S 22 SO 139/21

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
22
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 22 SO 139/21
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 180/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

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Sozialgericht Düsseldorf

 

Az.: S 22 SO 139/21

 

 

 

Zugestellt am:

 

 

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle 

 

 

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

 


Kläger

Proz.-Bev.:
gegen

Beklagte

 

hat die 22. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf ohne mündliche Verhandlung am 05.05.2023 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht ……, sowie den ehrenamtlichen Richter …… und den ehrenamtlichen Richter …… für Recht erkannt:

 

 

 

 

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2021 verurteilt, dem Kläger unter Anrechnung der bereits aufgrund des ER-Verfahrens S 63 SO 469 / 20 E erbrachten Leistungen, Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 nach dem 4.Kapitel des SGB XII, Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII sowie die Hälfte der angemessenen Kosten der Unterkunft nach den Richtlinien der Beklagten bezogen auf einen Zweipersonenhaushalt ab 11.11.2020 bis Mai 2023 zu gewähren.

 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen

 

 

Tatbestand:

Der Antragsteller begehrt Leistungen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Dabei ist zwischen den Beteiligten insbesondere streitig, ob der Kläger mit Frau …… …… (Zeugin) in einer für die Leistungsgewährung maßgeblichen Lebenspartnerschaft lebt.

 

Der Antragsteller bezieht eine Altersrente i.H.v. 96,89 €. Er lebt seit mehreren Jahren in verschiedenen Wohnungen gemeinsam mit Frau …… …… zusammen. Zuletzt wohnte er im Zuständigkeitsgebiet des …… ……. Dort stand der Antragsteller im ergänzenden Bezug von Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII. Am 11. November 2020 teilte Frau …… der Antragsgegnerin telefonisch mit, der Antragsteller sei aufgrund eines Streites mit dem Vermieter zur Wohnungsräumung verurteilt worden. Das Räumungsurteil sei am 24.11. 2020 rechtskräftig geworden. Sie und der Antragsteller hätten bereits eine Wohnung in …… zu einem Mietpreis von 1290,-€ Kaltmiete zuzüglich 298 € Nebenkosten angemietet. Frau …… wurde darauf hingewiesen, die Miete liege weit über der angemessen Miete i.H.v. 557,70 € für einen Zweipersonenhaushalt. Frau …… gab an, dies sei ihr bewusst, die Stadt …… habe ihr jedoch keine andere Wohnung vermittelt und eine andere Wohnung habe man nicht gefunden. Die neue Wohnung solle keine Übergangslösung sein, sie solle auf Dauer bewohnt werden. Außerdem gab Frau …… an, über eine Vollmacht für den Antragsteller zu verfügen; dieser sei jedoch voll geschäftsfähig.

 

 

 

 

Eine telefonische Rückfrage bei der Stadt …… ergab, dass dort für den Antragsteller eine Miete in Höhe von 517 € brutto ohne Heizkosten aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs übernommen worden war. Der Antragsteller und Frau …… hätten mitgeteilt, es handele sich nicht um eine nichteheliche Lebensgemeinschaft. Zu einer Überprüfung der Wohnsituation sei es aufgrund verweigerten Zutritts nicht gekommen. Frau …… habe sich auch stets geweigert, ihr Einkommen offenzulegen.

Der Mietvertrag in …… wurde vom Antragsteller und Frau …… als gleichberechtigte Mieter unterschrieben. Es wird auf Bl. 26 der VA verwiesen.

 

Der gegenüber der Stadt…… gestellte Antrag auf Übernahme der Umzugskosten wurde abgelehnt. Die Ablehnung wurde in einem ER-Verfahren vor dem SG Düsseldorf durch Beschluss vom 16.12.2020 (S 42 SO 429/20 ER) bestätigt. Mit E-Mail vom 12.11.2020 teilte Frau …… gegenüber der Antragsgegnerin mit, sie sei nicht bereit, ihr Einkommen offenzulegen. Es komme allein auf die Verhältnisse des Antragstellers an. Aus den vom Antragsteller vorgelegten Kontoauszügen (Bl 104 ff d VA) ist zu ersehen, dass er von der Stadt …… eine monatliche Leistung i.H.v. 1005, 95 € erhalten hat und ein Betrag i.H.v. 790 € monatlich an Miete an Frau …… …… überwiesen wurde.

