen Erleben auch auf das Tatereignis vom 07.11.2013 projiziert werde, obwohl sie nicht mit dem Tatereignis in kausalem Zusammenhang stehe. Zusammenfassend bestünden daher folgende schadenunabhängige Gesundheitsstörungen, nämlich Zustand nach Fußgelenksbruch links in 08/2014, Zustand nach Magenschleimhautentzündungen, depressive Entwicklung mit Beginn der deutlichen Krankheitslast in 10/2014, Wirbelsäulensyndrom, chronische Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren, aggressive Impulse bei eingeschränkter Impulskontrolle sowie Schwerhörigkeit beidseits, mit Hörgeräten versorgt. Es bestehe keine „Verschiebung der Wesensgrundlage". Für die Teilsymptomatik einer posttraumatischen Belastungsstörung gelte das ebenfalls. Der Gesamtgrad der Schädigungsfolgen (Gesamt-GdS) liege seit dem 01.04.2015 bei 10.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakte des Beklagten, die jeweils Gegenstand der Beratung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg.
Die am 03.04.2023 schriftlich eingelegte und auch im Übrigen den förmlichen Anforderungen des § 65d SGG genügende Berufung des Klägers, gegen das ihm am 16.03.2023 zugestellte Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 06.03.2023 ist zulässig, insbesondere gemäß §§ 143, 144 SGG ohne gerichtliche Zulassung statthaft sowie auch im Weiteren form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 151 Abs. 1, Abs. 3; § 64 Abs.1 bis 3; § 63 SGG).
Die Berufung ist indes unbegründet.
I. Die Klage ist zunächst zulässig. Für das auf weitere Zuerkennung einer Beschädigtenrente gerichtete Begehren des Klägers ist vorliegend die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gemäß § 54 Abs. 1 SGG i.V.m. § 56 SGG statthaft, gerichtet auf den Erlass eines Grundurteils i.S. des § 130 Abs. 1 SGG. Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht am 29.05.2017 binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vom 04.05.2017 erhoben worden (§§ 87 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2; 90; 78 Abs. 1 Satz 1; 85 Abs. 3 Satz 1 SGG).
II. Die Klage ist jedoch unbegründet. Das SG Dortmund hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Kläger durch die angefochtenen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt wird (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Er hat keinen Anspruch auf Änderung des Bescheides vom 02.12.2023 nach § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) und Gewährung einer Beschädigtenrente.
1. Unter Berücksichtigung, dass der Kläger sein Begehren im Rahmen der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage verfolgt, ist der vorliegende Rechtsstreit grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz zu beurteilen (zum Beurteilungszeitpunkt: Söhngen in: jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 54 Rn. 51; BSG, Urteil vom 27.10.2022, B 9 SB 4/21 R, juris, Rn. 18; zur Anfechtungs- und Leistungsklage: Landessozialgericht <LSG> Baden-Württemberg, Urteil vom 12.01.2023, L 6 VG 1976/21, juris, Rn. 73). Der Anwendung der mit Art. 60 Abs. 7 des Gesetzes zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts vom 12.12.2019 (BGBI. 2019 I, 2652) zum 01.01.2024 in Kraft getretenen Regelungen des Sozialgesetzbuchs Vierzehntes Buch (SGB XIV) steht indes die dortige Übergangsregelung des § 142 Abs. 2 SGB XIV entgegen (vgl. SG Berlin, Urteil vom 27.05.2024, S 118 VG 54/19, Rn. 16, juris; für Impfschäden und § 141 SGB XIV: Bayerisches LSG, Urteil vom 30.04.2024, L 15 VJ 2/23, juris, Rn. 51). Nach § 142 Abs. 2 Satz 1, 2 SGB XIV ist über einen bis zum 31.12.2023 gestellten und nicht bestandskräftig beschiedenen Antrag auf Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) oder nach einem Gesetz, das das BVG ganz oder teilweise für anwendbar erklärt, nach dem im Zeitpunkt der Antragstellung geltenden Recht zu entscheiden. Wird hierbei ein Anspruch festgestellt, werden ebenfalls Leistungen nach Absatz 1 Satz 1 erbracht. Der vorliegende Antrag auf Änderung der Leistungen nach dem OEG i.V.m. dem BVG datiert auf den 16.04.2015 und ist damit vor dem 01.01.2024 gestellt, ohne dass über ihn bereits eine bestandskräftige Entscheidung getroffen worden ist. Damit ist das im Zeitpunkt der Antragstellung geltende Recht anwendbar. Es liegt auch kein Fall einer Neufeststellung nach § 149 SGB XIV vor, da vorliegend eine Änderung in den tatsächlichen Verhältnissen vorgetragen wird (vgl. zu Fällen des § 48 SGB X: Jenak in: jurisPK-SGB XIV, 2. Aufl., § 149 Rn. 29, 30). Ob in dieser Konstellation eine Ausübung des Wahlrechts nach § 152 SGB XIV zu einem anderen Ergebnis führen könnte, kann der Senat offenlassen, denn jedenfalls fehlt es an einer entsprechenden Erklärung (vgl. § 153 SGB XIV).
2. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
a) Bei dem Bescheid vom 02.12.2013, mit welchem die Beklagte bei dem Kläger Heilbehandlung zuerkannt, aber eine Rentengewährung mangels eines GdS von mindestens 25 abgelehnt hat, handelt es um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung im Sinne von § 48 SGB X.
b) Es ist indes zur Überzeugung des Senats seit Bekanntgabe des Bescheides vom 02.12.2013 keine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Vollbeweis festzustellen.
Eine wesentliche Änderung der Verhältnisse liegt vor, wenn geänderte gesundheitliche Verhältnisse einen um 10 höheren oder niedrigeren GdS begründen (vgl. Teil A Nr. 7a Satz 1 der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung <VersMedV> - Versorgungsmedizinische Grundsätze <VMG>). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt aufzuheben und durch eine zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 07.06.2005, B 3 P 8/04 R, juris, Rn. 15). Eine solche Änderung ist im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei Bekanntgabe des Bescheides vom 02.12.2023 vorgelegen haben, bis zur der Entscheidung des Senats in mündlicher Verhandlung nicht eingetreten.
Die Versorgung nach dem BVG umfasst u.a. nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS – bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13.12.2007 (BGBl I S. 2904) am 21.12.2007 als Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) bezeichnet – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Liegt der GdS insofern unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.12.2014, L 6 VS 413/13, juris, Rn. 42; Dau in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 1. Auflage 2012, § 31 BVG, Rn. 2).
Ein Versorgungsanspruch setzt dabei zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23.04.2009, B 9 VG 1/08 R, juris, Rn. 27 m. w. N). Danach erhält eine natürliche Person („wer“), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind.
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennt das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG i.V.m. § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 3/12 R, juris, Rn. 26, 33; BSG, Urteil vom 24.09.2020, B 9 V 3/18 R, BSGE 131, 61, Rn. 15). Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind der Entscheidung hinsichtlich des schädigenden Vorgangs die Angaben des Antragstellers, die sich auf die mit der Schädigung im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn Unterlagen nicht vorhanden oder nicht zu beschaffen oder ohne Verschulden des Antragstellers oder seiner Hinterbliebenen verlorengegangen sind und wenn die Angaben des Antragstellers nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen (vgl. dazu: BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 25).
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4; BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99; BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 26 m.w.N.).
Eine Wahrscheinlichkeit i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 S 14 m.w.N.; BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 27). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein "deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R, BSGE 113, 205, Rn. 34 und B 9 V 3/12 R, juris, Rn. 35; BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 27).
Bei dem "Glaubhafterscheinen" i.S. des § 15 S 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteile vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R, BSGE 113, 205, Rn. 35 und B 9 V 3/12 R, juris, Rn. 36), d.h. der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 S 14). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, d.h. es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (BSG Urteile vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R, BSGE 113, 205, Rn. 35), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses (kein deutliches) Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Gericht ist allerdings im Einzelfall grundsätzlich darin frei, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung, § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG; vgl. BSG, Urteile vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R, BSGE 113, 205, Rn. 35 35 und B 9 V 3/12 R, juris, Rn. 36; BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 V 23/01 B, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 S 14; BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 28).
Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz“ in ihrer am 01.10.1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend – seit Juli 2004 – den „Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)“ in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 01.01.2009 durch die Anlage zu § 2 VersMedV)vom 10.12.2008, den VMG (Teil C, Ziff.. 1 bis 3; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 6/13 R, Rn. 17, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 14.09.2023, L 6 VG 2379/22, juris, Rn. 75).
aa) Zunächst steht vorliegend ein schädigender Vorgang als erstes Glied der Kausalkette i.S. eines „vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs" gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG im Vollbeweis fest.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffs „vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen (wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht des Täters) hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst. Als tätlicher Angriff ist grundsätzlich eine in feindseliger bzw. rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende, gewaltsame Einwirkung anzusehen, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer ─ jedenfalls versuchten ─ vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 V 1/12 R, juris, Rn. 27 m.w.N.; BSG, Urteil vom 15.12.2016, B 9 V 3/15 R, BSGE 122, 218, Rn. 23; BSG, Beschluss vom 26.01.2021, B 9 V 26/20 B, juris, Rn. 15).
Vorliegend ist der Kläger am 07.11.2013 im Rahmen eines Wohnungseinbruchs und anschließender mit einem Messer begangenen Körperverletzung Opfer eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs geworden. Der Täter ist durch das LG Dortmund mit Urteil vom 11.12.2014 aufgrund dieser Tat rechtskräftig verurteilt worden. Auf die Ausführungen des LG Dortmund in seinen schriftlichen Entscheidungsgründen wird Bezug genommen; der Senat macht sich diese Wertung nach eigener Prüfung zu eigen. Die Tat steht im Übrigen zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit. Ebenso wenig steht im Streit, dass keine Versagensgründen nach § 2 OEG vorliegen. Der Beklagte hat stattdessen die entsprechende Tat in seinen streitgegenständlichen Bescheiden – zu Recht – zugrunde gelegt.
bb) Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist bei dem Kläger auch eine primäre Schädigung sowie eine sekundäre Schädigungsfolge festzustellen; letztgenannte ist allerdings nicht als wesentliche Änderung i.S.d. § 48 SGB X zu qualifizieren.
Die nachfolgenden Feststellungen beruhen maßgeblich auf den Sachverständigengutachten der Dres. S. und L.. Die erfahrenen Sachverständigen habe ihre jeweiligen Gutachten unter Auswertung sämtlicher, zum jeweiligen Zeitpunkt vorliegenden Arzt- und Befundberichte sowie etwaiger Vorgutachten und einer ausführlichen ambulanten Untersuchung des Klägers unter Hinzuziehung eines Dolmetschers sorgfältig und gewissenhaft erstattet. Die aus diesen Feststellungen abgeleiteten Diagnosen und kausalen Schädigungsfolgen haben die Sachverständigen eingehend und überzeugend begründet und dabei insbesondere den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand der Zustandsbegutachtung berücksichtigt und nach dem geltenden Kodiersystem klassifiziert (ICD-10 bzw. DSM-V: BSG, Urteil vom 28.06.2022, B 2 U 9/20 R, juris, Rn. 27; BSG, Beschluss vom 14.12.2022, B 2 U 1/22 B, juris, Rn. 14, LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 04.07.2024, L 3 U 24/20, juris, Rn. 49). Die Gutachten sind insofern in sich schlüssig und frei von Widersprüchen.
(1) Es ist dabei zwischen den Beteiligten unstreitig und durch die vorliegenden medizinischen Unterlagen wie durch die eingeholten Sachverständigengutachten belegt, dass sich bei dem Kläger Narben nach einer Messerstichverletzung in der linken seitlichen Brustwand, im rechten seitlichen Oberbauch, an der linken Wade sowie wetterunabhängige Beschwerden im Bereich der abdominellen Narbenregion gebildet haben. Zudem gehen beide Sachverständigen übereinstimmend von einer leichtgradigen Rest- bzw. Teilsymptomatik einer PTBS aus.
Soweit der behandelnde Arzt J. wiederholt in seinen Attesten von einer vorhandenen schweren PTBS ausgeht, folgt der Senat dem nicht. Die Sachverständigen begründen überzeugend, dass die Kriterien einer PTBS im Vollbild nach DSM-V nicht erfüllt sind. So führt Y. aus, dass bereits das C-Kriterium nicht erfüllt ist, denn es sind keine Vermeidung belastender Erinnerungen feststellbar. Zwar habe nach einem Jahr ein Wohnungswechsel stattgefunden. Der Kläger sei aber auch direkt wieder berufstätig gewesen. Zudem hielten die vielfältigen subjektiven Beschwerden des Klägers bei Objektivierung der Symptomatik einer kritischen Plausibilitäts- und Konsistenzprüfung für eine krankheitswertige, entschädigungsrelevante PTBS nicht stand. L. bestätigt dies. Hinsichtlich des C-Kriteriums lasse sich zwar ein sozialer Rückzug feststellen, der allerdings durch die bestehende Depression bedingt sei. Für die D- und E-Kriterien bestünden keine ausreichenden Indizien und auch das F-Kriterium könne nicht nachvollzogen und verobjektiviert werden. Zudem stützt auch das Sachverständigengutachten Dr. Volpert diese Einschätzung. Auch die Auswertung der übersandten Behandlungsunterlagen des J. führt zu keinem anderen Ergebnis. Stattdessen zeigen sie für den Behandlungszeitraum Januar 2016 bis Oktober 2022 Vorsprachen, die nach der Auswertung des Sachverständigen L. jeweils nicht länger als zehn Minuten gedauert haben. Es ist zwar ein mehrfacher Wechsel der Medikation, sonst aber kein Therapieansatz beschrieben.
