S 17 R 7/23

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Augsburg (FSB)
Sachgebiet
Rentenversicherung
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 17 R 7/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid

I. Die Klage gegen den Bescheid vom 05.10. 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.12.2022 wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

T a t b e s t a n d :

Zwischen den Beteiligten streitig ist, ob der Kläger als Ausgleichsverpflichteter eines durchgeführten Versorgungsausgleichs nach Tod der ausgleichsberechtigten Ehefrau Anspruch auf Aussetzung der Kürzung / Rückausgleich im Sinne des § 37 Versorgungsausgleichsgesetz und damit auf eine höhere Rentenleistung hat.
Der 1943 geborene Kläger bezieht seit dem 01.02.2003 Altersrente. Diese war aufgrund rechtskräftigem Scheidungsurteil des Amtsgerichts Kempten vom XX.XX.2000 mit dort festgelegtem Ausgleichsanspruch der geschiedenen und zwischenzeitlich 2022 verstorbenen Ehefrau laufend um 15,9743 Entgeltpunkte gekürzt geleistet worden.
Nach schriftlichem Hinweis der Beklagten vom 18.08.2022 auf etwaige Anpassungsmöglichkeiten nach §§ 37, 38 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) stellte der Kläger am 24.08.2022 den entsprechenden Antrag auf Anpassung wegen Todes der ausgleichsberechtigten Person.
Die Beklagte ermittelte daraufhin durch Rückfrage beim kontoführenden Träger der verstorbenen Ehefrau, dass jener aus dem Versicherungskonto ab 01.11.2002 Rentenleistungen unter Berücksichtigung der erworbenen Anrechte aus dem Versorgungsausgleich geleistet worden waren.
Mit Bescheid vom 05.10.2022 lehnte die Beklagte daraufhin die beantragte Aussetzung der Kürzung der Rente durch den Versorgungsausgleich nach § 37 VersAusglG ab, weil die rechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt seien. Die verstorbene ausgleichsberechtigte Person habe vom 01.11.2002 bis 31.07.2022 Rentenleistungen mit einem Zuschlag aus dem durchgeführten Versorgungsausgleich erhalten, sodass gem. § 37 Abs. 2 VerAusglG keine Aussetzung der Kürzung durch den Versorgungsausgleich mehr möglich sei.
Hiergegen erhob der Kläger am 31.10.2022 Widerspruch. Der Abschlag aus dem Versorgungsausgleich sei mit dem Tod der geschiedenen Ehefrau hinfällig, der Kläger sei auf diese erwirtschafteten Anrechte angewiesen, um nicht Fürsorgeleistungen in Anspruch nehmen zu müssen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2022 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Eine Rückabwicklung des aufgrund rechtskräftiger Entscheidung des Amtsgerichts Kempten durchgeführten Versorgungsausgleichs mit entsprechender Kürzung der klägerischen Anrechte sei vorliegend nach Tod der ausgleichsberechtigten Ehefrau nicht möglich; die Regelungen der §§ 37 Abs. 2, 38 VersAusglG sähen zur Vermeidung von Härten einen Rückausgleich / eine Aussetzung der Kürzung nur dann vor, wenn vom Ausgleichsberechtigten aus den durch den Versorgungsausgleich übertragenen Anrechte nicht länger als 36 Kalendermonate entsprechende Rentenleistungen bezogen worden sind. Die geschiedene Ehefrau habe jedoch entsprechende Leistungen langjährig von 2002-2022 erhalten, sodass eine Rückabwicklung ausscheide. Weitergehende Ausnahmen im Sinne von Härteregelungen seien gesetzlich nicht vorgesehen.
Hiergegen erhob der Kläger am 4. 1. 2023 Klage zum Sozialgericht Augsburg. Der frühere Versorgungsausgleich sei mit dem Tod der geschiedenen Ehegatten abgeschlossen, dem Kläger stehe wieder eine ungekürzte Rentenzahlung aus allen erwirtschafteten Anrechten zu. Der Kläger sei auf die volle erwirtschaftete Rente dringend angewiesen, eine solche Benachteiligung Geschiedener sei nicht gerechtfertigt.
Mit ausführlichem Schreiben vom 02.03.2023 legte das Gericht dem Kläger die geltenden Bestimmungen zum Versorgungsausgleich im Falle einer Scheidung bezogen auf die gegenseitigen Anwartschaften näher dar. Zudem verwies es darauf, dass die Härtefallregelung des § 37 Abs. 2 VersAusglG hinsichtlich der vom Gesetzgeber gewählten zeitlichen Grenzen für einen Rückausgleich nach mehrfacher höchstrichterliche Entscheidung verfassungsrechtlich unbedenklich und zulässig ist, ohne dass die wirtschaftliche Situation des Ausgleichsverpflichteten darüber hinaus zu berücksichtigen ist.

