S 10 BA 57/21 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 10 BA 57/21 ER
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches der Antragstellerin vom 01.07.2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.06.2021 sowie der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 24.09.2021 gegen den Widerspruchsbescheid vom 01.09.2021 wird abgelehnt.

 

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Gründe:

 

I.

 

Im Streit ist die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.06.2021 und die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage der Antragstellerin gegen den Widerspruchsbescheid der Antragsgegnerin vom 01.09.2021. Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.06.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2021 werden für den Zeitraum vom 22.01.2016 bis zum 31.12.2019 bezüglich der Tätigkeit des Herrn H. W. (im Folgenden: Herr W.) für die Antragstellerin Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in einer Gesamthöhe von 75.737,25 € nachgefordert.

 

Die Antragstellerin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 31.10.2002 als Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit einem Stammkapital von 25.000 € gegründet, wobei Herr T. J. (im Folgenden: Herr J.) als Stammeinlage 25.000 € übernahm. Gegenstand des Unternehmens ist die Identifikation und Begleitung von deutsch-chinesischen Investitionsprojekten im Bereich „Sport und Gesundheitsförderung“, die Unterstützung der Zusammenarbeit der deutschen Fußballvereine mit und in China sowie die Vermittlung von Geschäftskontakten nach China, vor allem im Bereich „Technologie-Transfer“ und „Lizenzfertigung“. Unter Ziffer 5 des Gesellschaftsvertrages ist zur Geschäftsführung und Vertretung geregelt:

5.1       Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer.

 

5.2  Ist nur ein Geschäftsführer bestellt, vertritt dieser die Gesellschaft allein. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft von zwei Geschäftsführern gemeinsam oder von einem Geschäftsführer in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten. Jedem Geschäftsführer kann auch in diesem Fall Einzelvertretungsbefugnis erteilt werden.

 

5.3  Jedem Geschäftsführer kann Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden, so dass er die Gesellschaft bei Rechtsgeschäften mit sich selbst oder mit sich als Vertreter eines Dritten vertreten kann.

 

Mit Anstellungsvertrag vom 31.10.2002 wurde geregelt, dass Herr J. ab dem 01.12.2002 auf unbestimmte Zeit die Geschäfte der Gesellschaft führt und die verantwortliche Leitung des gesamten Geschäftsbetriebes innehat.

 

Durch Gesellschaftsvertrag vom 22.11.2007 wurde die Bezeichnung der Firma geändert. Alle anderen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages vom 31.10.2002 wurden unverändert übernommen. Am 23.11.2007 wurde mit Wirkung zum 01.03.2008 auf unbestimmte Zeit zwischen der Antragstellerin und Herrn W. ein schriftlicher Anstellungsvertrag für GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer geschlossen, der u. a. folgende Regelungen enthält:

 

§ 1 Geschäftsführung und Vertretung

(1) Herr H.W. wird mit Wirkung zum 22.11.2007 zum Geschäftsführer der Gesellschaft bestellt.

(2) Der Geschäftsführer ist berechtigt und verpflichtet, die Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer etwaigen Geschäftsführungsordnung allein zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft allein zu führen. Weisungen der Gesellschafterversammlung sind zu befolgen, soweit Vereinbarungen in diesem Vertrag nicht entgegenstehen.

(3) Er hat die ihm obliegenden Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Kaufmanns unter Wahrung der Interessen der Gesellschaft zu erfüllen.

(4) Der Geschäftsführer ist von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit.

 

§ 2 Pflichten und Verantwortlichkeit

(1) Der Geschäftsführer stellt seine gesamte Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Gesellschaft zur Verfügung. Ihm obliegen Leitung und Überwachung des Gesamtunternehmens, unbeschadet gleicher Rechte und Pflichten etwaiger anderer Geschäftsführer.

(2) Der Geschäftsführer nimmt die Rechte und Pflichten des Arbeitgebers im Sinn der arbeits- und sozialrechtlichen Vorschriften wahr.

(3) Der Geschäftsführer wahrt die wirtschaftlichen und steuerlichen Interessen der Gesellschaft. Er ist verpflichtet, für eine den handels- und steuerrechtlichen Vorschriften entsprechende Buchführung und eine angemessene Betriebsabrechnung zu sorgen. Er ist verpflichtet, innerhalb der Frist des § 264 Abs. 1 HGB den Jahresabschluss und einen Lagebericht (§ 289 HGB) unter Beachtung handels- und steuerrechtlicher Bilanzierungsvorschriften aufzustellen und den Gesellschaftern unverzüglich nach Aufstellung vorzulegen. Er hat für eine rechtzeitige und ordnungsgemäße Offenlegung nach §§ 325 – 327 HGB zu sorgen.

(4) Nach Vorlage des Jahresabschlusses hat der Geschäftsführer unter Beachtung der Beschlussfrist des § 42a Abs. 2 GmbHG die Gesellschafterversammlung zwecks Beschussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses und Ergebnisverwendung ordnungsgemäß einzuberufen, sie zu leiten und ordnungsgemäß abzuwickeln sowie die Gesellschafterbeschlüsse zu protokollieren.

(5) Der Geschäftsführer hat die notwendigen Anmeldungen zum Handelsregister vorzunehmen. Er hat nach jeder Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfanges ihrer Beteiligungen unverzüglich eine von ihm unterschriebene Liste der Gesellschafter nach Maßgabe des § 40 Abs. 1 GmbHG zum Handelsregister einzureichen.

 

§ 3 Nebentätigkeit, Wettbewerb

Dem Geschäftsführer ist es untersagt, sich ohne Zustimmung der Gesellschaft mittelbar oder unmittelbar an einem Konkurrenzunternehmen zu beteiligen oder ein solches zu betreiben bzw. Nebentätigkeiten zu übernehmen.

 

§ 4 Bezüge des Geschäftsführers

(1) Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit ein festes Monatsgehalt von EUR 3.000 brutto ab dem März 2008, das jeweils am Monatsanfang zu zahlen ist.

(2) Im Krankheitsfall oder bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung bleibt der Gehaltsanspruch für die Dauer von 6 Wochen bestehen. Dauert die Verhinderung länger als ununterbrochen 6 Wochen an, wird ein Tantiemeanspruch entsprechend der 6 Wochen überschreitenden Zeit zeitanteilig gekürzt, und der Gehaltsanspruch im Übrigen ruht.