(2) Als nicht schädigungsbedingte Gesundheitsstörungen sind unter Bezugnahme, auf die vorliegenden Gutachten bei dem Kläger ein Zustand nach Fußgelenksbruch links in August 2014, ein Zustand nach Magenschleimhautentzündungen, eine depressive Entwicklung mit Beginn der deutlichen Krankheitslast in 10/2014, ein Wirbelsäulensyndrom, ein chronischer Kopfschmerz, eine chronische Schmerzstörung mit körperlichen und psychischen Faktoren, aggressive Impulse bei eingeschränkter Impulskontrolle sowie eine Schwerhörigkeit beidseits – mit Hörgeräten versorgt – festzustellen.
cc) Auf das schädigende Ereignis kausal zurückzuführen ist zur Überzeugung des Senats die bestehende Restsymptomatik einer PTBS. Die daneben bestehenden bereits unter (2) genannten Gesundheitsstörungen sind hingegen nicht kausal.
Als Schädigungsfolgen bzw. deren Verschlimmerung sind nur solche nachgewiesenen Gesundheitsstörungen anzuerkennen, die wenigstens mit Wahrscheinlichkeit durch das schädigende Ereignis verursacht worden sind. Wahrscheinlichkeit i.S. des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG liegt – wie bereits erläutert – vor, wenn nach geltender medizinischer Lehrmeinung mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht, d.h. wenn die für den Zusammenhang sprechenden Umstände mindestens deutlich überwiegen. Danach gilt als Ursache im Rechtssinn nicht jede Bedingung, gleichgültig mit welcher Intensität sie zum Erfolg beigetragen hat und in welchem Zusammenhang sie dazu steht. Als Ursachen sind vielmehr nur diejenigen Bedingungen anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (Theorie der wesentlichen Bedingung). Haben mehrere Ursachen zu einem Schaden beigetragen, ist eine vom Schutzbereich des BVG umfasste Ursache dann rechtlich wesentlich, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges – verglichen mit den mehreren übrigen Umständen – annähernd gleichwertig ist. Das ist demnach dann der Fall, wenn sie in ihrer Bedeutung und Tragweite für den Eintritt des Erfolges allein mindestens so viel Gewicht hat wie die übrigen Umstände zusammen (vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2014, B 9 V 6/13 R, juris, Rn. 20). Im Einzelnen bedarf es dazu der wertenden Abwägung der in Betracht kommenden Bedingungen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 09.12.2021, L 6 VG 2424/21, juris, Rn. 95)
Der Senat folgt auch diesbezüglich den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dres. S. und L.. Danach war das schädigende Ereignis ausschließlich ursächlich für die noch bestehende Restsymptomatik einer PTBS, nicht aber für die weiteren gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers. So führt Y. aus, dass der Sturz im Rahmen eines Arbeitsunfalls auslösende Ursache für die berufliche Entpflichtung gewesen ist, woraufhin der Kläger eine schadensunabhängige depressive Störung in Verbindung mit der durch die Arbeitslosigkeit bestehenden familiären Konflikten bei finanziellen Einschränkungen und der verbliebenen Teilsymptomatik der PTBS entwickelt hat. Dies stützend führt auch L. aus, dass parallel zu der Teilsymptomatik einer PTBS, welche eine geringe Krankheitslast und eine geringe Einschränkung der Alltagsaktivitäten sowie der sozialen Teilhabe bedinge, es nach dem Unfall zu einer depressiven Entwicklung mit teilweise leichtgradigen, teilweise mittelgradigen depressiven Symptomen gekommen sei. Diese werde von dem Kläger jedoch in seinem innerpsychischen Erleben auch auf das Tatereignis vom 07.11.2013 projiziert, obwohl sie nicht mit dem Tatereignis in kausalem Zusammenhang stehen. Auch der Sachverständige Dr. Volpert konnte die zunehmend depressiven Denkinhalte bis hin zu suizidalen Tendenzen nicht erlebnisreaktiv auf das Ereignis von November 2013 zurückführen. Es handelt sich offenbar um eine davon unabhängige, unter Berücksichtigung der beschriebenen Stimmungsschwankungen als rezidivierend einzuschätzende depressive Erkrankung.
