L 13 R 2872/20

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 4022/18
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 2872/20
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 04.08.2020 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.



Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Bewilligung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Die 1965 geborene Klägerin erlernte den Beruf einer Einzelhandelskauffrau. Im Anschluss daran war sie in verschiedenen Bereichen (unterbrochen durch Zeiten der Kindererziehung und Arbeitslosigkeit) versicherungspflichtig bis März 2016 beschäftigt. Seitdem ist die Klägerin arbeitsunfähig bzw. arbeitslos. Bei der Klägerin ist ein Grad der Behinderung von 50 festgestellt.

Am 02.11.2017 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte lehnte den Rentenantrag mit Bescheid vom 05.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2018 ab. Grundlage der Entscheidung waren die medizinischen Unterlagen der behandelnden Ärzte und das von der Beklagten veranlasste Gutachten der E1. Diese stellte im Wesentlichen folgende Diagnosen: Angst und depressive Störung gemischt, chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, vorbeschriebenes Restless-Legs-Syndrom, vorbeschriebene Läsion des Nervus ulnaris rechts. Aus neurologisch-psychiatrischer Sicht sei die Klägerin als Einzelhandelskauffrau sowie für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten auf dem Arbeitsmarkt vollschichtig leistungsfähig.

Wegen der ablehnenden Entscheidung der Beklagten hat die Klägerin am 05.12.2018 Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben. Sie sei nicht mehr in der Lage, einer 6-stündigen Tätigkeit nachzugehen. Ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf psychiatrischem Fachgebiet sowie die Schmerzstörung infolge ihrer Fibromyalgie seien nicht ausreichend gewürdigt worden.

Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Die behandelnde B1 teilte mit, die Klägerin besitze aufgrund ihrer psychiatrischen und internistisch-rheumatischen Leiden lediglich ein untervollschichtiges Leistungsvermögen von unter drei Stunden pro Tag. Auch sei die Klägerin wegen des vorliegenden Beschwerdebildes einer Fibromyalgie nicht in der Lage, übliche Wege zu und von der Arbeitsstelle, wie Wegstrecken von über 500 m zu Fuß zu bewältigen.

Die B2 hat angegeben, dass sie die Klägerin nicht dazu in der Lage sehe, überhaupt zu arbeiten. Auch sei die Klägerin aufgrund der Panikstörung nicht in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen und auch eine Wegstrecke von 500 m zu Fuß zurückzulegen, sei von der Klägerin nicht zu bewältigen.

Der behandelnde S1 hat dargelegt, die Klägerin leide unter einer Spondylarthrose der LWS, einer Fibromyalgie, einer Gonarthrose links und einem Impingement-Syndrom der linken Schulter. Die Klägerin sei ohne Gefährdung ihrer Gesundheit in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt und auch als Einzelhandelskauffrau von sechs Stunden täglich zu verrichten. Einschränkungen hinsichtlich der Wegefähigkeit bestünden nicht, die Klägerin sei in der Lage, die üblichen Wege zu und von der Arbeitsstelle zurückzulegen.

Das SG hat weiter Beweis erhoben und die Untersuchung und Begutachtung durch H1 veranlasst., In seinem Sachverständigengutachten hat H1 ausgeführt, auf neurologischem Fachgebiet seien von der Klägerin Beschwerden beklagt worden, die sich auf ein Restless-legs Syndrom beziehen ließen, überdauernde funktionelle Leistungseinschränkungen ergäben sich daraus nicht. Auf psychiatrischem Fachgebiet sei eine generalisierte Angststörung, eine somatoforme Schmerzstörung und eine depressive Erkrankung im Grenzbereich zwischen einer leichten und mittelgradigen Episode gegeben. Die Klägerin sei sowohl in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf wie auch bei einer leichten körperlichen Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne eine unmittelbare Gefährdung ihrer Gesundheit mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähig. Auch sei die Klägerin in der Lage, täglich viermal eine Wegstrecke von mehr als 500 m zu Fuß zurückzulegen sowie öffentliche Verkehrsmittel während der Hauptverkehrszeiten zu benutzen.

