Besteht zwischen einer Gemeinschaftspraxis und einem Krankenhaus ein Kooperationsvertrag, wird eine Ärztin der Gemeinschaftspraxis, die aufgrund des Kooperationsvertrages für die vertraglich verpflichtete Gemeinschaftspraxis eine Behandlung im Krankenhaus durchführt, für ihre Tätgkeit regelmäßig nicht Beschäftigte des Krankenhauses.
I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29. März 2022 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerinnen auch im Berufungsverfahren.
III. Die Revision wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Im Berufungsverfahren streitig ist der Status der Tätigkeit der Klägerin und Berufungsbeklagten zu 1 (in der Folge: Klägerin) als Anästhesistin bei Operationen von von der Klägerin und Berufungsbeklagten zu 2 (in der Folge: Klägerin zu 2) vollstationär behandelten Patientinnen und Patienten im Ambulanten Behandlungscentrum der Klägerin zu 2.
Die Klägerin zu 2 ist ein in der Form eines Kommunalunternehmens der Stadt N1 geführtes Krankenhaus. Sie betreibt mit dem Ambulanten Behandlungscentrum (ABC) ein Medizinisches Versorgungszentrum mit zwei Operationssälen, in denen überwiegend ambulante Operationen sowohl von den Hauptabteilungen der Klägerin zu 2 als auch von extern eingebuchten Operateuren, aber auch stationäre Operationen durchgeführt werden.
Die 1958 geborene Klägerin ist ausgebildete Ärztin. Ihre vertragsärztliche und privatärztliche Tätigkeit als Fachärztin für Anästhesie übte sie gemeinsam mit weiteren Ärzten aus. Die Berufsausübungsgemeinschaft (in der Folge: Gemeinschaftspraxis) wurde in der Rechtsform der Partnerschaft iS des Partnerschaftsgesellschaftsgesetzes betrieben. Die Behandlungsverträge wurden grundsätzlich für die Gesellschaft abgeschlossen. Soweit im Einzelfall der Abschluss von Behandlungsverträgen oder die Übernahme und Ausführung von Gutachtensaufträgen oder ähnlichem im Namen eines einzelnen Partners rechtlich geboten ist, handelte der Vertragspartner (grundsätzlich) im Außenverhältnis im eigenen Namen, im Innenverhältnis jedoch auf Rechnung der Gesellschaft. Die Gesellschafter führen die Geschäfte der Gesellschaft und vertreten sie - vorbehaltlich einer anderweitigen Regelung im Gesellschaftsvertrag bzw aufgrund des Gesellschaftsvertrages - gemeinsam. Die Klägerin war als Partnerin der Partnerschaft gegenüber dem Personal der Gesellschaft weisungsbefugt (vgl Gesellschaftsvertrag der Berufsausübungsgemeinschaft für Anästhesie Partnerschaft vom 22.12.2015). Die Gemeinschaftspraxis verfügte über eine eigene Anästhesiepraxis mit eigenen Operationsräumen und war neben der Klägerin zu 2 für weitere Auftraggeber tätig. Die Klägerin schied zum Jahreswechsel 2021/2022 als Partnerin aus der Gemeinschaftspraxis aus. Zu diesem Zeitpunkt endete auch die Tätigkeit der Klägerin für die Klägerin zu 2 aufgrund des von letzterer mit der Gemeinschaftspraxis abgeschlossenen, dem vorliegenden Streit zugrundeliegenden Kooperationsvertrages.
Nachdem die Klägerin zu 2 und die Gemeinschaftspraxis für Anästhesie zunächst bei ambulanten Operationen in den Operationssälen des ABC zusammenarbeiteten, vereinbarten sie im Rahmen eines Kooperationsvertrages über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Anästhesie, für die Zeit ab 1.4.2019 die Zusammenarbeit auf die Behandlung stationärer Patienten auszuweiten. Dabei verpflichtete sich die Gemeinschaftspraxis für Anästhesie, bei ausgewählten Patienten, die in die Klinik eingewiesen worden sind, für die Klägerin zu 2 die vollstationäre fachärztliche anästhesiologische Versorgung (Vorbereitung des Patienten einschließlich der Narkoseaufklärung, Durchführung der notwendigen und fachlich gebotenen Anästhesieverfahren sowie Nachbetreuung des Patienten im Aufwachraum ohne Teilnahme an Ruf-, Nacht-, Wochenend- und Bereitschaftsdiensten) unter Einsatz ihres eigenen Personals und ihrer Arbeitsmittel zu erbringen. Ausweislich des Kooperationsvertrages wird der Behandlungsvertrag mit den Patienten mit der Klägerin zu 2 geschlossen. Die Gemeinschaftspraxis für Anästhesie ist Kooperationspartnerin der Klägerin zu 2 bei der Erfüllung des Behandlungsvertrages mit dem Patienten und erbringt ihre Leistungen selbstständig und höchstpersönlich. Dabei soll zur Klägerin zu 2 weder ein Anstellungsverhältnis noch ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis bestehen.
Die Gemeinschaftspraxis für Anästhesie setzte zur Erbringung der vertraglichen Leistungen sowohl eigenes Personal als auch eigene Arbeitsmittel inkl Narkosemittel und sonstige Medikamente ein. Die Anästhesieärzte der Gemeinschaftspraxis dürfen sich gegenseitig vertreten und im Falle der nicht möglichen Vertretung aufgrund unvorhergesehener Verhinderung die Operation absagen. Die Gemeinschaftspraxis verpflichtete sich, der Klägerin zu 2/der nichtärztlichen OP-Leitung oder deren Vertreter alle Verhinderungen bei der Erbringung vertraglicher Leistungen spätestens eine Woche vorher, unvorhergesehene Verhinderung unverzüglich mitzuteilen. Die Gemeinschaftspraxis habe die gegenüber den Patienten und deren Angehörigen bestehenden Aufklärungs- und Dokumentationspflichten zu erfüllen. Sie ist verpflichtet, für die Behandlung der ihr anvertrauten stationären Patienten eine Dokumentation über alle durchgeführten Anästhesiemaßnahmen zu erstellen und diese der Klägerin zu 2 zur Aufbewahrung in der Patientenakte zu überlassen. Mit der Anfertigung der Unterlagen gehen diese in das Eigentum der Klägerin zu 2 über.
