L 11 KR 912/21 KH

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 26 KR 223/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 11 KR 912/21 KH
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12. Oktober 2021 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird im Berufungsrechtzug endgültig auf 2.449,33 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Krankenhausvergütung i.H.v. 2.449,33 Euro zzgl. Zinsen.

 

Bei der Klägerin handelt es sich um die Trägerin des nach § 108 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) zugelassenen S. Klinikum P.. Die bei der Beklagten krankenversicherte T., geb. am 00.00.0000 (nachfolgend: Versicherte) – Aufnahme-Nr. N01 – befand sich dort in der Zeit vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 in vollstationärer Behandlung bei akutem Nierenversagen.

 

Für die stationäre Behandlung der Versicherten stellte die Klägerin unter Abrechnung der Fallpauschale (Diagnosis Related Group <DRG>) L60c eine Vergütung i.H.v. 5.456,39 Euro in Rechnung (Rechnung vom 00.00.0000, Rechnungs-Nr. N02).

 

Die Beklagte zahlte auf diese Rechnung an die Klägerin den bzgl. der Versicherten angeforderten Betrag in Höhe von 5.456,39 Euro.

 

Die Beklagte beauftragte den B. (B.) mit der Prüfung, ob die Nebendiagnosen korrekt kodiert worden seien. Der B. kam in seinem Gutachten vom 7. September 2015 zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnose J90 (Pleuraerguss, anderenorts nicht klassifiziert) zu streichen sei. Daraus ergab sich die DRG L60d mit einem um 2.449,33 Euro geringeren Vergütungsanspruch.

 

Die Beklagte rechnete diesen Anspruch gegenüber der Klägerin gegen einen zwischen den Beteiligten unstreitigen Vergütungsanspruch aus einem anderen Behandlungsfall auf (Sammelavis vom 14. Oktober 2015).

 

Die Klägerin hat am 19. Dezember 2019 – durch Übersendung eines elektronischen Dokuments nach § 65a Sozialgerichtsgesetz (SGG) – Klage zum Sozialgericht (SG) Düsseldorf „wegen Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung, Behandlungsfall: T., Fallnummer N03“ erhoben und dargelegt, dass die Beklagte „Trägerin der Krankenversicherung der im Zeitraum vom 27. April 2015 bis zum 4. Mai 2015 unter der Fallnummer N03 behandelten T. (Versicherungsnummer: N04)“ sei und der „streitgegenständlichen Forderung […] der zuvor bezeichnete Behandlungsfall“ voraus gehe. Die Klägerin habe „die Behandlung ordnungsgemäß am 00.00.0000“ abgerechnet, der Betrag sei „derzeit nicht beglichen“. Beigefügt war eine Reproduktion der Endabrechnung vom 00.00.0000 zum Behandlungsfall der Versicherten.

 

Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2020 (Eingang bei Gericht am 11. Mai 2020) hat die Klägerin die Klage weiter begründet. Sie hat hinsichtlich der Abrechnung des Behandlungsfalls der Versicherten geltend gemacht, dass die Nebendiagnose J90 zutreffend kodiert worden sei. Bei einer Röntgenuntersuchung des Thorax am 00.00.0000 sei ein basaler Pleuraerguss linksseitig festgestellt worden. In der Folge sei eine Anpassung der Medikation erfolgt. Damit seien therapeutische und diagnostische Maßnahmen in Bezug auf den Pleuraerguss erfolgt, was seine Kodierung rechtfertige. Weiter hat die Klägerin erstmalig vorgetragen, dass der Vergütungsanspruch aus dem Behandlungsfall der Versicherten von der Beklagten zunächst vergütet und infolge der B.-Prüfung ein Differenzbetrag mittels Aufrechnung gegen unstreitige Forderungen geltend gemacht worden sei.

 

Die Klägerin hat beantragt,

 

die Beklagte zu verurteilen, an sie 2.449,33 Euro nebst Zinsen i.H.v. zwei Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Oktober 2015 zu zahlen.

