S 32 R 707/21

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 R 707/21
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Die Änderung der Hinzuverdienstgrenze mit dem Coronavirus-Schutzpaket vom 27. März 2020 ist kein „geeigneter Fall“ im Sinn von § 115 Abs. 6 SGB VI, welcher eine Beratungspflicht einzelner Versicherter ohne konkreten Anlass begründet.

ENTWURF

Sozialgericht Berlin

 

 

S 32 R 707/21

 

 

 

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

         ,
 

 

- Kläger -

Proz.-Bev.:

…,
 

gegen

         Deutsche Rentenversicherung Schwaben,  

Dieselstr. 9, 86154 Augsburg,
 

- Beklagte -

 

 

hat die 32. Kammer des Sozialgerichts Berlin ohne mündliche Verhandlung am 14. Januar 2025 durch die Richterin am Sozialgericht … sowie die ehrenamtlichen Richter Herrn …und Herrn … für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

 

Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

 

 

 

Tatbestand

 

Der Kläger macht eine frühere Gewährung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte aufgrund sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs geltend.

Mit Rentenauskünften vom 30. Mai 2018 und vom 11. Juli 2018 unterrichtete die Beklagte den Kläger über das Rentenantragserfordernis sowie über die Voraussetzungen der verschiedenen Rentenleistungen nach dem Stand zu diesem Zeitpunkt mit dem Hinweis, dass Rentenanwartschaft nach aktuellen Bestimmungen errechnet werden und sich aus künftig wirksam werdenden neuen Rechtsvorschriften Abweichungen ergeben könnten. Zudem erfolgten allgemeine Hinweise zum Hinzuverdienst bei Altersrenten vor Erreichen des regulären Beginns der Regelaltersrente und zu den Auswirkungen eines Hinzuverdienstes und der Hinzuverdienstgrenze.

Am 30. Juli 2020 beantragte der Kläger bei der Beklagten Altersrente zum frühestmöglichen Zeitpunkt als Vollrente.

Mit Schreiben vom 9. August 2020 bat er um Erteilung einer Zusicherung über das Vorliegen der Voraussetzungen für die Inanspruchnahme einer Altersrente für besonders langjährig Versicherte unter Einbeziehung der italienischen Beitragszeiten.

Mit Schreiben vom 11. August 2020 informierte die Beklagte den Kläger, dass er unter Berücksichtigung der italienischen Versicherungszeiten aufgrund seines Rentenantrags vom 30. Juli 2020 ab 1. Juli 2020 abschlagsfrei Altersrente für besonders langjährig Versicherte erhalten könne. Zudem habe er die Möglichkeit, die Altersrente für langjährig Versicherte ab 1. Mai 2020 in Anspruch zu nehmen, allerdings mit Abschlag. Bei Hinzuverdienst müsse noch die Hinzuverdienstgrenze geprüft werden.

Der Kläger bat die Beklagte mit Schreiben vom 20. August 2020 um Rentenauskunft für Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Da er bereits 30 Monate Pflichtbeitragszeiten in Italien zurückgelegt habe, bezweifele er, dass der mitgeteilte früheste Rentenbeginn zutreffend sei. Die Beklagte übersandte daraufhin die Rentenauskunft vom 4. September 2020.

Auf den Formularen der Beklagten beantragte der Kläger im Oktober 2020 Altersrente für besonders langjährig Versicherte mit einem Rentenbeginn ab 1. Mai 2020 als Vollrente und gab Hinzuverdienst ab 1. Mai 2020 an.

Mit Schreiben vom 27. Oktober 2020 erklärte der Klägerbevollmächtigte, dass der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug einer abschlagsfreien Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab 1. Februar 2020 erfülle. Der Kläger begehre daher Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab 1. Februar 2020. Er habe einen Hinzuverdienst von 43.200 €. Hätte die Beklagte den Kläger bis Mitte Juni 2020 über die neue Hinzuverdienstgrenze informiert, wäre von ihm bis zum 30. Juni 2020 ein Rentenantrag gestellt worden.