Die Gemeinschaftspraxis für Anästhesie berechne das Entgelt für die Leistungen bei allen Patienten gegenüber der Klägerin zu 2 gemäß der Vereinbarung in Anlage 1 nach Erhalt der Patientenliste mit den seitens der Klägerin zu 2 berechneten Entgelten am Ende des jeweiligen Quartals. Ausweislich der Vereinbarung in Anlage 1 sind Grundlage der Vergütung der Gemeinschaftspraxis für Anästhesie die der Anästhesie zuzuordnenden Anteile (entsprechend den Kalkulationsergebnissen für das G-DRG-System bzw AG-DRG-System) der jeweiligen DRG angepasst auf den gültigen Landesbasiswert Bayern (Personalkosten Arzt, Personalkosten MTD und anästhesiologisch begründete Sachkosten). Voraussetzung für die Abrechnung ist, dass die Gemeinschaftspraxis für Anästhesie die Ärzte und Anästhesiepflege (auch im Aufwachraum) komplett stellt und alle Sachkosten (zB Arzneimittel, übriger medizinischer Bedarf usw) trägt, wobei die Klägerin zu 2 die medizinische und nichtmedizinische Infrastruktur (Geräte, Räume usw) stellt. Bei einer Abrechnungskorrektur durch den MDK werde die Vergütung der Ärzte für den jeweiligen Fall rückwirkend entsprechend korrigiert. Wegen der weiteren Einzelheiten des Kooperationsvertrags wird auf die Beklagtenakte (Bl 51 ff) verwiesen.
Im Dezember 2019 beantragte die Klägerin zu 2 bei der Beklagten bezugnehmend auf den mit der Gemeinschaftspraxis für Anästhesie abgeschlossenen Kooperationsvertrag hinsichtlich der sechs Partner der Gemeinschaftspraxis - unter anderem der Klägerin - die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Die Gemeinschaftspraxis solle an zwei bis drei Tagen pro Woche für stationäre Eingriffe des Klinikums tätig werden. Welcher Partner der Gemeinschaftspraxis die Tätigkeit übernehme, werde innerhalb der Partnerschaft entschieden und richte sich dort nach der Verfügbarkeit. Die Klägerin zu 2 habe hierauf keinen Einfluss. Die Klägerin zu 2 organisiere in Räumlichkeiten der Klinik N1 Nord die Operationen für Patienten, die nicht ambulant operiert werden können. Die Patienten würden stationär aufgenommen. Die Ärzte der Gemeinschaftspraxis übernähmen eigenverantwortlich und eigenständig die Narkoseaufklärung und Vorbereitung der Patienten, die Durchführung der Allgemein-, Regional- oder Kombinationsanästhesien und seien unter Einsatz eigenen Fachpersonals auch für die Nachbetreuung der Patienten im Aufwachraum verantwortlich. Die Gemeinschaftspraxis werde eigenes Personal, das bei ihr angestellt ist, und die Räume der Klägerin zu 2 im Haus 12 für die Operationen nutzen. Die Gemeinschaftspraxis verfüge sowohl für die Ärzte als auch für das eingesetzte eigene nichtärztliche Personal über eine eigene Berufshaftpflichtversicherung und trage die Kosten für diese. Wenn die Klägerin zu 2 Ärzte der Gemeinschaftspraxis für Anästhesie beauftrage, seien diese für den Narkoseverlauf allein verantwortlich und beim Einsatz und der Wahl der Narkosemittel frei. Anweisungen an die Anästhesieärzte erfolgten durch den Operateur nicht. Die Anästhesieleistungen würden nicht innerhalb fester Arbeitszeiten erfüllt. Die Anästhesisten der Gemeinschaftspraxis übernähmen weder Ruf-, noch Nacht-, Wochenend- oder Bereitschaftsdienste; sie seien nicht in die kontinuierliche Patientenversorgung eingebunden und nicht in den Betriebsablauf des Krankenhauses integriert, dh sie nähmen nicht an Dienstplänen oder Mitarbeiterbesprechungen teil. Sie seien weder organisatorisch eingegliedert noch unterlägen sie irgendeiner disziplinarischen oder fachlichen Weisung. Ein disziplinarisches Weisungsrecht der Ärzte der Gemeinschaft gegenüber dem Personal der Klägerin zu 2 bestehe nicht. Die Mitarbeiter der Gemeinschaftspraxis träten nach außen und innen nicht als Personal der Klägerin zu 2 auf. Sie verfügten weder über Kleidung der Klägerin zu 2 noch über ein entsprechendes Namensschild, dortige Büro- bzw Behandlungszimmer oder ähnliches. Es sei den geltenden Hygienevorschriften geschuldet, dass die Anästhesisten der Gemeinschaftspraxis im OP die dortige OP-Kleidung trügen. Zusammenfassend beantragte die Klägerin zu 2, dass keine Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung vorliege.