(3) Verstirbt der Geschäftsführer, wird seinen Hinterbliebenen, (der Witwe oder unterhaltsberechtigten Kindern) das feste Gehalt (Abs. 1) anteilsmäßig für die Dauer von 6 Monaten weitergezahlt. Der Tantiemeanspruch bleibt zeitanteilig bis zum Monatsletzten, der auf das Ableben folgt, bestehen.

 

§ 5 Sonstige Leistungen, Spesen, Aufwendungsersatz

(1) Trägt der Geschäftsführer im Rahmen seiner ordnungsgemäßen Geschäftsführertätigkeit Kosten und Aufwendungen, werden ihm diese von der Gesellschaft erstattet, sofern er die Geschäftsführungs- und Betriebsbedingtheit belegt und diese offenkundig ist.

(2) Reisespesen werden bis zu den jeweils steuerlich zulässigen Pauschalbeträgen ersetzt.

(3) Der Geschäftsführer darf die 1. Klasse der Bahn benutzen, bei Flugreisen die Businessklasse.

(4) Der Geschäftsführer hat Anspruch auf die Gestellung eines Pkw der gehobenen Mittelklasse. Er darf den Pkw auch privat nutzen. Die Versteuerung des geldwerten Vorteils übernimmt der Geschäftsführer. Betriebs- und Unterhaltungskosten trägt die Gesellschaft. Für den Fall einer Freistellung des Geschäftsführers von seinen Dienstpflichten ist der Pkw an die Gesellschaft herauszugeben, ohne dass insoweit ein Anspruch auf finanziellen Ausgleich des in der Privatnutzung liegenden geldwerten Vorteils besteht. In gleicher Weise ist der Geschäftsführer bei Beendigung des Anstellungsvertrages zur Herausgabe des Pkw verpflichtet. Dem Geschäftsführer steht aus keinem Rechtsgrund ein Zurückbehaltungsrecht gegenüber der Gesellschaft an dem Pkw zu.

 

§ 6 Jahresurlaub

(1) Der Geschäftsführer hat Anspruch auf 30 Arbeitstage (Samstag ist kein Arbeitstag) bezahlten Urlaub im Geschäftsjahr. Der Geschäftsführer hat den Zeitpunkt seines Urlaubs so einzurichten, dass den Bedürfnissen der Gesellschaft Rechnung getragen wird.

(2) Kann der Geschäftsführer seinen Jahresurlaub nicht oder nicht vollständig nehmen, weil Interessen der Gesellschaft entgegenstehen, hat er Anspruch auf Abgeltung des Urlaubs unter Zugrundlegung der Höhe des Grundgehalts (§ 4 Abs. 1). Die Abgeltung wird mit dem ersten Gehalt des folgenden Geschäftsjahres bezahlt.

(3) Kann der Urlaub wegen Beendigung des Anstellungsverhältnisses nicht oder nicht vollständig genommen werden, ist er dem Geschäftsführer abzugelten. ….

 

Die Eintragungen der Änderung der Firma durch Gesellschafterversammlung vom 22.11.2007 und die Berufung des Herrn W. als einzelvertretungsberechtigen Geschäftsführer mit der Befugnis, im Namen der Gesellschaft mit sich im eigenen Namen oder als Vertreter eines Dritten Rechtsgeschäfte abzuschließen, wurde am 03.12.2007 im Handelsregister B der Stadt E. eingetragen. Der Liste der Gesellschaftern ist zu entnehmen, dass seit dem 22.11.2007 Herr J. und Herr W. jeweils über eine Stammeinlage in Höhe von 12.500 € verfügten.

 

Im Januar 2016 verkaufte Herr J. seine Geschäftsanteile im Umfang von 40 v. H. des Stammkapitales (10.000 €) an die Ehefrau des Herrn W und in Höhe von 10 v. H. des Stammkapitals (2.500 €) an den Bruder des Herrn W. Herr J. schied als Gesellschafter aus der Gesellschaft aus und war bis Januar 2017 weiterhin als Geschäftsführer für die Antragstellerin tätig. Für die Zeit ab dem 01.02.2016 wurden von der Antragstellerin bezogen auf die Tätigkeit des Herrn J. Sozialversicherungsbeiträge abgeführt.

 

Im Januar 2016 übertrug Herr W. von seinem Anteil am Stammkapital einen Anteil von 10 v. H. auf seinen Bruder, so dass sich sein Anteil am Stammkapital auf 40 v. H. reduzierte. Die notariell bestätigte und am 22.11.2016 in den Handelsregister-Ordner aufgenommene Liste der Gesellschafter der Antragstellerin weist folgende Gesellschafter und Geschäftsanteile aus:

Z. H.                                                                                                           10.000 € Nennbetrag des Geschäftsanteiles

Y. W.                                                                                                                        2.500 € Nennbetrag des Geschäftsanteiles

H. W.                                                                                                                      10.000 € Nennbetrag des Geschäftsanteiles

Y. W.                                                                                                                        2.500 € Nennbetrag des Geschäftsanteiles

Summe:                                                                                                     25.000 €

 

Die Antragsgegnerin führte bei der Antragstellerin bezogen auf den Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2019 nach § 28p Abs. 1 SGB IV eine Betriebsprüfung durch. Im Rahmen einer schriftlichen Anhörung vom 26.04.2021 teilte die Antragsgegnerin mit, es sei beabsichtigt, für die Tätigkeit des Herrn W. vom 22.01.2016 bis zum 31.12.2019 Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in einer Gesamthöhe von 75,737,20 € nachzuerheben und für die Tätigkeit des Herrn J. für die Zeit vom 22.01.2016 bis zum 31.01.2016 Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in Höhe von 428,30 € nachzuerheben. Zur Begründung wurde bezüglich der Tätigkeit des Herrn W. als Gesellschafter-Geschäftsführer ausgeführt, Herr W. sei bis zum 21.01.2016 selbständig als Gesellschafter-Geschäfts­führer tätig gewesen, da er über ein Stammkapital in Höhe von 50 v. H. verfügt habe. Da er am 19.01.2016 10 v. H. des Stammkapitals (2.500 €) an Y. W. notariell beurkundet übertragen habe und dies mit Wirkung zum 22.01.2016 in das Handelsregister eingetragen worden sei, übe Herr W. seit dem 22.01.2016 die Tätigkeit als Geschäftsführer im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus, da er seit diesem Zeitpunkt in der Gesellschafterversammlung nur noch über 40 v. H. der Stimmen verfüge. Damit könne er nicht mehr alle Beschlüsse in der Gesellschafterversammlung verhindern bzw. herbeiführen, so dass er aufgrund seiner Anteile von 40 v. H. keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben könne.