 

Die Beklagte hat beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Die Klage sei bereits unzulässig. Die Klage sei von den Rechtsanwälten V. und I. unterzeichnet. Diese Doppelsignatur lasse nicht erkennen, wer verantwortender Rechtsanwalt sei. Soweit die Klage über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) eines Rechtsanwalts versendet worden sei, gehe dessen verantwortende Stellung nicht aus der Signatur hervor.

 

Die Klage sei zudem unbegründet. Die Klägerin klage die falsche Forderung ein, nämlich die Vergütung für den Behandlungsfall der Versicherten. Diese Forderung sei erloschen. Einer Klageänderung werde widersprochen. Diese sei nicht sachdienlich, da ein neuer Behandlungsfall eingeführt würde. Zudem werde die Einrede der Verjährung erhoben.

 

Hilfsweise werde geltend gemacht, dass die Aufrechnung per Sammelavis zulässig sei. Ein Aufrechnungsverbot greife nicht ein. Dieses folge nicht aus dem Vertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V über die allgemeinen Bedingungen der Krankenhausbehandlung Nordrhein-Westfalen (Landesvertrag <LV> NRW). Auch bestehe ein Erstattungsanspruch. Der B. habe zutreffend angenommen, dass die Nebendiagnose J90 zu streichen sei. Die Klägerin könne im Übrigen keine neuen Unterlagen vorlegen, diese seien nach § 7 Abs. 2 Satz 4 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV) 2014 bzw. § 7 Abs. 2 Satz 6 PrüfvV 2016 nicht zu berücksichtigen.

 

Das SG hat die Beteiligten mit Verfügung vom 15. September 2020 darauf hingewiesen, dass die Klägerin die Vergütung aus dem Behandlungsfall der Versicherten eingeklagt habe, der jedoch durch Zahlung erloschen sei. Eine Geltendmachung „unstreitiger Forderungen“, gegen die mit einem Erstattungsanspruch aus dem Behandlungsfall der Versicherten aufgerechnet worden sei, sei erstmals mit Schriftsatz vom 7. Mai 2020 erfolgt. Zu diesem Zeitpunkt seien die „unstreitigen Forderungen“, die infolge der Aufrechnung in 2015 spätestens im Jahr 2015 entstanden seien, jedoch verjährt gewesen.

 

Die Klägerin hat erwidert (Schriftsatz vom 2. März 2021), dass dann, wenn der Kläger sein Begehren auf einen bestimmten Lebenssachverhalt stütze, unterstellt werden könne, dass er im Zweifel alle Ansprüche geltend machen wolle, die ihm aus diesem Sachverhalt zustehen könnten (Verweis auf Bundessozialgericht <BSG>, Urteil vom 30. Januar 1980, 12 RK 16/79). Davon werde hier auch der Anspruch aus der unzulässigen Verrechnung erfasst. Das BSG habe im Übrigen entschieden, dass eine Forderung im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht spezifiziert oder individualisiert sein müsse (Verweis auf BSG, Urteil vom 28. September 2009, B 3 KR 20/05 R). Es genüge, wenn ein bestimmter Zahlungsantrag gestellt werde. Ausreichend sei, wenn bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung klar werde, welches Ziel mit der Klage verfolgt werde. Eine solche Konkretisierung sei nach § 99 Abs. 3 SGG zulässig, weil kein anderer Lebenssachverhalt betroffen sei. Mit Schriftsatz vom 4. Oktober 2021 hat die Klägerin geltend gemacht, dass die Aufrechnung nicht wirksam sei, da es an einer hinreichend bestimmten Aufrechnungserklärung mangele. Das Sammelavis sei hierzu nicht ausreichend. Es sei nicht zu erkennen, mit welchem Erstattungsanspruch gegen den unstreitigen Vergütungsanspruch aufgerechnet worden sei.