Die Beklagte beteiligte die Klägerin und stellte nach entsprechender Anhörung der Beteiligten fest, dass für die Klägerin in dem Auftragsverhältnis als Ärztin (Anästhesie) bei der Klägerin zu 2 seit 10.5.2019 Versicherungspflicht aufgrund abhängiger Beschäftigung in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Nach Gesamtwürdigung aller zur Beurteilung der Tätigkeit relevanten Tatsachen überwögen die Merkmale für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis. Die Weisungsgebundenheit sei zur funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsleben verfeinert. Die Klägerin könne ihre Arbeitszeit nicht frei gestalten, da diese faktisch vorgegeben sei. Der Tätigkeitsort sei mit dem Betriebssitz der Klägerin zu 2 vorgegeben. Die Klägerin arbeite mit dem Personal der Klägerin zu 2 zusammen. Ein Unternehmerrisiko sei nicht zu erkennen. Die Klägerin setze ausschließlich ihre Arbeitskraft mit der Gewissheit des finanziellen Erfolges ein. Die Klägerin werde in den Betriebsablauf der Klägerin zu 2 eingegliedert, da nach den von den Klägerinnen verfolgten Zwecken und Interessen die verbleibenden Varianten der Ausführung einseitig durch die Klägerin zu 2 bestimmt würden (Bescheide vom 25.6.2020).
Im Rahmen ihrer Widersprüche ließen die Klägerinnen darauf hinweisen, dass nicht berücksichtigt worden sei, dass Partner des Kooperationsvertrages nicht die Klägerin, sondern die Gemeinschaftspraxis sei. Die Klägerin zu 2 habe keinen Einfluss auf die Arbeitszeit der Klägerin, da die Gemeinschaftspraxis festlege, welcher ihrer Partner die vertraglich geschuldete Anästhesie erbringe. Es sei zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit im unternehmerisch und organisatorisch getrennten und eigenständigen Medizinischen Versorgungszentrum/ABC der Klägerin zu 2 erbracht werde. Dieses sei als technische und räumliche Infrastruktur zu verstehen. Die Klägerin sei nicht fremdbestimmt tätig, da sie in ihrer Tätigkeit als Anästhesistin für die Klägerin zu 2 gegenüber dieser nicht weisungsgebunden sei. Gleichzeitig sei sie allein gegenüber dem von ihr mitgebrachten Personal der Gemeinschaftspraxis für Anästhesie weisungsbefugt. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass die für die Tätigkeit der Klägerin erforderlichen Arbeitsmittel nicht von der Klägerin zu 2 gestellt würden. Es sei schlichtweg falsch, dass die Klägerin Ärzte der Klägerin zu 2 vertrete; Anästhesisten der Klägerin würden im ABC bereits nicht eingesetzt. Es sei zu beachten, dass die Abrechnung stationärer Leistungen gegenüber den Kostenträgern eine entsprechende Zulassung voraussetze, über die die Klägerin nicht verfüge. Ungeachtet dessen greife die Argumentation der Beklagten insoweit zu kurz, da andernfalls eine honorarärztliche Tätigkeit im stationären Bereich ausgeschlossen wäre. Für das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit spreche, dass die Anästhesieleistungen nicht von der Klägerin persönlich, sondern von der Gemeinschaftspraxis für Anästhesie geschuldet seien. Die Klägerin sei weder persönlich noch wirtschaftlich von der Klägerin zu 2 abhängig. Deren Tätigkeit für die Klägerin zu 2 mache nur einen geringen Teil der von der Gemeinschaftspraxis erbrachten Anästhesieleistungen aus. Die Klägerin trage ein persönliches Haftungsrisiko, das sie mit einer eigenen Haftpflichtversicherung abgesichert habe. Entsprechendes gelte für die Gemeinschaftspraxis. Auch trage sie als Partnerin der Gemeinschaftspraxis ein Unternehmerrisiko, da diese eine eigene Praxis mit Operationsräumen, erforderlichen Gerätschaften, Materialien und Personal unterhalte. Die Klägerin sei niedergelassene Ärztin mit eigener Kassenzulassung; die Gemeinschaftspraxis arbeite in vielfältigen Kooperationen im ambulanten wie stationären Bereich an ca 30 Operationsstellen mit mehr als 50 verschiedenen Operateuren. Die Einnahmen aus der Kooperationsvereinbarung flössen nicht der Klägerin, sondern der Gemeinschaftspraxis für Anästhesie zu. Diesen stünden vielfältige Kosten für Operationsräumlichkeiten, eigenes Personal, Materialien, Gerätschaften usw gegenüber.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten hat die Widersprüche der Klägerinnen insbesondere bezugnehmend auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum sozialversicherungsrechtlichen Status von Honorarärzten im Krankenhaus zurückgewiesen. Die Klägerin behandle neben ihrer selbstständigen vertragsärztlichen Tätigkeit in der Gemeinschaftspraxis Patienten der Klägerin zu 2. Wenn ein Arzt eine vom Krankenhaus geschuldete (Teil-) Leistung innerhalb der vom Krankenhaus vorgegebenen Organisationsabläufe erbringe, die Einrichtungen und Betriebsmittel des Krankenhauses nutze und arbeitsteilig mit dem ärztlichen und pflegerischen Krankenhauspersonal in vorgegebenen Strukturen zusammenarbeite, sei er in der Regel in einer seine Tätigkeit prägenden Art und Weise fremdbestimmt in den Betrieb des Krankenhauses eingegliedert. Auf Grundlage der bundesobergerichtlichen Rechtsprechung sei die Klägerin - neben ihrer (selbstständigen) vertragsärztlichen Tätigkeit - für die Klägerin zu 2 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig. Die mit dem Kooperationsvertrag mit der Gemeinschaftspraxis für Anästhesie gewählte Vertragsgestaltung führe zu keinem anderen Ergebnis. Sie sei vielmehr insofern unbeachtlich, als der sozialversicherungsrechtliche Status nicht zur Disposition der Vertragsparteien stehe. Auch gehöre die Erbringung von Krankenhausleistungen nicht zum Betriebszweck der Gemeinschaftspraxis (Widerspruchsbescheide vom 8.12.2020).