 

In einer Stellungnahme des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin vom 31.05.2021 wurde ausgeführt, gegen die Feststellung des versicherungsrechtlichen Status des Herrn W sowie die daraus resultierende Beitragsnachforderung würden keine Einwendungen erfolgen. Herr W. habe keinerlei Kenntnis über den nunmehr festgestellten Status der Versicherungspflicht gehabt. Eine Aussetzung der Vollziehung werde nicht beantragt. Aufgrund der ausstehenden Forderungshöhe sei jedoch die Antragstellerin und deren Weiterbestand erheblich gefährdet. Um dies abzuwenden, müsste mit dem Einzugsstellen entsprechende Maßnahmen beantragt und abgestimmt werden.

 

Mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.06.2021 wurden Sozialversicherungsbeiträge und Umlagen in einer Gesamthöhe von 76.165,55 € nacherhoben, wobei bezogen auf die Tätigkeit des Herrn W. 75.737,25 € nachgefordert wurden. Herr W. sei seit dem 22.11.2007 als Gesellschafter-Geschäftsführer für die Antragstellerin mit einem Anteil von 50 v. H. am Stammkapital tätig gewesen. Seit dem 22.01.2016 habe er keine vollumfängliche, alle Angelegenheiten der Gesellschaft betreffende Sperrminorität mehr gehabt, da er am 19.01.2016 notariell beurkundet seinen Anteil am Stammkapital im Umfang von 10 v. H. auf Frau Y. W. übertragen habe und dies mit Wirkung zum 22.01.2016 in das Handelsregister eingetragen worden sei. Seit diesem Zeitpunkt habe Herr W. kraft seines Anteiles am Stammkapital im Umfang von 40 v. H. keinen maßgeblichen Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft mehr gehabt hat, da die Beschlüsse der Gesellschaft grundsätzlich mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst worden seien und Herr W. nicht mehr alle Beschlüsse habe verhindern bzw. herbeiführen können. Somit hätten seit dem 22.01.2016 nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit verfügbaren relevanten Tatsachen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis überwogen. Da Herr W. ab dem 22.01.2016 als versicherungspflichtiger Arbeitnehmer zu beurteilen sei, seien aus dem erzielten Arbeitsentgelt Beiträge zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung sowie die Umlagen U1, U2 und für Insolvenzgeld für die Zeit vom 22.01.2016 bis zum 31.12.2019 in Gesamthöhe von 75.737,25 € nachzufordern.

Da Herr J. bereits seit der Eintragung im Handelsregister am 22.01.2016 über keinen Anteil am Stammkapital mehr verfügt habe, sei er nicht erst ab dem 01.02.2016, sondern bereits ab dem 22.01.2016 nicht mehr als Gesellschafter-Geschäftsführer mit einem Anteil von 50 v. H. am Stammkapital gewesen, so dass bereits ab dem 22.01.2016 ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis vorgelegen habe. Für den Zeitraum vom 22.01. bis zum 31.01.2016 seien bezogen auf die Tätigkeit des Herrn J. deshalb Beiträge zur Krankenversicherung, Pflegeversicherung, Rentenversicherung und Arbeitslosenversicherung einschließlich der Umlagen U1, U2 und für Insolvenzgeld in Höhe von 428,30 € nachzuzahlen.

 

Gegen diesen Bescheid erhob der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin am 01.07.2021 Widerspruch. Zur Begründung wurde ausgeführt, aufgrund einer vorherigen Betriebsprüfung vom 17.03.2016, die sich auf den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2015 bezogen habe, habe die Antragstellerin davon ausgehen können, dass ihre sozialversicherungsrechtliche Beurteilung, insbesondere bezogen auf den Status des Gesellschafter-Geschäftsführers als versicherungsfreier Geschäftsführer zutreffend gewesen sei. Darüber hinaus liege ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Herrn W. nicht vor, weil die für eine selbständige Tätigkeit sprechenden Umstände wesentlich ausgeprägter seien. Herr W. sei in dem maßgeblichen Zeitraum alleinvertretungsberechtigt gewesen und habe allein über die erforderlichen Branchen- und Fachkenntnisse verfügt. Die anderen Mitgesellschafter hätten Herrn W. mehr oder weniger zugearbeitet und ihn durch Übernahme organisatorischer Aufgaben entlastet. Die herausragende Position des Herrn W. innerhalb der GmbH sei durch die Veränderung der Kapitalbeteiligung zum 22.01.2016 faktisch nicht verändert worden. In rechtlicher Hinsicht sei nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes für die Beurteilung der Versicherungspflicht entscheidend, wie das Vertragsverhältnis tatsächlich vollzogen worden sei, so dass die Minderbeteiligung des Gesellschafter-Geschäftsführers im Einzelfall keine gravierende Rolle spiele. Die Antragsgegnerin habe die besondere Stellung des Herrn W. innerhalb der GmbH innerhalb der Gesamtabwägung in rechtswidriger Weise nicht berücksichtigt. Gleichzeitig beantragte die Antragstellerin bei der Antragsgegnerin die Aussetzung der Vollziehung der Beitragsforderung, die von der Antragsgegnerin am 15.07.2021 abgelehnt wurde.

 

Die Antragstellerin hat am 11.08.2021 bei Gericht einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches gestellt.

