Begehrt ein Leistungserbringer die vorläufige Verpflichtung einer gesetzlichen Krankenkasse zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen mit dem Ziel, einen Vertrag nach § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB V abzuschließen, muss dargelegt werden, welche konkreten Nachteile bei Nichtaufnahme von Vertragsverhandlungen drohen. Andernfalls ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 30.09.2024 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, mit ihr Vertragsverhandlungen entsprechend § 127 Abs. 1 Satz 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) über die Versorgung von Versicherten mit Verbandmitteln i.S.d. § 31 Abs. 1, Abs. 1a SGB V aufzunehmen.
Die Antragstellerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und tätig im Bereich der Wundversorgung mit Verbandmitteln und sonstigen Medizinprodukten. Mit Datum vom 25.04.2024 veröffentlichte die Antragsgegnerin einen neuen Vertrag über die Versorgung ihrer Versicherten mit Verbandmitteln i.S.d. § 31 Abs. 1a SGB V für sonstige Leistungserbringer - wie die Antragstellerin - in einem Open-House-Verfahren. Dieser sieht Abschlagssätze i.H.v. 12 % (für die Preisgruppen A und C) und i.H.v. 3 % (für die Preisgruppe B) vom gelisteten Apothekeneinkaufspreis vor sowie zwingend den Beitritt zum Vertrag im Open-House-Verfahren. Soweit ein Beitritt nicht erfolge, bestehe keine Versorgungsberechtigung mit Verbandmitteln. Die Antragstellerin erklärte ihren Beitritt zum Vertrag unter Vorbehalt und machte einen Verhandlungsanspruch geltend, den die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 01.08.2024 zurückwies.
Am 04.09.2024 hat sich die Antragstellerin an das Sozialgericht Freiburg (SG) gewandt und neben einer Klage auf Feststellung, dass ihr ein Verhandlungsanspruch zustehe (S 6 KR 2387/24), den vorliegenden Antrag auf Eilrechtsschutz gestellt. Sie habe einen Anspruch auf Verhandlung entsprechend § 127 Abs. 1 SGB V, weil die Antragsgegnerin den streitigen Vertrag für die sonstigen Leistungserbringer nicht im Open-House-Verfahren hätte schließen dürfen, da ein solches Vertragsverfahren im SGB V nicht geregelt sei. Dementsprechend müsse sie Verhandlungen entsprechend § 127 Abs. 1 SGB V ermöglichen. Die Rechtswidrigkeit der Vorgehensweise der Antragsgegnerin ergebe sich aus dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 30.11.2023 (B 3 KR 2/23 R [Blutzuckerteststreifen]). Der Gesetzgeber habe für die Erbringung und Sicherstellung der Versorgung der Versicherten mit Verbandmitteln gemäß § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB V keine eigenständige Vertragsart vorgesehen. Das BSG schlussfolgere in der genannten Entscheidung aus § 69 Abs. 1 SGB V, dass es einen abschließenden Katalog an Vertragsarten gebe. Mithin bestehe keine Raum für Verträge im Open-House-Verfahren. Die Rechtsprechung des BSG zu den Blutzuckerteststreifen sei auf die für die Versorgung mit Verbandmitteln zu schließenden Verträge zu übertragen. Bei einem Open-House-Verfahren handele es sich um eine besondere Form des Vertragsschlusses, die ihren rechtlichen Ursprung