 

Das SG hat mit Urteil vom 12. Oktober 2021 die Klage abgewiesen. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

 

Gegen das ihr am 20. Oktober 2020 zugestellte Urteil hat sich die Klägerin mit ihrer am 15. November 2021 durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments eingelegten Berufung gewandt. Sie führt im Rahmen ihrer Berufungsbegründung vom 5. Oktober 2022 aus, dass mit der Klageschrift keine ausschließliche Konkretisierung auf die Forderung aus der Rechnung Nr. N02 stattgefunden habe. Sie habe entgegen der Annahme der Beklagten die zutreffende Forderung eingeklagt. Das folge daraus, dass sie ein kon­kret der Höhe nach beziffertes Zahlungsbegehren als Klagegegenstand vorgetragen und bereits mit dem Zinsanspruch verdeutlicht habe, dass sie nicht auf die Rechnung vom 00.00.0000 abstelle, sondern auf den Zeitpunkt der Verrechnung durch das Sammelavis vom 00.00.0000. Im Übrigen wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Klageverfahren.

 

Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 12. Oktober 2021 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie Krankenhausvergütung in Höhe von 2.449,33 Euro nebst Zinsen i.H.v. zwei Prozentpunkten über den jeweiligen Basiszinssatz seit dem 00.00.0000 zu zahlen.

 

 

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Sie erachtet die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und wiederholt und vertieft im Übrigen ihren erstinstanzlichen Vortrag. Ergänzend macht sie geltend, dass das Datum eines Zinsbeginns, ohne weitere Erläuterungen, keinen Anhaltspunkt für die Bestimmung des Klagebegehrens biete. Die Konkretisierung der Klageforderung mit Schriftsatz vom 7. Mai 2020 sei keine bloße Ergänzung tatsächlicher Ausführungen, sondern stelle den Austausch eines Lebenssachverhalts dar (Schriftsatz vom 24. Februar 2023).

 

Der Senat hat die Beteiligten zu seiner Absicht angehört, die Berufung durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückzuweisen (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz <SGG>). Die Anhörung ist den Beteiligten am 8. und 9. Juli 2024 zugegangen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Patientenakte der Klägerin Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Der Senat kann die Berufung der Klägerin durch Beschluss zurückweisen, da die Berufsrichter sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Im Rahmen seiner Ermessensentscheidung (vgl. hierzu etwa BSG, Beschluss vom 30. Juli 2009 –B 13 R 187/09 B – juris) hat der Senat berücksichtigt, dass die im vorliegenden Rechtsstreit aufgeworfenen Fragen auf Grundlage der einschlägigen Normen in Auslegung des Tatsachenvortrages beantwortet werden können und eine weitere Sachaufklärung durch das Gericht im Rahmen einer mündlichen Verhandlung nicht notwendig ist. Die Beteiligten sind zu dieser Entscheidungsform gehört worden (§ 153 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGG).

 

Die am 15. November 2021 eingelegte Berufung der Klägerin gegen das ihr am 20. Oktober 2021 zugestellte Urteil des SG Düsseldorf vom 12. Oktober 2021 ist zulässig, insbesondere ohne gerichtliche Zulassung statthaft (§§ 143, 144 SGG) sowie form- und fristgerecht eingelegt worden (§§ 151 Abs. 1, Abs. 3, 64 Abs. 1, Abs. 2, 63 SGG).

 

Die Berufung der Klägerin ist jedoch unbegründet, denn das SG hat im Ergebnis zu Recht die zulässig als (echte) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG (BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 1 KN 1/07 KR RSozR 4-2500 § 109 Nr. 13) erhobene Klage als unbegründet abgewiesen. Der Klägerin steht kein Anspruch in Höhe von 2.449,33 Euro zzgl. Zinsen seit dem 00.00.0000 für die stationäre Krankenhausbehandlung der Versicherten in der Zeit vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000 zu.

