L 11 EG 272/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
11.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 9 EG 1851/20
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 EG 272/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Bei der Berechnung des Elterngeldes sind solche Einnahmen nicht zu berücksichtigen, die im Lohnsteuerabzugsverfahrens nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als „sonstige Bezüge" behandelt werden. Für die Abgrenzung zwischen „laufendem Arbeitslohn" und „sonstigen Bezügen" ist allein auf das formelle und materielle Steuerrecht abzustellen.

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15.12.2022 abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin 55% ihrer außergerichtlichen Kosten des Verfahrens in erster Instanz, jedoch keine Kosten in zweiter Instanz zu erstatten.



Tatbestand

Die Beteiligten streiten über höheres Elterngeld.

Die 1986 geborene Klägerin ist verheiratet und als medizinisch-technische Angestellte bei der Universitätsklinik F1 beschäftigt. Unter dem 11.10.2019 beantragte sie unter Beifügung der Arbeitgeberbescheinigung und der Verdienstabrechnungen der Monate Juli 2018 bis Juni 2019 Elterngeld für den 1. bis 12. Lebensmonat ihres am 02.09.2019 geborenen Kindes N2. Bereits dabei wies die Klägerin darauf hin, dass ihr Arbeitgeber zusätzliche Dienste immer zeitversetzt zwei Monate später abrechne. Dadurch seien eigentliche Nachzahlungen des Vorjahres (also für November und Dezember 2018) erst im neuen Jahr nachgezahlt und fälschlich als Einmalzahlungen deklariert worden. Vor November 2018 und nach Februar 2019 seien die Zahlungen wieder korrekt als laufendes Steuerbrutto deklariert worden. Sie bitte daher darum, die falsch bezeichneten Zahlungen in Höhe von ca. 4.000 € bei der Elterngeldberechnung zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom 04.11.2019 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20.12.2019 und 20.01.2020 bewilligte die Beklagte der Klägerin unter Zugrundelegung eines vorgeburtlichen Einkommens von 39.728,16 € Basiselterngeld für den 2. Lebensmonat des Kindes i.H.v. 196,23 € sowie für den 3. bis 12. Lebensmonat i.H.v. monatlich 1.520,79 €. Dem dagegen mit Schreiben vom 20.02.2020 erhobenen Widerspruch half die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 23.03.2020 insoweit ab, als sie das Elterngeld unter Zugrundelegung eines vorgeburtlichen Einkommens von 40.015,39 € für den 2. Lebensmonat des Kindes auf 197,70 € und für die nachfolgenden Lebensmonate auf 1.532,16 € erhöhte. Mit Widerspruchsbescheid vom 04.05.2020 wies die Beklagte den Widerspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie u.a. aus, bei der Elterngeldberechnung nicht berücksichtigt würden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln seien. Grundlage der Einkommensermittlung seien die entsprechenden monatlichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers, deren Richtigkeit und Vollständigkeit vermutet werde. Sonstiger Bezug sei der Arbeitslohn, der nicht als laufender Lohn gezahlt werde. Eine bestandskräftig gewordene Lohnsteueranmeldung binde die Beteiligten des Elterngeldverfahrens. Die Elterngeldstellen hätten demzufolge die Einordnung von Lohnbestandteilen materiell-rechtlich nicht mehr zu prüfen, sondern ihren Entscheidungen zugrunde zu legen. Laut den vorgelegten Einkommensnachweisen habe die Klägerin Entgeltbestandteile erhalten, die ihr Arbeitgeber im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt habe. Diese Bezüge seien damit für die Bemessung des Elterngeldes nicht als Einnahmen zu berücksichtigen. Hierbei sei es unerheblich, ob diese Zahlungen feste vertragliche Bestandteile des Arbeitslohnes der Klägerin seien. Soweit im Bescheid vom 20.01.2020 von unzutreffenden durchschnittlichen Einkünften i.H.v. 3.310,68 € ausgegangen worden sei, sei dies mit Änderungsbescheid vom 23.03.2020 berichtigt worden. Die Zahlungen für Mai und Juni 2019, die im Juli und August 2019 ausgezahlt worden seien, könnten nicht berücksichtigt werden, weil sie außerhalb des Bemessungszeitraums zugeflossen seien. Im Bemessungszeitraum errechne sich nach Abzug pauschalierter Steuern und Sozialabgaben ein elterngeldrelevantes Einkommen vor Geburt i.H.v. 2.357,17 €.

Dagegen hat die Klägerin am 02.06.2020 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben.

Während des Klageverfahrens hat die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 12.07.2021 im Januar und Februar 2019 erarbeitete und im März und April 2019 ausbezahlte Zeitzuschläge in Höhe von insgesamt 2.580,40 € berücksichtigt und der Klägerin Elterngeld i.H.v. 207,86 € im 2. Lebensmonat und 1.610,91 € monatlich für den 3. bis 12. Lebensmonat gewährt (zugrunde gelegtes vorgeburtliches Einkommen: 43.595,75 €).

Zur Begründung der Klage hat die Klägerin vorgetragen, sie begehre nunmehr noch die Berücksichtigung von in den Monaten November und Dezember 2018 erarbeiteten Zeitzuschlägen in Höhe von insgesamt 3.135,80 €, die im Januar, Februar, März und April 2019 jeweils zum Zahltag (Monatsletzter) ausgezahlt worden seien. Im Einzelnen handele es sich dabei um folgende Beträge: 1.152,70 € (ausgezahlt im Januar 2019, erarbeitet im November 2018), 201,38 € (ausgezahlt im Februar 2019, erarbeitet im Dezember 2018), 85,76 € bzw. 1.007,76 € (ausgezahlt im März 2019, erarbeitet im November 2018 bzw. Dezember 2018), 688,20 € (ausgezahlt im April 2019, erarbeitet im Dezember 2018). Ausweislich eines vorgelegten Schreibens des Herrn N1 (Abteilung Personalabrechnung der Universitätsklinik F1) vom 10.05.2022 handele es sich dabei um sog. unständige Bezüge, die erst am Zahltag des zweiten Kalendermonats, der auf ihre Entstehung folgt, fällig würden. Zudem, so Herr N1, komme es in Ausnahmefällen aus verwaltungstechnischen Gründen auch noch zu einer Verzögerung bei der Auszahlung. § 17 der auszugsweise ebenfalls vorgelegten Tarifvereinbarung der Universitätsklinika B1. Stand Juni 2021, bestimme Abs. 1 Satz 3: „Entgeltbestandteile, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind (unständige Bezüge), sind am Zahltag des zweiten Kalendermonats, der auf ihre Entstehung folgt, fällig.“ Die Klägerin hat weiter vorgetragen, die streitgegenständlichen Zeitbezüge seien erhebliche Entgeltbestandteile und damit prägende vorgeburtliche Einnahmen. Allein aus der Höhe dieser Einnahmen werde ersichtlich, dass ein Großteil des tatsächlichen Gehalts sich gerade aus derartigen Zuschlägen zusammensetze. Eine Nichtberücksichtigung widerspreche Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung. Auch hätten weder der Gesetzgeber noch das Bundessozialgericht (BSG) mit seiner Rechtsprechung beabsichtigt, eine Entscheidung für Fälle wie den Vorliegenden zu treffen. Es müsse zwingend eine Einzelfallbetrachtung unter Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten dieses konkreten Falles erfolgen. Zudem folge aus Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG), dass jegliche gesetzgeberische Differenzierung einer Rechtfertigung durch Sachgründe bedürfe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sei. Insoweit erkläre sich im vorliegenden Fall nicht, warum in einem Monat eine Vergütung von Überstunden und Mehrarbeitszuschlägen bei der Elterngeldberechnung Berücksichtigung finde, in einem anderen Monat aber nicht.