im Vergaberecht und nicht im SGB V habe. Öffentliche Auftraggeber dürften mittels eines Open-House-Verfahren von Ausschreibungen absehen, wenn der öffentliche Auftraggeber keine eigene Auswahlentscheidung bezüglich eines Vertragspartners treffe und jeder Marktteilnehmer zu gleichen Bedingungen an dem im Wege des Open-House-Verfahren bekannt gemachten Vertrag teilnehmen könne. Diese vergaberechtlichen Maßstäbe seien nicht eins zu eins auf die Versorgung der Versicherten der gesetzlichen Krankenkasse zu übertragen. Bereits dem Wortlaut des § 127 SGB V sei die Unzulässigkeit eines Vertragsschlusses im Open-House-Verfahren ohne weiteres entnehmen. Der Gesetzgeber gehe grundsätzlich von einem Verhandlungsanspruch gemäß § 127 Abs. 1 SGB V aus, der ebenso für den Beitritt gemäß § 127 Abs. 2 SGB V gelte. Es gälten also die Grundsätze der europaweiten Bekanntmachung, des Verhandlungsanspruchs und damit der Ausschluss eines Open-House-Verfahrens. Denn ein rechtlich zulässiges Open-House-Verfahren schließe nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) gerade aus, dass Verhandlungen geführt werden dürften. Bei dem streitigen Open-House-Vertrag handele es sich nicht um eine Vertragsform aus dem „numerus clausus möglicher Vertragsarten“ des abschließenden 4. Kapitels des SGB V. Die allgemeine Zulässigkeit eines öffentlich-rechtlichen Vertrages gemäß der §§ 53 ff. Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sei nicht ausreichend, sondern es seien die spezielleren Regelungen des SGB V zu beachten. Rechtsfolge der gesetzlichen Systematik sei, dass der Verbandmittelvertrag der Antragsgegnerin durch keine Rechtsgrundlage gesetzlich legitimiert und somit rechtswidrig sei. Dies werde u.a. Gegenstand einer noch einzureichenden Klage im Hauptsacheverfahren sein. Die leistungserbringerrechtliche Anwendung des § 127 SGB V auf die Versorgung mit Verbandmittel nach § 31 Abs. 1, 1a SGB V führe zwingend dazu, dass ihr, der Antragstellerin, ein Verhandlungsanspruch zur Seite stehe. Ein Anordnungsgrund bestehe im Hinblick auf die Wechselwirkung mit dem Anordnungsanspruch, der offensichtlich begründet sei. Wenn ihr nicht aktuell ein Verhandlungsanspruch zugesprochen werde, bedeute dies, dass sie im Fall der erfolgreichen Beschreitung des Instanzenwegs frühestens in fünf bis sieben Jahren mit Verhandlungen beginnen könnte. Hierdurch würde sie in nicht hinzunehmender Art und Weise in ihrer rechtlich geschützten Position aus Art. 12 und 14 Grundgesetz (GG) beeinträchtigt werden. Es komme nicht darauf an, ob und in welchem Umfang konkrete Umsatzeinbußen drohten oder nicht; es reiche aus, dass sie, die Antragstellerin, ohne sachlichen und rechtlichen Grund benachteiligt werde und unter einer drohenden Wettbewerbsverzerrung gegenüber den Apotheken leide, die sie nicht hinnehmen müsse. Ihr Recht auf ungehinderte Teilnahme am Wettbewerb würde wesentlich erschwert, wenn man sie auf ein Hauptsacheverfahren verweisen würde. Insbesondere sei nicht absehbar, ob die wirtschaftlichen Folgen nach Abschluss eines Hauptsacheverfahrens jemals wieder rückgängig gemacht werden könnten.
Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Mangels Eilbedürftigkeit bestehe kein Anordnungsgrund. Die Antragstellerin begehre im Eilrechtsverfahren die grundsätzliche Klärung einer Vergütungsthematik, welche bisher weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur zu einer Meinungsbildung in ihrem Sinne geführt habe. Die Antragstellerin habe keine unmittelbar bevorstehende, konkret bezifferte „massive“ wirtschaftliche Konsequenz einer - derzeit rein hypothetischen - Retaxation dargelegt. Die Antragstellerin rechne im Kalenderjahr insgesamt 6.072.652,01 € ab. Das Rabattniveau der monierten Verträge unterstellt, würde sich das Abrechnungsvolumen auf 5.193.320,05 € reduzieren. Eine Mehrvergütung könne die Antragstellerin in zumutbarer Weise in einem Hauptsacheverfahren erstreiten. Im Übrigen erlaube § 53 SGB X den Abschluss der angegriffenen Rabattverträge. Das BSG habe in der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung klargestellt, dass es stets eines wirksamen Vertrages bedürfe, um die Versorgung der Versicherten durch einen Leistungserbringer und dessen Vergütung durch die Kostenträger zu gewährleisten. In der Entscheidung fänden sich jedoch keinerlei Anhaltspunkte für die Behauptung der Antragstellerin, die Regelungen des § 127 SGB V seien auch auf Verbandmittel anzuwenden. Gegen diese These spreche, dass der Gesetzgeber durch Einführung des § 31 Abs. 1a SGB V im Jahre 2017 erstmals Verbandmittel legaldefiniert, in den Folgejahren bei den Anpassungen des § 127 SGB V bzgl. Verbandmitteln diese jedoch in keiner Weise dem Regelungsregime der Hilfsmittelversorgung zugeordnet habe. Dies spreche für die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers, die Versorgung mit Verbandmitteln keinem Vertragsregime des 4. Kapitel des SGB V ausdrücklich zuzuordnen.
Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 30.09.2024 zurückgewiesen. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Weder aus dem Vorbringen der Antragstellerin noch aus den sonstigen erkennbaren Umständen ergäben sich Tatsachen, die eine Eilbedürftigkeit der begehrten Regelung begründen könnten. Selbst wenn der Marktzugang als von Art. 12 GG geschützter Belang betroffen sei, so müsse für eine einstweilige Regelung durch das Gericht ein wesentlicher Nachteil glaubhaft gemacht werden, dessen Abwendung sofort notwendig sei. Ein solcher Nachteil könnte die wirtschaftliche Existenzbedrohung sein, wenn die Antragstellerin in eine solche Notlage durch die vorgesehenen Preisabschläge geriete. Hierfür habe die Antragstellerin jedoch nichts vorgetragen. Sie berufe sich im Wesentlichen darauf, dass der Anordnungsanspruch offensichtlich bestehe. Zum einen beurteile die Kammer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache demgegenüber als jedenfalls offen, zum anderen stünden Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht isoliert nebeneinander. Erforderlich sei stets, dass beides vorliege, auch wenn die Intensität der jeweiligen Anforderungen in einer Wechselbeziehung zu sehen sei.
Hiergegen hat die Antragstellerin am 28.10.2024 Beschwerde beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Das SG verkenne, indem es eine erhebliche wirtschaftliche Betroffenheit voraussetze, dass im Hinblick auf den hier geltend gemachten Verhandlungsanspruch ein effektiver Rechtsschutz ohne den Erlass der beantragten Anordnung faktisch verhindert werde. Wie in der Antragsschrift dargelegt, habe die Antragsgegnerin mit den Apotheken die Preise für die Versorgung mit Verbandmitteln im Wege von Verhandlungen als Ergänzungsvereinbarung abgeschlossen. Danach hätten die Apotheken für die gleiche Leistung im Wege der Verhandlung eine um bis zu 30 Prozentpunkte höhere Vergütung erzielt. Der Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot sei dadurch begründet, dass einerseits die Antragsgegnerin ihr, der Antragstellerin, Vertragsverhandlungen verweigere und ihr andererseits für die gleiche Leistung eine um bis zu 30 Prozentpunkte geringere Vergütung einseitig aufzwinge. Auch nach den Ausführungen der Antragsgegnerin stehe fest, dass diese mit der Wahl eines Vertrages im Open-House-Verfahren