 

Der mit Klageschrift vom 19. Dezember 2019 geltend gemachte Klageanspruch war durch Erfüllung untergegangen (§ 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 362 Bürgerliches Gesetzbuch <BGB>; dazu unter 1.). Die mit Schriftsatz vom 7. Mai 2020 erfolgte Klageänderung ist zulässig (dazu unter 2.). Die geänderte Klage ist unbegründet (dazu unter 3.).

 

1. Der durch die Klägerin i.S.d. § 123 SGG mit der Klageschrift vom 19. Dezember 2019 ausdrücklich bestimmte Streitgegenstand des Verfahrens war ein Anspruch auf Zahlung von Krankenhausvergütung für die im Krankenhaus der Klägerin behandelte und bei der Beklagten Versicherte in der Zeit vom 00.00.0000 bis zum 00.00.0000. Streitgegenstand ist der prozessuale Anspruch, nämlich das von der Klägerin aufgrund eines bestimmten Sachverhaltes an das Gericht gerichtete Begehren. Der Streitgegenstand wird wesentlich durch die gestellten Anträge sowie die Begründung derselben bestimmt (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen <LSG NRW>, Urteil vom 21. Juni 2018 – L 5 KR 4/18 – juris).

 

a) Unter Berücksichtigung dessen hat die Klägerin im Rahmen ihrer Klageschrift erklärt, dass sie die aus ihrer Sicht zu Unrecht durch die Beklagte verwehrte Vergütung des Krankenhausaufenthaltes für die Versicherte gerichtlich geltend mache. Angesichts der Eindeutigkeit ihres diesbezüglichen Vortrages, der sowohl in den Betreffzeilen als auch im Tatsachenvortrag (insbesondere den im Tatbestand zitierten Passagen der Klageschrift) besteht kein Zweifel, dass es dem ausdrücklichen Willen der Klägerin als Herrin des Verfahrens entspricht, den Vergütungsanspruch bezüglich des Behandlungsfalls T. (Rechnung vom 00.00.0000, Fall-Nr. N03) als alleinigen Streitgegenstand geltend zu machen. Demgegenüber lässt allein das Datum des Zinsbeginns (00.00.0000) ohne weitere Angaben in der Klageschrift nicht erkennen, dass damit auf das Datum der Verrechnung des aus dem Behandlungsfall der Versicherten folgenden Erstattungsanspruchs gegen weitere unstreitige Forderungen abgestellt werden soll und diese damit Gegenstand der Klage sein sollen. Angesichts der eindeutigen Bezugnahmen auf die Vergütung aus dem Behandlungsfall der Versicherten hätten dazu weitere Erläuterungen in der Klageschrift erfolgen müssen.

 

Aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des BSG vom 28. September 2006 (B 3 KR 20/05 R - BSGE 97, 125 ff.) folgt für den hier zu entscheidenden Fall nichts Anderes. In jenem Verfahren hatte das Berufungsgericht die (nach altem Recht) verjährungsunterbrechende Wirkung der Klageerhebung verneint, da die Ansprüche nicht ausreichend individualisiert seien (vgl. die Feststellungen im Tatbestand, juris-Rn. 3). Darauf bezogen hat das BSG entschieden, dass es aus Schuldnerschutzgesichtspunkten nicht zwingend geboten sei, zur Herbeiführung einer Verjährungsunterbrechung durch Klageerhebung beim SG weitergehende Anforderungen an die Individualisierung des Klageanspruchs zu stellen als es prozessual zu einer wirksamen Klageerhebung erforderlich ist (BSG, a.a.O., juris-Rn. 18). Dies bezieht sich jedoch erkennbar auf den Fall, dass eine entsprechende Individualisierung nicht erfolgt ist (vgl. auch den Leitsatz). Die Entscheidung verhält sich jedoch nicht zu der hier vorliegenden prozessualen Situation, dass mit Klageerhebung die Forderung bereits individualisiert ist.

 

b) Die so verstandene Klage ist zulässig. Insbesondere genügte die am 19. Dezember 2019 als elektronisches Dokument eingereichte Klageschrift den Voraussetzungen des § 65a SGG. Insoweit muss gem. § 65a Abs. 3 Satz 1 SGG das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden muss.

