Urlaubsabgeltung ist Hinzuverdienst, wenn der Auszahlungsanspruches während des Rentenbezugszeitraums entsteht. Ob das abgegoltene Urlaubsjahr im Rentenbezugszeitraum liegt, ist irrelevant. Bei der Abwicklung von Arbeitszeitkonten ist zur Frage, ob die Zahlungen aus diesen Konten dem Rentenbezugszeitraum zuzuordnen und als Hinzuverdienst zu berücksichtigen sind, nicht auf den Zeitpunkt der Entstehung des Auszahlungsanspruchs abzustellen. Vielmehr ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in welchem die Mehrarbeit erbracht wurde, die mit der Zahlung abgegolten wird.
ENTWURF Sozialgericht Berlin |
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Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
…,
- Klägerin -
Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte …
gegen
Deutsche Rentenversicherung Bund,
Ruhrstr. 2, 10709 Berlin,
- Beklagte -
Berliner Verkehrsbetriebe (BVG),
Anstalt öffentlichen Rechts vertreten durch den Vorstand
Holzmarktstr. 15-17, 10179 Berlin,
- Beigeladene -
hat die 32. Kammer des Sozialgerichts Berlin ohne mündliche Verhandlung am 22. Oktober 2024 durch die Richterin am Sozialgericht …sowie den ehrenamtlichen Richter Herrn … und die ehrenamtliche Richterin Frau …für Recht erkannt:
Der Bescheid der Beklagten vom 27. September 2018, geändert durch Bescheid vom 9. November 2018 und dieser geändert durch Bescheid vom 27. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2019 wird insoweit aufgehoben, als darin ein kalenderjährlicher Hinzuverdienst der Klägerin i.S.v. § 96a Abs. 2 S. 1 und 2 Sechstes Sozialgesetzbuch in der ab 1. Juli 2017 geltenden Fassung (SGB VI) für das Kalenderjahr 2018 von mehr als 9.229,88 € berücksichtigt wird.
Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin die sich aufgrund dieses geringeren Hinzuverdienstes für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2018 ergebenden weiteren Rentenzahlbeträge, also die Differenz zwischen den bereits ausgezahlten Rentenzahlbeträgen und den unter Zugrundelegung des aus Absatz 1 dieses Tenors sich ergebenden Rentenzahlbeträgen, zu zahlen.
Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin 2/3 ihrer notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. Darüber hinaus haben die Beteiligten einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Bescheide, mit welchen die Beklagte die ihr zunächst voll gewährte Erwerbsminderungsrente für die Zeit von Oktober bis Dezember 2018 wegen Hinzuverdienst hinsichtlich des Zahlbetrages teilweise aufgehoben hat gem. § 96a Abs. 5 SGB VI. i.V.m. § 34 Abs. 3f S. 1 Sechstes Sozialgesetzbuch in der ab 1. Juli 2017 geltenden Fassung (im Folgenden: SGB VI), und sie begehrt die Auszahlung der vollen Erwerbsminderungsrente auch für Oktober bis Dezember 2018.
Die Klägerin arbeitete bei den Berliner Verkehrsbetrieben, der Beigeladenen. Dort wurde sie nach ihrer dortigen Ausbildung zur Industriekauffrau mit Wirkung ab 26. Januar 1993 als Hilfssachbearbeiterin unbefristet übernommen. Ab 1. August 1995 war sie als Controllerin, ab 1. Februar 1996 als Vertreterin des Betriebshofmanagers, ab dem 1. Januar 2000 als Sachgebietsleiterin in der Abteilung Service und Security und später als Hauptsachbearbeiterin im Bereich Controlling eingesetzt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der BAT Anwendung und seit 1. September 2005 der TV-N Berlin.
Ab 1. April 2006 trat die Rahmendienstvereinbarung 08/2006 „Flexibilisierung von Arbeitszeiten“ in Kraft mit den Regelungen zu Lang- und Kurzzeitkonten. Gem. § 10 Abs. 4 TV-N Berlin wurde für alle Beschäftigten ein Kurzzeitkonto eingerichtet mit dem höchstzulässigen Ausgleichszeitraum von einem Jahr. Entnahmen erfolgten minuten-/ stundenweise oder durch freie Tage (Nr. 3 der Anlage 3 zur Rahmendienstvereinbarung). Der monatliche Abschlusssaldo wurde spätestens ab Januar 2007 fortlaufend mit der Entgeltabrechnung schriftlich mitgeteilt (Nr. 4 der Anlage 3 der Rahmendienstvereinbarung). Unter Nr. 6 der Anlage 3 zur Rahmendienstvereinbarung wurde bestimmt, dass bei Ende des Arbeitsverhältnisses möglichst bis zu diesem Zeitpunkt bestehende Mehrleistungen auszugleichen seien. Sei ein Ausgleich bis zum Ausscheiden nicht möglich wegen zwingender Gründe, erfolge ein finanzieller Ausgleich.