Mit Gerichtsbescheid vom 04.08.2020 hat das SG die Klage abgewiesen. Die medizinischen Voraussetzungen einer Rente wegen Erwerbsminderung seien nicht erfüllt. Die Klägerin sei noch in der Lage, leichte körperliche Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei Beachtung qualitativer Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Als qualitativ zu beachtende Einschränkungen seien Akkordarbeiten, Nachtarbeiten und Arbeiten unter besonderem Zeitdruck und Tätigkeiten, die besonders hohe Ansprüche an Auffassung und Konzentration stellten oder ein besonders hohes Maß an Verantwortung beinhalteten und anstrengende Tätigkeiten mit häufigem Bücken oder schwerem Heben zu nennen.
Auf orthopädischem Fachgebiet ergebe sich dies aus der schriftlichen Zeugenaussage des behandelnden S1 und auf nervenärztlichem Fachgebiet aus dem schlüssigen Gutachten des Sachverständigen H1.
Dieser habe eine generalisierte Angststörung diagnostiziert und festgestellt, dass die Panikattacken der Klägerin mittlerweile eindeutig in den Hintergrund getreten seien. Zu der somatoformen Schmerzstörung habe der Sachverständige berichtet, dass die von der Klägerin andauernden schweren und quälenden Schmerzen nicht durch einen physiologischen Prozess oder einer körperlichen Störung vollständig erklärt werden könnten. Hinsichtlich der depressiven Erkrankung habe der Sachverständige eine leicht reduzierte affektive Schwingungsfähigkeit und einen leicht reduzierten Antrieb beschrieben. Er habe auch einen strukturierten Alltag der Klägerin, welche regelmäßig zwischen 9.30 Uhr und 10:00 Uhr aufstehe und dann Aufgaben im Haushalt nachgehe, beschrieben. Auch werde von Interessen der Klägerin berichtet, welche gerne leichte Filme im Fernsehen schaue und tagsüber viel Musik höre, die sie sich in Playlisten zusammenstelle. Es würden auch regelmäßige familiäre Kontakte und Besuche geschildert. Bei der Klägerin hätten sich auch keine kognitiven Leistungseinschränkungen, keine Störungen hinsichtlich Auffassung, Konzentration, Durchhaltevermögen gezeigt und das Gedächtnis habe keine Defizite aufgewiesen und sie habe über ihre Lebensgeschichte flüssig und konzentriert berichten können. Hieraus ergäben sich daher keine rentenrechtlich relevanten Leistungseinschränkungen, weshalb die Einschätzung von H1 in seinem Gutachten bezüglich einem Leistungsvermögen der Klägerin von über sechs Stunden für das Gericht konsequent und nachvollziehbar sei.

Gegen den am 10.08.2020 zugestellten Gerichtsbescheid richtet sich die am 09.09.2020 eingelegte Berufung der Klägerin.