Die Beklagte ist der Klage - nach Erlass des Änderungsbescheids vom 12.07.2021 - im Übrigen entgegengetreten. Bei den erst zwischen Ende Januar und April 2019 ausbezahlten Zeitzuschlägen in Höhe von insgesamt 3.185,80 € handele es sich nicht nur gemäß den Gehaltsabrechnungen („Steuerbrutto, EZ“) und der Arbeitgeberbescheinigung vom 14.01.2020, sondern auch steuerrechtlich um „sonstige Bezüge“ nach den Lohnsteuerrichtlinien 2015 (LStR 2015, hier: R 39b.2 Abs. 2 Nr. 8). Danach sei ein sonstiger Bezug der Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt werde. Zu den sonstigen Bezügen gehörten dabei insbesondere einmalige Arbeitslohnzahlungen, die neben dem laufenden Arbeitslohn gezahlt würden; Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume beziehe, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung endeten. Nachzahlungen lägen danach auch vor, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließe. Dies treffe hier für die gesamten noch streitigen Zahlungen zu. Als sonstige Bezüge seien diese gemäß § 2c Abs. 1 Satz 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) eltern-­­­‌geld­rechtlich ausdrücklich nicht zu berücksichtigen.

Mit Urteil vom 15.12.2022 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 04.11.2019 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20.12.2019, 20.01.2020, 23.03.2020 und 12.07.2021 sowie des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2020 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin Basiselterngeld für den 2. bis 12. Lebensmonat des Kindes N2 unter Berücksichtigung weiterer 1.354,08 € als Einkommen im Bemessungszeitraum vor der Geburt zu gewähren. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe der Klägerin zudem 69% ihrer außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, die Klage sei teilweise begründet. § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG bestimme, dass bei der Elterngeldberechnung solche Einnahmen nicht berücksichtigt würden, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln seien. Entgegen der noch im Widerspruchsbescheid von der Beklagten vertretenen, auf älterer Rechtsprechung des BSG basierenden Rechtsauffassung seien die hier noch streitigen Entgeltbestandteile nicht bereits deshalb von der Berücksichtigung ausgeschlossen, weil der Arbeitgeber der Klägerin diese im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt habe und die Lohnsteueranmeldungen nicht angefochten worden seien. Denn entweder habe inzwischen ein Einkommensteuerbescheid für die fraglichen Zeiträume die Bindungswirkung der Lohnsteueranmeldung des Arbeitgebers für die Bemessung des Elterngelds beseitigt, oder ein solcher sei (noch) nicht ergangen; in beiden Fällen habe die Elterngeldbehörde bzw. das Sozialgericht bei greifbaren Anhaltspunkten für die Unrichtigkeit der Lohn- und Gehaltsbescheinigung zu prüfen, ob eine Einnahme als laufender Arbeitslohn oder sonstiger Bezug zu behandeln sei (Verweis u.a. auf BSG 25.06.2020, B 10 EG 3/19 R, juris Rn. 47ff.). Derartige greifbare Anhaltspunkte lägen hier in Gestalt des klägerischen Vortrags im Klageverfahren vor. Für die danach zu entscheidende Frage, ob ein Einkommensbestandteil materiell ein sonstiger Bezug i.S.v. § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG sei, komme es nach der ständigen Rechtsprechung des BSG, der die Kammer insoweit folge, allein auf die einschlägige lohnsteuerrechtliche Begriffsbestimmung an (Verweis u.a. auf BSG 25.06.2020 a.a.O. Rn. 20 ff.). Danach stellten sonstige Bezüge solche Entgeltbestandteile dar, deren Zahlungszeiträume von dem als Regel vorgesehenen Zahlungsturnus für Arbeitslohn nicht nur unerheblich abwichen. Maßgeblich sei die Abweichung von dem Lohnzahlungszeitraum, den die Vertragsparteien arbeitsrechtlich zugrunde gelegt hätten. Zahlungen, die davon abweichend in anderen Zeitintervallen erfolgten, seien als sonstige Bezüge anzusehen, selbst wenn es sich dabei ihrerseits um gleichbleibende Intervalle handle. Sei also für die Zahlung des Grundgehalts - wie bei der Klägerin - ein monatlicher Zahlungszeitraum vereinbart, sei auch bei anderen Entgeltbestandteilen eine lückenlose monatliche Zahlung im Bemessungszeitraum erforderlich, um diese als laufenden Arbeitslohn betrachten zu können. Ausgehend von diesen Definitionen des laufenden Arbeitslohns und der sonstigen Bezüge stellten die in diesem Verfahren streitgegenständlichen Zeitbezüge bzw. unständigen Bezüge grundsätzlich laufenden Arbeitslohn dar. Denn sie seien durchgehend im gesamten Bemessungszeitraum ebenso wie das Grundgehalt monatlich gezahlt worden. Dass die Zeitbezüge, anders als das Grundgehalt, erstens (ihrem Charakter als unständige Bezüge entsprechend) in schwankender Höhe und zweitens nicht nachschüssig für den laufenden Kalendermonat am Monatsletzten (Zahltag), sondern erst am Zahltag des zweiten Kalendermonats, der auf ihre Entstehung folge, fällig (und in der Regel ausgezahlt) würden, ändere daran nichts. Denn weder schwankende Höhe noch verschobene Fälligkeit stünden dem Charakter monatlich geschuldeter und gezahlter Bezüge als laufender Arbeitslohn entgegen (Verweis u.a. auf BSG 25.06.2020 a.a.O. Rn. 25f.). Dies entspreche im Übrigen auch R 39b.2 Abs. 1 Nr. 3 der LStR 2015, wonach insbesondere Mehrarbeitsvergütungen - die typischerweise der Höhe nach schwankten und aus abrechnungstechnischen Gründen häufig zeitversetzt ausgezahlt würden -laufenden Arbeitslohn darstellten. Auch handle es sich gerade bei den hier streitbefangenen Zahlungen sachlich um Mehrarbeitszuschläge. Für die hier zuletzt noch streitigen Zeitbezüge aus der Zeit um den Jahreswechsel 2018/19 meine die Beklagte, aus R 39b.2 Abs. 2 Nr. 8 LStR 2015 ein hiervon abweichendes Ergebnis ableiten zu können, da sie im Kalenderjahr 2018 erarbeitet, aber erst später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres im Kalenderjahr 2019 ausgezahlt worden seien. Nach R 39b.2 Abs. 2 Nr. 8 LStR 2015 gehörten zu den sonstigen Bezügen tatsächlich „insbesondere Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden, oder, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt.“ Die alternativen Voraussetzungen, dass „sich der Gesamtbetrag (...) auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden“ oder „Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt“ seien dabei hier auch offenkundig erfüllt. Allerdings setzten beide Varianten von R 39b.2 Abs. 2 Nr. 8 LStR 2015 - anders als noch R 115 Abs. 2 S. 2 Nr. 8 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 2005 (LStR 2005) - tatbestandlich darüber hinaus voraus, dass es sich bei dem zu beurteilenden Zufluss um eine Nachzahlung handeln müsse. R 115 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 S. 2 LStR 2005 habe gelautet: „Nachzahlungen liegen auch vor, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt.“ Hierdurch sei ausdrücklich definiert worden, dass jedweder Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließe, eine Nachzahlung i.S.d. LStR 2005 darstelle. Demgegenüber bestimme R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR 2015 nunmehr: „Zu den sonstigen Bezügen gehören insbesondere einmalige Arbeitslohnzahlungen, die neben dem laufenden Arbeitslohn gezahlt werden, z.B.: (...) 8. Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume beziehe, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden, oder, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt“. Indem das Tatbestandsmerkmal „Nachzahlungen und Vorauszahlungen“ vor die beiden mit „wenn“ beginnenden konditionalen Nebensätze gestellt (also gleichsam „vor die Klammer gezogen“) worden sei, beziehe es sich nunmehr auf beide Tatbestandsvarianten. Auch bei Tatbestandsvariante 2 (Zufluss später als 3 Wochen nach Jahresablauf) müsse es sich also bei der fraglichen Zahlung um eine Nachzahlung handeln, wobei dieser Begriff von den LStR 2015 vorausgesetzt (und nicht mehr, wie noch in den LStR 2005, durch Satz 2 bzw. Variante 2 definiert) werde. Allein ein Zuflusszeitpunkt für einen Lohnzahlungszeitraum des abgelaufenen Kalenderjahres nach Ablauf der 3-Wochen-Frist mache ansonsten laufenden Arbeitslohn also nicht mehr zur Nachzahlung; seine Einstufung als sonstiger Bezug nach R 39b.2 Abs. 2 S.2 Nr. 8 setze vielmehr seinen gesondert festzustellenden Charakter als Nachzahlung kumulativ zum Ablauf der 3-Wochen-Frist voraus. Auf diese Wortlautänderung der LStR gehe das BSG nicht ein, wenn es unter Bezugnahme auf seine eigene, noch zu den (nur vermeintlich) „wortgleichen“ LStR 2005 ergangene Rechtsprechung (Verweis auf BSG 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R) postuliere, dass (unabhängig vom Nachzahlungscharakter) „Lohnabrechnungen, die sich auf den Lohnzahlungszeitraum Dezember beziehen und vom Arbeitgeber erst im Januar des Folgejahres vorgenommen werden, (...) lohnsteuerrechtlich nur dann noch dem Dezember (Lohnzahlungszeitraum) als laufender Arbeitslohn zuzuordnen sind, wenn sie innerhalb der ersten drei Wochen des Januars erfolgen“, andernfalls aber zu einem sonstigen Bezug würden (Verweis auf BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, juris Rn. 31). Auch die vom BSG dort (a.a.O.) zitierten finanzgerichtlichen Entscheidungen trügen diese Schlussfolgerung nicht, denn der Charakter der dort zu beurteilenden Einkünfte als Nachzahlungen (und damit als sonstige Bezüge) werde nicht mit deren Zufluss nach Ablauf der 3-Wochen-Frist begründet, sondern sei aus anderen Gründen unzweifelhaft (Nachzahlung aufgrund vorzeitiger Beendigung einer Altersteilzeit bzw. Verzögerung einer ersten Gehaltszahlung über den Fälligkeitszeitpunkt hinaus aufgrund von Programmanweisungen). Vielmehr ergebe sich umgekehrt aus dem Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH), dass §§ 38a Abs. 1 Satz 2, 39b Abs. 5 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) entgegen dem Verständnis des BSG („Denn die Drei-Wochen-Frist-Regelung ist unabhängig davon im EStG normativ angelegt“, a.a.O. Rn. 30) gerade nicht die Anwendung der 3-Wochen-Frist als alleiniges Abgrenzungskriterium laufenden Arbeitslohns und sonstiger Bezüge rechtfertigten: Denn, so der BFH, „nur für laufenden Arbeitslohn i.S. des § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG, aber nicht bei sonstigen Bezügen“ stelle sich überhaupt die Frage nach der analogen Anwendung der Frist aus § 39b Abs. 5 Satz 2 EStG (Verweis auf BFH 15.12.2011, Az. VI R 26/11, juris Rn. 17). Eine Konstellation, in der die Frage einer solchen Analogie aufgeworfen werde, setze aber logisch voraus, dass laufender Arbeitslohn für einen im Vorjahr abgelaufenen Lohnzahlungszeitraum im Folgejahr auch noch nach Ablauf der 3-Wochen-Frist als solcher zufließen könne und nicht schon allein aufgrund des Fristablaufs zu einem sonstigen Bezug werde. Denn in diesem Falle käme § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG zur Anwendung, bei dem das ggf. durch Analogie zu § 39b Abs. 5 Satz 2 EStG zu lösende Fristproblem von vornherein nicht bestehe. Weiter zwängen auch nicht etwa steuerrechtliche und -praktische Bedürfnisse zu einer solchen Grenzziehung, bejahe die herrschende Meinung in der Literatur zum EStG doch gerade für derartige Fälle eine analoge Anwendung von § 39b Abs. 5 Satz 2 EStG. Die Tatbestandsvoraussetzung Nachzahlung werde nach all dem weder im EStG noch in den LStR 2015 definiert. Nach umgangssprachlichem Verständnis, das sich auch in der steuerrechtlichen Literatur widerspiegle, setze eine Nachzahlung voraus, dass das Gehalt - aus welchen Gründen auch immer - rückwirkend erhöht oder bei Fälligkeit nicht in voller Höhe ausgezahlt worden sei. Einen dieser Tatbestände erfüllten - soweit ersichtlich - auch alle Sachverhalte, die in der veröffentlichten finanz- und sozialgerichtlichen Rechtsprechung unter R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR 2015 subsumiert würden. Dementsprechend handele es sich bei Bezügen der hier streitigen Art, die regelmäßig monatlich fällig würden, wenn auch um zwei Monate gegenüber dem Lohnzahlungszeitraum verschoben, nur dann um Nachzahlungen, wenn sie rückwirkend erhöht oder später als bei Fälligkeit ausgezahlt würden. Handele es sich nicht um Nachzahlungen in diesem Sinne, so stellten sie auch dann laufenden Arbeitslohn und nicht etwa sonstige Bezüge dar, wenn sie nach Ablauf der 3-Wochen-Frist in dem nach Ablauf des Lohnzahlungszeitraums folgenden Kalenderjahr zuflössen. Diese Auslegung trage auch dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung. Würde eine pünktlich bei Fälligkeit erfolgende Zahlung allein wegen Ablaufs der 3-Wochen-Frist trotz arbeitsrechtlicher „Rechtzeitigkeit“ Gehaltsbestandteile zu sonstigen Bezügen machen, würde hieraus eine doppelte gesetzgeberische Ungleichbehandlung bei der Elterngeldberechnung resultieren. Es würden erstens Beschäftigte, die Gehaltsbestandteile mit verschobener Fälligkeit bezögen - was typischerweise in Branchen mit Mehrarbeitszuschlägen wie z.B. dem Gesundheitswesen der Fall sei - anders behandelt als Beschäftigte ohne derartige Gehaltsbestandteile. Ungleich behandelt würden zweitens innerhalb der erstgenannten Beschäftigtengruppe diejenigen, bei denen sich ein Bemessungs- oder Bezugszeitraum über Zeiträume erstrecke, in denen derartige Gehaltsbestandteile für Vorjahresmonate außerhalb der 3-Wochen-Frist zuflössen gegenüber denjenigen, bei denen dies nicht der Fall sei, was regelmäßig von Zufällen - insbesondere dem Geburtsdatum, eventuellen Verschiebungstatbeständen gemäß § 2b Abs. 1 Satz 2 bis 5 BEEG und dem gewählten Bezugszeitraum - abhinge. Diese Ungleichbehandlungen würden durch die von der Beklagten angeführten Erfordernisse der Massenverwaltung weder gerechtfertigt, noch seien sie deshalb erforderlich. Zwar resultierten aus der normativen Anbindung der Elterngeldberechnung an das Lohnsteuerrecht, konkret den Ausschluss sonstiger Bezüge, gewisse Ungleichbehandlungen, die durch die damit verfolgten gesetzgeberischen Zwecke - Vermeidung von Zufallsergebnissen und insbesondere Verwaltungsvereinfachung - verfassungsrechtlich gerechtfertigt seien (Verweis auf BSG 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R, Rn. 40 ff.; B 10 EG 7/17 R, Rn. 39ff.). Eine materielle Prüfung der lohnsteuerrechtlichen Vorgaben bei der Elterngeldberechnung sei unter den vom BSG im Urteil vom 25.06.2020 (B 10 EG 3/19 R, Rn. 47ff.) definierten Voraussetzungen aber gerade zur Verwirklichung der Steuerrechtsakzessorietät vorgesehen. Bei der hier vorzunehmenden Auslegung lohnsteuerrechtlicher Be­stimmungen sei der allgemeine Gleichheitssatz als Auslegungsgesichtspunkt zu berücksichtigen und nicht etwa im Interesse der Verwaltungsvereinfachung zu ignorieren. Ausgehend hiervon stelle die Kammer fest, dass von den hier noch streitigen Bezügen die jeweils bei Fälligkeit ausgezahlten Zahlungen in Höhe von 1.152,70 € (ausgezahlt im Januar 2019, erarbeitet im November 2018) und 201,38 € (ausgezahlt im Februar 2019, erarbeitet im Dezember 2018) laufender Arbeitslohn seien, insgesamt mithin 1.354,08 €. Dagegen handle es sich bei den Zahlungen in Höhe von 85,76 € bzw. 1.007,76 € (ausgezahlt im März 2019, erarbeitet im November 2018 bzw. Dezember 2018) und 688,20 € (ausgezahlt im April 2019, erarbeitet im Dezember 2018) um Nachzahlungen, denn sie seien nicht bei Fälligkeit, sondern erst später ausgezahlt worden. Sie seien daher nach Maßgabe von R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 Var. 2 LStR 2015 materiell zutreffend als sonstige Bezüge behandelt worden.