Die Beklagte antwortet mit Schreiben vom 27. Oktober 2020, der Kläger habe die Voraussetzungen für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits am 1. Februar 2020 erfüllt. Jedoch würden Rentenleistungen nur auf Antrag erbracht. Der Kläger habe aber erst am 30. Juli 2020 einen Rentenantrag gestellt. Bei Hinzuverdienst könne die Altersrente für besonders langjährig Versicherte nach Erreichen der entsprechenden Altersgrenze bereits bis zu zwei Kalendermonate vor Antragstellung gewährt werden.

Mit Rentenbescheide vom 8. Dezember 2020 gewährte die Beklagte dem Kläger ab 1. Mai 2020 Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 30. April 2020 erfüllt. Laut Versicherungsverlauf in der Anlage zum Rentenbescheid vom 8. Dezember 2020 bis zum Rentenbeginn am 1. Mai 2020 waren alle Monate seit 1974 mit Pflichtbeiträgen belegt.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger am 16. Dezember 2020 Widerspruch ein. Er habe bereits ab 1. Februar 2020 Anspruch auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Die Beklagte hätte alleine aus dem Aktenbestand ersehen können, dass im Hinblick auf die geänderte Hinzuverdienstregelung des § 302 Abs. 8 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI) ein entsprechender Rentenantrag hätte gestellt werden können. Hätte sie ihn bis spätestens Mitte Juni 2020 über die neue Hinzuverdienstregel informiert, hätte er bis zum 30. Juni 2020 einen entsprechenden Rentenantrag gestellt.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. April 2021 als unbegründet zurück. In dem am 27. März 2020 verkündeten Sozialschutz-Paket sei die kalenderjährlichen Hinzuverdienstgrenze in § 302 Abs. 8 SGB VI von 6.300 € auf 44.590 € erhöht worden. § 302 Abs. 8 SGB VI sei zum 1.1.2020 in Kraft und zum 1.1.2021 außer Kraft getreten. Diese Neuregelung wirke sich bei Bestandfällen als auch auf den Rentenbeginn bei Neufällen aus. Ein Rentenbeginn ab 1. Februar 2020 sei wegen verspäteter Antragstellung nicht möglich. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) im Urteil vom 22.10.1996, Az. 13 RJ 23/95, bestehe eine Hinweispflicht, wenn das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen einer Leistung vom Versicherungsträger generell aufgrund des maschinell geführten Versicherungskontos ohne Befragen des Versicherten und ohne weitere Ermittlungen festgestellt werden könne. Es müsse sich um Leistungen handeln, welche von Versicherten nicht nur in bestimmten Situationen, sondern von allen Versicherten in Anspruch genommen werden könnten. Die anzuregende Antragstellung müsse sich in der überwiegenden Zahl der Fälle günstig auswirken ohne Erfordernis einer Probeberechnung im Einzelfall. In allen anderen Fällen könne nur aus konkretem Anlass eine Beratung im Einzelfall erfolgen. Es bestünde bezüglich der Neuregelung keine Beratungspflicht von Amts wegen aufgrund der Komplexität sämtlicher zu berücksichtigender Faktoren in Fällen, in denen Versicherte einen Antrag auf Altersrente bzw. den beantragten Rentenbeginn aufgrund der Neuregelung vorziehen könnten. Zum Eintritt der der Gesetzesänderung am 27. März 2020 für das Jahr 2020 habe sie nicht ohne Probeberechnung und ohne weitere Ermittlungen feststellen können, ob ein früherer Rentenbeginn in Frage käme. Ihr sei ein Rentenbegehren des Klägers nicht bekannt gewesen. Und laut Meldung des Arbeitgebers im Jahr 2019 habe er einen Bruttolohn von 46.989 € erhalten. Aus dem Kontoinhalt alleine wäre nicht sicher festzustellen gewesen, ob überhaupt Anspruch auf Altersrente in voller Höhe bestanden hätte. Der zu erwartende Hinzuverdienst hätte auf jeden Fall mit einer zusätzlichen Anfrage an den Versicherten/ Arbeitgeber geprüft werden müssen. Fälle, in denen bisher keine Rentenleistungen bezogen worden seien, seien hinsichtlich des Anspruchs auf vorzeitige Altersrente für eine generelle Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI nicht geeignet. Und ihrer allgemeinen Hinweispflicht nach § 13 SGB VI sei sie durch Veröffentlichungen im Internet, Zeitungen etc. nachgekommen.