Auf die jeweils am 7.1 2021 erhobenen Klagen, die zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden worden sind, hat das Sozialgericht Nürnberg die Bescheide vom 25.6.2020 idG der Widerspruchsbescheide vom 8.12.2020 aufgehoben und die Beklagte verurteilt festzustellen, dass keine abhängige Beschäftigung der Klägerin bei der Klägerin zu 2 als Anästhesistin ab 10.5.2019 vorliege und hieraus keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Dabei hat das Sozialgericht insbesondere auf das Unternehmerrisiko abgestellt. Die Klägerin trage Unternehmerrisiko, da sie für die streitige Tätigkeit zwar keine Betriebsstätte benötige, aber eigenen Kapitaleinsatz für die vielen von ihr gestellten Arbeitsmittel (Beatmungsfilter und -schläuche, Spritzen, Infusionssysteme, Kanülen usw) sowie das eigene Personal habe. Die Klägerin habe zu kalkulieren, ob sie ein oder zwei medizinische Fachangestellte mitnehme und welches Material sie verbrauche. Bei der Vergütung nach DRG könne erst nachträglich gesagt werden, wie hoch die Vergütung sei und damit der Anteil für Anästhesie ausfalle. Weiter sei im Kooperationsvertrag vereinbart worden, dass die Klägerin spätere Beanstandungen und Kürzungen durch den MDK an die Gemeinschaftspraxis für Anästhesie weitergeben könne. Der Fall liege anders als beim klassischen Honorararzt im Krankenhaus. Eine Vergleichbarkeit mit den vom Bundessozialgericht entschiedenen Fällen der Honorarärzte sei damit nicht nachvollziehbar (Urteil vom 29.3.2022, der Beklagten zugestellt am 1.4.2022).
Mit ihrer hiergegen am 19.4.2022 beim Landessozialgericht eingelegten Berufung hat sich die Beklagte weiterhin davon überzeugt gezeigt, dass ihre Statusfeststellung im Hinblick auf die umfassende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Tätigkeit von Honorarärzten in Krankenhäusern und zum Einsatz von Notärzten nicht zu beanstanden sei. Die Ausführungen im angefochtenen Urteil seien vor diesem Hintergrund über weite Strecken nicht nachvollziehbar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.3.2022 aufzuheben und die Klagen gegen ihre Bescheide vom 25.6.2020 idG der Widerspruchsbescheide vom
8.12.2020 abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie halten das erstinstanzliche Urteil für zutreffend.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Akten verwiesen, auch soweit diese vom Sozialgericht Nürnberg und der Beklagten beigezogen worden sind.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung ist nicht begründet.
1. Streitig ist das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.3.2022, mit dem der Statusfeststellungsbescheid vom 25.6.2020 idG des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2020 aufgehoben und die Beklagte sinngemäß verpflichtet worden ist festzustellen, dass die Klägerin aufgrund ihrer Tätigkeit als Anästhesistin für die Klägerin zu 2 in der Zeit ab 10.5.2020 nicht aufgrund Beschäftigung versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung war.
2. Die Berufung der Beklagten ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht den auf § 7a Abs 1 S 1, Abs 2 SGB IV idF des Gesetzes vom 29.3.2017 gestützten Statusfeststellungsbescheid der Beklagten vom 25.6.2020 idG des Widerspruchsbescheides vom 8.12.2020 aufgehoben. Die Feststellung der Beklagten war rechtswidrig. Die Tätigkeit der Klägerin für die Klägerin zu 2 war nicht versicherungspflichtig aufgrund Beschäftigung. Sie erfolgte nicht im Rahmen einer Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV. Dem entsprechend ist die Verpflichtung der Beklagten im angefochtenen Urteil nicht zu beanstanden.
3. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung (§ 1 S 1 Nr 1 SGB VI) und nach dem Recht der Arbeitsförderung (§ 25 Abs 1 S 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer Beschäftigung ist § 7 Abs 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (Satz 1). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und die Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (Satz 2). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine abhängige Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht der Arbeitgeberin unterliegt. Diese Weisungsgebundenheit kann - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeit vornehmlich durch das Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand beschäftigt oder selbstständig tätig ist, richtet sich danach, welche Umstände das Gesamtbild der Arbeitsleistung prägen und hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen (stRspr; vgl zB BSG, Urteil vom 20.7.2023 - B 12 BA 1/23 R -, Rn 13 mwN).
Bei dieser Beurteilung ist regelmäßig vom Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Der besondere Schutzzweck der Sozialversicherung schließt es allerdings aus, dass die Beteiligten selbst über die rechtliche Einordnung einer Person als selbstständig oder beschäftigt entscheiden. Über zwingende Normen der Sozialversicherung kann nicht im Wege der Privatautonomie verfügt werden. Deshalb kommt es entscheidend auf die tatsächliche Ausgestaltung und Durchführung der vertraglichen Beziehungen an (vgl BSG, Urteil vom 20.7.2023 - B 12 BA 1/23 R -, Rn 14 mwN).
4. Ein Vertrag ist vorliegend nicht zwischen der Klägerin und der Klägerin zu 2, sondern allein zwischen der Klägerin zu 2 und der Gemeinschaftspraxis geschlossen worden, deren Partnerin die Klägerin in der Zeit bis zum 31.12.2021 war. Sozialversicherungsrechtlich ist eine Beschäftigung einer Partnerin einer Partnerschaftsgesellschaft durch einen Dritten aber nicht deshalb ausgeschlossen, weil ausdrücklich vertragliche Beziehungen nur zwischen der Partnerschaftsgesellschaft und dem Dritten bestehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dieser Vertrag - wie hier - nicht auf eine erlaubte Arbeitnehmerüberlassung gerichtet ist. Allerdings ist vorliegend eine Beschäftigung der Klägerin durch die Klägerin zu 2 nicht festzustellen. Ein Beschäftigungsverhältnis konnte weder aus einer unerlaubten und damit unwirksamen Arbeitnehmerüberlassung, die nach § 10 Abs 1 S 1 iVm § 9 Abs 1 Nr 1 AÜG zu einem fingierten Arbeitsverhältnis zwischen den Klägerinnen führen würde, resultieren, noch nach der im Sozialversicherungsrecht herrschenden Eingliederungstheorie und vergleichbar dem Rechtsinstitut des im Falle unwirksamer Arbeiternehmerüberlassung fingierten Arbeitsverhältnisses durch die tatsächliche Erbringung einer Tätigkeit begründet werden.