Die Klägerin macht geltend, sie habe zuletzt wieder starke Panikattacken und Angstzustände bekommen. Sie habe nicht mehr schlafen können. Sie habe Herzrasen und Herzrhythmusstörungen bekommen, auch Schweißausbrüche, Zittern und Unkonzentriertheit. Sie könne deswegen kaum das Haus verlassen und auch nicht öffentliche Verkehrsmittel nutzen oder selbst mit dem Auto fahren. Der Ehemann müsse sogar für sie einkaufen gehen, weil sie aufgrund der Unsicherheit aufgrund der Angstzustände wütend und aggressiv werde und an nichts Anderes mehr denken könne.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 04.08.2020 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheids vom 05.03.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2018 ab dem 01.11.2017 Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Der Senat hat zunächst weiter Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des M1. In seinem Sachverständigengutachten vom 10.10.2021 hat dieser eine generalisierte Angststörung, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig maximal leichte Episode, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, ein Carpaltunnelsyndrom rechts ohne Muskelatrophien ohne sensibles Defizit zum Untersuchungszeitpunkt und ein Restless-Legs-Syndrom diagnostiziert. Als fachfremde Diagnosen hat er in seinem Gutachten angeführt: Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation, Zustand nach Radiusköpfchenfraktur rechts, Bewegungseinschränkung des Ellenbogens, Gonarthrose, Impingementsyndrom der linken Schulter, arterieller Hypertonus, bisher ohne bekannte Folgeerkrankungen, Zustand nach operativer Behandlung eines Grauen Stars beidseits mit berichtetem Nachstar, Zustand nach Cholecystektomie, Zustand nach operativer Behandlung einer Hiatushernie, Gastritis, Lipödem. Es bestünden keine erkennbaren kognitiven Einschränkungen. Aufmerksamkeit, Konzentration, Gedächtnis erschienen ungestört. Diesbezügliche Auffälligkeiten würden hier offensichtlich massiv aggravierend im Sinne einer Simulation dargestellt. Es sei nicht auszuschließen, dass zeitweise bei Grübelneigung hier leichte Aufmerksamkeitsdefizite oder Konzentrationsdefizite vorlägen, diese seien allerdings nur bei Tätigkeiten mit sehr hohen Anforderungen relevant. Es sei davon auszugehen, dass die vorhandenen psychischen Störungen durchaus subjektiv die Lebensqualität der Klägerin beeinträchtigten. Das Ausmaß der diesbezüglichen Beeinträchtigung sei bei aggravierender Beschwerdedarstellung, auch im Hinblick auf einen Krankheitsgewinn, unabhängig von der Berentung, erschwert beurteilbar.
Bedingt durch die psychischen Störungen könne der Klägerin keine Nachtschichtarbeit zugemutet werden. Die Klägerin könne keine körperlich schweren Arbeiten mehr durchführen und auch nicht mehr während der gesamten Arbeitszeit mittelschwere körperliche Arbeiten. Mittelschwere körperliche Arbeiten seien nur noch zeitweise maximal 2 Stunden je Arbeitstag zumutbar. Dabei sollte kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg mehr zugemutet werden, es sollte ein gelegentlicher Wechsel der Körperhaltung möglich sein. Bei einem Impingement-Syndrom keine ständigen Überkopfarbeiten. Treppensteigen erscheine weiter möglich, sollte aber nicht über mehr als eine Treppe und auch nicht mehr als einmal stündlich während der Arbeitszeit zugemutet werden. Diese Einschränkungen gingen überwiegend auf die fachfremden Kniebeschwerden zurück. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten seien nicht mehr möglich. Arbeiten an laufenden Maschinen oder Büromaschinen seien weiter möglich. Tätigkeiten unter sehr hohem Zeitdruck, wie Akkordarbeit, sollten nicht mehr zugemutet werden, auch keine Tätigkeiten, bei denen sie ungeschützt Kälte und Nässe im Freien ausgesetzt ist. Arbeiten mit Publikumsverkehr seien zumutbar. Arbeiten mit sehr hoher Verantwortung, wie beispielsweise als Vorgesetzte für mehr als 10 Mitarbeiter, sollten nicht zugemutet werden. Unter Beachtung der genannten qualitativen Einschränkungen könnten die noch möglichen Arbeiten ohne Gefährdung der Gesundheit weiterhin auch mehr als 6 Stunden täglich durchgeführt werden. Die Klägerin sei weiterhin in der Lage, auf dem täglichen Arbeitsweg viermal Wegstrecken von mehr als 500 m zu Fuß zurückzulegen, sie könne 500 m auch in weniger als 15 Minuten zurücklegen und sei auch in der Lage, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Auf Antrag nach § 109 SGG hat H2, das Sachverständigengutachten vom 09.02.2023 erstattet. Der Sachverständige hat eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, eine generalisierte Angststörung, eine Panikstörung mit Agoraphobie, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren sowie eine Fibromyalgie diagnostiziert. Die Klägerin sei nicht in der Lage, ihre bisherige Tätigkeit als Einzelhandelskauffrau in einem Lebensmittelmarkt auszuüben. Die Klägerin sei (lediglich) noch in der Lage, leichte Tätigkeiten in wechselnder Arbeitshaltung in Tagesschicht in einem zeitlichen Umfang von 3 Stunden arbeitstäglich zu erbringen. Die vorliegenden Störungen hätten jeweils einen chronifizierten Zustand erreicht, d. h. sich unabhängig von äußeren oder inneren Einflüssen stabilisiert und verselbstständigt (beispielsweise in Form einer Angst vor der Angst und den Schmerzen). Die Klägerin verspüre hohen Leidensdruck, Symptomatik und Symptomverhalten seien der willentlichen Beeinflussung durch die zu Begutachtende seit geraumer Zeit entzogen. Die zahlreichen therapeutisch-rehabilitativen Behandlungsmaßnahmen, die eigenen Bewältigungsstrategien der Betroffenen seien als Steuerungs- und Kontrollbemühungen, die Beschwerden zu überwinden, zu werten. Diese Maßnahmen seien gescheitert. Diese Entwicklung stehe der Wiedererlangung des hohen prämorbiden Funktions- und Fähigkeitsniveaus dauerhaft entgegen.

Die Beklagte hat unter Vorlage der sozialmedizinischen Stellungnahme der H3 vom 09.05.2023 das Sachverständigengutachten des H2 als nicht überzeugend dargestellt. Daraufhin hat der Sachverständige in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 06.09.2023 an seinem Sachverständigengutachten festgehalten. Unter Vorlage der erneuten sozialmedizinischen Stellungnahme der H3 vom 24.10.2023 hat die Beklagte weiter dargelegt, dass aus ihrer Sicht das Gutachten des H2 nicht plausibel sei.
Dem hat die Klägerin widersprochen, es sei nicht nachvollziehbar, dass der Sachverständige M2 stets zu der Einschätzung gelange, dass die Kläger aggravierten, wie auch die Klägerin.