 

 

Mit seiner am 21. April 2021 zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Die Beklagte hätte ihn gem. § 115 Abs. 6 SGB VI spätestens bis Mitte Juni 2020 auf den massiv geänderten Hinzuverdienst hinweisen und eine Rentenbeantragung anregen müssen. Die gesetzliche Neuregelung des Hinzuverdienstes bei Altersrenten in § 302 Abs. 8 SGB VI sei bereits am 27. März 2020 in Kraft getreten. Für die Beklagte sei alleine aus dem Datenbestand ohne weiteres erkennbar gewesen, dass der Kläger die Wartezeit und das erforderliche Lebensalter für eine Altersrente gem. § 236b SGB VI erreicht habe. Er habe nicht aufgrund Vorliegen einer Unkenntnis über das Erreichen der notwendigen Rentenversicherungszeiten oder der Altersgrenze seinen Rentenantrag auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte nicht früher gestellt - Dies sei ihm alles bekannt gewesen. -, sondern alleine aufgrund Unkenntnis der Veränderung der Hinzuverdienstgrenze durch Gesetz vom 27. März 2020. § 115 Abs. 6 SGB VI sei nach dem Urteil des BSG vom 1. September 1999, Az. B 13 RJ 73/98 R, auch auf vorgezogene Altersrenten anwendbar. Und die Hinweispflicht aus § 115 Abs.6 SGB VI bestehe unabhängig davon, ob noch Ermittlungen zur Einhaltung der Hinzuverdienstgrenze anzustellen seien.

 

Der Kläger beantragt in seinem Schriftsatz vom 3. April 2021,

„1. Der Bescheid der Beklagten vom 08.12.2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.04.2021 wird geändert.

2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger eine Altersrente für besonders langjährig Versicherte auch für die Zeit vom 01.02.2020 bis zum 30.04.2020 zu gewähren.“

Die Beklagte beantragt,

            die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihren Bescheiden fest und verweist insbesondere auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Der Kläger hat sein Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung ohne vorherige mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG mit Schriftsatz vom 2. September 2024 und die Beklagte mit Schriftsatz vom 22. August 2024 erklärt.

Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe

 

Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig. In der Sache hat sich jedoch keinen Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab 1. Februar 2020 trotz erst im Juli 2020 erfolgter Rentenantragstellung. Denn gem. § 99 Abs. 1 S. 1 SGB VI wird eine Rente nur dann von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind, wenn die Renten bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Sonst wird die Rente gem. § 99 Abs. 1 S. 2 SGB VI nur ab dem Monat geleistet, in welchem die Renten beantragt wurde. Die Anspruchsvoraussetzungen für die Altersrente für besonders langjährig Versicherte hat der Kläger aber bereits mehr als drei Kalendermonate vor Juli 2020 erfüllt, nämlich ab 1. Februar 2020.

Auch aus sozialrechtlichem Herstellungsanspruch hat der Kläger keinen Anspruch auf frühere Gewährung der Altersrente für besonders langjährig Versicherte bereits ab 1. Februar 2020.

Dahinstehen kann, ob eine Rentenantragstellung im Juni 2020, welche der Kläger im Fall einer entsprechenden Beratung geltend macht, für einen Anspruch auf rückwirkende Rentengewährung ab 1. Februar 2020 gem. § 99 Abs. S. 1 SGB VI ausreicht wegen der rückwirkenden Änderung der Hinzuverdienstgrenze mit Gesetz vom 27. März 2020 zum 1. Januar 2020 oder ob für einen Rentenbeginn ab Februar 2020 eine späteste Rentenantragstellung im April 2020 erforderlich gewesen wäre. Denn darauf kommt es nicht an.