 

Durch Bescheid vom 07.12.2020 (Bl. 231 der VA) wurde der Antrag auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen abgelehnt. Gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 SGB XII sei das Einkommen und Vermögen des nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartners sowie des Partners einer ehelichen oder lebenpartnerschaftlichen Gemeinschaft, das dessen Lebensunterhalt nach § 27a SGB XII übersteige, zu berücksichtigen. Der Antragsteller lebe aktuell mit Frau …… …… zusammen und diese zahle mehr als die hälftigen Unterkunftskosten. Diese stehe damit finanziell in nicht unbeachtliche Höhe für den Antragsteller ein. Der Mietvertrag in Meerbusch sei von beiden Beteiligten gemeinsam unterschrieben worden und die Miete belaufe sich auf 1575 € inklusive der Heiz-und Nebenkosten. Bereits aus dem mit der Stadt …… geschlossenen außergerichtlichen Vergleich sei dem Antragsteller bekannt, dass es Angemessenheitsgrenzen für Unterkunftskosten im Rahmen der Grundsicherung gebe. Diese Grenzen seien für den Antragsteller im Stadtgebiet …… nicht erfragt worden. Auch eine Zustimmung zum Abschluss des Mietvertrages sei nicht eingeholt worden. Dennoch sei Frau …… mit dem Antragsteller eine finanzielle Verpflichtung eingegangen, obwohl ungewiss gewesen sei, ob und in welcher Höhe Unterkunftskosten im Rahmen der Grundsicherung nach dem 4. Kapitel des SGB XII berücksichtigt würden. Auf den weiteren Inhalt des Bescheides wird Bezug genommen.

 

Hiergegen legte der Kläger unter dem 08.12.2020 Widerspruch ein. Er lebe mit Frau …… in einer reinen Wohngemeinschaft. Jeder wirtschafte für sich selbst. Es bestehe keine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft. Vielmehr unterstelle die Antragsgegnerin einen Sachverhalt, der nicht den Tatsachen entspreche. Auf den weiteren Inhalt der Widerspruchsbegründung (B.249 ff. der VA) wird Bezug genommen.

Am 16. Dezember 2020 beantragte der Antragsteller bei Gericht den Erlass einer einstweiligen Anordnung auf Leistungsgewährung nach dem 4. Kapitel des SGB XII.

Diesem Antrag wurde durch Beschluss des Sozialgerichts vom 28.01.2021 in Höhe der Regelbedarfsstufe 2, ohne Kosten der Unterkunft, entsprochen. Wegen der Gründe wird auf den Inhalt des Beschlusses S 63 SO 469 / 20 ER Bezug genommen. Auf die von Antragstellerseite eingelegte Beschwerde wurde durch Beschluss des LSG vom 25.05.2021 insoweit eine Änderung vorgenommen, als Leistungen nach Regelbedarfsstufe 1sowie ein Mehrbedarf nach § 30 Abs. 1 SGB XII längstens bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Hauptsacheverfahrens gezahlt werden sollten. Auf den weiteren Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.

 

Der …… …… hat den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 12.03.2021 zurückgewiesen. Auch darin wird die Auffassung vertreten, es liege hier eine eheähnliche Gemeinschaft und somit Einsatzgemeinschaft vor.

 

Hiergegen richtet sich die am 12.04.2021 erhobene Klage.