Die Klägerin vereinbarte mit der Beigeladenden ab 1. Juni 2006 gem. § 10 Abs. 7 TV-N Berlin die Einrichtung und Führung eines Langzeitkontos als persönliches Guthabenkonto. Danach galten die betrieblichen Regelungen in Anlage 4 zur Rahmendienstvereinbarung 08/2006 als festgelegt. Gem. Nr. 2 Abs. 2 der Anlage 4 zur Rahmendienstvereinbarung wurde das Langzeitkonto als persönliches Guthabenkonto in Zeit geführt und waren Entnahmen in Geld während des laufenden Arbeitsverhältnisses ausgeschlossen. Gem. Nr. 4 Abs. 3 der Anlage 4 Rahmendienstvereinbarung wurden Langzeitkonten während der Dauer des Beschäftigungsverhältnisses fortlaufend geführt und eine Abrechnung erfolgt währenddessen zu keinem Zeitpunkt. Gem. Nr. 5 Abs. 1 der Anlage 4 endet das Langzeitkonto grundsätzlich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Gem. Nr. 5 Abs. 2 der Anlage 4 der Rahmendienstvereinbarung war das Langzeitkonto bis zum Ausscheiden des Arbeitnehmers durch Freizeitgewährung auszugleichen. Ein finanzieller Ausgleich kommt nach dieser Bestimmung nur in Betracht, wenn dies aufgrund zwingender Hinderungsgründe wie z.B. langandauernder Krankheit, nicht möglich gewesen war.
Der letzte Arbeitstag der Klägerin war der 17. März 2017. Danach war sie durchgehend arbeitsunfähig krankgeschrieben.
Mit Bescheid vom 12. März 2018 gewährte die Beklagte der Klägerin ab 1. Januar 2018 eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung mit einem monatlichen Betrag von 1.918,51 € ab April 2018.
Aufgrund der Erwerbsminderungsrentengewährung auf Dauer endete nach den tarifvertraglichen Bestimmungen in § 19 Abs. 1 Bstb. d) TV-Nahverkehr Berlin das bislang bestehende Arbeitsverhältnis der Klägerin bei der Beigeladenen mit Ablauf des März 2018.
Mit Schreiben vom 19. Juni 2018 reichte die Klägerin die Verdienstabrechnungen und Korrektur der Lohnsteuerbescheinigung für 2018 bei der Beklagten ein, welche die Beigeladene im Mai und Juni 2018 erstellt hatte. Die Klägerin erklärte, dass sie seit Beginn ihrer Erkrankung im März 2017 nicht mehr gearbeitet habe. Es handele sich daher nicht um Hinzuverdienst, sondern um Abgeltung bereits langzeitig ggü. der Beigeladenen bestehenden Forderungen. Lediglich hinsichtlich der Urlaubsabgeltung für das Jahr 2018 i.H.v. 1.963,80 € handele es sich um Hinzuverdienst für das Jahr 2018.
Die Verdienstabrechnungen wiesen aus: „Information Zeitkonten“ Zahlungsmonat Mai 2018 „WG Bto-Nachzahl. Stö“ „WG Störfall“ 19.548,71 €, wobei es sich laut Vermerk der Beigeladenen auf der von ihr im Klageverfahren eingereichten Verdienstabrechnung um „2006-2016 = 730,5 Std. Bezahlung Langzeitkonto“ handelt. Zudem wies die eingereichte Verdienstabrechnung aus: „Ausgleich AZ-Kto.“ 35,2 Std. 943,71 €, wobei es sich laut Vermerk der Beigeladenen um „Bezahlung Kurzzeitkonto“ handelt. Die weitere Abrechnung „Information Zeitkonten“ Zahlungsmonat Juni 2018 wies aus: „Urlaubsabgeltung 37 Tage 2017 7.266,08 €“ und „Urlaubsabgeltung 10 Tage 2018 1.963,80 €“, insgesamt 9.229,88 € für die Urlaubsabgeltungen. Urlaubsabgeltung und Abrechnung des Langs- und Kurzzeitkonto zusammen ergaben einen Gesamtbetrag von 29.781,85 €.