 

Das ist hier erfüllt. Ausweislich des Transfervermerkes vom 19. Dezember 2019 ist die Klageschrift mit einer qualifizierten elektronischen Signatur von Rechtsanwalt V. versehen worden. Damit ist ein Identitätsnachweis In der Variante des § 65a Abs. 3 Satz 1 Var. 1 SGG erfolgt. Bei Nutzung der qualifizierten elektronischen Signatur darf das elektronische Dokument auf allen zugelassenen elektronischen Übermittlungswegen und durch jede beliebige Person versandt werden. Der Versandweg selbst wird dabei nicht zur Identitätsfeststellung genutzt (vgl. H. Müller in: Ory/Weth, jurisPK-ERV Band 3, 2. Aufl., § 65a SGG (Stand: 4. Juni 2024), Rn. 172). Es ist also unschädlich, dass die Übermittlung über den beA-Zugang von Rechtsanwalt V. erfolgte, obwohl am Schluss der Klageschrift auch der Name von Frau Rechtsanwältin I. wiedergegeben war.

 

c) Die Klage ist jedoch unbegründet. Der allein streitgegenständliche Vergütungsanspruch aus der Behandlung der Versicherten ist durch Erfüllung gemäß § 69 Abs. 1 Satz 3 SGB V i.V.m. § 362 Abs. 1 BGB erloschen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig.

 

Für die Erklärung eines Vorbehalts bei der Zahlung durch die Beklagte bestehen keine Anhaltspunkte. Indes kann dies offenbleiben, denn auch ein erklärter Vorbehalt hindert den Eintritt der Erfüllungswirkung nicht. Die Krankenversicherer wollen sich mit der Erklärung des Vorbehalts nämlich lediglich die Rückforderung der bewirkten Leistung für den Fall des Nichtbestehens der Forderung vorbehalten. Es sind auch keine Anhaltspunkte für den Senat erkennbar, dass die hiesige Beklagte ggf. üblicherweise im Rahmen eines Vorbehaltes beabsichtigt, dem Krankenhausträger die Beweislast für das Bestehen der Schuld in einem Rückforderungsprozess aufzuerlegen (BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 RBSGE 104, 15 ff.; LSG NRW, Urteil vom 21. Juni 2018 – a.a.O.). Dies wurde auch nicht vorgetragen.

 

2. Soweit die Klägerin mit Schriftsatz vom 7. Mai 2020 im Rahmen der Klagebegründung weitere Angaben gemacht hat, liegt darin eine Klageänderung, die entgegen der Auffassung des SG zulässig ist.

 

aa) Eine Klageänderung liegt jedenfalls dann vor, wenn sich der durch Klageantrag und Klagegrund (Lebenssachverhalt) bestimmte Streitgegenstand ändert (BSG, Urteil vom 5. Juli 2016 – B 2 U 4/15 R – juris, Rn. 16). Das ist hier der Fall.

 

Streitgegenstand in der Hauptsache ist nunmehr der sich nach der Verrechnung ergebende offene Vergütungsanspruch aus den zwischen den Beteiligten nicht umstrittenen Behandlungsfällen (hierzu BSG, Urteil vom 30. Juli 2019 - B 1 KR 31/18 R – juris-Rn. 9; Urteil vom 23. Juni 2015 - B 1 KR 13/14 R - SozR 4-5560 § 17b Nr. 6, juris-Rn. 8; jeweils m.w.N.). Das hat die Klägerin mit dem (klageändernden) Schriftsatz vom 7. Mai 2020 zum Ausdruck gebracht, indem sie die Verrechnung eines angeblichen Erstattungsanspruchs der Beklagten gegen ihre, der Klägerin, unstreitige Forderungen vorträgt und jedenfalls sinngemäß geltend macht, dass der ihr aus diesen Behandlungsfällen erwachsene Vergütungsanspruch nicht wirksam durch Aufrechnung mit einem Erstattungsanspruch der Beklagten aus dem Behandlungsfall der Versicherten erloschen sei. Indem sie anstelle der zunächst eingeklagten, aber bezahlten Vergütung für die Behandlung der Versicherten nunmehr den - in der Sache unstreitigen - Vergütungsanspruch für die Behandlung anderer Versicherter der Beklagten einführt, trägt sie ein neues Klagebegehren vor (BSG, Urteil vom 10. November 2021 – B 1 KR 9/21 R – juris, Rn. 9).