 

Der Kläger behauptet, er sei neben der Altersrente i.H.v. 96,89 € auf die Gewährung von Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII angewiesen. Die von der Beklagten für die Ablehnung dieser Leistungen abgegebene Begründung sei fehlerhaft. Frau …….. sei nicht seine Lebensgefährtin, sondern seine Mitbewohnerin im Rahmen einer Wohngemeinschaft. Soweit die Beklagte darauf abstelle, dass diese für die bisherige gemeinsame Wohnung mehr als die Hälfte aller Kosten gezahlt habe, trage dieses Argument nicht, da ihr in dieser Wohnung ein größerer Anteil an der gesamten Wohnfläche, nämlich zwei von drei Zimmern zur Verfügung gestanden habe. Gleiches gelte auch bezüglich des von der Beklagten angeführten Argumentes der gemeinsamen Unterzeichnung des neuen Mietvertrages. Außerdem sei es häufig anzutreffen, das eine Wohngemeinschaft gemeinsam in eine neue Wohnung umziehe, wenn die früher bewohnte Wohnung aufgegeben werden musste. Bezüglich der Miete sei darauf hinzuweisen, dass die Miete für die neu angemietete Wohnung im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin deutlich niedriger als die bisher gezahlte Miete sei. Da die Mitbewohnerin auch in der neuen Wohnung einen höheren Anteil für sich nutze, trage sie dementsprechend auch einen größeren Anteil der Unterkunftskosten.

Der Kläger sei psychisch krank und leide an einer schweren kombinierten Persönlichkeitsstörung. Es sei eine Schwerbehinderung mit einem  Grad von 90 und das Merkzeichen G festgestellt worden.

 

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 07.12.2020 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2021 zu verpflichten, dem Kläger ab dem 14.12.2020 Leistungen nach SGB XII für alleinstehende Volljährige in Höhe von derzeit 446 € zuzüglich des Zuschlags von 17 % für den Mehrbedarf bei Vorliegen des Merkzeichens G sowie Kosten der Unterkunft i.H.v. 558,50 € zu bewilligen.

 

Die Beklagte beantragt,

            die Klage abzuweisen.

 

Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf den angefochtenen Bescheid sowie die Widerspruchsentscheidung. Frau …… setze sich für die Bedürfnisse des Klägers ein, obwohl sie aufgrund dessen Fehlverhaltens eine Kündigung erhalten habe. Trotzdem unterzeichnete sie als Gesamtschuldnerin erneut einen Mietvertrag mit dem Kläger, ohne dass eine Zusage vorliege; der Kläger sei mit E-Mail vom 02.12.2020 gebeten worden, freiwillige Angaben zu seiner Wohnsituation zu machen. Dies habe er noch am gleichen Tag verweigert und lediglich allgemeine Definitionen von Haushaltsgemeinschaften nach dem SGB II formuliert.

 

Im weiteren Verfahrensablauf ist von Frau ……, eine Aufstellung zu ihren monatlichen Ausgaben und Einnahmen überreicht worden. Bei monatlichem Lohn i.H.v. rund 2400 € belaufen die monatlichen Ausgaben sich auf rundrechnet 2190 €. Es wird auf Bl. 169 ff der GA im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes Bezug genommen.

 

 

 

Das Gericht hat zur Ermittlung des Sachverhaltes und Beweisaufnahme einen Erörterungstermin durchgeführt, in dem sowohl der Kläger zur Sache vernommen, als auch die Zeugin …… befragt wurde. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll des am 16.12.2022 durchgeführten Erörterungstermin (Bl. 199 ff. der Gerichtsakte) Bezug genommen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte, der Gerichtsakte des Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz S 63 SO 469/20 ER und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

 

 

Entscheidungsgründe:

Die Kammer konnte gemäß § 124 Abs. 2 SGG mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden. Das dazu erforderliche Einverständnis wurde von Seiten der Beklagten mit Erklärung vom 06.02.2023, von Seiten des Klägers mit Erklärung vom 25.01.2023 erteilt.

 

Die zulässige Klage ist überwiegend begründet.