a) Die Klägerin hat zusammen mit den weiteren Partnern als vertretungsbefugte Partnerin der Gemeinschaftspraxis den Kooperationsvertrag mit der Klägerin zu 2 geschlossen. Berechtigte und Verpflichtete des Vertrages war daher ausschließlich die Gemeinschaftspraxis, nicht die Klägerin persönlich (§ 164 Abs 1 BGB). Da im Vertrag ausdrücklich nur die Gemeinschaftspraxis als Vertragspartnerin benannt ist, scheidet wegen des erkennbar ausschließlichen Vertretungswillens ein Handeln im eigenen Namen (vgl § 164 Abs 2 BGB) aus. Eine vertragliche Bindung ist auch nicht konkludent durch die persönliche Tätigkeitsaufnahme der Klägerin bei der Klägerin zu 2 zustande gekommen. Denn nach den vertraglichen Regelungen diente die Tätigkeit der Klägerin der Erfüllung des Kooperationsvertrages mit der Gemeinschaftspraxis.
b) Es liegt kein Fall einer erlaubten Arbeitnehmerüberlassung vor, in dem die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers zwar unter Eingliederung in die Arbeitsorganisation und Bindung an das Weisungsregime des Entleihers ausgeübt (§ 1 Abs 1 S 2 AÜG), aber kein Beschäftigungsverhältnis zu dem Entleiher begründet wird. Der Kooperationsvertrag zwischen der Gemeinschaftspraxis und der Klägerin zu 2 war bereits ausdrücklich nicht auf eine (erlaubte) Arbeitnehmerüberlassung (§ 1 Abs 1 S 1 AÜG) gerichtet. Die Gemeinschaftspraxis verfügte auch nicht über eine Erlaubnis zur Arbeitnehmerüberlassung. Auch eine unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung (vgl BSG, Urteil vom 20.7.2023 - B 12 BA 1/23 R -, Rn 18 bzw die dortigen Nachweise) scheidet vorliegend aus, da die Klägerin - für die Dauer der Tätigkeit für die Klägerin zu 2 - neben ihrer Stellung als Partnerin der Gemeinschaftspraxis nicht auch gleichzeitig als deren Arbeitnehmerin tätig geworden ist.
c) Die Tätigkeit der Klägerin für die Klägerin zu 2 aufgrund des zwischen der Klägerin zu 2 und der Gemeinschaftspraxis zustande gekommenen Kooperationsvertrages stellte sich schließlich auch in Anlehnung an das Rechtsinstitut des fingierten Arbeitsverhältnisses im Falle unwirksamer Arbeitnehmerüberlassung (§ 10 Abs 1 S 1 AÜG) und wegen der im Sozialversicherungsrecht herrschenden Eingliederungstheorie nicht als Beschäftigung iS des § 7 Abs 1 SGB IV dar. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, die in § 1 Abs 1 S 2 AÜG Eingang ins Gesetz gefunden hat, ist die Überlassung einer Person zur Arbeitsleistung anhand der Kriterien der Eingliederung und Weisungsgebundenheit von der Erbringung einer Werk- oder Dienstleistung abzugrenzen, wobei auf den Geschäftsinhalt der getroffenen Vereinbarung abzustellen ist, wie er tatsächlich vollzogen worden ist.
Geschäftsinhalt des zwischen der Klägerin zu 2 und der Gemeinschaftspraxis geschlossenen Kooperationsvertrages über die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Anästhesie war die vollständige fachärztliche anästhesiologische Versorgung von Patienten der Klägerin zu 2 unter Einsatz des Personals und der Arbeitsmittel der Gemeinschaftspraxis und damit die Ausführung bestimmter Dienstleistungen, bei denen die Klägerin als Erfüllungsgehilfin der Gemeinschaftspraxis tätig geworden ist. Damit ging die Verpflichtung der Gemeinschaftspraxis weit über die Überlassung der Klägerin zur Erbringung einer fachärztlichen anästhesiologischen Versorgung im ABC der Klägerin zu 2 hinaus.
aa) Eine Überlassung zur Arbeitsleistung iS von § 1 Abs 1 AÜG liegt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts vor, wenn einem Entleiher Arbeitskräfte zur Verfügung gestellt werden, die in dessen Betrieb eingegliedert sind und ihre Arbeit allein nach Weisungen des Entleihers in dessen Interesse ausführen. Notwendiger Inhalt eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages ist die Verpflichtung des Verleihers gegenüber dem Entleiher, diesem zur Förderung von dessen Betriebszwecken Arbeitnehmer zur Verfügung zu stellen. Die Vertragspflicht des Verleihers gegenüber dem Entleiher endet, wenn er den Arbeitnehmer ausgewählt und ihn dem Entleiher zur Verfügung gestellt hat (BAG, Urteil vom 5.7.2022 - 9 AZR 323/21 -, Rn 17 mwN). Von der Arbeitnehmerüberlassung zu unterscheiden ist insbesondere die Tätigkeit bei Dritten aufgrund eines Werk- oder freien Dienstvertrages. In diesen Fällen organisiert der zur Erbringung der Werk- oder Dienstleistung verpflichtete Unternehmer die zur Erreichung eines wirtschaftlichen Erfolges notwendigen Handlungen nach eigenen betrieblichen Voraussetzungen und bleibt für die Erfüllung der in dem Vertrag vorgesehenen Dienste oder für die Herstellung des geschuldeten Werkes gegenüber dem Drittunternehmer verantwortlich. Die zur Ausführung des Dienst- oder Werkvertrages eingesetzten Arbeitnehmer unterliegen nicht den Weisungen des Drittunternehmers, sondern denen des beauftragten Unternehmens und sind dessen Erfüllungsgehilfen. Solche Dienst- oder Werkverträge werden vom AÜG nicht erfasst (BAG, Urteil vom 5.7.2022 - 9 AZR 323/21 -, Rn 18 mwN). Die Abgrenzung richtet sich nach dem Geschäftsinhalt, der sich aus den ausdrücklichen Vereinbarungen der Vertragsparteien und der praktischen Durchführung des Vertrages ergibt, nicht nach der von den Parteien gewählten Bezeichnung oder gewünschten Rechtsfolge (vgl BAG, Urteil vom 18.1.2012 - 7 AZR 723/10 -, Rn 28; Urteil vom 5.7.2022 - 9 AZR 323/21 -, Rn 17 mwN).