Die Beklagte hat unter Vorlage eines Versicherungsverlaufs vorgetragen, dass die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen letztmals bei einem Leistungsfall im Juni 2023 erfüllt seien.

Bezüglich weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten der Beklagten sowie auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

Entscheidungsgründe


Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft (vgl. § 143 Abs. 1 SGG) und auch im Übrigen zulässig. Die Berufung führt jedoch für die Klägerin inhaltlich nicht zum Erfolg.

Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der streitgegenständliche Bescheid der Beklagten vom 05.03.2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2018 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.


Rechtsgrundlage für die hier begehrte Rente wegen Erwerbsminderung ist § 43 Sechstes Sozialgesetzbuch (SGB VI).
Nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn sie
teilweise erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).
Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI, wenn sie
voll erwerbsgemindert sind,
in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben und
vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben.
Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).
Voll erwerbsgemindert sind gemäß § 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI auch
Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können und
Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt.
Nicht erwerbsgemindert ist gemäß § 43 Abs. 3 SGB VI, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Das Vorliegen einer rentenberechtigenden Leistungsminderung und auch der weiteren Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung muss im Vollbeweis objektiv nachgewiesen sein. Dies erfordert, dass die Tatsachen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen müssen (vgl. auch Bayerisches Landessozialgericht, Urteile vom 15. Januar 2009 – L 14 R 111/07 und vom 8. Juli 2010 – L 14 R 112/09). Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsache – hier der vollen oder teilweisen Erwerbsminderung begründenden Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens – als erbracht angesehen werden kann. Eine bloße gewisse Wahrscheinlichkeit genügt nicht. Kann das Gericht das Vorliegen der den Anspruch begründenden Tatsachen trotz Ausschöpfung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnismöglichkeiten nicht feststellen, geht dieser Umstand zu Lasten desjenigen, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleiten will, hier also zu Lasten der Klägerin.


In Anlegung dieser Maßstäbe ist der Senat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass die Klägerin nicht mehr in der Lage ist, einer Tätigkeit auf den allgemeinen Arbeitsmarkt in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich und mehr nachgehen zu können. Zwar bestehen bei der Klägerin Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet, nach dem M2 eine generalisierte Angststörung, eine rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig maximal leichte Episode, eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, ein Carpaltunnelsyndrom rechts ohne Muskelatrophien und ohne sensibles Defizit sowie ein Restless-Legs-Syndrom. Ferner sind degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation, Zustand nach Radiusköpfchenfraktur rechts, eine Bewegungseinschränkung des Ellenbogens, eine Gonarthrose, ein Impingementsyndrom der linken Schulter, ein arterieller Hypertonus, bisher ohne bekannte Folgeerkrankungen, Zustand nach operativer Behandlung eines Grauen Stars beidseits mit berichtetem Nachstar, ein Zustand nach Cholecystektomie, Zustand nach operativer Behandlung einer Hiatushernie, eine Gastritis und ein Lipödem gegeben. Im Kontext der Frage des Vorliegens einer Erwerbsminderung ist nicht maßgebend, ob und welche Gesundheitsstörung vorliegt, entscheidend ist einzig, ob Leistungseinschränkungen bestehen, die der Ausübung einer Tätigkeit in einem zeitlichen Umfang von sechs Stunden täglich entgegenstehen. I.d.S. kommt es (bei Rentenbegutachtungen) weniger auf die Diagnosestellung, sondern auf die Leistungseinschränkungen an (vgl. Thüringer LSG, Urteil vom 30. Juni 2015 - L 6 R 166/08 ZVW -, in juris), ob diese gesichert bestehen und ggf. überwunden werden können.
Maßgebend für die Annahme einer rentenrechtlich relevanten Leistungseinschränkung ist vielmehr, ob das in Ansehung der funktionellen Auswirkungen der psychischen Erkrankung verbleibende Fähigkeitsprofil des Versicherten, insb. im Hinblick auf Struktur, Teilhabe und Aktivität, eine Teilnahme am Erwerbsleben
zu den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erlaubt. Grundlage dieses Abgleichs bildet der psychische Befund und die individuelle Ausprägung der verschiedenen psychischen Qualitäten (Bewusstsein, Orientierung, Auffassung/Aufmerksamkeit und Konzentrationsvermögen, Gedächtnis, formales und inhaltliches Denken, Wahrnehmung, Ich-Erleben, Affektivität, Antrieb, Flexibilität und subjektives Krankheitsverständnis und Krankheitserleben). Funktionsbeeinträchtigungen, in gegebenem Kontext insb. die geistig-psychische Belastbarkeit, sind im Recht der Erwerbsminderungsrenten nur dann relevant, wenn sie sich auf die Fähigkeit zur Teilhabe unter besonderer Berücksichtigung des Erwerbslebens quantitativ (im Gegensatz zur bloß qualitativen Einschränkungen) auswirken. Das verbleibende qualitative Leistungsvermögen (positiv wie negativ) hat i.d.R. keine prägende Bedeutung für die rentenrechtlich erforderliche Reduzierung des Leistungsvermögens in zeitlicher Hinsicht. Erst wenn die Beeinträchtigungen durch die psychische Störung so gravierend sind, dass die Lebensführung durch sie geprägt wird, ist von einem quantitativ geminderten Leistungsvermögen auszugehen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen in der Regel nicht nur in der Teilhabe am Erwerbsleben manifestieren, sondern in allen Lebensbereichen mehr oder weniger starke Auswirkungen zeitigen. Hieraus folgt, dass von einer Minderung des Leistungsvermögens im Erwerbsleben auszugehen ist, wenn die psychische Störung die gesamte Lebensführung übernommen hat.