Der Kläger hielt seine Klage unter Verweis auf eine Fernsehsendung "Quer" im Bayerischen Rundfunk vom 23.03.2023 aufrecht. Wenn der Versorgungsausgleich vor dem 01.09.2009 stattgefunden habe - wie vorliegend - könne der Versorgungsausgleich auch bei längerem Rentenbezug durch den Ausgleichsberechtigten rückabgewickelt werden.
In ihrer Stellungnahme vom 30. 10. 2023 führte die Beklagte aus, dass nur im Falle eines durchgeführten Abänderungsverfahrens beim Familiengericht möglicherweise eine umfassende Änderung nach Maßgabe und unter den Voraussetzungen des § 51 VersAusglG herbeigeführt werden könne, welche dann aufgrund der Anwendung des § 31 Abs. 1 S.2 VersAusglG trotz des mehrjährigen Bezuges von Rentenleistungen durch den Ausgleichsberechtigten aus dem Versorgungsausgleich eine Rückabwicklung über die Grenzen des § 37 Abs. 2 VersAusglG hinaus zur Folge haben könne.
Mit weiterem Schreiben vom 02.11.2023 legte das Gericht dem Kläger dar, weshalb unter Berücksichtigung des gegenständlichen Sachstands keine Erfolgsaussichten erkannt werden können und verwies auf die ggf. mit externem Rechtsrat zu prüfende Option eines Abänderungsantrags beim Familiengericht.
Der Kläger führte mit Schreiben vom 04.12.2023 erneut an, dass er nur über eine sehr niedrige Rente verfüge und dass die Voraussetzung für eine Abänderung des getroffenen Versorgungsausgleichs erfüllt sei, da dieser vor dem 01.09. 2009 stattgefunden habe.
Daraufhin hörte das Gericht die Beteiligten zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung nach § 105 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an. Einwendungen gegen diese Verfahrensweise wurden nicht geltend gemacht.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aussetzung oder Rückabwicklung des durchgeführten Versorgungsausgleichs im Sinne der Bestimmungen der §§ 37,38 VersAusglG und damit auch keinen Anspruch auf eine höhere Rentenleistung.
Das Gericht konnte durch Gerichtsbescheid ohne mündliche Verhandlung nach § 105 SGG entscheiden, da der Sachverhalt geklärt ist, keine besonderen Schwierigkeiten aufweist und die Beteiligten zuvor gehört wurden.
Dabei sieht das Gericht gemäß § 136 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, weil es der zutreffenden Begründung im Widerspruchsbescheid vom 9. 12. 2022 folgt.
Lediglich ergänzend wird dargelegt, was folgt:
Nach § 37 Versorgungsausgleichsgesetz ist zur Vermeidung besonderer Härten eine Aussetzung der Kürzung der Anwartschaften des Ausgleichspflichtigen daran geknüpft, dass der Ausgleichsberechtigte maximal 36 Kalendermonate Leistungen aus der übertragenen Anwartschaft erhalten hat. Eine zusätzliche Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Ausgleichsverpflichteten ist gesetzlich nicht vorgesehen, sodass nicht darauf abgestellt werden kann, ob der Kläger als Ausgleichsverpflichteter nach Durchführung des Versorgungsausgleichs über existenzsichernde Leistungen aus seiner Rentenversicherung verfügt oder aufgrund des Versorgungsausgleichs auf soziale Fürsorgeleistungen angewiesen ist.
