1. Das Gericht kann nach § 131 Abs 5 Satz 1 SGG nur den angegriffenen Bescheid aufheben, ohne in der Sache zu entscheiden, wenn Ermittlungen erforderlich sind, die erheblich sind. Diese Voraussetzungen liegen nicht schon dann vor, wenn das Sozialgericht meint, es müssten weitere medizinische Ermittlungen (zB Beiziehung von medizinischen Unterlagen oder Einholung eines Sachverständigengutachtens) erfolgen. 2. Diese strenge Ausnahme vom Grundsatz, dass das Sozialgericht selbst unter Berücksichtigung seiner Amtsermittlungspflicht entscheiden muss, liegt nicht vor, wenn der Beklagte Ermittlungen zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts durchgeführt und die an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen nicht unterschritten hat.
Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 22. Juli 2024 wird aufgehoben und der Rechtsstreit an das Sozialgericht Dessau-Roßlau zurückverwiesen.
Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem Sozialgericht vorbehalten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung eines GdB von mindestens 80 und des Merkzeichens Gl (Gehörlosigkeit) streitig.
Der Beklagte stellte mit Bescheid vom 4. September 2019 bei der am ... 1970 geborenen Klägerin ab 5. Juni 2019 einen Grad der Behinderung (GdB) von 50 und das Merkzeichen RF wegen Schwerhörigkeit beidseits fest. Dieser Feststellung lagen Befundscheine der Fachärztin für HNO-Heilkunde B. von Juni 2019 und der Internistin/Diabetologin Dr. L. von Juli 2019 nebst Anlagen zugrunde.
Die Klägerin beantragte am 13. Juli 2023 wegen Taubheit beidseits eine Neufeststellung von Behinderungen nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen (SGB IX) und das Merkzeichen Gl. Sie fügte eine Epikrise des A. Klinikums H. vom 1. Juni 2023 über den stationären Aufenthalt vom 30. Mai bis zum 2. Juni 2023 bei. Dort wurde als Diagnose eine hochgradige, an Taubheit grenzende basocochleäre Schwerhörigkeit beidseits mitgeteilt. Die Klägerin sei am 30. Mai 2023 mit einer Cochlear Implantat (Cl) -Versorgung (links) ausgestattet worden. Ein Termin zur Erstanpassung des Sprachprozessors sei im Cochlear-Implant-Rehabilitationszentrum in H. für Juli 2023 vereinbart worden.
Der Beklagte holte einen Befundbericht von dem Facharzt für HNO-Heilkunde Dipl.-Med. N. vom 15. September 2023 ein. Danach bestünden noch erhebliche Anpassungsschwierigkeiten nach Implantat-Operation/Reha. Dipl.-Med. N. fügte Tonaudiogramme nach Weber/Rinne mit und ohne Hörgeräte sowie ein Sprachaudiogramm nach Freiburger mit Hörgeräten jeweils vom 16. März 2023 bei.
Der ärztliche Dienst des Beklagten bat unter dem 25. Oktober 2023 um Sachaufklärung durch Beiziehung von Ton- und Sprachaudiogrammen ohne Hörhilfen. Der Beklagte forderte Dipl.-Med. N. mit Schreiben vom 16. November 2023 zur Vorlage eines Ton- und Sprachaudiogramms ohne Hörhilfen nach Durchführung einer Untersuchung (mit Zusage einer Kostenübernahme) bzw. eines aktuellen Befundes auf. Dipl.-Med. N. übersandte erneut die Audiogramme vom 16. März 2023.
Der ärztliche Dienst des Beklagten schlug unter dem 19. Dezember 2023 aufgrund der Tonaudiogramme und des Sprachaudiogramms für Schwerhörigkeit beidseits einen GdB von 60 vor. Dem folgend hob der Beklagte mit Bescheid vom 19. Januar 2024 den Bescheid vom 4. September 2019 auf und stellte ab 13. Juli 2023 einen GdB von 60 fest. Er teilte ferner mit, dass das Merkzeichen RF festgestellt bleibe und das Merkzeichen Gl abgelehnt werde.