Vor dem Hintergrund dieser Rahmenbedingungen ist der Senat, wie bereits das SG, nicht davon überzeugt, dass bei der Klägerin eine quantitative Leistungseinschränkung besteht. Der von M2 erhobene psychopathologische Befund weist keine derart gravierenden Beeinträchtigungen aus, die einer zeitlich vollumfänglichen Tätigkeit entgegenstehen. So hat der Sachverständige M2 eine unauffällige Psychomotorik, weder Orientierungsstörungen, noch Wahrnehmungsstörungen, Störungen der Ich-Funktionen, Störungen des Gedankenganges, Auffälligkeiten des Gedankeninhaltes feststellen können. Die Gestik und Mimik wird als unauffällig beschrieben. Das Auffassungsvermögen ist nicht erschwert erschienen. Die Merkfähigkeit wird als subjektiv vermindert, in der Untersuchungssituation aber als nicht erkennbar beeinträchtigt dargelegt. Ebenso wird die Konzentrationsfähigkeit von der Klägerin als subjektiv vermindert dargestellt, in der Untersuchungssituation ist sie aber nicht erkennbar beeinträchtigt gewesen. Zwangsgedanken und Zwangshandlungen werden verneint. Der Sachverständige hat die Schwingungs- und Resonanzfähigkeit der Klägerin als nicht beeinträchtigt dargestellt. In der Untersuchungssituation hat sich ein normales emotionales Schwingungsvermögen und im Gespräch haben sich keine pathologisch affektiven Schwankungen und keine pathologischen Tagesverlaufsschwankungen ergeben. Positive Emotionen sind auslösbar gewesen. Der Sachverständige hat dies anhand des beschriebenen Tagesablaufs für den Senat nachvollziehbar und schlüssig begründet. So ist die Klägerin in der Lage, ihr Leben zu strukturieren und selbstständig zu vollziehen, soziale Kontakte zu pflegen (Freundin, Nachbarn, Familie) und den Antrieb für Aktivitäten (gemeinsame Einkäufe mit Ehemann) aufzubringen.
In Ansehung des der Klägerin hiernach verbliebenen Aktivitätsausmaßes vermag der Senat nicht zu erkennen, dass die gesundheitsbedingten Einschränkungen die Fähigkeit, das soziale Leben zu gestalten, maßgeblich beeinträchtigen. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass die Stressbelastbarkeit durch die psychischen Störungen insgesamt reduziert sei. Erkennbare kognitive Einschränkungen haben nicht bestanden. Auffälligkeiten bezüglich Aufmerksamkeit, Konzentration und Gedächtnis seien von der Klägerin massiv aggravierend im Sinne einer Simulation dargestellt worden. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Klägerin in der Selbstbeurteilungsskala zur Diagnose der Depression nach W.W. Zung 71 von 80 maximalen Punkten erreicht habe. Dabei werde bis zu 39 Punkten von einem unauffälligen Befund ausgegangen, bis zu 47 Punkten von einer minimalen bis geringgradigen Depression, zwischen 48 und 55 Punkten von einer mäßig ausgeprägten Depression, von 56 bis 80 Punkten von einer schweren bis sehr schweren Depression. Das Ergebnis dieses Fragebogens zur Diagnose einer Depression stimme nicht mit dem klinischen Befund und dem Eindruck überein. Korrespondierend dazu habe sich im strukturierten Fragebogen simulierter Symptome ein Gesamtscore von 30 Punkten, damit sehr signifikant oberhalb des cut-off Wertes von 16 Punkten, hinweisend auf eine Neigung, auch ungewöhnlichste Beschwerden zu bejahen, im Sinne einer Simulation gezeigt. In dem weiteren vom Sachverständigen durchgeführten Test „Tomm“ habe die Klägerin im 1. und 2. Durchgang je 29 Punkte erreicht. In diesem Test werde bei weniger als 45 Punkten im 2. Durchgang von einer Simulation kognitiver Defizite ausgegangen. Die Klägerin sei zur Untersuchung mit einem Rollator gekommen, der jedoch keine Gebrauchsspuren aufweise. Das Gangbild ohne Rollator sei extrem langsam vorgeführt worden, dabei links hinkend, sie habe links Knieschmerzen. Die erschwerten Gangarten mit Fersengang und Zehenspitzengang seien jeweils eher mit Stehen und Schritten von wenigen Zentimetern vorgeführt worden, ohne dass es einen Hinweis auf Paresen gebe. Der Sachverständige hat dargelegt, er habe die Klägerin dabei beobachtet, als sie gerade mit ihrem Rollator über die Straße gegangen sei. Der Ehemann sei auf der anderen Straßenseite gewesen, als sie sehr zügig über mehrere Bordsteine vor und nach den Straßenbahngleisen, über Gehwegbordsteine, nicht an einem Fußgängerüberweg, im laufenden Verkehr (ohne Probleme) unterwegs gewesen sei. Im Rombergschen Versuch habe sie sich auf die Fersen gestellt und dann ein leichtes Schwanken gezeigt. Im Finger-Nase-Versuch habe sie konstant ein Vorbeizeigen links gezeigt, bei der neurologischen Untersuchung werde eine Hypalgesie der linken Körperhälfte mit Ausnahme des Kopfes angegeben, all diese Auffälligkeiten hätten keine organische Grundlage und seien überwiegend der willentlichen Steuerung zugänglich. Der Sachverständige hat weiter dargelegt, dass nicht auszuschließen sei, dass zeitweise bei Grübelneigung leichte Aufmerksamkeitsdefizite oder Konzentrationsdefizite vorlägen, diese seien allerdings nur bei Tätigkeiten mit sehr hohen Anforderungen relevant. Es sei davon auszugehen, dass die vorhandenen psychischen Störungen bei der Klägerin durchaus subjektiv die Lebensqualität beeinträchtigten. Das Ausmaß der diesbezüglichen Beeinträchtigung sei bei aggravierender Beschwerdedarstellung, auch im Hinblick auf einen Krankheitsgewinn, auch unabhängig von der Berentung erschwert beurteilbar. Der Sachverständige hat damit für den Senat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, weshalb er die subjektiven Beschwerdeangaben der Klägerin aufgrund der gezeigten Aggravation und Simulation nicht für glaubhaft hält.