Gegen das Urteil haben die Beklagte am 18.01.2023 und die Klägerin am 23.01.2023 unter dem Aktenzeichen L 11 EG 195/23 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Nachdem die Berichterstatterin des Senats die Beteiligten im Erörterungstermin am 11.07.2023 darauf hingewiesen hat, dass die Berufung der Klägerin, die die Zahlung weiteren Elterngeldes von insgesamt 534,53 € begehrte, als auch die Berufung der Beklagten, welche sich gegen die Verurteilung zur Zahlung weiteren Elterngeldes in Höhe von insgesamt 408,40 € wandte, jeweils wegen Nichterreichens der Berufungssumme von 750,00 € (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) unzulässig sein dürfte, haben die Beteiligten die Berufung jeweils zurückgenommen.

Am 16.11.2023 hat die Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde beim LSG Baden-Württemberg (L 11 EG 3215/23 NZB) eingelegt. Mit Beschluss vom 22.01.2024 hat der Senat die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15.12.2022 zugelassen, welche unter dem hiesigen Aktenzeichen fortgeführt wurde.

Zur Begründung der Berufung hat die Beklagte vorgetragen, dass es sich bei den erst Ende Januar und Februar 2019 für November und Dezember 2018 an die Klägerin ausgezahlten Zeitzuschlägen (unständige Bezüge) i.H.v. insgesamt 1.354,08 € um Nachzahlungen i.S.v. LStR R 39b.2 Abs. 2 Nr. 8 handele, sei bereits den Bestimmungen des EStG selbst zu entnehmen. Denn die Drei-Wochen-Frist-Regelung, die laufenden Jahreslohn des vorangegangenen Kalenderjahres zu sonstigen Bezügen werden lasse, sei bereits im EStG selbst normativ angelegt. Die auf laufenden Arbeitslohn entrichtete Einkommensteuer sei Jahreslohnsteuer. Die Jahreslohnsteuer bemesse sich gemäß § 38a Abs. 1 Satz 1 EStG nach dem Arbeitslohn, den der Arbeitnehmer im Kalenderjahr beziehe (Jahresarbeitslohn). Nach Satz 2 der Bestimmung gelte laufender Arbeitslohn in dem Kalenderjahr als bezogen, in dem der Lohnzahlungszeitraum ende, in den Fällen des § 39b Abs. 5 Satz 1 EStG trete der Lohnabrechnungszeitraum an die Stelle des Lohnzahlungszeitraums. Danach könne der Arbeitgeber den monatlichen Lohnzahlungszeitraum durch den Lohnabrechnungszeitraum ersetzen, so dass die Lohnsteuer erst bei der Lohnabrechnung abzuziehen sei. Der Lohnzahlungszeitraum für laufenden Arbeitslohn sei nach § 39b Abs. 2 und 5 EStG sowie LStR R 39b.5 und LStH H 39b.5 regelmäßig identisch mit dem Lohnabrechnungszeitraum. Der Arbeitgeber habe die Lohnsteuer dabei grundsätzlich bei jeder Zahlung von Arbeitslohn, d.h. in der Regel monatlich, einzubehalten. Für die Einbehaltung der Lohnsteuer vom laufenden Arbeitslohn habe er die Höhe des laufenden Arbeitslohns im (monatlichen) Lohnzahlungszeitraum festzustellen. Deshalb sei für die Einbehaltung und Abführung der Lohnsteuer grundsätzlich der Lohnzahlungszeitraum und nicht der Lohnabrechnungszeitraum maßgeblich. Eine Ausnahme gelte nach § 39b Abs. 5 Satz 1 EStG beim laufenden Arbeitslohn nur für Abschlagszahlungen. Um solche Abschlagszahlungen handle es sich jedoch nicht bei den jeweils zwei Monate versetzt an die Klägerin ausgezahlten Zeitzuschlägen, denn diese würden selbst nicht, etwa durch eine Quartalsabrechnung, nachträglich erhöht. Das Urteil des SG ließe auch die einschlägigen elterngeldrechtlichen Bestimmungen unberücksichtigt. Gemäß § 2c Abs. 2 Satz 1 BEEG seien Grundlage der Ermittlung der Einnahmen die Angaben in den für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers. Die vom SG berücksichtigten Zeitzuschläge für November 2018 i.H.v. 1.152,70 € sowie für Dezember 2018 i.H.v. 201,38 € seien jeweils unter dem „Steuerbrutto EZ“ ausgewiesen. Gemäß § 2c Abs. 2 Satz 2 BEEG werde die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen vermutet. Daran zu zweifeln, habe für die Beklagte auch kein Anlass bestanden, nachdem das Universitätsklinikum als Arbeitgeber der Klägerin mit Schreiben vom 14.01.2020 die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben, insbesondere den Nachzahlungscharakter der Zeitzuschläge für November und Dezember 2018 sowie deren Auszahlung als sonstige Bezüge ausdrücklich bestätigt habe. So habe dieses in seinem Schreiben vom 14.01.2020 zum Thema „Steuerliche Behandlung Ihrer nachgezahlten Zeitzuschläge“ ausdrücklich festgestellt, dass die Zeitzuschläge bei der Abrechnung, in der sie ausgezahlt würden, in den jeweiligen Entstehungsmonat zurückgerechnet würden. Wörtlich heiße es darin weiter: „Sollte eine Nachzahlung von Zeitzuschlägen aus dem Vorjahr stattfinden, müssen diese aus steuerrechtlichen Gründen als „Einmalzahlung“ versteuert werden, sie gelten laut der Entgeltabrechnung somit nicht als „laufendes steuerpflichtiges Einkommen“. Sollten in einem Monat, in dem Einmalzahlungen aus dem alten Jahr erfolgen, weitere Nachzahlungen in Form von Zeitzuschlägen erfolgen, werden diese aus steuerrechtlichen Gründen ebenfalls als Einmalzahlung versteuert.“ Eine Korrektur der Gehaltsabrechnungen von Januar bis April 2019 sei von der Klägerin auch weder beantragt noch sei eine solche innerhalb von drei Monaten vorgenommen worden. Dass es sich auch bei laufendem Arbeitslohn, der später als drei Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem er erarbeitet worden sei, um eine Nachzahlung im Sinne von LStR R 39b.2 Abs. 2 Nr. 8 handele, ergebe sich eindeutig auch aus der LStR 2015 R 39b.2 Abs. 1 Nr. 6 und 7. Danach sei laufender Arbeitslohn der Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließe, insbesondere Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume bezögen, die im Kalenderjahr der Zahlung endeten (Nr. 6) oder Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließe (Nr. 7). Da der Begriff „Sonstiger Bezug“ im EStG nicht näher definiert sei, könne er im Umkehrschluss dem Begriff des laufenden Arbeitslohns entnommen