nur für die sonstigen Leistungserbringer eine Verfahrensart gewählt habe, die nicht im abschließenden 4. Kapitel des SGB V geregelt sei. Folglich fehle es der Antragsgegnerin an einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage für ihr Vorgehen. Die Bezugnahme allein auf die Zulässigkeit von öffentlich-rechtlichen Verträgen nach § 53 SGB X sei gerade nicht ausreichend. Daher sei festzustellen, dass aufgrund der erheblichen Verstöße gegen die grundrechtsbezogenen Belange der Antragstellerin und die Wahl einer im SGB V nicht vorgesehenen Vertragsart überwiegend vom Erfolg der Antragstellerin in der Hauptsache auszugehen sei. Insbesondere unter Hinweis auf das vergleichbare Urteil des BSG vom 30.11.2023 zu den in derselben Norm des § 31 Abs. 1 SGB V geregelten Blutzuckerteststreifen dränge sich dies auf. Im Rahmen der vorzunehmenden Folgenabwägung sei zu berücksichtigen, dass sie im Wege der einstweiligen Anordnung keine höheren Vergütungsansprüche geltend mache, sondern lediglich einen Anspruch auf Verhandlung vergleichbar den Apotheken fordere. Der Verhandlungsanspruch führe nicht zwingend zu einer höheren Vergütung als im aktuellen Open-House-Vertrag. Jedenfalls sei davon auszugehen, dass der Verhandlungsanspruch nicht zu einem höheren Vergütungsanspruch als aktuell noch bei den Apotheken führen werde. Die Nachteile der Antragsgegnerin seien daher im Verhältnis zu den erheblichen grundrechtsrelevanten Eingriffen auf ihrer Seite nur als gering zu bewerten. Die sonstigen Leistungserbringer seien im Grunde nach schon immer zur Versorgung mit Verbandmitteln im System der GKV berechtigt gewesen, wie sich aus § 31 Abs. 1 Satz 5 SGB V und § 300 Abs. 1 Satz 2 SGB V ergebe. Der Gesetzgeber habe leistungserbringerrechtlich jedoch weder für Apotheken noch für sonstige Leistungserbringer eine Regelung getroffen. § 129 SGB V erfasse nur apothekenpflichtige Arzneimittel. Verbandmittel seien jedoch keine Arzneimittel. Die von der Antragsgegnerin behaupteten Beschwerden bei ihrer Rechtsaufsicht durch andere sonstige Leistungserbringer seien hier nicht bekannt. Daher müsse mit Nichtwissen bestritten werden, dass das zuständige Ministerium für Arbeit und Soziales in NRW solchen Beschwerden nicht abgeholfen habe. Die von der Antragsgegnerin behauptete Paketlösung sei den vorliegenden vertraglichen Regelungen nicht zu entnehmen. Auch verkenne die Argumentation der Antragsgegnerin, dass es um identische Sachleistungsansprüche der Versicherten gehe, wobei nach den vertraglichen Grundlagen an die sonstigen Leistungserbringer höhere Anforderungen gestellt würden, die im Gegenzug dafür eine deutlich geringere Vergütung erhielten.
Die Antragstellerin beantragt,
den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 30.09.2024 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, mit der Antragstellerin Vertragsverhandlungen entsprechend § 127 Abs. 1 SGB V über die Versorgung ihrer Versicherten mit Verbandmitteln im Sinne des § 31 Abs. 1, Abs. 1a SGB V aufzunehmen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Hinsichtlich der von der Antragstellerin behaupteten Ungleichbehandlung gegenüber lieferberechtigten Apotheken verkenne diese, dass die vereinbarten Abrechnungspreise für Verbandmittel mit Apotheken als Paketlösung zusammen mit anderen Regelungen des Arzneiliefervertrages NRW zustande gekommen seien und die (Liefer-)Dienstleistung der Apotheke von der Leistung der sonstigen Leistungserbringer abweichen könne (z.B. taggleiche Belieferung, Belieferung auch am Wochenende etc.). Es handele sich nicht nur begrifflich, sondern auch tatsächlich um zwei vollkommen unterschiedliche Arten von Leistungserbringern mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen, Betriebsabläufen, Abrechnungswegen und vertraglichen Ausgestaltungen. Diese seien daher auch unterschiedlich zu behandeln. Fehle es an einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung, könnten aber auch keine herabgesetzten Anforderungen an die Darlegungspflicht zu behaupteten wirtschaftlichen Nachteilen zur Anwendung kommen. Zu erwägen sei auch, dass sich für sonstige Leistungserbringer aufgrund ihrer von