 

Während des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens hat die Antragsgegnerin den Widerspruch mit Bescheid vom 01.09.2021 zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Antragsgegnerin ausgeführt, Herr W. übe seine Geschäftsführertätigkeit im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung aus. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes sei abschließend geklärt, dass bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung einer Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer ausschließlich auf die Rechtsmacht abzustellen sei und nicht auf rechtlich unerhebliche und überdies nur mit Schwierigkeiten zu ermittelnden faktischen Gegebenheiten. Das Bundessozialgericht habe entschieden, dass Minderheitsgesellschafter, die keinen maßgeblichen Einfluss auf die interne Willensbildung der GmbH und ebenso keine gesellschaftsvertraglich festgeschriebene Sperrminorität hätten, nicht als Selbständige beurteilt werden könnten. Da Herr W. seit dem 22.01.2016 nur noch über einen Anteil am Stammkapital von 40 v. H. verfüge, könne er zwar noch Einfluss auf die Firmenpolitik nehmen, aber nicht mehr auf die Willensbildung der Gesellschaft. Bei der sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung komme es nicht darauf an, ob Herr W. in dem maßgeblichen Zeitraum ab 22.01.2016 eine faktische Machtposition innegehabt habe und Kopf und Seele der GmbH gewesen sei. Nach dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag habe Herr W. seine Tätigkeit nach Maßgabe des Gesellschaftsvertrages bzw. der von den Gesellschaftern erlassenen Geschäftsführungsordnung auszuführen und Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen. Da Herr W. eine monatliche Vergütung in Höhe von 3.000 € erhalte, trage er auch kein echtes unternehmerisches Risiko.

 

Die Antragstellerin ist der Ansicht, der Nachforderungsbescheid der Antragsgegnerin müsse unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Hauptsacheverfahren aufgehoben werden. Herr W. übe seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäfts­führer als Selbständiger aus, da er über die Fachkompetenz verfüge, alle Projekte gegenüber den Kunden von der Ausschreibung bzw. Angebotsabgabe bis zur Umsetzung zu vertreten und auch persönlich durchzuführen. Dabei sei insbesondere zu berücksichtigen, dass Herr W. nach Ausscheiden des zweiten Gesellschafter-Geschäftsführers Herrn J. die GmbH alleine nach außen vertrete. Zudem sei maßgeblich, dass Herr W. entgegen der Regelung im Anstellungsvertrag nicht verpflichtet gewesen sei, seine gesamte Arbeitskraft der Antragstellerin zur Verfügung zu stellen, was dadurch belegt sei, dass Herr W. für andere ausländische Firmen längere Zeiträume im Ausland tätig gewesen sei (im Jahr 2016 an 90 Tagen, im Jahr 2017 an 132 Tagen, im Jahr 2018 an 140 Tagen und im Jahr 2019 ebenfalls an 140 Tagen). Diese Tätigkeiten seien Herrn W. von der Antragstellerin unter Verzicht auf eine Dispensgebühr schriftlich genehmigt worden. Zudem stelle die Forderung der Antragsgegnerin eine unbillige Härte dar, da aufgrund der wirtschaftlichen Situation, insbesondere auch durch die Corona-Pandemie eine Nachzahlung in dieser Höhe nicht erfolgen könne bzw. die weitere Existenz der Antragstellerin überhaupt in Frage gestellt sei. Der Beitragseinzug würde die Antragstellerin direkt in die Insolvenz treiben, bevor über das Vorliegen von Versicherungspflicht bzw. Versicherungsfreiheit überhaupt entschieden worden sei. Hinsichtlich der wirtschaftlichen Situation der Antragstellerin hat die Antragstellerin betriebswirtschaftliche Kurzberichte bezogen auf den Zeitraum von Januar 2020 bis Juni 2021 vorgelegt. Daraus ergibt sich für das Jahr 2020 als vorläufiges Ergebnis ein Verlust von 45.982,13 € und für das erste Halbjahr 2021 als vorläufiges Ergebnis ein Verlust in Höhe von 41.506,54 €.

 

Die Antragstellerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

die aufschiebende Wirkung des Widerspruches vom 01.07.2021 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.06.2021 sowie die aufschiebende Wirkung der Klage vom 24.09.2021 gegen den Widerspruchsbescheid vom 01.09.2021 anzuordnen.

 

Die Antragsgegnerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,

 

den Antrag zurückzuweisen.

 

Sie ist der Auffassung, es bestehe kein Anordnungsanspruch, da der angefochtene Bescheid offensichtlich rechtmäßig sei. Am Bestehen der Beitragsforderung gebe es in der geltend gemachten Höhe keine ernsten Zweifel. Eine unbillige Härte bei Sofortvollzug sei nicht gegeben, da allein die mit der Zahlung der Beitragsforderung für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen nicht zu einer solchen Härte führen würden, sondern diese lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten seien.

 

Hinsichtlich weitere Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen Inhalt der Gerichtsakten und der zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.

 

 

II.

 

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches und der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.06.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.09.2021 ist zulässig, aber nicht begründet.

 

Der Zulässigkeit des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches steht nicht entgegen, dass am 01.09.2021 ein Widerspruchsbescheid erteilt worden ist. Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruches ist nicht dadurch erledigt, dass ein Widerspruchsbescheid erlassen wird, mit der Folge, dass danach – nur – ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage zu stellen wäre. Die Möglichkeit, die aufschiebende Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) anzuordnen, stellt im Ergebnis die Situation her, die ohne die Ausnahmetatbestände des § 86a Abs. 2 SGG im Falle von Widerspruch und Klage nach § 86a Abs. 1 Satz 1 SGG bestünde. Danach haben Rechtsbehelfe aufschiebende Wirkung bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit des jeweiligen Bescheides (vgl. LSG NRW Beschluss vom 11.05.2015 L 8 R 106/15 B ER; LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 20.03.2006 L 8 AS 369/06 ER-B; OVG Saarland Beschluss vom 25.06.2012 Az.: 1 B 128/12; Meyer-Ladewig / Keller Kommentar zum SGG § 86b Rn. 19).

 

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches und der Klage ist nicht begründet.

 

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses der Antragstellerin einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessensabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen und ob die Vollziehung für die Antragstellerin eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko grundsätzlich auf den Adressaten des Bescheides verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg der Klage bzw. des Widerspruches überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachen und Feststellungen zu treffen sind. Maßgeblich ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (LSG NRW Beschluss vom 11.05.2015 L 8 R 106/15 B ER; LSG NRW Beschluss vom 14.02.2011 L 8 R 833/10 B ER; Meyer-Ladewig / Keller Kommentar zum SGG § 86a Rn. 27a).

 

Nach der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen summarischen Prüfung ist gegenwärtig nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass sich der angefochtene Bescheid im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig erweisen wird.