Mit dem hiergegen am 31. Januar 2024 erhobenen Widerspruch bat die Klägerin um eine erneute Entscheidung nach weiteren medizinischen Ermittlungen (Ermittlung der Hörstörungen ohne Hörhilfen). Sie gab an, am 5. März 2024 auch rechts mit CI versorgt zu werden, und stellte sich einer Begutachtung zur Verfügung. Sie fügte die Epikrise des A. Klinikums H. vom 28. März 2023 über den stationären Aufenthalt vom 27. bis 29. März 2023 wegen Cl-Diagnostik bei der Diagnose einer bilateralen hochgradigen, an Taubheit grenzenden basocochleären Schwerhörigkeit bei.
Nach Beteiligung seines ärztlichen Dienstes wies der Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 2024 als unbegründet zurück. Maßgebend für die Bewertung des GdB bei Hörstörungen sei die Herabsetzung des Sprachgehörs, deren Umfang durch Prüfung ohne Hörhilfen zu bestimmen sei. Nach dem Sprachaudiogramm ohne Hörhilfen von März 2023 ergebe sich plausibel zum Tonaudiogramm ein Hörverlust rechts und links jeweils von 80 %. Daraus resultiere einen GdB von 60. Ton- und Sprachaudiogramme ohne Hörhilfen bzw. mit ausgeschaltetem CI nach CI-Implantation links lägen nicht vor. Eine Verschlimmerung links sei somit nicht nachgewiesen. Die CI-Implantation links rechtfertige nicht die Annahme einer Taubheit links. Im Ergebnis könne weder Taubheit beidseits noch eine an Taubheit grenzende Schwerhörigkeit beidseits mit schweren Sprachstörungen festgestellt werden.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit der am 18. März 2024 beim Sozialgericht Dessau-Roßlau erhobenen Klage gewandt. Bereits vor der CI-Implantation rechts vom 5. März 2024 habe eine hochgradige, an Taubheit grenzende Einschränkung ihres Hörvermögens beidseits vorgelegen. Ferner sei unter dem 8. März 2024 eine progrediente Verschlechterung der Situation links festgestellt worden. Der Hörkurvenverlauf und die zur Beurteilung des beiderseitigen Hörvermögens relevanten Untersuchungsunterlagen seien beizuziehen. Die Klägerin hat u.a. die Epikrise des A. Klinikums H. über den stationären Aufenthalt vom 5. bis 8. März 2024 anlässlich der CI-Versorgung rechts am 5. März 2024 bei den Diagnosen Taubheit beidseits, Zustand nach CI-Versorgung links vorgelegt. Bei weiterhin bestehender Verschlechterung der Hörsituation links und progredienter Dislokation der Elektrode wäre eine Revision bzw. Neuimplantation zu empfehlen. Die Klägerin hat weiter vorgetragen, von Seiten des A. Klinikums sei beabsichtigt, am 18. Juni 2024 die Details festzulegen, wann und unter welchen Bedingungen das Ton- und Sprachaudiogramm unter Ausschluss der CI durchgeführt sowie wann erneut das linke Ohr operativ versorgt werde. Erst nach Vorlage der Testergebnisse und Durchführung der Operation könnten der GdB und das Merkzeichen beurteilt werden.
Der Beklagte hat auf die versorgungsärztliche Stellungnahme seiner ärztlichen Gutachterin Dr. P. vom 6. Mai 2024 verwiesen, die eine weitere Sachverhaltsaufklärung empfohlen hat. Es seien alle Ton- und Sprachaudiogramme seit September 2019 bis zur letzten Operation im März 2024, die ohne Hörhilfen bzw. mit ausgeschaltetem CI erhoben worden seien, beizuziehen. Gegebenenfalls seien dementsprechende Befunde auch von einem Hörgeräteakustiker einzuholen.