Diesem Ergebnis stehen die vom BSG entwickelten Grundsätze der bestärkten Wahrscheinlichkeit nicht entgegen. Danach gilt folgendes: Wenn ein Vorgang nach den medizinischen Erkenntnissen - etwa fußend auf dem Erfahrungswissen der Ärzte - in signifikant erhöhtem Maße geeignet ist, eine bestimmte Erkrankung hervorzurufen, liegt die Wahrscheinlichkeit nahe, dass sich bei einem hiervon Betroffenen im Einzelfall die Gefahr einer Schädigung auch tatsächlich verwirklicht hat; die Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit. Begründen nach Maßgabe dieser allgemeinen Erkenntnisse im Einzelfall Tatsachen einen derartigen Kausalzusammenhang, so ist eine bestärkte Kausalität - eine bestärkte Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges - gegeben, die wiederum nur widerlegbar ist, wenn eine sichere alternative Kausalität festgestellt wird. Dieses gilt grundsätzlich auch, wenn die psychische Erkrankung erst nach einer Latenzzeit manifest in Erscheinung tritt. Allerdings kann ein größerer zeitlicher Abstand zum schädigenden Ereignis - insbesondere gegen Ende der nach wissenschaftlichen Erkenntnissen möglichen Latenzzeit - den Grad der Wahrscheinlichkeit mindern (BSG, Urteil vom 12.06.2003 – B 9 VG 1/02 R –, BSGE 91, 107, Rn. 20, 23 m.w.N.). Wie oben ausgeführt sind jedoch nur die Restsymptome der PTBS im Sinne einer Wahrscheinlichkeit auf das Tatereignis zurückzuführen, wohingegen für die im zeitlichen Verlauf später manifestierte Depression weitere und wahrscheinlichere Ursachen (insbesondere der Arbeitsunfall) vorhanden sind.
dd) Nach Auffassung des Senats erreicht die Schädigungsfolge „Restsymptome der PTBS“ keinen GdS von mindestens 25 v.H., der eine Rentengewährung nach sich zöge.
Nach § 30 Abs. 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, die durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen (Satz 1). Bei der Beurteilung des GdS sind die VMG als Anlage zu § 2 VersMedV zu beachten.
Die bei dem Kläger festgestellte Schädigungsfolgen sind dem Funktionssystemen Gehirn einschließlich Psyche und Haut nach Teil A Nr. 2e) VMG zuzuordnen und werden grundsätzlich über Teil B Nr. 3 VMG „Nervenschäden und Psyche“ – hier konkret von Teil B Nr. 3.7 VMG „Neurosen, Persönlichkeitsstörungen, Folgen psychischer Traumen“ – sowie Teil B Nr. 17 VMG „Haut“ erfasst.
(1) Hinsichtlich der Narbenbildung in der Brust, Oberbauch und der linken Wade steht der diesbezüglich angenommene Einzel-GdS von 10 nicht im Streit. Er wurde jeweils auch von den Sachverständigen bestätigt, so dass der Senat diesbezüglich sich dem nach Prüfung anschließt. Der Kläger hat diesbezüglich auch keine Einwendungen erhoben.
(2) Nach Teil B Nr. 3.7 VMG werden leichtere psychovegetative oder psychische Störungen mit einem GdS von 0 bis 20, stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheits-wert, somatoforme Störungen) mit einem GdS von 30 bis 40 sowie schwere Störungen (z. B. schwere Zwangskrankheit) zum einen mit mittelgradigen sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit 50 bis 70 und zum anderen mit schweren sozialen Anpassungsschwierigkeiten mit 80 bis 100 bewertet.
Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts können zur Auslegung der Begriffe "mittelgradige" und "schwere" soziale Anpassungsschwierigkeiten die vom ärztlichen Sachverständigenbeirat am Beispiel des "schizophrenen Residualzustandes" entwickelten Abgrenzungskriterien herangezogen werden (vgl. BSG, Urteil vom 23.04.2009, B 9 VG 1/08 R, juris, Rn. 43 unter Bezugnahme auf die Beschlüsse des ärztlichen Sachverständigenbeirats vom 18./19.03.1998 und vom 8./9.11.2000; LSG NRW, Urteil vom 04.10.2021, L 1 SB 312/18, juris, Rn. 60; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 06.02.2013, L 11 SB 245/10, juris, Rn. 45; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.01.2015, L 11 VU 24/10, juris, Rn. 81; LSG NRW, Urteil vom 11.03.2008, L 6 VG 13/06, juris, Rn. 69ff.). Danach werden leichte soziale Anpassungsschwierigkeiten angenommen, wenn z.B. Berufstätigkeit trotz Kontaktschwäche und/oder Vitalitätseinbuße auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch ohne wesentliche Beeinträchtigung möglich ist (wesentliche Beeinträchtigung nur in besonderen Berufen, z.B. Lehrer, Manager) und keine wesentliche Beeinträchtigung der familiären Situation oder bei Freundschaften, z.B. keine krankheitsbedingten wesentlichen Eheprobleme bestehen. Mittelgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten werden angenommen bei einer in den meisten Berufen sich auswirkenden psychischen Veränderung, die zwar eine weitere Tätigkeit grundsätzlich noch erlaubt, jedoch eine verminderte Einsatzfähigkeit bedingt, die auch eine berufliche Gefährdung einschließt; als weiteres Kriterium werden erhebliche familiäre Probleme durch Kontaktverlust und affektive Nivellierung genannt, aber noch keine Isolierung, noch kein sozialer Rückzug in einem Umfang, der z.B. eine vorher intakte Ehe stark gefährden könnte; schwere soziale Anpassungsschwierigkeiten werden angenommen, wenn die weitere berufliche Tätigkeit sehr stark gefährdet oder ausgeschlossen ist; als weiteres Kriterium werden schwerwiegende Probleme in der Familie oder im Freundes- oder Bekanntenkreis bis zur Trennung von der Familie, vom Partner oder Bekanntenkreis benannt (Senat, Urteil vom 26.07.2024, L 13 SB 84/19 m.w.N.).
Der Sachverständige Y. hat hinsichtlich der schadensbedingten Gesundheitsstörung darauf verwiesen, dass diesbezüglich nur leichtgradige soziale Anpassungsschwierigkeiten zuerkennen seien. Der GdS sei mit unter 25 zu bewerten, bei einem Einzel-GdS für die Narben von 10 und für die psychische Störung von 20. Die eigentlichen Einschränkungen der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit des Klägers sind nach Abgleich der schadensab- und der schadensunabhängigen psychischen Symptomatik auf die schadensunabhängigen Ursachen zurückzuführen. Das soziale Teilhabebild ist durch die Depression, entsprechendes Vermeidungsverhalten bei passiver Lebensführung und den orthopädischen Funktionseinschränkungen erheblich beeinträchtigt. Soziale Kontakte bestehen überwiegend mit der Familie und es liegt erkennbar ein sekundärer, schadensunabhängiger Krankheitsgewinn vor, der durch die Leidens- und Opferrolle gespeist ist. Wie Y. verneint auch der Sachverständige L. eine Verschiebung der Wesensgrundlage ebenso wie die Voraussetzungen der Kann-Versorgung, nimmt einen Einzel-GdS für die Narbenbildung von 10 und für die Psyche gleichfalls von 10 an, was zu einem Gesamt-GdS von 10 führt. Ob der Senat ihm hier folgt, kann offenbleiben, da beide Sachverständigen zu Recht nicht zu einem rentenberechtigenden GdS von mindestens 25 kommen. L. verweist ferner zutreffend darauf, dass der Kläger erstmalig im Januar 2016 den Nervenarzt J. aufgesucht hat. Die Restsymptomatik der PTBS hat nur eine geringe Affektdynamik.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Der Senat hat zudem im Rahmen seines Ermessens von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, dem Kläger sogenannte Verschuldenskosten gemäß § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG aufzuerlegen.