Apotheken abweichenden Warenbezugsstrukturen eine andere, d. h. günstigere Einkaufssituation, ergeben könne, z.B. ein höheres Nachlassniveau beim Hersteller wegen eines größeren Mengengerüsts. Dies könnte dann auch für die Antragstellerin gelten und womöglich dazu führen, dass ein behaupteter wirtschaftlicher Nachteil nicht existiere oder sich ins Gegenteil verkehre. Auch sei der Umsatz einer Offizinapotheke mit Verbandmitteln nur ein sehr geringer Anteil am Gesamtumsatz, anders als dies hier bezogen auf sonstige Leistungserbringer eingeschätzt werde, was wiederum gegen die Gleichheit spreche. Im Übrigen sei nicht nur der ursprüngliche Antrag als auch der hier streitige Rechtsbehelf ungeeignet, das begehrte Ziel der Antragstellerin zu erreichen: Sofern eine mögliche Vertragspartei keinerlei Interesse oder Obliegenheit erkenne, Vertragsverhandlungen zu führen, könne sie hierzu im Ergebnis auch nicht, jedenfalls nicht mit Erfolg für die andere Vertragspartei, verpflichtet werden. Darüber hinaus sei die von der Antragstellerin zitierte BSG-Entscheidung nicht auf Verbandmittel übertragbar. § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V führe Verbandmittel als eigenständige Gruppe von Bestandteilen der Krankenbehandlung auf. Es sei sachlogisch, dass es seitens des BSG einer „Lösung“ für die nicht in § 27 SGB V aufgeführten Blut- und Harnteststreifen bedurft habe. Eine zwingende Übertragung auf Verbandmittel sei nicht erkennbar und nach dem eindeutigen Wortlaut des § 27 Abs. 1 Nr. 3 SGB V auch nicht schlüssig.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Antragstellerin hat keinen Erfolg.
Der Senat entscheidet über die Beschwerde der Antragstellerin durch Beschluss (§ 176 SGG). Eine mündliche Verhandlung wird nicht für erforderlich gehalten (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 3 SGG). Die form- und fristgerecht (§ 173 SGG) und auch ansonsten nach § 172 SGG statthafte Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
1. Das SG hat das einstweilige Rechtsschutzgesuch der Antragstellerin zu Recht abgelehnt. Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes, hier gerichtet auf die (vorläufige) Verpflichtung der Antragsgegnerin auf Aufnahme von Vertragsverhandlungen gemäß § 127 Abs. 1 Satz 3 SGB V, ist unbegründet.
a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). In beiden Fällen ist Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes. Dabei bezieht sich der Anordnungsanspruch auf den im Hauptsacheverfahren streitigen Anspruch und damit auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache. Der Anordnungsgrund betrifft die Frage der Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit und stellt damit den Grund für den einstweiligen Rechtsschutz dar. Als Anordnungsgrund verlangt das Gesetz für die Sicherungsanordnung eine Gefahr für die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers (§ 86b Abs. 2 Satz 1 SGG) und für die Regelungsanordnung die Abwendung wesentlicher Nachteile (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Es muss ein gewichtiges Interesse des Antragstellers vorliegen, aufgrund dessen es ihm nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]).
Bei der Auslegung und Anwendung der Regelungen über den vorläufigen Rechtsschutz sind die Gerichte gehalten, der besonderen Bedeutung der betroffenen Grundrechte, insbesondere desjenigen aus Art. 19 Abs. 4 GG, Rechnung zu tragen. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ohne sie dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] 16.05.1995, 1 BvR 1087/91, BVerfGE 93, 1, 14; 25.10.1988, 2 BvR 745/88, BVerfGE 79, 69, 74). Dies gilt sowohl für Anfechtungs- als auch für Vornahmesachen. Hierbei dürfen die Entscheidungen der Gerichte grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung als auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden (BVerfG 12.05.2005, 1 BvR 569/05, juris; 27.05.1998, 2 BvR 378/98, juris). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die einstweilige Anordnung die endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorwegnehmen darf (Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 86b Rn. 31).
b) Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben (vgl. zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Prozessvoraussetzung z.B. BVerfG 30.10.2009, 1 BvR 2442/09, juris Rn. 3), da die Antragstellerin ein berechtigtes Interesse an der Durchsetzung des geltend gemachten Verhandlungsanspruchs hat, da dieser von der Antragsgegnerin verneint wird und der Weg über aufsichtsrechtliche Maßnahmen wohl auch keinen einfacheren Weg darstellen dürfte (vgl. hierzu § 71 Abs. 6 Satz 8 SGB V, mit welchem der Aufsichtsbehörde die Möglichkeit gegeben wird, schon vor Vertragsschluss bestimmte Aufsichtsmittel anzuwenden und insbesondere Krankenkassen zu verpflichten, Vertragsverhandlungen mit allen interessierten Leistungserbringern aufzunehmen, BT-Drs. 19/17589, 195).
Zweifel hinsichtlich des Bestehens eines Rechtsschutzbedürfnisses könnten sich allerdings daraus ergeben, dass § 127 Abs. 1a SGB V im Falle der Nichteinigung über einen Versorgungsvertrag einen (vorrangigen) Konfliktlösungsmechanismus in Form der Einschaltung einer Schiedsperson vorsieht. Dabei kann der Senat jedoch offenlassen, ob die hier seitens der Antragsgegnerin erfolgte Ablehnung der Durchführung von individuellen Vertragsverhandlungen gleichzusetzen ist mit einem Scheitern der Verhandlungen im Sinne des § 127 Abs. 1a SGB V (so z.B. LSG Baden-Württemberg 18.08.2021, L 5 KR 2044/19, juris Rn. 34). Das mit Wirkung ab 23.05.2020 durch das Medizinprodukte-EU-Anpassungsgesetz (MPEUAnpG) eingeführte Schiedsverfahren soll nach der Vorstellung des Gesetzgebers der weiteren Umsetzung des allen Leistungserbringern jederzeit eingeräumten Anspruchs auf Vertragsverhandlungen dienen, dem sich einige Krankenkassen durch die einseitige Formulierung von Vertragsbedingungen oder den grundlosen Abbruch von Vertragsverhandlungen entziehen wollen (BT-Drs. 19/17589, S. 209/210). Vorgesehen ist, dass die Vertragspartner eine unabhängige Schiedsperson anrufen können, die den Inhalt des Vertrages stellvertretend für die Vertragsparteien festlegt. Von einer Nichteinigung ist dann auszugehen, wenn mindestens einer der Verhandlungspartner nachweisen kann, intensive Bemühungen zum Abschluss eines Vertrages auf dem Verhandlungsweg getätigt zu haben (BT-Drs. 19/17589, 196), ein Vertragsabschluss aber dennoch nicht erfolgt ist (Lungstras, in: Becker/Kingreen, 9. Aufl. 2024, SGB V § 127 Rn. 6, 6a, beck-online). Vorliegend streiten die Beteiligten jedoch darüber, ob § 127 Abs. 1 Satz 3 SGB V überhaupt zwischen den Beteiligten gilt, insbesondere ob die Vorschrift auch bei Versorgungsverträgen über Verbandmittel eingreift. Für die Klärung einer solchen Vorfrage dürfte das Schiedsverfahren nicht konzipiert sein, welches auf die inhaltliche Ausgestaltung der Vertragsbedingungen abzielt, weshalb der Senat das allgemeine Rechtsschutzbedürfnis vorliegend für gegeben hält.
c) Der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichtet auf Erlass einer Regelungsanordnung mit dem Inhalt der Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Aufnahme von Vertragsverhandlungen gemäß § 127 Abs. 1 Satz 3 SGB V ist jedoch unbegründet. Bei derzeit offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens ist nach umfassender Folgenabwägung ein Anordnungsgrund nicht ersichtlich.