 

Ermächtigungsgrundlage für den Erlass des Prüfbescheides der Antragsgegnerin ist § 28p Abs. 1 Satz 5 SGB IV. Danach erlassen die Träger der Rentenversicherung im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe der Arbeitnehmer in der Sozialversicherung gegenüber den Arbeitgebern. Nach § 28e Abs. 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag für die bei ihm Beschäftigten, d. h. die für einen versicherungspflichtigen Beschäftigten zu zahlenden Beiträge zur Kranken-, Renten-, Arbeitslosen- und Pflegeversicherung (§ 28d Sätze 1 und 2 SGB IV) zu entrichten. Der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III. Danach ist jeweils Voraussetzung das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung im Sinne des § 7 Abs. 1 SGB IV. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

 

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann eingeschränkt und zur „funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess“ verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, richtet sich, ausgehend von den genannten Umständen, nach dem Gesamtbild der Tätigkeit und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (vgl. BSG vom 31.03.2015 B 12 KR 17/13 R; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 17). Ob eine wertende Zuordnung zum Typus der Beschäftigung gerechtfertigt ist, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 21; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 17). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. selbständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalles als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechen und widerspruchsfrei gegeneinander abgewogen werden (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 15; BSG vom 31.03.2015 B 12 KR 17/13 R).

 

Nach diesen Grundsätzen ist auch zu beurteilen, ob der Geschäftsführer einer GmbH zu dieser in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis steht. Der Geschäftsführer einer GmbH ist weder wegen seiner Organstellung noch deshalb von einer abhängigen Beschäftigung ausgeschlossen, weil er gegenüber Arbeitnehmern der GmbH Arbeitgeberfunktionen ausübt. Denn auch wer Arbeitgeberfunktionen ausübt, kann seinerseits bei einem Dritten persönlich abhängig beschäftigt sein. Maßgebend ist vor allem die Bindung des Geschäftsführers an das willensgebende Organ, in der Regel die Gesamtheit der Gesellschafter (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 1 m. w. N.). Insoweit ist von besonderer Bedeutung, ob ein Geschäftsführer gleichzeitig Gesellschafter ist und aufgrund seiner Gesellschafterstellung maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und damit Beschlüsse und Einzelweisungen an sich jederzeit verhindern kann (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 4). Ein maßgeblicher Einfluss liegt regelmäßig dann vor, wenn der Geschäftsführer einen Anteil von mindestens 50 v. H. des Stammkapitales innehat und damit Einzelweisungen an sich als Geschäftsführer im Bedarfsfall jederzeit verhindern kann. Darüber hinaus besteht ein Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft dann, wenn ein Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund einer umfassenden Sperrminorität (etwa durch eine Einstimmigkeitsklausel) Weisungen an sich jederzeit verhindern kann (vgl. BSG Urteil vom 08.08.1990 Az.: 11 RAr 77/89 in SozR 3-2400 § 7 Nr. 4). Ist das der Fall, ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen, weil der Geschäftsführer mit Hilfe seiner Gesellschafterrechte die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit vermeiden kann (vgl. BSG SozR 3-4100 § 104 Nr. 8). Unter Zugrundelegung dieser Grundsätze spricht deutlich mehr dafür als dagegen, dass Herr W. im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung für die Antragstellerin tätig geworden ist.

 

1.    Ausgangspunkt der Prüfung, ob die Geschäftsführertätigkeit des Herrn W. in dem streitigen Zeitraum im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder einer selbständigen Tätigkeit ausgeübt worden ist, ist der Anstellungsvertrag vom 23.11.2007. Der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag enthält zahlreiche Elemente, wie sie für ein Arbeitsverhältnis typisch und für das Gesamtbild einer Beschäftigung wesentlich mitbestimmend sind. Der Vertrag sieht die Zahlung eines festen monatlichen Gehaltes in Höhe von 3.000 € brutto vor. Die Zahlung eines festen monatlichen Gehaltes ist ebenso arbeitnehmertypisch wie der Umstand, dass in dem Anstellungsvertrag geregelt ist, dass Herr W. im Krankheitsfall oder bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung für die Dauer von 6 Wochen einen Anspruch auf Fortzahlung des Gehaltes hat. Kennzeichnend für eine arbeitsvertragliche Vereinbarung ist ferner der in § 6 des Vertrages vereinbarte Anspruch auf einen bezahlten Jahresurlaub im Umfang von 30 Arbeitstagen und die Regelung, dass Herr W. für den Fall, dass er seinen Jahresurlaub wegen entgegenstehender Interessen der Gesellschaft nicht oder nicht vollständig nehmen kann, einen Anspruch auf Abgeltung des Urlaubes unter Zugrundelegung der Höhe des Grundgehaltes hat. Die Dispositionsbefugnis des Geschäftsführers hinsichtlich der Lage des Erholungsurlaubes ist dahingehend eingeschränkt, dass der Geschäftsführer den Zeitpunkt des Urlaubes so einzurichten hat, dass den Bedürfnissen der Gesellschaft Rechnung getragen wird. Auch die Umstände, das Herr W. einen Anspruch auf Erstattung von geschäftsführungsbedingten Kosten und Aufwendungen, auf Ersatz von Reisekosten und einen Anspruch gegenüber der Antragstellerin auf Gestellung eines Pkw hat, sind arbeitnehmertypisch.

 

Dagegen sprechen die Regelungen, nach denen Herr W. alleinvertretungsberechtigt und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit ist, für eine selbständige Tätigkeit. Insoweit ist allerdings zu berücksichtigten, dass solche Vertretungsregelungen auch für einen abhängigen beschäftigten Geschäftsführer nicht untypisch sind (vgl. BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 17; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 28), so dass diesen Gesichtspunkten im Rahmen der hier im Vordergrund stehenden Abgrenzung der Beschäftigung gegenüber einer selbständigen Tätigkeit eher ein geringes Gewicht zukommt.

 

Insgesamt enthält der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag im Wesentlichen arbeitnehmertypische Regelungen und nur in geringem Maße Regelungen, die für eine selbständige Tätigkeit sprechen.