Der Bescheid vom 07.12.2020 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.03.2021 war aufzuheben, denn er ist rechtswidrig und verletzt den Kläger im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG in seinen Rechten.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII auf Grundsicherung im Alter gemäß § 19 Abs. 2 i.V.m. § 41 SGB XII. Der im August 1954 geborene Kläger hat die Altersgrenze nach § 41 Abs. 2 SGB XII erreicht. Er steht im Bezug von Altersrente in Höhe von rundgerechnet 97 €. Über weiteres Einkommen verfügt er nicht. Der Kläger verfügt, dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig, auch nicht über eigenes Vermögen. Darüber hinaus sind Einkommen und Vermögen der Zeugin ...... ...... nicht im Sinne von § 43 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 20 SGB XII anrechenbar. Nach ausführlicher persönlicher Befragung des Klägers und einer Vernehmung der Zeugin ...... im Erörterungstermin am 16.12.2022 geht die Kammer nicht vom Bestehen einer Lebenspartnerschaft oder auch Einstehensgemeinschaft zwischen den beiden Personen aus. Gemäß § 20 SGB XII dürfen Personen, die in eheähnlicher oder Lebenspartnerschaftlicher Gemeinschaft leben, hinsichtlich der Voraussetzungen sowie des Umfangs der Sozialhilfe nicht bessergestellt werden als Ehegatten. Eine Verantwortungs- und Einstehensgemeinschaft liegt nur vor, wenn kumulativ folgende Voraussetzungen gegeben sind: Es muss sich um Partner handeln, die in einer Wohn-und Wirtschaftsgemeinschaft leben (objektive Voraussetzung) und zwar so, dass nach verständiger Würdigung der wechselseitige Wille anzunehmen ist, Verantwortung füreinander zu tragen und füreinander einzustehen (subjektive Voraussetzung).

Dabei geht die Kammer bereits nicht vom Vorliegen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft aus, die ein Zusammenleben und kumulativ ein Wirtschaften aus einem Topf voraussetzt. Wie sowohl der Kläger als auch die Zeugin glaubhaft bekundet haben, gibt es keine gemeinsame Haushaltskasse, keine gemeinsamen Einkäufe und auch keine gegenseitigen Kontovollmachten. Die im Berufsleben stehende Zeugin unterstützt den in seiner Bewegungsfähigkeit eingeschränkten Kläger (Nachteilsausgleichen G), sofern dieser nicht in der Lage ist, für sich selbst einzukaufen, indem sie bestimmte Besorgungen für ihn erledigt. Dabei haben beide übereinstimmend vorgetragen, dass dies mit strikt getrennten finanziellen Mitteln und getrennter Abrechnung erfolgt. Der Kläger hat erklärt, soweit möglich Lebensmittel für sich alleine einzukaufen, getrennt im Kühlschrank zu verwahren und Essen für sich davon zuzubereiten. Für die Zeugin kauft er nicht ein. Er hat weiter erklärt, die Zeugin esse nur sehr selten zu Hause, da sie zum einen arbeite und viel unterwegs sei. Dies wurde von der Zeugin bestätigt. Diese gab an, in der Regel an ihren Arbeitsort und selten zu Hause zu essen.

 

Daneben geht die Kammer auch nicht vom Bestehen einer Partnerschaft zwischen dem Kläger und der Zeugin aus. Der Kläger gibt von sich selber an, bereits aufgrund seiner Erkrankung nicht zur Führung einer partnerschaftlichen Beziehung in der Lage zu sein. Die Zeugin hat angegeben inzwischen einen Lebenspartner im süddeutschen Raum, wo auch der Großteil ihrer Familie lebt, zu haben. Der Kläger und die Zeugin verbringen aufgrund übereinstimmender Erklärung ihre Freizeit nicht miteinander, noch gibt es viele Berührungspunkte innerhalb der Wohnung. Der Kläger gab anlässlich seiner Vernehmung an, die Zeugin sei nur wenig zu Hause, sie fahre auch in Urlaub. Die Frage des Gerichts, ob es hier auch zu gemeinsamen Unternehmungen komme, verneinte der Kläger und erklärte im Übrigen, dies könne er sich ohnehin nicht leisten. Auch die Zeugin hat nicht von gemeinsamen Unternehmungen berichtet.