Daraufhin berechnete die Beklagte mit Bescheid vom 27. September 2018 die bewilligte Erwerbsminderungsrente für die Zeit ab 1. Oktober 2018 neu und zahlte ab Oktober 2018 nur noch gekürzte Rente an die Klägerin. Ab 1. Oktober 2018 stehe der Klägerin die Erwerbsminderungsrente wegen Hinzuverdienstes nur teilweise zu. Der Bescheid vom 12. März 2018 werde hinsichtlich der Rentenhöhe ab 1. Oktober 2018 aufgehoben nach § 96a Abs. 5 SGB VI. i.V.m. § 34 Abs. 3f S. 1 SGB VI. Von der monatlichen Rente von 1.980,89 € zog die Beklagte 442,83 € wegen Hinzuverdienstes ab und gewährte der Klägerin ab 1. Oktober 2018 monatlich 1.538,06 € brutto Rente und einen Zahlbetrag von 1.363,49 € monatlich. Die Beklagte berücksichtigte als kalenderjährlichen Hinzuverdienst 19.585,00 € Arbeitsentgelt abzüglich 6.300 € Hinzuverdienstgrenze. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die entsprechende Anlage zum Rentenbescheid verwiesen.
Hiergegen legte die Klägerin am 8. Oktober 2018 Widerspruch ein. Sie beziehe sich auf ihr Schreiben vom 19. Juni 2018, welches nicht berücksichtigt worden sei. Es sei bei den 19.585 € eindeutig erkennbar, dass es sich um einen Betrag aus mehreren Kalenderjahren handele. Sie habe aber 2018 keinerlei Arbeitsleistungen mehr erbracht. Es handele sich ausschließlich um Altforderungen gegenüber ihrem Arbeitgeber, die vor der Erwerbsminderungsrente entstanden seien. Auch sei ihr nicht verständlich, warum ab 2019 weiterhin Rentenkürzung erfolgen solle, wenn der Hinzuverdienst alleine die einmalige Auszahlung von Altforderungen im Jahr 2018 beträfe.
Mit Bescheid vom 9. November 2018 berechnete die Beklagte die Erwerbsminderungsrente ab 1. November 2018 neu und zahlte der Klägerin für November und Dezember 2018 jeweils nur noch die entsprechend gekürzten Rentenzahlbeträge. Die Rente stehe der Klägerin ab 1. November 2018 wegen Hinzuverdienstes nur teilweise zu. Der Bescheid vom 27. September 2018 werde hinsichtlich der Rentenhöhe ab 1. November 2018 aufgehoben nach § 96a Abs. 5 SGB VI i.V.m. § 34 Abs. 3f S. 1 SGB VI. Ab 1. November 2018 werde ein geänderter voraussichtlicher kalenderjährlicher Hinzuverdienst berücksichtigt. Von der monatlichen Rente von 1.980,89 € zog die Beklagte monatlich 781,94 € wegen Hinzuverdienstes ab und gewährte ab 1. November 2018 eine Bruttorente von monatlich 1.198,95 € und einen monatlichen Zahlbetrag von 1.062,88 €. Die Beklagte berücksichtigte als kalenderjährlichen Hinzuverdienst von 29.758,30 € Arbeitsentgelt abzüglich der Hinzuverdienstgrenze von 6.300,00 €. Hinsichtlich der Berechnung wird auf die entsprechende Anlage zum Rentenbescheid verwiesen.
Mit Bescheid vom 27. November 2018 berechnete die Beklagte die Erwerbsminderungsrente ab 1. Januar 2019 neu. Der Bescheid vom 9. November 2018 werde hinsichtlich der Rentenhöhe ab 1. Januar 2019 aufgehoben gem. § 96a Abs. 5 i.V.m. § 34 Abs. 3f S. 1 SGB VI. Ab 1. Januar 2019 sei kein Hinzuverdienst mehr zu berücksichtigen.
Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11. März 2019 als unbegründet zurück. Erzielten Versicherte neben einer Erwerbsminderungsrente Arbeitsentgelt aus einem nach Rentenbeginn noch bestehenden Arbeitsverhältnis, so stelle das Hinzuverdienst i.S.v. § 96a Abs. 2 SGB VI dar. Auch Einmalzahlungen wie Urlaubsabgeltungen, Mehrarbeitsvergütung und Weihnachtsgeld seien als Hinzuverdienst zu berücksichtigen. Das gelte auch dann, wenn die Zahlungen aus Zeiten vor Rentenbeginn resultieren. Ein bestehendes Arbeitsverhältnis liege auch dann vor, wenn es ohne Erbringung einer Arbeitsleistung fortbestehe. Einmalzahlungen seien in dem Jahr als Hinzuverdienst zu berücksichtigen, in welchem diese gezahlt worden seien. Die Erwerbsminderungsrente habe am 1. Januar 2018 begonnen. Die Beschäftigung sei zum 31. März aufgegeben worden. Der Hinzuverdienst sei daher zwingend zu berücksichtigen. Ab 1. Januar 2019 werde die Erwerbsminderungsrente wieder ohne Berücksichtigung eines Hinzuverdienstes gezahlt werden.