bb) Diese Kriterien entsprechen denen für die Abgrenzung zwischen Beschäftigung und selbstständiger Tätigkeit (vgl BSG, Urteil vom 20.7.2023 - B 12 BA 1/23 R -, Rn 21). Danach schuldete die Gemeinschaftspraxis die Erbringung einer bestimmten Dienstleistung und nicht die Überlassung einer Person zur Arbeitsleistung in Form der anästhesiologischen Versorgung. Die geschuldete Tätigkeit war ihrer Art nach weder als Dienstleistung unter Eingliederung in den Betrieb der Klägerin zu 2 durchzuführen noch unter deren Weisungsregime auszuführen, sondern auf die Erbringung einer selbstständigen Dienstleistung der selbstständigen anästhesiologischen Versorgung bestimmter Patienten der Klägerin zu 2 gerichtet.
(1.) Der zwischen der Gemeinschaftspraxis und der Klägerin zu 2 geschlossene Kooperationsvertrag sieht nicht die Überlassung von Anästhesisten (und weiterem Personal), sondern die Erbringung der vollstationären anästhesiologischen Versorgung bestimmter Patienten der Klägerin zu 2 unter Einsatz des Personals sowie der Arbeitsmittel der Gemeinschaftspraxis vor. Aus dem Kooperationsvertrag ergibt sich die von der Gemeinschaftspraxis zu erbringende Leistung (§ 1 Abs 2), deren Durchführung in § 3 dahin konkretisiert wird, dass zur Erbringung der vertraglichen Leistung eigenes Personal und eigene Arbeitsmittel inkl Narkosemittel und sonstige Medikamente einzusetzen sind. Insgesamt endete die Verantwortlichkeit der Gemeinschaftspraxis nicht mit der Zurverfügungstellung des Personals; auch sind keine Umstände festzustellen, nach denen die Klägerin zu 2 die Klägerin (oder anderes von der Gemeinschaftspraxis zur Erfüllung des Kooperationsvertrages eingesetztes Personal) umfänglich wie eigene Beschäftigte nach eigenem Bedürfnis und nach Weisung einsetzen durfte.
(2.) Bereits aus dem Kooperationsvertrag ergibt sich hinreichend deutlich der Umfang des einzelnen Leistungsauftrags: die Vorbereitung des Patienten einschließlich Narkoseaufklärung, die Durchführung der notwendigen und fachlich gebotenen Anästhesieverfahren und die Nachbetreuung des Patienten im Aufwachraum (vgl § 1 Abs 2 des Kooperationsvertrages) bei bestimmten, vorab feststehenden Patienten der Klägerin zu 2 (vgl § 3 Abs 4 S 2 des Kooperationsvertrages, wonach vorab eine Anfrage hinsichtlich eines oder mehrerer Patienten erfolgt; soweit mehrere Patienten zu betreuen sind, steht auch die Reihenfolge bereits vorab fest). Insoweit sind Weisungen der Klägerin zu 2 an Mitarbeiter der Gemeinschaftspraxis zur Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Kooperationsvertrag nicht erforderlich. Aus der Planung der Operationstermine durch die Klägerin zu 2 folgt kein entsprechendes Weisungsrecht der Klägerin zu 2 gegenüber den Mitarbeitern der Gemeinschaftspraxis, hier der Klägerin, sondern lediglich ein entsprechendes Vorschlagsrecht. Bereits der Kooperationsvertrag regelt ein Mitspracherecht der Gemeinschaftspraxis hinsichtlich der Reihenfolge und der Anzahl der zu operierenden Patienten (§ 3 Abs 4 S 3) bzw das Recht, Anfragen der Klägerin zu 2 komplett abzusagen (§ 5). Darüberhinausgehende Tätigkeiten der Klägerin zu 2, insbesondere im allgemeinen Krankenhausbetrieb (Ruf-, Nacht-, Wochenend- und Bereitschaftsdienste) sind ausdrücklich kein Gegenstand des Kooperationsvertrages. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass bei der tatsächlichen Durchführung des Kooperationsvertrages und der Einzelanfragen bzw - aufträge hiervon abgewichen worden ist.