Das Sozialgericht hat mit Gerichtsbescheid vom 22. Juli 2024 unter Abweisung der Klage im Übrigen den Bescheid des Beklagten vom 19. Januar 2024 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 2024 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, nach Durchführung weiterer Sachaufklärung neu zu entscheiden. Der Beklagte habe mit Bescheid vom 19. Januar 2024 über den Antrag entschieden, ohne den aktuellen gesundheitlichen Zustand der Klägerin vollständig ermittelt zu haben. Dem Beklagten sei ein Aufklärungsmangel gemäß § 20 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - SGB X) zu attestieren. Es sei nicht ersichtlich, warum der Beklagte weder von Dipl.-Med. N. noch vom A. Klinikum H. ein aktuelles Ton- und Sprachaudiogramm angefordert habe. Ferner hätte er vom Cochlear-Implant-Rehabilitationszentrum aktuelle Unterlagen beiziehen können. Dies sei nicht erfolgt, sodass der Beklagte den Mindestanforderungen seiner Amtsermittlungspflicht nicht nachgekommen sei. Dies habe er auch selbst erkannt und eingeräumt, indem er dem Gericht weitere Tatsachenermittlungen empfohlen habe. Die Aufhebung in Form der Zurückverweisung sei sachdienlich, denn der Beklagte sei nach seiner personellen und sachlichen Ausstattung in der Lage, diese Ermittlungen inhaltlich besser und schneller durchzuführen. Nach Übersendung eines aktuellen Ton- und Sprachaudiogramms sei es dem Beklagten gerade durch seinen medizinischen Dienst einfacher möglich, die eingeholten medizinischen Unterlagen zu prüfen und auszuwerten. Es habe mehr für eine Entscheidung nach § 131 Abs. 5 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) als für eine Fortführung des gerichtlichen Verfahrens und weitere Sachverhaltsermittlung durch das Gericht gesprochen. Ferner sei auch die Frist des § 131 Abs. 5 Satz 5 SGG gewahrt.
Gegen den ihm am 31. Juli 2024 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Beklagte am 26. August 2024 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt eingelegt. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Zurückverweisung an ihn seien nicht erfüllt. Er habe medizinische Ermittlungen eingeleitet. Die Klägerin habe selbst die Berichte des A. Klinikums H. vom 28. März und 1. Juni 2023 in das Verfahren eingebracht. Aus dem Fragebogen ließen sich keine weiteren Untersuchungen im A. Klinikum H. erkennen. Schließlich sei die Klägerin nach Erteilung des Widerspruchsbescheides von einer weiteren Verschlechterung ihrer Hörsituation ausgegangen, welche ausweislich des Berichtes des A. Klinikums H. vom 5. März 2024 zu der Diagnose einer beidseitigen Taubheit geführt habe. Diese könnte bei Nachweis durch aktuelle Audiogramme und Dauerhaftigkeit den beantragten GdB von 80 sowie das Merkzeichen Gl begründen. Deshalb sei im Klageverfahren eine weitere Sachverhaltsaufklärung angeregt worden. Den Unterlagen im Verwaltungsverfahren habe sich eine derart schwere Hörbeeinträchtigung noch nicht entnehmen lassen.
Der Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 22. Juli 2024 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Dessau-Roßlau zurückzuverweisen, hilfsweise die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau für zutreffend. Für sie sei nicht nachvollziehbar, dass der Beklagte vom A. Klinikum H. keine Befunde eingeholt habe. Sie beziehe Rente wegen voller Erwerbsminderung vom 1. Oktober 2023 bis 30. September 2026 (Bescheid der Deutschen Rentenversicherung Bund vom 25. September 2024). Die Anspruchsvoraussetzungen für diese Rente seien am 27. März 2023, dem Beginn ihres stationären Aufenthaltes in dem A. Klinikum H., erfüllt gewesen. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der Rentenversicherungsträger sich der Befundberichte bedient habe und der Beklagte nicht.