Nach dieser Vorschrift kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass er den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Kostenauferlegung bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist. Eine missbräuchliche Rechtsverfolgung ist anzunehmen, wenn die Weiterführung des Rechtsstreits von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss (vgl. Bundesverfassungsgericht <BVerfG>, Beschluss vom 19.12.2002, 2 BvR 1255/02, Rn. 3, juris; BVerfG, Beschluss vom 03.07.1995, 2 BvR 1379/95, Rn. 10, juris).
Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Der Kläger ist im Verhandlungstermin des Senats am 30.08.2024 eingehend auf die Aussichtslosigkeit und Missbräuchlichkeit der Fortführung des Rechtsstreits angesichts des eindeutigen Beweisergebnisses beider nach § 106 SGG wie nach § 109 SGG eingeholten Gutachten hingewiesen worden. Es gibt keine verobjektivierbare ärztliche Äußerung, die das Begehren des Klägers stützt. Der Kläger hat ohne sachbezogene Auseinandersetzung mit den vorliegenden, zu übereinstimmenden Ergebnissen gelangenden Gutachten an seinem Begehren und seinen laienhaften und selektiven Überlegungen zum medizinischen Sachverhalt und insbesondere zum Kausalverlauf festgehalten und auf einem Urteil beharrt. Soweit er sich zudem in der mündlichen Verhandlung noch anwaltlich schlecht beraten und von dem selbst nach § 109 SGG benannten Sachverständigen missverstanden fühlte, ist dies objektiv nicht nachvollziehbar.
Die Höhe der Kostenbeteiligung hat der Senat durch Schätzung des Kostenaufwands für die Fortführung des Berufungsverfahrens festgesetzt. Dabei hat er berücksichtigt, dass es sich bei § 192 SGG um eine Schadensersatzregelung handelt (vgl. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl, § 192 Rn. 1a m.w.N.), die bei Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung das Privileg der staatlich finanzierten Kostenfreiheit des sozialgerichtlichen Verfahrens entfallen lässt. Dies hat zur Konsequenz, dass der Beteiligte in einem solchen Fall die tatsächlichen Kosten für die weitere Bearbeitung des Rechtsstreits zu tragen hat (LSG NRW, Beschluss vom 08.12.2016, L 4 U 575/16; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29.02.2012, L 29 AS 1144/11, juris, Rn. 66). Als verursachter Kostenbetrag gilt dabei mindestens der Betrag nach § 184 Abs. 2 SGG, somit für Verfahren vor dem Landessozialgericht ein Betrag von mindestens 225,00 €. Im Übrigen können die anfallenden Gerichtskosten geschätzt werden. Dabei sind neben dem bei der Abfassung des Urteils entstehenden Kosten sämtlicher Richter und Mitarbeiter auch die allgemeinen Gerichtshaltungskosten zu berücksichtigen (Schmidt, a.a.O. § 192 Rn. 14).
Allein für das Absetzen des Urteils durch den Berichterstatter sind mindestens sechs Richterarbeitsstunden anzusetzen. Hinzu kommen die durch die Mitbefassung der weiteren Berufsrichter verursachten mindestens drei weiteren Richterarbeitsstunden. Der Wert einer Richterstunde wurde bereits 1986/1987 mit 350,00 bis 450,00 DM (dies entspricht ca. 180,00 bis 230,00 €) angesetzt (LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 10.10.2011, L 13 R 2150/10, Rn. 22, juris m.w.N.). Selbst unter Berücksichtigung dieser für 1986/1987 geltenden Werte, die sich zwischenzeitlich aufgrund der allgemeinen Kostenentwicklung deutlich gesteigert haben dürften, sind somit allein für die zur Absetzung des Urteils erforderlichen Richterarbeitsstunden Kosten in Höhe von mindestens 1.620,00 € entstanden, ohne dass hierbei die Kosten der Servicekräfte, die an der Ausfertigung des Urteils mitwirken oder die allgemeinen Gerichtshaltungskosten berücksichtigt wären (vgl. insg. LSG NRW, Urteil vom 29.11.2022, L 15 U 549/20, juris, Rn. 46ff.).
Die dem Kläger auferlegten Kosten i.H.v. 500,00 € liegen damit noch sehr deutlich unter den Kosten, die er mit der Weiterführung des Rechtsstreits tatsächlich verursacht hat. Bei der Bestimmung der Kostenhöhe hat der Senat zu Gunsten des Klägers geringe Einkommensverhältnisse unterstellt.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.