L 11 AS 372/24 B ER

Land
Niedersachsen-Bremen
Sozialgericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
1. Instanz
SG Osnabrück (NSB)
Aktenzeichen
S 16 AS 136/24 ER
Datum
2. Instanz
LSG Niedersachsen-Bremen
Aktenzeichen
L 11 AS 372/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

zur Karenzzeit im Sinne des § 12 Abs. 3, 4 SGB II

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Osnabrück vom 31. Mai 2024 wird zurückgewiesen.

                        Eine Kostenerstattung im Beschwerdeverfahren findet nicht statt.

Gründe

Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Osnabrück vom 31. Mai 2024 hat keinen Erfolg.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist unbegründet. Es ist weder ein Anordnungsgrund (1.) noch ein Anordnungsanspruch (2.) i.S.d. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG glaubhaft gemacht worden.

1. Den Antragstellern waren zuletzt für die Zeit vom 1. Juli bis zum 30. November 2023 durch die im Auftrag des Antragsgegners handelnde Stadt N. Grundsicherungsleistungen für Arbeitsuchende/Bürgergeld bewilligt worden (Bewilligungsbescheid vom 26. April 2023, Änderungsbescheide vom 30. Mai 2023, 12. Juni 2023, 8. August 2023, 17. August 2023, 24. August 2023, 31. August 2023, 13. September 2023; vgl. die in Papierform vorgelegten Verwaltungsvorgänge - VA - der Stadt N., ohne Blattzahl). Mit Bescheid der Stadt N. vom 12. Oktober 2023 erfolgte eine Aufhebung der Leistungsbewilligung mit Wirkung ab dem 1. November 2023 vor dem Hintergrund des Zuflusses des Verkaufserlöses aus dem Verkauf des Hausgrundstücks der Antragsteller unter der Anschrift O. 1 in P. N. i.H.v. 514.000,00 Euro am 15. November 2023 (BA der Stadt N., ohne Blattzahl). Den dagegen erhobenen Widerspruch der Antragsteller vom 27. Oktober 2023 wies der Antragsgegner durch Bescheid vom 7. Februar 2024 zurück (Bl. 96 Gerichtsakte – GA I). Eine Klageerhebung hiergegen ist beim SG Osnabrück unter dem Az. S 16 AS 67/24 erfolgt. Ihr gerichtliches Eilbegehren, den Antragsgegner ab Antragstellung zur Gewährung von Leistungen nach dem SGB II zu verpflichten, haben die Antragsteller jedoch erst am 26. April 2024 beim SG Osnabrück anhängig gemacht. Auf Hinweis des SG (Verfügung vom 22.  Mai 2024, Bl. 127 GA I) haben die Antragsteller ausgeführt, dass aufgrund einer akuten Arbeitsüberlastung ihres Bevollmächtigten eine vorherige Antragstellung nicht erfolgt sei und sie durch ihre Kinder unterstützt worden seien (Schriftsatz des Bevollmächtigten der Antragsteller vom 30. Mai 2024, Bl. 145 GA I). Vor diesem Hintergrund kann eine Eilbedürftigkeit nicht nachvollzogen werden. Auch im Beschwerdeverfahren haben sie trotz des seit November 2023 nicht mehr erfolgten Leistungsbezuges keine Umstände mitgeteilt, die die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Eilbedürftigkeit nachvollziehbar erscheinen ließe.

2. Ferner ist ein Anordnungsanspruch i.S.d. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG nicht glaubhaft gemacht worden. Auch der erkennende Senat geht bei summarischer Prüfung davon aus, dass den Antragstellern aufgrund des Eigentums des Antragstellers zu 1. und der Antragstellerin zu 2. an dem von ihnen neu erworbenen und neu bebauten Hausgrundstück Q. 10 in N. Vermögen zur Verfügung steht, das sie zur Bestreitung des Lebensunterhalts einzusetzen haben, so dass die für einen Anspruch auf SGB II-Leistungen erforderliche Hilfebedürftigkeit im Sinne der §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II nicht gegeben ist. Zur weiteren Begründung insoweit wird in Anwendung von § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG zunächst auf den angegriffenen Beschluss des SG Osnabrück vom 31. Mai 2024 Bezug genommen (vgl. dort S. 6ff.).