Nach § 127 Abs. 1 Satz 1 SGB V schließen Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften im Wege von Vertragsverhandlungen Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung. Nach Satz 3 der genannten Vorschrift haben Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften jedem Leistungserbringer oder Verband oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer Vertragsverhandlungen zu ermöglichen. Die Verhandlungen über Verträge nach § 127 Abs. 1 SGB V unterliegen keinem strengen, vom Gesetzgeber im Ablauf klar vorgegebenen Verfahren. Insbesondere durch Satz 3 wird aber klargestellt, dass die Verträge zu verhandeln sind (vgl. auch schon BSG 10.03.2010, B 3 KR 26/08 R, juris). Durch diese Ergänzung macht der Gesetzgeber deutlich, dass einseitige Vertragsvorgaben jedweder Art durch die Krankenkasse - einschließlich sog. Open-House-Modelle - für Hilfsmittelverträge nicht zulässig sind (BT-Drucksache 19/8351, S. 202). Die Krankenkassen dürfen also die Aufnahme von Vertragsverhandlungen nicht ablehnen, weil sie meinen, bereits genügend Leistungserbringer unter Vertrag zu haben (Schneider, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 4. Aufl. Stand 22.12.2023, § 127 Rn. 29).
Hinsichtlich der Begründetheit des vorliegenden Antrags müssen vorliegend materiell-rechtliche Fragen offenbleiben, da sie einer für die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen zeitnahen Entscheidung nicht zugeführt werden können. So muss offenbleiben, ob die nach ihrem klaren Wortlaut nur im Bereich der Hilfsmittelversorgung geltende Vorschrift des § 127 Abs. 1 SGB V leistungserbringerrechtlich auch auf Verbandmittel Anwendung findet (wie dies das BSG - insbesondere aufgrund ihres Charakters als Hilfsmittelzubehör - bejaht hat für Harn- und Blutteststreifen, BSG 30.11.2023, B 3 KR 2/23 R, juris), obwohl der leistungsrechtliche Anspruch der Versicherten der Arznei- und Verbandmittelversorgung zugewiesen ist (vgl. § 31 SGB V) und das BSG bereits im Jahr 2006 klargestellt hat, dass Verbandmittel keine Hilfsmittel sind (vgl. zur Abgrenzung BSG 28.09.2006, B 3 KR 28/05 R, BSGE 97, 133-144, juris Rn. 25). Gleichwohl sind sie jedoch auch nicht als Arzneimittel zu qualifizieren, da ihnen die Arzneimitteleigenschaft im Sinne des Arzneimittelgesetzes (AMG) fehlt (vgl. BSG 03.07.2012, B 1 KR 23/11 R, BSGE 111, 155, juris Rn. 12), seit sie zur Anwendung am menschlichen Körper aus dem Katalog der Geltungsarzneimittel des § 2 Abs. 2 AMG gestrichen worden sind (zum 01.01.1995, vgl. § 51 Nr. 1a cc i.V.m. § 60 Abs. 2 Medizinproduktegesetz [MPG] i.d.F. vom 02.08.1994, BGBl. I 1963) und nunmehr der Regulierung durch die Verordnung (EU) 2017/745 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 05.04.2017 über Medizinprodukte, zur Änderung der Richtlinie 2001/83/EG, der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 und der Verordnung (EG) Nr. 1223/2009 und zur Aufhebung der Richtlinien 90/385/EWG und 93/42/EWG des Rates (ABl. L 117 vom 05.05.2017, S. 1) unterliegen. Eine eigenständige Regelung der Beziehungen der Krankenkassen zu den sonstigen Leistungserbringern von Verbandmitteln findet sich im 4. Kapitel des SGB V nicht. Das BSG betont in seiner Entscheidung vom 30.11.2023 (a.a.O. Rn. 15) den numerus clausus möglicher Vertragsarten, nach denen „abschließend die Rechtsbeziehungen der Krankenkassen und ihrer Verbände“ u.a. zu „Apotheken sowie sonstigen