werden. Im Wege des Umkehrschlusses aus LStR 2015 R 39b.2 Abs. 1 Nr. 6 und 7 ergebe sich danach eindeutig, dass auch laufender Arbeitslohn, der für das abgelaufene Kalenderjahr bezahlt werde, sonstiger Bezug sei, wenn er nicht innerhalb der ersten drei Wochen des folgenden Kalenderjahres ausgezahlt werde. Hieran habe auch die Wortlautänderung in LStR 2015 R 39b.2 Abs. 2 Nr. 8 Satz 2 nichts geändert. Auch ein Ende Januar des Folgejahres ausgezahltes laufendes Gehalt für Dezember des abgelaufenen Kalenderjahres sei erst im Folgejahr zu versteuern. Nichts anderes ergebe sich auch aus der LStÄR 2015 R 39b.5 Abs. 2. Danach sei Lohnzahlungszeitraum der Zeitraum, für den jeweils der laufende Arbeitslohn gezahlt werde. Lohnzahlungszeiträume wären danach hier die Monate November und Dezember 2018. Gemäß LStAR 2015 R 39b.5 Abs. 4 wäre eine Nachzahlung, wenn sie laufenden Arbeitslohn darstelle, für die Berechnung der Lohnsteuer zwar den Lohnzahlungszeiträumen zuzurechnen, für die sie geleistet werde. Jedoch bestünden keine Bedenken, auch solche Nachzahlungen als sonstige Bezüge gemäß R 39b.6 zu behandeln, wenn nicht der Arbeitnehmer die Besteuerung nach Satz 1 verlange.
Von diesem Recht der Versteuerung als sonstige Bezüge habe der Arbeitgeber aber im Fall der Klägerin nachweislich Gebrauch gemacht. Denn er habe mit seinem Schreiben vom 14.01.20207 nachweislich nicht nur ausdrücklich das Vorliegen von Nachzahlungen bestätigt, sondern auch deren korrekte Versteuerung als sonstige Bezüge und damit insgesamt die Richtigkeit seiner Lohnsteueranmeldung hinsichtlich der im Januar und Februar 2019 ausgezahlten Zeitzuschläge. Ein entsprechendes Verlangen der Klägerin auf Besteuerung als laufender Arbeitslohn gegenüber dem Arbeitgeber liege nicht vor. Wie das SG im Übrigen selbst zutreffend ausgeführt habe, würden die Zeitzuschläge schon aufgrund § 17 Abs. 1 Satz 3 des Tarifvertrags der Universitätskliniken B1 regelmäßig zwei Monate nach der erbrachten Leistung ausgezahlt. Bereits ihrer Natur nach lägen somit stets Nachzahlungen vor. Ebenfalls zutreffend führe das SG weiter aus, dass eine Nachzahlung im umgangssprachlichen Verständnis, das sich auch in der steuerrechtlichen Literatur widerspiegle, voraussetze, dass das Gehalt - aus welchen Gründen auch immer - rückwirkend erhöht oder bei Fälligkeit nicht in voller Höhe ausgezahlt worden sei. Damit stelle es aber selbst klar, dass es bei Anwendung der ersten Alternative gerade nicht auf die Fälligkeit der Zeitzuschläge für November und Dezember 2018 ankomme. Denn für die Berechnung der Lohnsteuer würden als laufender Arbeitslohn geleistete Nachzahlungen den Lohnzahlungszeiträumen zugerechnet, für die sie geleistet würden. Auch habe der Arbeitgeber der Klägerin in seinem Schreiben vom 14.01.2020 ausdrücklich bestätigt, dass die Zeitzuschläge in den jeweiligen Entstehungsmonat zurückgerechnet würden. Im Fall der Klägerin sei danach die erste Alternative für das Vorliegen einer Nachzahlung, nämlich die rückwirkende Erhöhung des Gehalts durch die Rückrechnung der Zeitzuschläge, erfüllt. Die Beklagte habe dementsprechend alle in 2018 im Zeitraum vom 01.07. bis 31.12. erarbeiteten und ausgezahlten Zeitzuschläge als laufenden Arbeitslohn berücksichtigt. Demgegenüber gehe das SG irrtümlich davon aus, dass eine Nachzahlung nur vorläge, wenn die Zeitzuschläge selbst und nicht etwa das Gehalt sich insgesamt rückwirkend erhöht hätte. Im Übrigen sei die Auszahlung der Zeitzuschläge an die Klägerin hier auch keineswegs lückenlos monatlich entsprechend dem laufenden Gehalt erfolgt. Denn nachweislich habe die Klägerin gemäß der Gehaltsabrechnung für August 2018 weder nachgezahlte noch aktuelle Zeitzuschläge erhalten. Nachzahlungen von Arbeitslohn gehörten im Lohnsteuerrecht nur dann zum laufenden Arbeitslohn, wenn sich der Gesamtbetrag der Nachzahlung ausschließlich auf das laufende Kalenderjahr beziehe. Beziehe sich die Nachzahlung oder Teile davon dagegen auf bereits abgelaufene Kalenderjahre, sei dieser Arbeitslohn im Lohnsteuerrecht stets ein sonstiger Bezug. Auch bei Entgelt aus Arbeitszeitguthaben, das steuerrechtlich ebenfalls als Einmalzahlung behandelt werde, werde nicht unterschieden zwischen den im Vorjahr entstandenen und den Anfang des Folgejahres entstandenen Überstunden. Auch liege kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 15.12.2022 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

            die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, bei ihrem ersten Kind T1 habe der Arbeitgeber die über die Jahreswende gezahlten Entgelte für Rufbereitschaft etc. nicht als Einmalzahlung ausgewiesen. Dennoch seien diese erst im neuen Jahr ausbezahlt worden und dies über drei Wochen nach Jahresbeginn. Da die reine Bezeichnung dieses Entgeltanteils und zudem die tarifvertraglich festgelegte verzögerte Auszahlung von Diensten und Zuschlägen durch den Arbeitgeber von ihr nicht zu beeinflussen sei, habe sie davon ausgehen dürfen und müssen, dass die Berücksichtigung dieser Einkünfte bei der Ermittlung der Höhe des Elterngeldes auch beim zweiten Kind vergleichbar gehandhabt werde. Auch müsse die Frage gestellt werden, warum Personen bessergestellt würden, deren Kinder zum Jahresende geboren werden. Dann ergebe sich keine Problematik mit unregelmäßigen Zahlungen über den Jahreswechsel hinweg. In jedem Fall seien gerade auch diese bei ihr angefallenen Zeitbezüge erheblicher Entgeltbestandteil, also Arbeitslohn, seien regelmäßig ausbezahlt worden und damit prägende vorgeburtliche Einnahmen, weshalb eine rein akzessorische Beurteilung anhand der lohnsteuerrechtlichen Bewertungen hier nicht erfolgen dürfe.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Rechtsstreits ohne mündliche Verhandlung erklärt (Bl. 10 und Bl. 12 der Senatsakte).