Die Klägerin hat sich am 28. Oktober 2024 und der Beklagte am 29. Oktober 2024 mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte des Beklagten ergänzend verwiesen. Diese sind Gegenstand der Entscheidungsfindung des Senats gewesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat durfte den Rechtsstreit mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
Die Berufung des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden und auch statthaft gemäß § 144 Abs. 1 SGG.
Die Berufung des Beklagten ist begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 22. Juli 2024 war aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG zurückzuverweisen. Denn das Sozialgericht hat zu Unrecht den angefochtenen Bescheid aufgehoben, ohne in der Sache zu entscheiden.
Nach § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG kann das LSG durch Urteil eine Entscheidung des Sozialgerichts aufheben und zurückverweisen, wenn dieses eine Klage abgewiesen hat, ohne in der Sache zu entscheiden. Dies gilt entsprechend, wenn das Sozialgericht wie hier einen Bescheid zu Unrecht ohne Sachentscheidung aufgehoben hat. Dies ist der Fall, wenn es der Klage wie vorliegend teilweise stattgegeben und den angegriffenen Bescheid aufgehoben hat, ohne zu dem beantragten GdB und Merkzeichen Stellung zu nehmen (vgl. Urteile des LSG Sachsen-Anhalt vom 5. Mai 2011, L 7 SB 42/09, vom 24. Januar 2019, L 1 P 29/18, und vom 6. März 2019, L 1 P 26/18 sowie L 1 P 33/18; LSG B.-B., Urteil vom 27. Januar 2009, L 4 R 1519/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 17. März 2010, L 8 R 145/09; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 159 Rdnr. 2b m.w.N.).
Das Sozialgericht konnte seine Entscheidung vom 22. Juli 2024 nicht auf § 131 Abs. 5 SGG stützen, da die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben. Nach § 113 Abs. 5 Satz 1 SGG kann das Sozialgericht den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, wenn es eine weitere Sachaufklärung für erforderlich hält, die noch erforderlichen Ermittlungen nach Art und Umfang erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Die Regelung bedeutet eine eng auszulegende Ausnahme von dem Grundsatz, dass das Gericht selbst eine Sachentscheidung über eine zulässige Klage treffen muss (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 17. April 2007, B 5 RJ 30/05 R; LSG B.-B., a.a.O.; LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.).
§ 131 Abs. 5 SGG gilt auch für die hier vorliegende kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage. Die Vorschrift lehnt sich unmittelbar an die fast wortgleichen Vorschriften des § 113 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie des § 100 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) an. Sie soll dem Gericht zeit- und kostenintensive Ermittlungen ersparen, die eigentlich der Behörde obliegen (BT-Drs. 15/1508, S. 29, BR-Drs. 378/03, S. 67).
Der Senat sieht zwar wie das Sozialgericht weitere medizinische Ermittlungen als erforderlich an. Es kommt die Beiziehung sämtlicher Ton- und Sprachaudiogramme seit 13. Juli 2023, insbesondere der aktuellen Ton- und Sprachaudiogramme unter Ausschluss der CI beidseits des A. Klinikums H. in Betracht. Es könnte auch die Anfertigung eines Ton- und Sprachaudiogramms durch Dipl.-Med. N. oder einen Hörgeräteakustiker zu veranlassen sein. Schließlich könnte auch eine Begutachtung der Klägerin in Betracht zu ziehen sein. Diese angeführten Ermittlungsmöglichkeiten sind aber nicht erheblich i.S.v. § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG, sodass die Voraussetzungen für eine Zurückverweisung als Ausnahme vom Grundsatz, dass das Gericht selbst über eine zulässige Klage entscheiden muss, nicht gegeben sind.