Soweit sich aus dem Kooperationsvertrag bzw seiner Umsetzung in Form der Planung von Operationsterminen, für die die Gemeinschaftspraxis sich zur Erbringung der vollstationären anästhesiologischen Versorgung verpflichtet hatte, insbesondere zeitliche und örtliche Vorgaben ergeben, handelt es sich um sachbezogene und ergebnisorientierte Anweisungen, die weder für das Bestehen einer Beschäftigung noch gegen das Vorliegen einer selbstständigen Tätigkeit sprechen. Zeitliche Vorgaben oder die Verpflichtung, bestimmte Termine für die Erledigung der übertragenen Aufgaben einzuhalten, sind für sich allein kein wesentliches Merkmal für ein Arbeitsverhältnis. Auch gegenüber einem Selbstständigen können Termine für die Erledigung der Arbeit bestimmt werden, ohne dass daraus eine arbeitnehmertypische zeitliche Weisungsgebundenheit folgt. Zudem steht einem Auftraggeber gegenüber einem freien Mitarbeiter grundsätzlich das Recht zu, Anweisungen hinsichtlich des Arbeitsergebnisses zu erteilen. Die arbeitsrechtliche Weisungsbefugnis ist daher gegenüber dem Weisungsrecht für Vertragsverhältnisse mit Selbständigen und Werkunternehmern abzugrenzen. Die Anweisung gegenüber einem Selbständigen ist typischerweise sachbezogen und ergebnisorientiert und damit auf die zu erbringende Dienst- oder Werkleistung ausgerichtet. Im Unterschied dazu ist das arbeitsvertragliche Weisungsrecht personenbezogen, ablauf- und verfahrensorientiert geprägt. Es beinhaltet Anleitungen zur Vorgehensweise und zur Motivation des Mitarbeiters, die nicht Inhalt des werkvertraglichen Anweisungsrechts sind. Für die Bestimmung des Vertragstypus kommt es indiziell darauf an, inwieweit der Arbeitsvorgang durch verbindliche Anweisungen vorstrukturiert ist. Weisungen, die sich ausschließlich auf das vereinbarte Arbeitsergebnis beziehen, können auch gegenüber Selbständigen erteilt werden (vgl BAG, Urteil vom 1.12.2020 - 9 AZR 102/20 -, Rn 35). Die Verbindlichkeit der Vorgaben hinsichtlich Zeit und Ort der Operationen ergeben sich vorliegend aus sachlichen Erfordernissen der von der Gemeinschaftspraxis geschuldeten anästhesiologischen Versorgung. Derartige Vorgaben können auch bei Vorliegen eines freien Dienstvertrages oder eines Werkvertrages erfolgen, da sie den Inhalt der vertraglich geschuldeten Dienst- bzw Werkleistung beschreiben (vgl BAG, Urteil vom 29.1.1992 - 7 ABR 25/91 -, Rn 31 zitiert nach juris).
(3.) Auch eine Weisungsgebundenheit der Klägerin aufgrund einer "funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" scheidet aus, da insgesamt hinreichende Anhaltspunkte für die Eingliederung ihrer Tätigkeit in den Krankenhausbetrieb der Klägerin zu 2 nicht festzustellen sind.
Zwar hat die Klägerin ihre Tätigkeit im ABC und damit einem Betrieb der Klägerin zu 2 erbracht. Dies erfolgte allerdings - unabhängig davon, dass Ärzte bei medizinischen Heilbehandlungen und Therapien grundsätzlich frei und eigenverantwortlich handeln - frei von Weisungen der Klägerin zu 2. Hierauf ist im Kooperationsvertrag ausdrücklich hingewiesen (vgl § 2 S 3). Organisatorischer Weisungen bedurfte es - wie bereits dargelegt - nicht, da der Ort, die Zeit und der Inhalt der Tätigkeit jeweils bereits vorab feststanden und keiner weiteren Konkretisierung durch die Klägerin zu 2 bedurften, um der Klägerin die Ausübung der Tätigkeit zu ermöglichen. Die Klägerin zu 2 hat schließlich betont, dass die Anästhesie hinsichtlich der im ABC durchgeführten Operationen allein von der Gemeinschaftspraxis im Rahmen des Kooperationsvertrages geleistet worden ist und Anästhesisten der Klägerin zu 2 nicht eingesetzt worden seien. Eine Zusammenarbeit der Klägerin mit Anästhesisten der Klägerin zu 2 ist damit auch in Form von gegenseitiger Vertretung oder fachlicher Anleitung auszuschließen (vgl auch § 9 Abs 2 des Kooperations-vertrages, wonach bei Meinungsverschiedenheiten zwischen den Anästhesieärzten der Gemeinschaftspraxis und Ärzten der Klägerin zu 2 der Vorstand der Klägerin zu 2 entscheidet).
Eine Zusammenarbeit mit pflegerischem Krankenhauspersonal der Klägerin zu 2 im Rahmen der von der Gemeinschaftspraxis geschuldeten Leistungen bzw der von der Klägerin als Erfüllungsgehilfin der Gemeinschaftspraxis nach dem Kooperationsvertrag zu erbringenden Leistungen erfolgte nicht, da dieses von der Gemeinschaftspraxis zu stellen war und insoweit auf deren Weisung tätig wurde.
Die Zusammenarbeit der Klägerin mit dem ärztlichen Krankenhauspersonal (insbesondere während der Operation) kann eine vorliegend relevante Eingliederung nicht begründen, da sie nicht im Rahmen der von der Klägerin zu 2 vorgegebenen Struktur erfolgte und damit die Tätigkeit der Klägerin nicht in prägender Art und Weise in den Krankenhausbetrieb eingliederte. Die Zusammenarbeit des Anästhesisten und des Operateurs bei der operativen Patientenversorgung beruht insbesondere auf den Grundsätzen einer strikten Aufgabenteilung (vgl Vereinbarung des Berufsverbandes Deutscher Anästhesisten und des Berufsverbandes der Deutschen Chirurgen, Anästh Intensivmedizin 2016; 57: 213 ff auch zum Folgenden). Danach ist der Chirurg nach den Grundsätzen einer strikten Arbeitsteilung zuständig und verantwortlich für die Planung und Durchführung des operativen Eingriffs, der Anästhesist für die Planung und Durchführung des Anästhesieverfahrens sowie die Überwachung und Aufrechterhaltung der vitalen Funktionen. Beide Ärzte dürfen, solange keine offensichtlichen Qualitätsmängel oder Fehlleistungen erkennbar werden, wechselseitig darauf vertrauen, dass der Partner der Zusammenarbeit die ihm obliegenden Aufgaben mit der gebotenen Sorgfalt erfüllt. Die danach in die Zuständigkeit des Anästhesisten fallenden Aufgaben sind vorliegend im Rahmen des Kooperationsvertrages durch entsprechende Verpflichtungen der Gemeinschaftspraxis festgelegt worden und waren damit auf diese Weise der Klägerin zugewiesen worden (§ 1 Abs 3; § 9 Abs 1). Soweit Einvernehmen zwischen der Gemeinschaftspraxis bzw der von ihr eingesetzten Erfüllungsgehilfen und dem ärztlichen Personal der Klägerin zu 2 nicht zu erzielen war, entschied der Vorstand der Klägerin zu 2. Auch insoweit ist die Klägerin (als Erfüllungsgehilfe der Gemeinschaftspraxis) nicht auf die betrieblichen Strukturen der Klägerin zu 2 verwiesen.