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Rechtsstreits sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Gerichtsakten der Verfahren L 11 EG 195/23 und L 11 EG 3215/23 NZB sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.


I. Die gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist auch im Übrigen zulässig, nachdem der Senat diese mit Beschluss vom 22.01.2024 zugelassen hat (vgl. § 145 Abs. 4 SGG). Nach Zulassung der Berufung wurde das Beschwerdeverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt, der gesonderten Einlegung einer Berufung durch die Beschwerdeführerin bedurfte es nicht (vgl. § 145 Abs. 5 Satz 1 SGG).

II. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 04.11.2019 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20.12.2019, 20.01.2020, 23.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2020 (§ 95 SGG) in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12.07.2021, mit welchem die Beklagte zuletzt noch ablehnte, der Klägerin höheres Elterngeld unter Berücksichtigung weiteren Einkommens in Höhe von 3.135,80 € zu gewähren. Da die Klägerin nachdem sie ihre Berufung am 11.07.2023 im Erörterungstermin mit der Berichterstatterin zurückgenommen hat, weder eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt noch sich der nunmehr zulässigen Berufung der Beklagten angeschlossen hat, ist vorliegend streitgegenständlich allein noch die Berücksichtigung weiteren Einkommens in Höhe von 1.354,08 € (1.152,70 € im Januar und 201,38 € im Februar 2019), wogegen sich die Beklagte mit ihrer Berufung wendet.

III. Die Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht teilweise stattgegeben. Der Bescheid vom 04.11.2019 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 20.12.2019, 20.01.2020, 23.03.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 04.05.2020 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 12.07.2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Der Klägerin, welche die Grundvoraussetzungen des Anspruchs auf Elterngeld im Zeitraum vom
02.10.2019 bis 01.09.2020 erfüllt (vgl. § 1 BEEG), steht kein höheres Elterngeld zu. Die als sonstige Bezüge im Januar und Februar 2019 (1.152,70 € und 201,38 €) ausgezahlten Zeitzuschläge sind nach den lohnsteuerrechtlichen Vorgaben auch als solche zu behandeln und nicht als laufender Arbeitslohn.

Die Höhe des Elterngelds bemisst sich nach § 2 BEEG i.d.F. vom 27.01.2015 (gültig bis 31.08.2021). Wie § 2 Abs. 1 Satz 1 BEEG insoweit bestimmt, wird Elterngeld i.H.v. 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1.800,00 € monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit erzielt. War das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt - wie hier - höher als 1.200 €, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2,00 €, um die dieses Einkommen aus Erwerbstätigkeit den Betrag von 1.200,00 € überschreitet, auf bis zu 65 Prozent (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Satz 2 BEEG).

Als Bemessungszeitraum hat die Beklagte zutreffend den Zeitraum von
01.07.2018 bis 30.06.2019 herangezogen (vgl. § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG). Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus - hier allein relevanter - nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Lebensmonaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 BEEG hat (§ 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BEEG). § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG i.d.F vom 27.01.2015 (unverändert in der aktuellen Fassung vom 15.02.2021) sah vor, dass solche Einnahmen nicht berücksichtigt wurden, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach den lohnsteuerlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln waren.

Allein die einschlägige lohnsteuerrechtliche Begriffsbestimmung entscheidet darüber, ob ein Einkommensbestandteil als sonstiger Bezug i.S.d. § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG elterngeldrechtlich unbeachtlich ist (st.Rspr., z.B. BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, juris Rn. 21 m.w.N.). Dies ergibt sich aus der Gesetzesentwicklung der Norm (vgl. BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, juris Rn. 22 f.; BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, juris Rn. 19 ff.; BSG 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R, juris Rn. 19 ff.). Danach wollte der Gesetzgeber für die begriffliche Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Bezügen in vollem Umfang und mit bindender Wirkung auf das formelle und materielle Steuerrecht verweisen, wie es das Lohnsteuerabzugsverfahren konkretisiert hat. Wegen des vom BEEG-Gesetzgeber verfolgten steuerakzessorischen Regelungskonzepts ist eine einschränkende Auslegung der Ausschlussklausel des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG i.S. eines elterngeldrechtlich modifizierten lohnsteuerrechtlichen Begriffs der sonstigen Bezüge nicht mehr möglich (vgl. dazu im Einzelnen und zur Verfassungsmäßigkeit der Regelung: BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, juris Rn. 20 ff.; BSG 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R, juris Rn. 21 ff.; zuletzt BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, juris Rn. 24 ff.). Vielmehr ist jeder im Bemessungszeitraum bezogene Einkommensbestandteil, der lohnsteuerrechtlich sonstiger Bezug ist, auch elterngeldrechtlich sonstiger Bezug (BSG 25.06.2020, B 10 EG 3/19 R, juris Rn. 21 - 22). Das BSG hat diesem vom Gesetzgeber gewählten steuerakzessorischen Ansatz bei der Behandlung von sonstigen Bezügen im Elterngeldrecht als verfassungsgemäß erachtet (siehe hierzu ausführlich BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, juris Rn. 39 ff.; BSG 12.02.2020, B 10 EG 11/19 B, juris Rn. 9).

Ist eine Lohn- oder Gehaltsnachzahlung des Arbeitgebers danach als sonstiger Bezug nach § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG zu bewerten, kann er dem Bemessungsentgelt nicht zugeordnet werden, unabhängig davon, für welchen Zeitraum der Arbeitgeber die Nachzahlung schuldet oder der Arbeitnehmer diese „erwirtschaftet“ oder „erarbeitet“ - also „erzielt“ - hat. Für die Anwendung des modifizierten Zuflussprinzips bleibt kein Raum (anders als noch zu § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG i.d.F. des Gesetzes vom 05.12.2006, BSG 30.09.2010, B 10 EG 19/09 R, juris Rn. 22 ff.; BSG 18.08.2011, B 10 EG 5/11 R, juris Rn. 25 ff.). Denn ein als sonstiger Bezug gezahlter und im Bemessungszeitraum zugeflossener Arbeitslohn kann unabhängig von der Frage seiner konkreten zeitlichen Zuordnung bei der Bemessung des Elterngelds nach § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG nicht herangezogen werden. Insoweit ist die Rechtslage anders als bei Gehaltsnachzahlungen, die elterngeldrechtlich als laufender Arbeitslohn einzustufen sind (zur Ersetzung des Begriffs des „Einkommenserzielens“ durch den des „Einkommenshabens“ in § 2 Abs. 1 BEEG i.d.F. des Gesetzes vom 10.09.2012 und der damit verbundenen Maßgeblichkeit des tatsächlichen Zuflusses von laufendem Arbeitslohn aus abhängiger Beschäftigung unter Aufgabe des modifizierten Zuflussprinzips BSG 27.06.2019, B 10 EG 1/18 R, juris; BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, juris Rn. 25).