Die Verfassungsmäßigkeit der vorliegenden Fristenregelung wurde mehrfach obergerichtlich und höchstrichterlich bestätigt, vergleiche Breuers, juris Praxiskommentar zu § 37 VerAusglG , dort Rn. 20 mit weiteren Nachweisen, zusammenfassend insbesondere LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 29 01.09.2016, L 3 R 916/15, Rdnr. 28 m.w. Nw.).
Die Regelung des § 37 Abs. 2 VersAusglG stellt dabei auch keine Ermessensvorschrift dar, sodass kein weiterer Ermessensspielraum zu Berücksichtigung eines möglichen Härtefalls besteht und auch keine analoge Anwendung des § 27 VersAusglG in Betracht kommt (vergleiche SG Augsburg, Urteil vom 08.09.2022, S 13 R 489/22, Rn. 20 nach juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21. 9. 2023, L 10 R 2933/21, Rn. 19 nach Juris)
Soweit der Kläger unter Berufung auf die Sendung "Quer" vom 23.03.2023 anführt, dass bei einem Versorgungsausgleich, der vor dem 01.09.2009 durchgeführt wurde, bei Tod des Ausgleichsberechtigten stets ein Rückausgleich durchzuführen sei, trifft dies nicht zu.
Die Sendung, die dem Gericht über die Mediathek des Bayerischen Rundfunks zugänglich war, hat insoweit keine entsprechende generelle Abänderungsmöglichkeit dargelegt.
Stattdessen liegt den dort skizzierten Fällen vermutlich zu Grunde, dass in jenen Fällen aufgrund der Bestimmung des in § 51 Abs. 1 VersAusglG eine vollständige Neuberechnung des Versorgungsausgleichs im Sinne einer "Totalrevision" nach dem neuen Recht durchzuführen war, was der Entscheidung des jeweiligen Familiengerichts oblag. Dieses hat auf Antrag zu prüfen, ob eine Abänderung wegen wesentlicher Wertänderung entsprechend der Regelung in § 225 Abs. 3 FamFG geboten ist. Kommt es zu einer entsprechenden Totalrevision des bisher nach altem, bis 31. 08. 2009 gültigen Recht durchgeführten Versorgungsausgleichs, so kann dies über die Bestimmung des § 31 Abs. 1 Satz 2 des VersAusglG nach Tod der ausgleichsberechtigten Person dazu führen, dass der Versorgungsausgleich insgesamt entfällt.
Voraussetzungen und Folgen eines derartigen Abänderungsverfahrens nach § 51 VersAusglG wurden zuletzt vom BGH mit Beschluss vom 05.02.2020, Aktenzeichen XII ZB 147/18 dargelegt und konkretisiert.
Da ein entsprechendes Abänderungsverfahren beim Familiengericht nicht durchgeführt wurde und auch nicht anhängig ist, entfaltet die Gerichtsentscheidung des Amtsgerichts Kempten vom 15.02.2000, berichtigt durch Beschluss vom 3. 5. 2000, weiterhin die für die durch die Beklagte vorzunehmende Rentenberechnung maßgebliche Rechtswirkung, die durchgeführte rentenmindernde Anwartschaftsübertragung vom Versicherungskonto des Klägers auf das Versicherungskonto der verstorbenen Ehefrau bleibt gültig und beachtlich, sodass der Kläger durch die streitgegenständlichen Bescheide nicht in seinen Rechten verletzt ist.
Nicht verfahrensgegenständlich und vom Gericht zu überprüfen ist dabei, ob ein antragsabhängiges Abänderungsverfahren beim Familiengericht als Gestaltungsrecht die vorstehend dargelegte Rechtsfolge herbeiführen könnte oder nicht.
Die Klage konnte daher keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 193 SGG.

 

Rechtskraft
Aus
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