 

2.    Auf dieser vertraglichen Grundlage ist Herr W. in einem fremden Betrieb, nämlich dem Betrieb der Antragstellerin, und nicht in einem eigenen Betrieb tätig geworden. Die alleineige Betriebs- und Unternehmensinhaberin war und ist die Antragstellerin, die als GmbH juristische Person mit eigener Rechtspersönlichkeit ist und deshalb unabhängig von den als Gesellschaftern dahinterstehenden juristischen und natürlichen Personen und deren verwandtschaftlichen und wirtschaftlichen Beziehungen betrachtet werden muss (vgl. BSG Urteil vom 29.07.2015 B 12 KR 23/13 R; BSG Urteil vom 29.08.2012 B 12 KR 25/10 R). Im Rahmen seiner Geschäftsführertätigkeit ist Herr W. in den Betrieb der Antragstellerin und damit in eine ihm vorgegebene Ordnung eingegliedert gewesen. Dieser Sichtweise kann nicht entgegengehalten werden, dass diese Organisationsstruktur auch durch den Gesellschafter-Geschäftsführer Herrn W. mitgestaltet worden ist, denn es handelt sich unabhängig davon um die Organisationsstruktur der Antragstellerin als eigenständiger juristischer Person (vgl. LSG Urteil vom 07.02.2018 L 8 R 234/17).

 

3.    Obwohl Herr W. als Geschäftsführer eigene Entscheidungsbefugnisse hatte und nach der Beendigung der Geschäftsführertätigkeit des Herrn J. (Eintragung im Handelsregister am 20.01.2017) berechtigt war, die Gesellschaft alleine zu vertreten und die Geschäfte der Gesellschaft alleine zu führen, lag in dem streitigen Zeitraum eine Weisungsgebundenheit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV vor. Dabei ist zu berücksichtigen, dass – vornehmlich bei Diensten höherer Art – die Weisungsgebundenheit im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eingeschränkt und zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsleben verfeinert sein kann (vgl. BSG Urteil vom 29.08.2012 B 12 KR 25/10 R in SozR 4-2400 § 7 Nr. 17 m. w. N.).

 

Der Geschäftsführer Herr W. unterlag einem Weisungsrecht der Antragstellerin bezüglich der Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit, da allein der Antragstellerin bzw. ihrem willensgebenden Organ, der Gesellschafterversammlung, die insoweit maßgebliche Rechtsmacht zukam. Die Gesellschafter einer GmbH haben eine in jeder Hinsicht übergeordnete Geschäftsführungskompetenz, weil die Geschäftsführer der GmbH grundsätzlich weisungsgebunden sind, was sich mittelbar aus §§ 6 Abs. 3, 37 Abs. 1, 46 Nr. 5 und Nr. 6 GmbHG ergibt (vgl. Roth / Altmeppen, Kommentar zum GmbHG 8. Auflage 2015 § 37 Rn. 3; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.10.2016 L 4 R 899/15). Die Gesellschafter sind von Gesetzes wegen frei, in jeder beliebigen Geschäftsführungsangelegenheit zu entscheiden. Ein derartiger Beschluss bindet die Geschäftsführer als Weisung im Sinne des § 37 Abs. 1 GmbHG (Roth / Altmeppen Kommentar zum GmbHG 8. Auflage 2015 § 45 Rn. 6; LSG Baden-Württemberg Urteil vom 14.10.2016 L 4 R 899/15). Nach § 37 Abs. 1 GmbHG sind die Geschäftsführer der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, die Beschränkungen einzuhalten, welche u. a. durch die Beschlüsse der Gesellschaft festgesetzt sind. Dies bedeutet eine umfassende und grundsätzliche Weisungsunterworfenheit der Geschäftsführer gegenüber den Gesellschaftern der GmbH (vgl. LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 19.07.2019 L 10 BA 282/19). Dementsprechend ist in dem Geschäftsführer-Anstellungsvertrag des Herrn W. geregelt, dass er berechtigt sei, die Geschäfte der Gesellschaft nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages und einer etwaigen Geschäftsführungsordnung allein zu führen und dass er Weisungen der Gesellschafterversammlung zu befolgen habe, soweit Vereinbarungen in dem Anstellungsvertrag nicht entgegenstünden.

 

Gemäß § 47 Abs. 1 GmbHG erfolgen die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen, zu denen auch die Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern sowie die Überprüfung der Geschäftsführung gehören (§ 46 Nr. 5 und 6 GmbHG), durch Beschlussfassung mit einer Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Herr W. verfügte in dem streitigen Zeitraum ab dem 22.01.2016 aufgrund der Reduzierung seines Anteils am Stammkapital auf 40 v. H. (10.000 €) nicht mehr über eine gesellschaftsrechtlich begründete Möglichkeit, ihm nicht genehme Weisungen der Antragstellerin jederzeit zu verhindern. Ihm fehlte hierzu der maßgebliche Einfluss auf die Gesellschafterversammlung. Entscheidend ist insoweit, ob die rechtliche Möglichkeit besteht, als beherrschender oder zumindest mit einer umfassenden Sperrminorität ausgestatteter Gesellschafter-Geschäftsführer nicht genehme Weisungen der Gesellschafterversammlung jederzeit abwenden zu können (BSG Urteil vom 11.11.2015 B 12 KR 10/14 R; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 7; BSG SozR 4-2400 § 7 Nr. 17). In § 47 Abs. 1 und Abs. 2 GmbHG ist geregelt, dass die von den Gesellschaftern in den Angelegenheiten der Gesellschaft zu treffenden Bestimmungen durch Beschlussfassung nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen erfolgen und dass jeder Euro eines Geschäftsanteiles eine Stimme gewährt. Daraus ergibt sich, dass für Herrn W. aufgrund seiner Beteiligung von 40 v. H. am Stammkapital nicht die Möglichkeit bestand, ihm nicht genehme Weisungen der anderen Gesellschafter zu verhindern. Ferner sehen die Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages keine grundsätzliche Einstimmigkeit bzw. keine qualifizierte Mehrheit für Gesellschaftsbeschlüsse vor, die Herrn W. als Minderheitsgesellschafter eine Sperrminorität vermittelt hätten.

 

4.    Entgegen der Auffassung der Antragstellerin vermöchte an dieser Rechtsstellung und der damit verbundenen Weisungsgebundenheit des Herrn W. auch der Umstand nichts zu ändern, dass Herr W. aufgrund seiner besonderen Fachkenntnisse und Branchenkenntnisse eine herausragende Position innerhalb der GmbH einnahm und es sich seit Januar 2016 um eine Familiengesellschaft handelte und die weiteren Mitgesellschafter Herrn W. mehr oder weniger zuarbeiteten und ihn durch Übernahme organisatorischer Aufgaben entlasteten.