Der sozialrechtliche Herstellungsanspruch setzt voraus, dass die Beklagte durch rechtswidriges Verhalten eine Haupt- oder Nebenpflicht des Sozialrechtsverhältnisses verletzt hat, welche der Beklagten grade zum Schutz des konkreten Rechts des Klägers oblag (Schutzzweck) und dass diese Pflichtverletzung kausal für den vom Kläger geltend gemachten eingetretenen Schaden bzw. Nachteil gewesen ist (s. hierzu, BSG, Urteil vom 6. März 2003, Az B. 4 RA 38/02 R, Rn. 18 und 54; juris). Hier fehlt es an einer Pflichtverletzung der Beklagten.

Der Kläger, dem nach seinem Vortrag das grundsätzliche Bestehen seines Rentenanspruchs auf Altersrente für besonders langjährig Versicherte ab 1. Februar 2020 ebenso bekannt war wie das Erfordernis einer Rentenantragstellung, macht eine Verletzung der Beratungspflicht der Beklagten gem. § 115 Abs. 6 SGB VI hinsichtlich der veränderten Hinzuverdienstgrenze durch das Coronavirus-Sozialschutzpaket vom 27. März 20202 und eines aufgrund dessen nicht durch Hinzuverdienst gekürzten Rentenanspruchs geltend.

Mit dem Coronavirus-Sozialschutzpaket vom 27. März 2020 wurden - mit dem Ziel, die Weiterarbeit bzw. die Wiederaufnahme einer Beschäftigung nach Renteneintritt zu erleichtern - u.a. durch § 302 Abs. 8 SGB VI für Zeit 1. Januar bis 31. Dezember 2020 die Hinzuverdienstgrenze des § 34 SGB VI dahingehend geändert, dass der bisherige Betrag von 6.300 € auf 44.590 € hochgesetzt wurde.

Eine spontane Hinweispflicht der Beklagten bei einem konkreten Anlass gem. § 14 Erstes Sozialgesetzbuch (SGB I) bestand hier nicht. Diese besteht, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (BSG SozR 3-2600 § 115 Nr. 2, 4 mwN). Hier fehlt es an einer konkreten Sachbearbeitung. Eine konkrete Sachbearbeitung nach Änderung der Hinzuverdienstgrenze mit dem Gesetz vom 27. März 2020 begann erst nach Stellung des Rentenantrags am 30. Juli 2020.

Es liegt auch keine fehlerhafte Beratung der Beklagten über die abstrakten Hinzuverdienstgrenzen in den bis zur Rentenantragstellung erteilten Rentenauskünften vor. Die hierzu in den Rentenauskünften erteilten allgemeinen Informationen über Hinzuverdienst waren im Zeitpunkt der Rentenauskunftserteilung zutreffend.