 

bb) Die Klageänderung ist zulässig. Zwar hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 6. August 2020 ausdrücklich nicht in die Klageänderung eingewilligt (§ 99 Abs. 2 SGG).

 

Allerdings ist von Sachdienlichkeit der Klageänderung auszugehen (§ 99 Abs. 1 SGG). Diese ist regelmäßig gegeben, wenn sie dazu führt, dass Streit zwischen den Beteiligten in einem Verfahren beigelegt und endgültig bereinigt werden kann, so dass ein neuer Prozess vermieden wird (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 99 Rn. 10 m.w.N.). Das ist hier angesichts des Streits über die Wirksamkeit der Aufrechnung und das Schicksal der „unstreitigen Forderungen“ anzunehmen. Dem steht nicht entgegen, dass die „unstreitigen Forderungen“ bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem SG nicht konkretisiert wurden. Ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Klägerin aufgrund stationärer Behandlungen anderer Versicherter der Beklagten zunächst Anspruch auf die geltend gemacht weitere Vergütung hatte, erübrigt sich eine nähere Prüfung des Gerichts (vgl. BSG, Urteil vom 30. Juli 2019 – B 1 KR 31/18 R – BSGE 129, 1 ff., SozR 4-7610 § 366 Nr. 2, Rn. 9). Eine Bindung des Senats an die Auffassung des SG zur Unzulässigkeit der Klageänderung besteht nicht (vgl. B. Schmidt in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, a.a.O., § 99 Rn. 15 m.w.N.).

 

3. Die geänderte zulässige Klage ist unbegründet. Ein Zahlungsanspruch aus den „unstreitigen Forderungen“ ist jedenfalls verjährt.

 

a) Zwar findet die kurze zweijährige Verjährungsfrist nach § 109 Abs. 5 Satz 1 und 2 SGB V vorliegend keine Anwendung, weil die Vergütungsforderung vor dem 1. Januar 2019 entstanden ist (§ 109 Abs. 5 Sätze 2 und 3 SGB V i.d.F. durch Art. 7 Nr. 8a PpSG vom 11. Dezember 2018, BGBl I 2394).

 

b) Stattdessen ist die vierjährige sozialrechtliche Regelverjährung analog § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB I anzuwenden, wonach Vergütungsansprüche des Krankenhauses in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahrs verjähren, in dem sie entstanden sind. Davon ausgehend trat Verjährung der in 2015 entstandenen Vergütungsansprüche, gegen welche die Beklagte mit Sammelavis vom 14. Oktober 2015 wirksam aufgerechnet hat, mit Ablauf des 31. Dezember 2019 ein. Die Beklagte hat sich auch auf die Verjährung berufen.

 

Es ist keine Hemmung der Verjährung eingetreten. Gem. § 45 Abs. 2 SGB I analog gelten für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. Hier kommt nur die Hemmung der Verjährung durch die Klageerhebung in Betracht (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB). Allerdings erfolgte eine Klageerhebung hinsichtlich der „unstreitigen Forderungen“ erst mit dem klageändernden Schriftsatz vom 7. Mai 2020.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung.

 

Gründe im Sinne des § 160 Abs. 2 SGG zur Zulassung der Revision sind nicht gegeben.

 

Der Streitwert bestimmt sich gemäß § 52 Abs. 1, 3 GKG nach der sich aus dem Antrag der Klägerin für sie ergebenden (wirtschaftlichen) Bedeutung.

 

 

Rechtskraft
Aus
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