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass das SG insbesondere zutreffend davon ausgegangen ist, dass das neu erworbene Hausgrundstück aufgrund der Wohnfläche der dort neu errichteten Unterkunft (254 qm) und der Bewohnerzahl (7 Personen) kein geschütztes Vermögen i.S.d. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 SGB II darstellt. Bei summarischer Prüfung ist darüber hinaus davon auszugehen, dass den Antragstellern mit dieser Immobilie eine Bestreitung ihres Lebensunterhaltes möglich ist. Zwar haben sie geltend gemacht, dass 7 Personen in dem Haus lebten und eine Teilvermietung oder Teilverpachtung nicht möglich sei (Beschwerdebegründung vom 16. Juli 2024, Bl. 20f. GA II). Obwohl der Antragsgegner aber bereits in seiner Antragserwiderung vom 30. April 2024 auf die Möglichkeit einer Beleihung zum Zwecke der Bestreitung des Lebensunterhaltes hingewiesen hat, haben die Antragsteller keine Umstände vorgetragen, die die Annahme rechtfertigen, dass diese Art der Vermögensverwertung nicht realisierbar ist. Dass dieser Weg zur Erlangung von Mitteln zur Bestreitung des Lebensunterhalts möglich ist, legt insbesondere der Verkehrswert des neuen Hausgrundstücks nahe. Dieser beläuft sich nach der beim Gutachterausschuss für Grundstückswerte R. eingeholten Verkehrswertauskunft vom 18. Januar 2024 (vgl. Widerspruchsbescheid vom 7. Februar 2024, Bl. 96 ff GA I) auf 590.000,00 Euro. Nach der von den Antragstellern dargelegten Finanzierung des Grundstückskaufs und des Hausbaus (maßgeblich durch Eigenmittel aus dem Verkauf ihrer vormaligen Immobilie, vgl. Niederschrift über die Vorsprache des Antragstellers zu 1. bei der Stadt N. am 1. Juni 2023, VA Stadt N. Bd. X, „Hausbau“, ohne Blattzahl) und nach den von ihnen im Eilverfahren vorgelegten Unterlagen (Bl. 7 ff. GA I) ist lediglich das bei der S. eG aufgenommene Immobiliar-Verbraucherdarlehen i.H.v. 150.000,00 Euro durch das neu erworbene Hausgrundstück dinglich gesichert. Damit steht den Antragstellern zur Realisierung von Finanzmitteln für die Bestreitung ihres Lebensunterhalts eine Immobilie mit einem unbelasteten Wert i.H.v. 440.000,00 Euro zur Verfügung.

Keinen Bedenken begegnet die Feststellung des SG, dass sich die Antragsteller vorliegend nicht auf die Karenzzeit i.S.d. § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB II berufen können. Bei Zugrundelegung der Karenzzeitregelung hätte diese für die Antragsteller am 1. Januar 2023 begonnen und 12 Monate angedauert. Nachdem die Antragsteller hiervon bereits 10 Monate (Januar bis Oktober 2023) „verbraucht“ haben, kommt auf der Grundlage ihrer Argumentation (durchgängige Hilfebedürftigkeit wegen nicht bedarfsdeckenden Einkommens) eine weitere Karenzzeit allenfalls für die Monate Oktober und Dezember 2023 in Betracht. Über diese Monate ist vorliegend jedoch nicht zu entscheiden, da das gerichtliche Eilbegehren erst am 26. April 2024 beim SG Osnabrück anhängig gemacht worden ist (Grundsatz: Kein einstweiliger Rechtsschutz für die Zeit vor Antragstellung bei Gericht). Dass ihnen noch einzelne Monate der Karenzzeit in der Zeit ab 26. April 2024 zugestanden haben könnten, haben die Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Sie verlangen vielmehr durchgängig für die Zeit ab 1. Dezember 2023 die Weitergewährung von Leistungen. Ergäbe sich auf der Grundlage ihres Vortrags, mit dem sie auch den im Eilverfahren streitbefangenen Anspruch begründen, eine „Restlaufzeit“ der Karenzzeit für November und Dezember 2023, könnte somit mit etwaigen Restmonaten der Karenzzeit nicht gleichzeitig ein Anspruch für einzelne Monate ab dem 26. April 2024 glaubhaft gemacht werden. Darüber hinaus wäre eine Anwendung der Karenzzeit mit dem gesetzlichen Regelungsziel nicht vereinbar. Die Regelung verfolgt das Ziel, dass hilfebedürftige Leistungsberechtigte nicht erst ihr (ggf. für die Altersvorsorge) erspartes Vermögen aufbrauchen müssen, obwohl sie nur vorübergehend aufgrund einer Notlage auf Bürgergeld angewiesen sind. Die Karenzzeit soll Härten abfedern, die nach Wegfall des Erwerbseinkommens bzw. nach dem Auslaufen des Anspruchs auf Arbeitslosengeld (Alg) entstehen können, wenn der Lebensunterhalt durch das vorhandene Vermögen bestritten werden muss (vgl. BT-Drucks. 20/3873, S. 51, 78). Im vorliegenden Fall geht es jedoch nicht um die Überbrückung einer plötzlichen bzw. vorübergehenden Notlage. Die Antragsteller stehen zum einen langjährig im Leistungsbezug. Ferner erfolgte der Erwerb der neuen Immobilie auf Grundlage der Aufgabe, d.h. des Verkaufs von geschütztem Immobilieneigentum. Ziel der Antragsteller war es, ihre Wohnsituation bzw. ihr Immobilienvermögen zu optimieren. Dies belegt die Niederschrift der Stadt N. vom 1. Juni 2023. Dort findet sich auf die Frage für den Grund des Verkaufs der vormaligen Immobilie die Angabe, dass man die Entfernung vom Stadtkern für zu weit gehalten habe. Vor diesem Hintergrund ist auch die Annahme des SG, dass hier eine Berufung auf die Karenzregelung des § 12 Abs. 3 Satz 1 nicht möglich sei, nicht zu beanstanden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist nach Maßgabe des § 177 SGG unanfechtbar.

 

K.                                                  L.                                               Dr. M.

 

Rechtskraft
Aus
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