Die Begriffe laufender Arbeitslohn und sonstige Bezüge werden im EStG nicht legal definiert. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG bestimmt als sonstige Bezüge lediglich Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird. Hieraus abgeleitet sind sonstige Bezüge i.S.d. § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG nach der ständigen Rechtsprechung des BSG unter Berücksichtigung der materiellen lohnsteuerrechtlichen Vorgaben zunächst solche Entgeltbestandteile, deren Zahlungszeiträume von dem als Regel vorgesehenen Zahlungsturnus für Arbeitslohn nicht nur unerheblich abweichen. Maßgeblich ist die Abweichung von dem Lohnzahlungszeitraum, den die Vertragsparteien arbeitsrechtlich zugrunde gelegt haben (stRspr, BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, juris Rn. 35; BSG 08.03.2018, B 10 EG 8/16 R, juris Rn. 35; BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, juris Rn. 31; BSG 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R, juris Rn. 32; BSG 28.01.2019, B 10 EG 11/18 B, juris Rn. 7). Zahlungen, die davon abweichend in anderen Zeitintervallen erfolgen, sind als sonstige Bezüge anzusehen, selbst wenn es sich dabei ihrerseits um gleichbleibende Intervalle handelt (vgl. dazu bereits BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, Rn. 32; BSG 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R, juris Rn. 33). Ist also z.B. für die Zahlung eines Grundgehalts ein monatlicher Zahlungszeitraum vereinbart, ist auch bei anderen Entgeltbestandteilen eine lückenlose monatliche Zahlung im Bemessungszeitraum erforderlich, um diese als laufenden Arbeitslohn betrachten zu können.

Vorliegend ist dem SG zuzugeben, dass es sich bei den ausgezahlten Zeitzuschlägen nicht bereits deshalb um sonstige Bezüge handelt, weil deren Zahlungszeitraum vom dem als Regel vorgesehenen Zahlungsturnus für Arbeitslohn abweicht. Dies ergibt sich aus § 17 Abs. 1 Satz 3 des Tarifvertrags der Universitätsklinika B1 (TV-UK), wonach Entgeltbestandteile, die nicht in Monatsbeträgen festgelegt sind (unständige Bezüge), am Zahltag des zweiten Kalendermonats, der auf ihre Entstehung folgt, fällig werden. Weder schwankende Höhe noch verschobene Fälligkeit stehen dem Charakter monatlich geschuldeter und gezahlter Bezüge als laufender Arbeitslohn entgegen (vgl. BSG 25.06.2020, B 10 EG 3/19 R, juris Rn. 25f.). Unabhängig davon, ob die hier streitigen Zeitzuschläge also tatsächlich monatlich (wenn auch zeitversetzt) ausgezahlt wurden (keine Auszahlung im Monat August 2018), war eine monatliche Zahlweise jedenfalls vereinbart, weshalb grundsätzlich - zumindest im laufenden Kalenderjahr - laufender Arbeitslohn vorliegt.

Der Begriff des laufenden Arbeitslohns in Abgrenzung zum Begriff des sonstigen Bezugs erhält jedoch eine weitere Einschränkung in zeitlicher Dimension durch die LStR 2015. Laufender Arbeitslohn ist nach der LStR 2015 R 39b.2 Abs. 1 Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt, wie z.B. Monatsgehälter (Nr. 1), Wochen- und Tageslöhne (Nr. 2), Mehrarbeitsvergütungen (Nr. 3) sowie Zuschläge und Zulagen (Nr. 4). Zum laufenden Arbeitslohn gehören aber auch Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume beziehen, die im Kalenderjahr der Zahlung enden (Nr. 6), und Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt (Nr. 7).

Fließt Arbeitslohn nicht im Sinne der LStR 2015 R 39b.2 Abs. 1 laufend (also nicht regelmäßig fortlaufend) zu, zählt die LStR R 39b.2 Abs. 2 Satz 1 ihn zu den sonstigen Bezügen. Hierzu gehören nach der LStR 39b.2 Abs. 2 Satz 2 z.B. 13. und 14. Monatsgehälter (Nr. 1) oder einmalige Abfindungen oder Entschädigungen (Nr. 2). Zu den sonstigen Bezügen zählen aber auch Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden, oder, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt (Nr. 8).

Die in der LStR R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 enthaltene Abgrenzungsregelung ist im Rahmen des § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG bei der Bestimmung einer Lohn- oder Gehaltsnachzahlung als sonstiger Bezug zu übernehmen, auch wenn den auf Grundlage des Art. 108 Abs. 7 GG als norminterpretierende Verwaltungsvorschriften erlassenen LStR keine Normqualität zukommt (BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, juris Rn. 27; BSG 14.12.2017, B 10 EG 4/17 R, juris Rn. 28, jeweils m.w.N.). Denn die Drei-Wochen-Frist-Regelung ist unabhängig davon im EStG normativ angelegt (BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, juris Rn. 30). § 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG bestimmt, dass Arbeitslohn, der nicht laufender Arbeitslohn ist, sondern einen sonstigen Bezug darstellt, in dem Kalenderjahr bezogen wird, in dem er dem Arbeitnehmer zufließt. Bei laufendem Arbeitslohn normiert § 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG hingegen, dass er in dem Kalenderjahr als bezogen gilt, in dem der Lohnzahlungszeitraum, für den er gezahlt wird, endet, und dass in den Fällen des § 39b Abs. 5 Satz 1 EStG das Gleiche für den Lohnabrechnungszeitraum gilt. § 39b EStG regelt die Durchführung des Lohnsteuerabzugs durch den Arbeitgeber. Dabei bestimmt § 39b Abs. 5 Satz 1 EStG, dass vom Arbeitgeber unter den dort genannten Voraussetzungen ein länger als der Lohnzahlungszeitraum laufender Abrechnungszeitraum (Lohnabrechnungszeitraum) als Lohnzahlungszeitraum behandelt und die Lohnsteuer abweichend von § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG (Einbehaltung der Lohnsteuer bei jeder Lohnzahlung) bei der Lohnabrechnung einbehalten werden kann. Nach § 39b Abs. 5 Satz 2 EStG gilt dies allerdings dann nicht, wenn der Lohnabrechnungszeitraum fünf Wochen übersteigt oder die Lohnabrechnung nicht innerhalb von drei Wochen nach dessen Ablauf erfolgt. Da die Lohnsteuer gemäß § 38a Abs. 1 Satz 1 EStG Jahreslohnsteuer ist, die sich nach dem im Kalenderjahr bezogenen Jahresarbeitslohn bemisst, bedeutet dies für Lohnabrechnungen, die sich auf den Lohnzahlungszeitraum Dezember beziehen und vom Arbeitgeber erst im Januar des Folgejahres vorgenommen werden, dass diese lohnsteuerrechtlich nur dann noch dem Dezember (Lohnzahlungszeitraum) als laufender Arbeitslohn zuzuordnen sind, wenn sie innerhalb der ersten drei Wochen des Januars erfolgen. Erfolgt hingegen die Lohnabrechnung für den Lohnzahlungszeitraum Dezember erst später als drei Wochen nach dem Ende des Zeitraums, so ist der dann gezahlte Arbeitslohn lohnsteuerrechtlich nicht mehr als laufender Arbeitslohn dem alten Kalenderjahr zuzurechnen. Er ist vielmehr als sonstiger Bezug des neuen Kalenderjahres zu erfassen. Dieser gesetzlichen Regelung folgen die LStR in R 39b.2 Abs. 1 Nr. 7 und R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8. Danach bleibt nachgezahlter Arbeitslohn laufender Arbeitslohn, wenn er innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt. Fließt er später zu, wird er hingegen zu einem sonstigen Bezug (vgl. so bereits BSG 03.12.2009, B 10 EG 3/09 R, juris Rn. 36 zu LStR 2005 R 115 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8; BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, juris Rn. 31 m.w.N.).