Bei der Beurteilung der Erheblichkeit noch durchzuführender Ermittlungen sind unter Beachtung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 17. April 2007, a.a.O.) strenge Anforderungen zu stellen. Die Erheblichkeit kann sich aus Zeitdauer, Umfang und personellen Möglichkeiten, aber auch aus besonders hohen Kosten ergeben. Die Vorschrift dient nicht dazu, der Verwaltung das eigene Verständnis von ausreichender Sachverhaltsaufklärung als verbindlich vorzuschreiben, sondern in Ausnahmefällen bei Unterschreitung der an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen eine erneute Entscheidung der Verwaltung zu erwirken (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 131 Rdnr. 19).
Die Beiziehung von medizinischen Unterlagen oder die Einholung eines Sachverständigengutachtens durch das Sozialgericht selbst sind mit keinem erheblichen Aufwand verbunden. Denn es handelt sich um von den Sozialgerichten regelmäßig durchzuführende Ermittlungen (vgl. § 106 Abs. 3 Nr. 2 und 5 SGG). Die für erforderlich gehaltenen Ermittlungen kann das Sozialgericht hier ohne großen Mehraufwand selbst durchführen.
Der Beklagte hat vorliegend Ermittlungen zur Aufklärung des medizinischen Sachverhalts durchgeführt. Es ist jedenfalls keine Unterschreitung der an eine Sachaufklärung zu stellenden Mindestanforderungen festzustellen.
Die Klägerin selbst legte dem Beklagten relevante medizinische Unterlagen - die Epikrisen des A. Klinikums H. vom 28. März 2023 und 1. Juni 2023 - vor. Dieser holte daraufhin den Befundschein des die Klägerin behandelnden Facharztes für HNO-Heilkunde Dipl.-Med. N. vom 15. September 2023 einschließlich der Audiogramme vom 16. März 2023 ein. Zudem versuchte er, aktuelle Ton- und Sprachaudiogramme von Dipl.-Med. N. ohne Hörhilfen bzw. CI links beizuziehen. Schließlich hat die Klägerin selbst mit der Klageerhebung auf eine Verschlechterung ihrer Hörfähigkeit hingewiesen. Die Tatsache, dass der Beklagte im Klageverfahren eine Sachverhaltsaufklärung angeregt hat, ist insbesondere der Epikrise des A. Klinikums H. vom 5. März 2024 geschuldet, wonach erstmalig die Diagnose einer Taubheit beidseits gestellt worden ist. Zudem ist am 5. März 2024 die Implantation einer CI rechts erfolgt und am 8. März 2024 eine progrediente Verschlechterung der Hörsituation links festgestellt worden.
Unter Abwägung zwischen dem Interesse der Klägerin an einer möglichst schnellen Sachentscheidung einerseits und dem Verlust einer Instanz andererseits verweist der Senat den Rechtsstreit im Rahmen des ihm in § 159 Abs. 1 Nr. 1 SGG eingeräumten Ermessens an das Sozialgericht zurück. Dabei berücksichtigt er, dass dieses den Beteiligten als eine Tatsacheninstanz erhalten bleiben soll. Ihnen ginge durch entsprechende Ermittlungen und eine Entscheidung des Senats eine Tatsacheninstanz vollständig verloren.
Auch hat der Senat beachtet, dass es sich um ein erst am 26. August 2024 anhängig gemachtes Berufungsverfahren handelt. Die Sachverhaltsaufklärung würde durch den erkennenden Senat nicht schneller als durch das Sozialgericht erfolgen. Insoweit führt die Zurückverweisung voraussichtlich nicht zu einer wesentlichen Verzögerung des Rechtsstreits.
Mit der Rechtskraft des vorliegenden Urteils wird die erste Instanz neu eröffnet. Das Sozialgericht hat das erstinstanzliche Verfahren fortzusetzen. Über die Kosten des Verfahrens wird das Sozialgericht zu entscheiden haben.
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.