 

Eine selbständige Tätigkeit des Herrn W. kann nicht unter vorrangiger Berücksichtigung dieser tatsächlichen Verhältnisse und unter Berufung auf die sogenannte „Kopf-und-Seele-Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes“ hergeleitet werden. Danach hat das Bundessozialgericht in der Vergangenheit in seiner Rechtsprechung – überwiegend zu Leistungsansprüchen des Arbeitsförderungs- und Unfallversicherungsrecht – auch für den Fall, dass der Geschäftsführer einer Gesellschaft nicht zumindest über eine Sperrminorität verfügte, eine selbständige Tätigkeit des Betroffenen für möglich erachtet, wenn dessen Tätigkeit innerhalb der Gesellschaft durch eine besondere Rücksichtnahme aufgrund familiärer Bindungen geprägt war und er die Geschäfte der Gesellschaft wie ein Alleininhaber nach eigenem Gutdünken führen und frei schalten und walten konnte (vgl. BSG Urteil vom 29.08.2012 B 12 R 25/10 R mit einem Überblick über die Rechtsprechung). Das Bundessozialgericht hat bereits im Jahr 2001 offengelassen, ob diese Rechtsprechung im Bereich des Versicherungs- und Beitragsrechts Anwendung finden kann. In weiteren Entscheidungen im Jahr 2012 hat das Bundessozialgericht in Zweifel gezogen, dass dieser für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung von den dafür zuständigen Senaten entwickelten Rechtsprechung bezogen auf das Versicherungs- und Beitragsrecht gefolgt werden kann. In diesem Zusammenhang wurde darauf hingewiesen, dass es im Beitrags- und Versicherungsrecht im Interesse aller Beteiligten darauf ankomme, die Frage der Versicherungspflicht und der Versicherungsfreiheit bereits zu Beginn der Tätigkeit zu klären, weil dieser nicht nur für Entrichtung der Beiträge, sondern auch für die Leistungspflichten der Sozialleistungsträger und die Leistungsansprüche der Betroffenen von entscheidender Bedeutung sei. Dies spreche dafür, der aus gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben entspringenden Rechtsmacht größere Bedeutung beizumessen als den tatsächlich praktizierten Verhältnissen. Entscheidender Gesichtspunkt für Annahme einer selbständigen Tätigkeit anstelle einer formal vorliegenden abhängigen Beschäftigung sei auch im Zusammenhang mit Familiengesellschaften die Möglichkeit, unliebsame Weisungen des Arbeitgebers bzw. Dienstberechtigten abzuwenden. Stelle man auf die tatsächlichen Verhältnisse aufgrund familiärer Rücksichtnahme ab, bestünde diese Möglichkeit – nur – solange, wie das Einvernehmen der Familienmitglieder gewahrt bleibe. Im Falle eines familiären Zerwürfnisses zwischen den Beteiligten komme jedoch allein die den einzelnen Familienmitgliedern zustehende Rechtsmacht zum Tragen, so dass auch nach den gelebten tatsächlichen Verhältnissen eine Weisungsunterworfenheit bestehe. Eine solche „Schönwetter-Selbständigkeit“ sei mit Blick auf das Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozial- und beitragsrechtlicher Tatbestände schwerlich hinnehmbar (vgl. im Einzelnen: BSG Urteil vom 29.08.2012 B 12 KR 25/10 R). Im Hinblick auf diese Erwägungen hat das Bundessozialgericht auch in späteren Entscheidungen entschieden, dass die für das Leistungsrecht der Arbeitsförderung und das Recht der Unfallversicherung von den zuständigen Senaten entwickelte sogenannte „Kopf-und-Seele-Rechtspre­chung des Bundessozialgerichtes“ für die Beurteilung des sozialversicherungsrechtlichen Status nach § 7 Abs. 1 SGB IV auch nicht in Ausnahmefällen heranzuziehen sei (vgl. BSG Urteil vom 29.07.2015 B 12 KR 23/13 R; BSG Urteil vom 29.07.2015 B 12 R 1/15 R; BSG Urteil vom 11.11.2015 B 12 R 2/14 R). Dementsprechend kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob in der Person des Herrn W. die Voraussetzungen der sogenannten „Kopf-und-Seele-Rechtsprechung“ erfüllt waren.

 

5.    Für eine abhängige Beschäftigung des Herrn W. spricht schließlich auch der Umstand, dass ein wesentliches unternehmerisches Risiko für Herrn W. im Rahmen der zu beurteilenden Geschäftsführertätigkeit nicht besteht. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist maßgebliches Kriterium für en solches Risiko, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sachlichen oder persönlichen also ungewiss ist. Dies ist jedoch nur dann ein Hinweis auf eine Selbständigkeit, wenn dem unternehmerischen Risiko größere Freiheiten in der Gestaltung und Bestimmung des Umfanges beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft oder größere Verdienstmöglichkeiten gegenüberstehen (vgl. BSG Urteil vom 28.09.2011 B 12 R 17/09 R; BSG SozR 3-2400 § 7 Nr. 13 m. w. N.).

 

Herr W. setzte seine Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg ein. Er hatte in dem streitigen Zeitraum einen Anspruch auf Zahlung einer festen Vergütung. Daneben hatte er einen Anspruch auf Gehaltsfortzahlung für die Dauer von 6 Wochen im Krankheitsfall und bei sonstiger unverschuldeter Verhinderung. Somit hatte Herr W. bezogen auf seine Tätigkeit als Geschäftsführer grade kein Unternehmerrisiko zu tragen, da ihm als Gegenleistung für seine Tätigkeit, unabhängig vom wirtschaftlichen Ergebnis der Antragstellerin, ein Anspruch auf Zahlung eines regelmäßigen Entgeltes zustand. Bezogen auf die geschuldeten Dienste hatte Herr W. – wie jeder andere Beschäftigte auch – allein das Risiko des Entgeltausfalles in der Insolvenz des Arbeitgebers zu tragen (vgl. BSG Urteil vom 29.08.20112 B 12 KR 25/10 R m. w. N.).