Erhebliche Zweifel bestehen hingegen an der Beurteilung des Sachverständigen H2. Die H3 hat hier für die Beklagte zu Recht eingewandt, dass die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Klägerin nicht schlüssig begründet worden ist. Es ist auch für den Senat nicht nachvollziehbar, welche Plausibilitätsprüfung vorgenommen worden ist, insbesondere nachdem der Sachverständige M2 aufgrund der dort angewandten Tests erhebliche Aggravationstendenzen und Simulation festgestellt hatte. Nachdem auch mnestische und kognitive Einschränkungen durch H2 nicht festgestellt worden sind, ist von ihm die Diagnose eines schweren depressiven Syndroms gestellt worden. Hierbei hat sich der Sachverständige in erster Linie an den subjektiven Angaben der Klägerin orientiert. Ebenso verhält es sich mit den vom Sachverständigen genannten Diagnosen einer generalisierten Angststörung und einer Panikstörung mit Agoraphobie. Es ist nicht erkennbar, inwiefern die Angaben der Klägerin, die zu diesen Diagnosen geführt haben, kritisch hinterfragt bzw. einer Plausibilitätsprüfung unterzogen worden wären. Angesichts der von dem Sachverständigen M2 dargelegten Umstände hinsichtlich einer Aggravation bzw. Simulation wäre dies zwingend notwendig gewesen.