Die Beklagte hat auch nicht gegen ihre Beratungspflicht gem. § 115 Abs. 6 SGB VI verstoßen, „in geeigneten Fällen“ einzelne Versicherte auch ohne konkreten Anlass darauf hinzuweisen, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen. Hinsichtlich der Änderung der Hinzuverdienstgrenze und deren Auswirkungen auf den Rentenzahlanspruch des Klägers bestand eine solche Pflicht zur Beratung des Klägers durch die Beklagte aus § 115 Abs. 6 SGB VI nicht. Eine Beratungspflicht „in geeigneten Fällen“ setzt voraus, dass es die beim Rentenversicherungsträger gespeicherte Daten ohne weiteres, insbesondere ohne weitere Nachfragen, ohne einzelfallbezogene Sachbearbeitung und ohne Probeberechnung, ermöglichen, ein abgrenzbarer Kreis von Berechtigten zu ermitteln, welche die Anspruchsvoraussetzungen für eine Leistung erfüllen (BSG, Urteil vom 1. September 1999, Az. B 13 RJ 73/98 R, Rn. 25; juris). Es muss sich dabei um beim Rentenversicherungsträger gespeicherte Daten handeln, die aufgrund allgemeiner Kriterien abrufbar sind. Und der Rentenversicherungsträger muss über die Kenntnisse verfügen, die ein Beratung als erforderlich erscheinen lassen. Das ist hinsichtlich der Hinzuverdienstgrenze und deren Auswirkungen nicht der Fall. Die Auswirkungen der im Jahr 2020 geltenden Hinzuverdienstregeln, in § 34 SGB VI als negative Anspruchsvoraussetzung formuliert, auf den einzelnen Rentenanspruch – Anspruch auf Vollrente, Teilrente (in welcher Höhe) oder gar kein Rentenanspruch – ließ sich nur durch individuelle Sachbearbeitung im Rahmen einer Einzelfallermittlung zu allen Einkommensarten und im Rahmen einer Einzelfallprüfung bestimmen. Alleine die gespeicherten Meldungen rentenversicherungspflichtigen Entgeltes in der Vergangenheit lassen weder die Ermittlung eines zutreffend abgrenzbaren Kreises von Berechtigten ermitteln noch lassen diese eine Auskunft der Beklagten über eine voraussichtliche Kürzung oder Nicht-Kürzung einer vorgezogenen Altersrente, deren positive Anspruchsvoraussetzungen ein Versicherter grundsätzlich erfüllt, aufgrund eines Hinzuverdienstes nicht zu. Weder kann die Beklagte aus den gespeicherten Datensätzen alle hinzuverdienstrelevanten Einkommen erkennen, noch – soweit Einkommen gespeichert ist – ob dieses auch künftig in dieser Höhe weiterbezogen wird. Diese Informationen werden erst in den Rentenantragsformularen abgefragt. Das schließt eine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI mangels Ermittelbarkeit eines abgrenzbaren Kreises von Versicherten alleine aus den gespeicherten Daten aus. Als Gegenfolge daraus, schließt die abstrakte Möglichkeit, dass die Hinzuverdienstgrenze überschritten wird und deswegen kein Rentenanspruch (neg. Anspruchsvoraussetzung) besteht, eine Hinweispflicht nach § 115 Abs. 6 SGB VI über andere Rentenanspruchsvoraussetzungen nicht aus (s. hierzu auch SG Karlsruhe, Urteil vom 8. Februar 2017, Az. S 2 R 3648/15, Az. 49; juris). Eine kausale Verletzung einer Hinweispflicht hierzu ist aber in diesem Fall nicht behauptet oder ersichtlich.

Das vom Kläger gennannte Urteil des BSG vom 1. September 1999, Az. B 13 RJ 73/98 R, führt zu keiner anderen Beurteilung. Darin wurde grade keine Hinweispflicht zu den Hinzuverdienstgrenzen ausgeurteilt, sondern vielmehr ausgeführt, dass zu geänderte Anrechnungsmöglichkeiten von Rentenzeiten und damit geänderter Anspruchsvoraussetzungen des Rentenanspruchs selbst eine Hinweispflicht bestand und diese Hinweispflicht nicht aufgrund der Möglichkeit eines Überschreitens der Hinzuverdienstgrenze obsolet wurde. Da sich die dem Urteil zugrundeliegende Regelung lediglich auf den Rentenzahlanspruch, aber nicht auf das Rentenstammrecht auswirkte, war, so das BSG a.a.O., die Hinzuverdienstregel im Rahmen des § 115 Abs. 6 SGB VI nicht zu berücksichtigen. Im Rahmen des § 115 Abs. 6 SGB VI sind nach diesem Urteil Regelungen nicht zu berücksichtigen, die sich nur auf den Rentenzahlanspruch beziehen, und Bestimmungen, die nur im Wege einer individuellen Sachbearbeitung angewandt werden können.

Die Kostenentscheidung beruht auf Anwendung des § 193 Abs. 1 SGG. Sie richtet sich nach dem Ausgang der Hauptsache und berücksichtigt, dass diese erfolglos geblieben ist.

 

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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