Leistungserbringern und ihren Verbänden“ zu regeln seien (vgl. § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB V). Hiernach bestimme sich in Abhängigkeit entweder vom Status des Leistungserbringers als Vertragsarzt oder Krankenhaus (vgl. §§ 72, 73, 95 sowie §§ 107, 108 SGB V), von Status und abgegebener Leistung wie für Apotheken bei der Abgabe von Arzneimitteln (vgl. § 129 SGB V „Rahmenvertrag über die Arzneimittelversorgung“) oder nur von der Leistung abschließend, nach welchen Maßgaben Krankenkasse und Leistungserbringer in Bezug auf die jeweilige Versorgung ihre Leistungsbeziehungen nur ordnen könnten und welchen Vorgaben ein Leistungserbringer bei der Einbeziehung in die betroffene Versorgung jeweils bereichsspezifisch zu genügen habe (BSG a.a.O. Rn. 15). Ob hieraus bereits - wie von der Antragstellerin behauptet wird - zu schlussfolgern ist, dass die Beziehungen zu sonstigen Leistungserbringern, die keine Apotheken sind und für die keine eigenständige Regelung in den §§ 132 ff. SGB V („Beziehungen zu sonstigen Leistungserbringern“) getroffen wurde, zwangsläufig unter die Regelungen des 6. Abschnitts des 4. Kapitels des SGB V („Beziehungen zu Leistungserbringern von Hilfsmitteln“) fallen müssen, vermag der Senat derzeit nicht abschließend zu beurteilen, zumal § 131 Abs. 4 Satz 3 SGB V, mithin eine Regelung aus dem 7. Abschnitt des 4. Kapitels des SGB V („Beziehungen zu Apotheken und pharmazeutischen Unternehmern“), explizit auch für sonstige Hersteller von Verbandmitteln Datenübermittlungspflichten regelt, was für eine Anwendung der §§ 129 ff. SGB V auch auf Verbandmittel sprechen könnte.
Diese Fragen können im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes jedoch offenbleiben, da die Antragstellerin bereits keinen konkreten erheblichen Nachteil benennen kann, welcher bei Nichtaufnahme von Vertragsverhandlungen drohen würde, da diese ergebnisoffen geführt würden und vom Verhandlungsgeschick der Beteiligten abhängig wären, so dass die für den einstweiligen Rechtsschutz notwendige Nachteilsschwere von vornherein fehlt (so auch Hessisches LSG 20.06.2005, L 7 SO 2/05 R, juris Rn. 38). Hierauf verweist die Antragstellerin auch selbst, indem sie ausführt, der von ihr geltend gemachte Verhandlungsanspruch führe nicht zwingend zu einer höheren Vergütung als im aktuellen Open-House-Vertrag. Ein Anspruch auf Abschluss eines Versorgungsvertrages bestimmten Inhaltes besteht gerade nicht (vgl. z.B. BSG 10.03.2010, B 3 KR 26/08 R, juris Rn. 21). Vorliegend ist die Antragstellerin nicht vom Markt ausgeschlossen, sondern kann die von ihr hergestellten Verbandmittel zu den Konditionen des Open-House-Vertrages, dem sie beigetreten ist, abrechnen. Lediglich bezüglich einer etwaigen Mehrvergütung in unbekannter Höhe wäre sie auf eine nachträgliche Geltendmachung verwiesen. Versorgungsverträge können jedoch auch noch rückwirkend (ggfs. über ein Schiedsverfahren) abgeschlossen werden, weil derartige Verträge nicht statusbegründend sind (BSG 29.06.2017, B 3 KR 31/15 R, juris; LSG Baden-Württemberg 18.08.2021, L 5 KR 2044/19, juris Rn. 35).
Einer rechtswahrenden Überprüfung der aufgeworfenen Rechtsfragen im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens bedarf es daher nicht, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen war.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO.
3. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).