Im Übrigen ist Bezugspunkt der für die Rentengewährung erforderlichen (quantitativen) Leistungsreduzierung der „allgemeine Arbeitsmarkt“. Der Arbeitsmarktbegriff des § 43 SGB VI erfasst alle denkbaren Tätigkeiten, für die es faktisch ein „Angebot“ und eine „Nachfrage“ gibt. „Allgemein“ grenzt hierbei den ersten Arbeitsmarkt von dem zweiten - öffentlich geförderten - Arbeitsmarkt, zu dem regelmäßig nur Leistungsempfänger nach den Sozialgesetzbüchern Zwei und Drei Zugang haben, sowie von Sonderbereichen, wie bspw. Werkstätten für behinderte Menschen und anderen geschützten Einrichtungen ab. Übliche Bedingungen umschreibt die Faktoren, die wesentliche Grundlagen des Arbeitsverhältnisses sind. Neben den gesetzlichen Regelungen (bspw. zur Dauer und Verteilung der Arbeitszeit) rechnen auch individuelle Umstände wie kognitive Grundfähigkeiten, die krankheitsbedingt herabgesetzt sein können, hierzu. Mithin ist erforderlich, dass die für die Ausübung einer Tätigkeit allgemein vorausgesetzten Mindestanforderungen an Konzentrationsvermögen, geistige Beweglichkeit, Stressverträglichkeit und Frustrationstoleranz vorliegen (vgl. Freudenberg in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 3. Aufl. [Stand 1. April 2021], § 43 SGB VI, Rn. 164 ff.). Dass diese Fähigkeiten bei der Klägerin, wie mit der Berufungsbegründung - sinngemäß - geltend gemacht, nicht mehr vorhanden sind, ist für den Senat nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit belegt. Dem Gutachten des H2 kann aus den oben genannten Gründen nicht gefolgt werden.

Vor diesem Hintergrund ist der Senat
nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon überzeugt, dass das Leistungsvermögen der Klägerin in quantitativer Hinsicht auf ein Maß unterhalb von sechs Stunden eingeschränkt ist. Die Gesundheitsstörungen auf psychiatrischem Fachgebiet führen vielmehr „nur“ zu Einschränkungen qualitativer Art, als eine Überforderung durch Akkord- oder Nachtarbeit oder durch Arbeiten unter besonderem Zeitdruck vermieden werden muss und die Tätigkeit keine hohen Ansprüche an Auffassung und Konzentration stellen darf sowie mit der Tätigkeit keine besonders hohe Verantwortung, geistige Beanspruchung, eine besondere Umstellungsfähigkeit oder Flexibilität einhergehen darf. Diese qualitativen Einschränkungen sind auch nicht derart prägend, als dass durch sie im oben beschriebenen Sinne die Lebensgestaltung mitbestimmt wird.

Auch die ferner bestehenden Gesundheitsstörungen (degenerative Veränderungen der Wirbelsäule ohne Hinweis auf eine Nervenwurzelkompression oder Nervenwurzelirritation, Zustand nach Radiusköpfchenfraktur rechts, Gonarthrose, Impingementsyndrom der linken Schulter, arterieller Hypertonus, bisher ohne bekannte Folgeerkrankungen, Zustand nach operativer Behandlung eines Grauen Stars beidseits mit angegebenem Nachstar, Zustand nach Cholecystektomie, Zustand nach operativer Behandlung einer Hiatushernie, Gastritis, Lipödem) führen zu keiner zeitlichen Leistungseinschränkung sondern zu qualitativen Leistungseinschränkungen. Es sollten
kein Heben und Tragen von Lasten über 10 kg mehr zugemutet werden, es sollte ein gelegentlicher Wechsel der Körperhaltung möglich sein. Bei einem Impingement-Syndrom keine ständigen Überkopfarbeiten. Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sind nicht mehr möglich. Ferner sollten keine Tätigkeiten verrichtet werden, bei denen die Klägerin ungeschützt Kälte und Nässe im Freien ausgesetzt ist.

Mithin ist der Senat nicht davon überzeugt, dass die Leistungsfähigkeit der Klägerin durch die bestehenden Gesundheitsstörungen in quantitativer Hinsicht eingeschränkt ist. Die Klägerin ist daher weder teilweise, noch voll erwerbsgemindert.