 

6.    Für eine selbständige Tätigkeit des Herrn W. spricht, dass die in § 2 Abs. 1 des Anstellungsvertrages geregelte Verpflichtung, dass der Geschäftsführer seine gesamte Arbeitskraft und seine gesamten Kenntnisse und Erfahrungen der Antragstellerin zur Verfügung zu stellen habe, dadurch relativiert wurde, dass ihm auf der Grundlage des § 3 des Geschäftsführervertrages seitens der Antragstellerin erlaubt wurde, Tätigkeiten für andere ausländische Firmen auszuüben, die mit Auslandsaufenthalten verbunden waren.

 

7.    Insgesamt sind die in die gebotene Gesamtabwägung einzubeziehenden, für eine Selbständigkeit des Herrn W. sprechenden Umstände (Alleinvertretungsbefugnis, Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB, Befreiung von der Verpflichtung, seine gesamte Arbeitskraft der Antragstellerin zur Verfügung zu stellen), in deutlich geringerem Maße vorhanden als die Gesichtspunkte, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen (Weisungsgebundenheit, Eingliederung in einen fremden Betrieb, fehlendes unternehmerisches Risiko, arbeitnehmertypische Rechte wie monatliche Gehaltszahlung, Gehaltsfortzahlung im Krankheitsfall, Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub). Die für die Annahme einer abhängigen Beschäftigung des Herrn W. sprechenden Indizien überwiegen erheblich und geben im Rahmen der Gesamtabwägung den Ausschlag.

 

8.    Soweit die Antragstellerin geltend gemacht hat, im Rahmen früherer Betriebsprüfungen und insbesondere im Rahmen der im März 2016 durchgeführten Betriebsprüfung für den Zeitraum vom 01.01.2012 bis zum 31.12.2015 sei nicht beanstandet worden, dass für Herrn W. keine Sozialversicherungsbeiträge wegen abhängiger Beschäftigung entrichtet worden sind, ergibt sich daraus keine andere rechtliche Wertung. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes entfalten frühere beanstandungsfrei verlaufene Betriebsprüfungen und in diesem Zusammenhang ergangene frühere Bescheide keine Bindungswirkung für spätere Betriebsprüfungen und vermitteln der Antragstellerin keinen Bestandsschutz gegenüber einer späteren Beitragsforderung. Betriebsprüfungen sowie das Ergebnis der Prüfung festhaltende Abschlussmitteilungen der Versicherungsträger bezwecken insbesondere nicht, den Arbeitgeber als Beitragsschuldner zu schützen oder ihm etwa – mit Außenwirkung – Entlastung zu erteilen. Eine materielle Bindungswirkung kann sich lediglich dann und nur insoweit ergeben, als Versicherungs- und / oder Beitragspflicht im Rahmen der Prüfung personenbezogen für bestimmte Zeiträume durch gesonderte Verwaltungsakte festgestellt wurden (vgl. BSG Urteil vom 29.07.2003 B 12 AL 1/02 R; BSG Urteil vom 30.10.2013 B 12 AL 2/11 R; BSG vom 18.11.2015 B 12 R 7/14 R). Die Antragstellerin hat zum einen nicht dargelegt, dass ein früherer Betriebsprüfungsbescheid personenbezogene Feststellungen zur Versicherungspflicht der Tätigkeit des Herrn W. als Gesellschafter-Geschäftsführer enthalten hat. Zum anderen würden diesbezügliche Feststellungen für den hier streitigen Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 31.12.2019 keine Vertrauensschutz begründende Wirkung entfalten können, weil sich die zugrunde liegenden tatsächlichen Verhältnisse geändert haben. Während Herr W. in der Zeit bis zum 22.01.2016 über einen Anteil von 50 v. H. am Stammkapital verfügte und damit jede ihm nicht genehme Weisung in der Gesellschafterversammlung verhindern konnte, hat sich sein Anteil am Stammkapital seit dem 22.01.2016 auf 40 v. H. reduziert mit der Folge, dass er auf der Grundlage seiner Gesellschaftsstellung keinen maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der GmbH hat und er Beschlüsse sowie Einzelweisungen der Gesellschafterversammlung ihm gegenüber nicht mehr verhindern kann.

 

9.    Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin darauf, dass die sofortige Vollziehung des Betragsbescheides für sie eine unbillige Härte bedeuten würde, weil durch die Höhe der nachgeforderten Beiträge die weitere Existenz der Antragstellerin in Frage gestellt sei und die Insolvenz drohe. Allein die mit der Zahlung auf eine Betragsforderung für die Antragstellerin verbundenen wirtschaftlichen Konsequenzen führen nicht zu einer solchen Härte, da sie lediglich Ausfluss der Erfüllung gesetzlich auferlegter Pflichten sind. Darüber hinausgehende, nicht oder nur schwer wiedergutzumachende Nachteile sind nicht erkennbar. Im Hinblick auf die mit der Beitragsnachforderung verbundenen berechtigten Interessen der Versichertengemeinschaft sowie der einzelnen Versicherten kann vielmehr grade bei bestehender oder drohender Zahlungsunfähigkeit des Beitragsschuldners eine alsbaldige Beitreibung geboten sein (vgl. LSG NRW Beschluss vom 21.02.2012 L 8 R 1047/11 B ER). Eine beachtliche Härte in diesem Sinne ist also regelmäßig nur dann denkbar, wenn es dem Beitragsschuldner gelingt darzustellen, dass das Beitreiben der Forderung aktuell die Insolvenz und / oder die Zerschlagung eines Geschäftsbetriebes zur Folge hätte, die Durchsetzbarkeit der Forderung bei einem Abwarten der Hauptsache aber zumindest nicht weiter gefährdet wäre als zurzeit (vgl. LSG NRW Beschluss vom 27.04.2016 L 8 R 300/15 B ER; LSG Beschluss vom 22.12.2015 L 8 R 213/13 B ER; LSG NRW Beschluss vom 08.04.2014 L 8 R 737/13 B ER). Dies ist vorliegend nicht glaubhaft gemacht worden, insbesondere nicht durch Vorlage der betriebswirtschaftlichen Kurzberichte bezogen auf den Zeitraum Januar 2020 bis Juni 2021.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Beschluss kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe Beschwerde bei dem

 

Sozialgericht Duisburg, Mülheimer Straße 54, 47057 Duisburg

 

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem

 

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen

 

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

 

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

 

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

 

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

 

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.

 

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zu Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Absatz 4 Nummer 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
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