 

 

 

Schließlich geht die Kammer auch nicht vom Vorliegen eines gegenseitigen Einstandswillens als subjektivem Element einer bestehenden Einstehensgemeinschaft aus. Kritische Punkte in diesem Zusammenhang sind das langjährige gemeinsame Mietverhältnis, die stets gemeinsame Unterzeichnung von Mietverträgen und die nach dem Eindruck des klägerischen Verhaltens im Termin nur schwer nachvollziehbare Toleranz der Zeugin gegenüber seinem aufbrausenden und unkalkulierbarem Verhalten. Der Kläger zeigte weder Zuneigung, noch Dankbarkeit gegenüber der Zeugin. Seine Worte und Gesten ihr gegenüber waren teilweise verächtlich, jedenfalls kaum positiv gestimmt. Der Kläger schrie, ohne ersichtlichen Grund herum, war aufbrausend und verließ einmal sogar schreiend und türenschlagend den Sitzungssaal. Dabei war er keinerlei beruhigenden Worten, weder des Gerichts, noch seines Prozessbevollmächtigten noch der Zeugin zugänglich. Es entstand vielmehr der Eindruck, dass der Kläger zu einer rationalen und nicht allein von Gefühlen bestimmten Reaktion nicht in der Lage war. Es war letztendlich nicht möglich, ihn mit Argumenten zu erreichen oder auch nur in Ruhe ein Gespräch mit ihm zu führen. Offenbar fühlt die Zeugin aufgrund der langjährigen Bekanntschaft eine auf sozialen Belangen beruhende Verantwortung für den Kläger. Dieser war nach dem Verkauf ihres Hauses, dessen Mieter er war, nicht in der Lage eine eigene Wohnung zu finden. So kam es zu dem Entschluss im Rahmen einer Zweckgemeinschaft gemeinsam eine Wohnung anzumieten.

Nach dem Verhalten des Klägers im Erörterungstermin hat das Gericht keinerlei Zweifel daran, dass es dem Kläger sehr schwer fallen wird, wenn es nicht sogar unmöglich ist, alleine eine Wohnung auf dem freien Markt anzumieten. Der Kläger ist kaum durch die ihm bekannte Zeugin, der er offenbar vertraut, zu leiten und zu beeinflussen. Es ist davon auszugehen, dass die Unterbringung des Klägers in einer Wohnung alleine oder, sollte dies irgendwann erforderlich werden, in einem Pflegeheim, sofern dieser sein Verhalten nicht grundlegend ändert schwierig bis ausgeschlossen wird. Nach Befragung von Kläger und Zeugin geht die Kammer von einer von der Zeugin empfundenen sozialen Verantwortung für den Kläger aus, die aber nicht soweit geht, als dass diese bereit wäre, die Lebenshaltung des Klägers aufgrund seiner begrenzten eigenen Mittel gänzlich mitzufinanzieren. Aufgrund der Leistungsbewilligung in …… war die Zeugin in der Lage, die Wohngemeinschaft aufrechtzuerhalten. Die Kammer geht nach ihrer Aussage nicht davon aus, dass dies in Zukunft ohne Leistungsbewilligung für den Kläger so fortgesetzt würde. Aus diesem Grund ist es auch nicht verwunderlich, wenn die Zeugin jedenfalls für den Zeitpunkt ihres eigenen Ruhestandes, den sie in Süddeutschland bei ihrer Familie verbringen will, noch keine Pläne für den Kläger hat.

 

Die Unterzeichnung des Mietvertrages durch sowohl den Kläger als auch die Zeugin bringt zum Ausdruck, dass hier von einer zweiseitigen Verpflichtung zur Tragung der Miete ausgegangen wird. Wollte die Zeugin den Kläger eigentlich unterstützen, hätte es nahegelegen, den Mietvertrag alleine zu unterzeichnen, da die Mietzahlungsverpflichtung vom Kläger angesichts seiner geringen Rente ohnehin nicht eingehalten werden kann. Dass die Zeugin das Mietverhältnis mit dem Kläger, trotz der fehlenden Übernahme der Kosten der Unterkunft durch die Beklagte seit Ende 2020 noch nicht beendet hat, ist nach Auffassung der Kammer alleine damit zu erklären, dass eine Unterkunft für den Kläger alleine angesichts seines Verhaltens nicht ohne weiteres zu finden ist. Nach dem Eindruck der Zeugin im Termin, die angesichts der unvorhersehbaren Ausbrüche des Klägers ebenfalls angespannt und besorgt um seine Gesundheit wirkte, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie die Gefahr seiner Obdachlosigkeit in Kauf nimmt. Daraus schließt die Kammer aber nicht auf einen uneingeschränkten Willen der Zeugin, auch ohne entsprechende finanzielle Beteiligung des Klägers, auf Dauer für ihn in den Not-und Wechselfällen des Lebens finanziell einstehen und seinen Lebensunterhalt sichern zu wollen.