Diese lohnsteuerrechtliche Ableitung entspricht dem Grundsatz, dass die Lohnsteuer auf das Kalenderjahr bezogen erhoben wird. Später als drei Wochen nach Ablauf des Kalenderjahres erfolgte Nachzahlungen von Arbeitslohn sind lohnsteuerrechtlich gemäß § 11 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG als sonstige Bezüge dem folgenden Kalenderjahr zuzuordnen und dementsprechend zu behandeln. Die auf dieser Grundlage beruhende Grenzziehung bei kalenderjahresübergreifenden Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen in den LStR ist von Gesetzes wegen nicht zu beanstanden. Denn damit konkretisiert die LStR für Lohn- oder Gehaltsnachzahlungen in zeitlicher Hinsicht lediglich, was schon hinreichend bestimmt im Gesetz in § 38a Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 39b Abs. 5 Satz 2 und § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG angelegt ist (BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, juris Rn. 32, 33 m.w.N.).

Entgegen dieser Vorgaben des BSG geht das SG vorliegend davon aus, dass es sich bei den hier der Klägerin im Januar und Februar 2019 für die Monate November und Dezember 2018 gezahlten Zeitbezügen nicht um Nachzahlungen im Sinne des R 39b.2 LStR 2015 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 handelt, sondern um laufenden Arbeitslohn, welcher lediglich zeitversetzt zugeflossen sei. Dem ist jedoch in mehrfacher Hinsicht nicht zu folgen.

So erschließt sich bereits nicht, warum es sich vorliegend nicht um Nachzahlungen handeln sollte. Auch wenn diese der Klägerin regelmäßig zufließen, so doch jeweils um zwei Monate zeitversetzt nach der eigentlichen monatlichen Gehaltszahlung. Der Arbeitgeber der Klägerin, welcher die streitigen Zeitbezüge korrekt als sonstige Bezüge in den Gehaltsmitteilungen auswies, teilte dies auch genauso in seinem Schreiben vom 14.01.2020 (Bl. 120 Verwaltungsakte) mit: „Sollte eine Nachzahlung von Zeitzuschlägen aus dem Vorjahr stattfinden, müssen diese aus steuerrechtlichen Gründen als „Einmalzahlung“ versteuert werden, sie gelten laut der Entgeltabrechnung somit nicht als „laufendes steuerpflichtiges Einkommen“. Sollten in einem Monat in dem Einmalzahlungen aus dem alten Jahr erfolgen, weitere Nachzahlungen in Form von Zeitzuschlägen erfolgen, werden diese aus steuerrechtlichen Gründen ebenfalls als Einmalzahlung versteuert.“ Auch nach der vom SG verwendeten Definition einer Nachzahlung ergibt sich kein anderes Ergebnis. Nach umgangssprachlichem Verständnis, das sich auch in der steuerrechtlichen Literatur widerspiegelt, setzt eine Nachzahlung voraus, dass das Gehalt - aus welchen Gründen auch immer - rückwirkend erhöht oder bei Fälligkeit nicht in voller Höhe ausgezahlt wurde (vgl. Pelka/Küsters, Beck’sches Steuerberater-Handbuch 2023/2024, 19. Aufl. 2023, Abschn. J., Rn. 86, 157). Vorliegend erhöhen die ausgezahlten Zeitzuschläge aber gerade rückwirkend das Gehalt der Klägerin in den Monaten November und Dezember 2018. Es handelt sich mithin eindeutig um Nachzahlungen, worauf die Beklagte zutreffend hinweist. Hieran ändert auch der Umstand nichts, dass diese Nachzahlungen regelmäßig zwei Monate verspätet erfolgen und zwischen den Arbeitsvertragsparteien auch so vereinbart sind.

Auch aus der Wortlautänderung in R 39b.2 Abs. 2 Nr. 8 LStR 2015 (Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden, oder, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt) im Vergleich zur Vorgängervorschrift in
R 115 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR 2005 (Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden. Nachzahlungen liegen auch vor, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt) hat sich keine inhaltliche Änderung ergeben. So ist in der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Lohnsteuer-Richtlinien 2013 (Lohnsteuer-Änderungsrichtlinien 2015 - LStÄR 2015) ohnehin nur von einer Neufassung, nicht jedoch von einer Änderung der Vorschrift die Rede (https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2014/0301-0400/372-14.pdf?__blob=publicationFile&v=1). Nach Auffassung des Senats ergibt sich auch nach dieser Wortlautänderung eindeutig, - insbesondere auch im Kontext zu R 39b.2 Abs. 2 Nr. 6 und Nr. 7 LStR 2015 (6. Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume beziehen, die im Kalenderjahr der Zahlung enden, 7. Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt.) - dass Nachzahlungen von genuin laufendem Arbeitslohn nur insoweit ebenfalls als laufender Arbeitslohn behandelt werden dürfen, als sie innerhalb kurzer Zeit (drei Wochen) nach Ablauf des Kalenderjahrs erfolgen.

Nach diesen Maßstäben handelt es sich bei den der Klägerin im Januar und Februar 2019 von ihrer Arbeitgeberin gezahlten Zeitzuschlägen um sonstige Bezüge i.S.d. § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG, sodass diese Einnahmen bei der Bemessung des Elterngelds nicht zu berücksichtigen sind.

Eine fehlerhafte Anmeldung und Behandlung der hier noch streitigen Zeitzuschläge im Lohnsteuerabzugsverfahren durch den Arbeitgeber der Klägerin lag mithin nicht vor, so dass es vorliegend nicht mehr darauf ankommt, ob die Lohnsteueranmeldung des Arbeitsgebers zwischenzeitlich bestandskräftig geworden ist (vgl. hierzu u.a. BSG
25.06.2020, B 10 EG 3/19 R, juris Rn. 27 ff.). Eine Korrektur der Gehaltsabrechnungen wurde von der Klägerin ohnehin nicht beantragt.

Der von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG angeordnete Ausschluss der sonstigen Bezüge nichtselbstständig Erwerbstätiger aus der Bemessung des Elterngelds begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere wird dadurch der sich aus Art. 3 Abs. 1 GG ergebende allgemeine Gleichheitssatz nicht verletzt (vgl. BSG 29.06.2017, B 10 EG 5/16 R, juris Rn. 31 zu § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG i.d.F. des Gesetzes vom 10.9.2012; BSG 14.12.2017, B 10 EG 7/17 R, juris Rn. 39 ff.; B 10 EG 4/17 R, juris Rn. 40 ff. zu § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG in der seit 01.01.2015 geltenden Fassung). Dass der der Regelung nach LStR R 39b.2 Abs. 1 Nr. 7 und R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 immanente Stichtag zu einer Härte für die Klägerin führt, weil die Nachzahlungsbeträge für die Monate November und Dezember 2018 bei einer Nachzahlung ihres Arbeitgebers vor Ablauf von drei Wochen nach Ende des Kalenderjahres 2018 der Bemessung des Elterngelds als laufender Arbeitslohn zugrunde gelegt worden wären, vermag ebenfalls keine Verfassungswidrigkeit der Regelung zu begründen. Stichtage bedingen ihrer Natur entsprechend stets Härten, ohne die dadurch benachteiligten Personen in ihren Grundrechten zu verletzen, wenn sie nicht sachwidrig gewählt wurden (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] 20.4.2011, 1 BvR 1811/08, juris Rn. 7; BSG 27.06.2019, B 10 EG 2/18 R, juris Rn. 39, 40).

Berechnungsfehler sind im Übrigen nicht ersichtlich und von der Klägerin auch nicht vorgetragen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt das anteilige Obsiegen der Klägerin durch den Änderungsbescheid vom 12.07.2021.

V. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorlagen.

 

Rechtskraft
Aus
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