(4.) Fehlt es damit an Umständen, aufgrund derer die Tätigkeit der Klägerin als in den Betrieb der Klägerin zu 2 eingegliedert zu bewerten ist, kann allein aus der Benutzung von Einrichtungen und Betriebsmitteln der Klägerin zu 2 durch die Klägerin bei der Erfüllung der Pflichten der Gemeinschaftspraxis auf deren Eingliederung in den Krankenhausbetrieb nicht geschlossen werden (vgl BSG, Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R -, Rn 25; BAG, Urteil vom 27.6.2017 - 9 AZR 133/16 -, Rn 50). Für eine Eingliederung ist schließlich nicht maßgeblich, ob die Klägerin (aus sachlichen Gründen) von der Klägerin zu 2 vorgegebene Dienstkleidung zu tragen hatte (vgl BSG, Urteil vom 19.10.2022 - B 12 R 6/20 R -, Rn 36) und wie ihr Status von Patienten bewertet worden sein könnte (vgl BSG, Urteil vom 28.9.2011 - B 12 R 17/09 R -, Rn 23).
(5.) Gegen das Fehlen einer Eingliederung der Tätigkeit der Klägerin in den Krankenhausbetrieb der Klägerin zu 2 steht vorliegend nicht § 2 Abs 3 KHEntgG. Danach hat ein Krankenhaus sicherzustellen, dass die nicht fest angestellten Ärzte die gleichen Anforderungen wie fest im Krankenhaus angestellte Ärzte erfüllen. Dies setzt einen maßgeblichen Einfluss des Krankenhauses auf ihre Tätigkeit voraus. Neben dem Erfordernis und Nachweis entsprechender fachlicher Qualifikationen bestehen umfassende Sicherstellungspflichten des Krankenhauses, die zu einer weitreichenden Einbindung der Ärzte in die Qualitätssicherungs- und Kontrollmechanismen führen. Diese regulatorischen Rahmenbedingungen bedingen im Regelfall die Eingliederungen ärztlichen Krankenhauspersonals in die Organisations- und Weisungsstruktur des Krankenhauses (vgl BSG, Urteil vom 4.6.2019 - B 12 R 11/18 R -, Rn 26). Ein Abweichen vom Regelfall rechtfertigt sich vorliegend daraus, dass die Klägerin zu 2 ihre Sicherstellungspflichten im Zusammenhang mit den Leistungen iS des Kooperationsvertrages auf die Gemeinschaftspraxis delegierte (vgl insbesondere § 3 Abs 3, 5 und 7 sowie §§ 6 bis 10). Eine Einbindung der Klägerin in die betriebliche Organisation der Klägerin zu 2 folgt schließlich nicht aus der fehlenden Möglichkeit der Gemeinschaftspraxis/der Klägerin die von ihr geleistete anästhesiologische Versorgung im Krankenhaus abzurechnen (zur fehlenden Möglichkeit aufgrund des Fehlens einer Kassenzulassung Leistungen gegenüber den Krankenkassen abzurechnen vgl BSG, Urteil vom 14.9.1989 - 12 RK 64/87 -, Rn 26 zitiert nach juris).
(6.) Die Gemeinschaftspraxis war schließlich aufgrund ihrer technischen und personellen Ausstattung zur Erfüllung der dienstvertraglichen Unternehmerpflichten aus dem Kooperationsvertrag und zur Erfüllung fachbezogener Weisungen imstande (zum Kriterium der Unternehmensstruktur bei der Abgrenzung Arbeitnehmerüberlassung- Dienst- bzw Werkvertrag vgl BAG, Urteil vom 27.6.2017 - 9 AZR 133/16 -, Rn 45) Bei der Gemeinschaftspraxis handelt es sich um partnerschaftlich organisierte Anästhesisten mit eigenem Praxisbetrieb bzw einem ambulanten Operationszentrum, die eine Vielzahl ambulant operierender Ärzte unterstützte und Patienten zur Schmerztherapie und palliativen Versorgung in einem Hospiz betreute. Sie verfügte zur Überzeugung des Senats über das für die Erfüllung der (Dienstleistungs-) Aufträge aus dem Kooperationsvertrag mit der Klägerin zu 2 erforderliche (ärztliche und nichtärztliche) Personal und damit das Knowhow, um die gegenüber der Klägerin zu 2 geschuldete Leistung einschließlich der Qualitätssicherungs- und Kontrollmechanismen zu erbringen und den hierfür eingesetzten Erfüllungsgehilfen Weisungen zu erteilen. Die Gemeinschaftspraxis war schließlich sowohl rechtlich als auch tatsächlich in der Lage zu entscheiden, welche bzw welcher Mitarbeiter die gegenüber der Klägerin zu 2 geschuldete anästhesiologische Versorgung erbringen. Entsprechendes gilt hinsichtlich der darüber hinaus von der Gemeinschaftspraxis geschuldeten Arbeitsmittel, Narkosemittel und Medikamente. Zweifelsohne barg die unternehmerische Betätigung der Gemeinschaftspraxis typische unternehmerische Risiken, auf die auch hinsichtlich der Tätigkeit der Klägerin für die Klägerin zu 2 aufgrund des Kooperationsvertrages bereits das Sozialgericht hingewiesen hat.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
6. Die Zulassung der Revision beruht (im Hinblick auf das bereits unter B 12 BA 4/23 R anhängige Revisionsverfahren) auf § 160 Abs 2 Nr 1 SGG.