Zwar wirkt, wie oben dargelegt, grundsätzlich nur eine Einschränkung der Leistungsfähigkeit in zeitlicher Hinsicht rentenbegründend, jedoch kann unter dem Gesichtspunkt des Vorliegens einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder einer spezifischen Leistungsbehinderung das Erfordernis resultieren, den Versicherten eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen (vgl. BSG, Urteile vom 24. Februar 1999 - B 5 RJ 30/98 R - und vom 11. März 1999 - B 13 71/97 R -, jew. in juris). Grundlage der Benennungspflicht bildet in diesen Fällen der Umstand, dass von vornherein ernste Zweifel an einer Einsetzbarkeit in einem Betrieb aufkommen. Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen ist in Betracht zu ziehen, wenn, neben einer qualitativen Leistungseinschränkung auf „leichte Tätigkeiten“, die Leistungsfähigkeit zusätzlich in erheblichem Umfang einschränkt ist (Niesel in Kasseler Kommentar, Sozialversicherungsrecht, Band 1, § 43 SGB VI, Rn. 47). In diesem Sinne ist unter der Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen eine Häufung von Leistungseinschränkungen zu verstehen, die insofern ungewöhnlich ist, als sie nicht regelmäßig bei einer Vielzahl von Personen bis zum Erreichen der Altersgrenze für die Regelaltersrente angetroffen wird.

Zwar bestehen bei der Klägerin die oben benannten qualitativen Leistungseinschränkungen, diese sind jedoch zur Überzeugung des Senats bereits dahingehend eingestellt, als sie vom Erfordernis einer „leichten Tätigkeit“ mit umfasst sind. Die vorliegenden qualitativen Leistungseinschränkungen liegen überdies zur Überzeugung des Senats bei einer Vielzahl von Personen vor, so dass nicht von einer „Ungewöhnlichkeit“ auszugehen ist. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt dann vor, wenn es sich um eine auf eine spezielle Körperfunktion oder Erkrankung bezogene erhebliche Behinderung handelt, die sich entsprechend stark auf das Leistungsvermögen auswirkt. Hierunter fallen nach der Rechtsprechung des BSG insbesondere Einschränkungen der Wahrnehmungsfähigkeit und der Gliedmaßen. Jedoch sind Anhaltspunkte für eine derartig schwerwiegende Leistungseinschränkung nicht ersichtlich, weswegen vorliegend nicht das Erfordernis besteht, der Klägerin eine konkrete Verweisungstätigkeit zu benennen.


Eine solche ergibt sich ferner nicht unter dem Aspekt eines etwaig verschlossenen Arbeitsmarktes. Bei vollschichtiger Leistungsfähigkeit ist grundsätzlich davon auszugehen, dass es für eine Vollzeittätigkeit hinreichend Arbeitsplätze gibt. Mithin obliegt bei einer vollschichtigen Einsatzfähigkeit das Arbeitsplatzrisiko der Arbeitslosenversicherung bzw. dem Versicherten, nicht aber der Beklagten (vgl. insofern § 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI, der bestimmt, dass die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist). Ausnahmsweise kann jedoch der Arbeitsmarkt als verschlossen gelten. Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf die verbleibende Erwerbsfähigkeit nur möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen Arbeitsplatz zu erhalten. Der Arbeitsmarkt gilt in Ermangelung einer praktischen Einsatzfähigkeit nach der Rechtsprechung des BSG abschließend als verschlossen, wenn der Versicherte nicht unter den in den Betrieben üblichen Bedingungen arbeiten kann, der Versicherte entsprechende Arbeitsplätze aus gesundheitlichen Gründen nicht aufsuchen kann, der Versicherte nur in Teilbereichen eines Tätigkeitsfeldes eingesetzt werden kann, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Schonarbeitsplätze nicht an Betriebsfremde vergeben werden, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die an Betriebsfremde nicht vergeben werden, die in Betracht kommenden Tätigkeiten auf Arbeitsplätzen ausgeübt werden, die als Aufstiegspositionen nicht an Betriebsfremde vergeben werden oder entsprechende Arbeitsplätze nur in ganz geringer Zahl vorkommen. Eine Fallkonstellation i.d.S. liegt vorliegend nicht vor. Insb. ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats noch in der Lage, mehrfach täglich eine Wegstrecke von 500 m in 20 Minuten zurücklegen zu können, wie der Sachverständige M3 überzeugend dargelegt hat.

Die Klägerin hat somit keinen Anspruch auf die Gewährung einer vollen oder einer teilweisen Rente wegen Erwerbsminderung.

Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit scheidet bereits deswegen aus, weil die Klägerin nicht vor dem 02.01.1961 geboren ist (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI).


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt im Rahmen der anzustellenden gerichtlichen Ermessensentscheidung (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Mai 1957 - 6 RKa 16/54 -, in juris, dort Rn. 8), dass die Klägerin mit ihrem Begehren nicht durchgedrungen ist und die Beklagte keine Veranlassung für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.


 

Rechtskraft
Aus
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