 

In Anlehnung auch an den Beschluss des LSG NW vom 25.05.2021 (L9SO 98 / 21 B ER) geht die Kammer davon aus, dass hier Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 für Alleinstehende zu bewilligen sind. Hinzu kommt der den Kläger aufgrund des Nachteilsausgleichs G nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 SGB XII zu gewährende Mehrbedarf. Ausgehend von einer Wohngemeinschaft von zwei Personen, sind die für den Zweipersonenhaushalt angemessenen Kosten der Unterkunft in dem auf den Kläger entfallenden hälftigen Anteil zu leisten (§ 35 Abs. 2 S. 1 SGB XII). Anlass, für einen Übergangszeitraum die höhere Miete für den Kläger zu übernehmen, hat die Kammer nicht gesehen. Zum einen war diesem aus dem Leistungsbezug in …… die ungefähre Höhe seines Anspruchs bekannt. Auch scheint zwischen ihm und der Zeugin ein ungeschriebenes Einverständnis zu bestehen, dass der Kläger trotz Unterzeichnung des Mietvertrages ohnehin nicht die Hälfte der geschuldeten Miete zu zahlen hat. Einen fest vereinbarten Betrag scheint es zwischen den beiden nicht zu geben, sodass die Zahlung der Hälfte der angemessenen Kosten für einen Zweipersonenhaushalt anzuerkennen ist.

Wenn auch die Kammer davon ausgeht, dass der Kläger tatsächlich als eine Art Untermieter in der Wohnung der Zeugin lebt, lässt die beiderseitige Unterzeichnung des Mietvertrages diese Einordnung rechtlich nicht zu. Der von Seiten des Gerichts unterbreitete Vergleichsvorschlag sollte die besondere Situation des Klägers und insbesondere die Schwierigkeit, für ihn alleine eine Wohnung zu finden, berücksichtigen. Auf die Ausführungen im gerichtlichen Anschreiben vom 02.01.2023 wird insoweit verwiesen.

 

Klageabweisung war geboten, soweit von Klägerseite die Zahlung von Kosten der Unterkunft in Höhe von 558,50 € beantragt wurde. Dem Kläger steht vielmehr jeweils die Hälfte der von Seiten der Beklagten mit Schriftsatz vom 23.01.2023 in der Anlage mitgeteilten angemessenen Unterkunftskostenbeträge zu (278,85 € bis 31.12.2021, 344,55 € bis 31.12.2022 und ab dann 350 €).

Leistungszeitraum ist die Zeit ab Antragstellung bei der Beklagten bis zum Monat der gerichtlichen Entscheidung im Mai 2023. Für eine Zahlung ab Juni 2023 bedarf es einer erneuten Entscheidung der Beklagten, die abzuwarten bleibt.

Dabei wird, auch zur Vermeidung eines erneuten Verfahrens im einstweiligen Rechtsschutz davon ausgegangen, dass die bislang im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes geleistete Regelbedarfsstufe 1 zuzüglich des Zuschlags nach § 30 Abs. 1 SGB XII in jedem Fall, auch bei Einlegung einer Berufung eines der Beteiligten weitergezahlt wird.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG unberücksichtigt das überwiegende Obsiegen des Klägers.

Rechtsmittelbelehrung:

 

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

 

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim

 

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen

 

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

 

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem

 

Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf

 

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

 

Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

 

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

 

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

 

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

 

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.

 

Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.

 

Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Düsseldorf schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.

 

Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.

 

Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.

 

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

 

 

 

 

Beglaubigt

 

 

Rechtskraft
Aus
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