Mit ihrer am 21. März 2019 zum Sozialgericht Berlin erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Nach dem Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Niedersachsen vom 27. Januar 2016, Az. L 2 R 615/14, seien Mehrarbeitsvergütung und Urlaubsabgeltung nicht Hinzuverdienst nach § 96a SGB VI, da im beendeten Arbeitsverhältnis erdient. Die Klägerin habe den Beigeladenen am 17. März 2018 über die Dauerrentengewährung informiert. Dieser sei daher von einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit Ablauf des 31. März 2018 ausgegangen.
Die Anrechnung von Zeitguthaben sei noch nicht obergerichtlich geklärt. Die Konstellation, welche dem Urteil des LSG München im Urteil vom 22. Juli 2020, Az. L 13 R 91/20 zugrunde gelegen habe, sei anders als die hier vorliegende. Dort habe eine verblockte Altersteilzeit vorgelegen. Bei Altersteilzeit werde ein freiwilliger Entgeltverzicht vereinbart. Bei der Klägerin sei jedoch nicht ein außerordentliche abzuwickelndes Zeitguthaben bei vorzeitiger Beendigung eines befristeten Arbeitsvertrages, sondern eine reguläre und vorhersehbare Auszahlung eines Zeitguthabens zum Ende des Arbeitsverhältnisses. Die Mehrarbeit der Klägerin sei unfreiwillig erfolgt und das Zeitguthaben erzwungen und ein Abbau faktisch unfreiwillig wegen Personalmangels ausgeschlossen gewesen. Zudem habe das LSG Berlin-Brandenburg im Urteil vom 18. September 2019, Az. L 16 R 74/18 entschieden, dass die Auszahlung von Wertguthaben bei vorzeitiger Beendigung der Altersteilzeit nicht rentenschädlicher Hinzuverdienst sei. Dem sei zu folgen. Es sei auch nicht der Urlaubsabgeltung vergleichbar, da dies ein Anspruch auf bezahlte Freizeit sei, der sich erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einen Zahlungsanspruch umwandele. Bei der Abgeltung der Zeitkonten handele es sich um einen für geleistete Arbeit entstandenen Lohnzahlungsanspruch gem. § 611 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), welcher gem. § 614 BGB zum Monatsende fällig sei, laut Tarifvertrag sogar bereits am 15. des laufenden Monats. Durch die Zeitkonten sei die Fälligkeit lediglich aufgeschoben worden. Der Lohnzahlungsanspruch sei nicht in einen Quasiurlaubsanspruch umgewandelt worden.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 27. September 2018, geändert durch Bescheid vom 9. November 2018 und dieser geändert durch Bescheid vom 27. November 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. März 2019 aufzuheben
und
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die mit Bescheid vom 12. März 2018 gewährte Erwerbsminderungsrente vom 1. Oktober 2018 und bis 31. Dezember 2018 in voller Höhe zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält an ihren Bescheiden fest. Es käme nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) darauf an, wann der Anspruch auf die Einmalzahlung entstanden sei. Der tatsächliche Auszahlungszeitpunkt sei irrelevant. Der früher verfolgte Ansatz, Arbeitsentgelt könne nur dann Hinzuverdienst sein, wenn er durch auf Kosten der Gesundheit verrichteter Arbeit beruhe, habe der 13. Senat fallen gelassen. Hinzuverdienst liege immer dann vor, wenn die Zahlung zusammen mit der Rente zu einer Übersicherung führe. Dies sei bei der Urlaubsabgeltung der Fall. Diese könne auch zeitlich zugeordnet werden. Der Urlaub wandele sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses zwingend in einen Abgeltungsanspruch um und sei dem Ende des Arbeitsverhältnisses zuzuordnen. Einen relevanten Unterschied der Situation der Klägerin zur verblockten Altersteilzeit erschließe sich ihr nicht.
Hinsichtlich des § 96a Abs. 5 i.V.m. § 34 Abs. 3e S. 3 SGB VI vertritt sie die Ansicht, dass die geringere Rente von dem Monat an zu leisten sei, zu dem technisch die Zahlung aufgenommen werden könne.
Der ehemalige Arbeitgeber der Klägerin, die Berliner Verkehrsbetriebe, ist mit Beschluss vom 7. September 2020 gem. § 75 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einfach beigeladen worden.
Das Gericht hat mit Schreiben vom 10. Juli 2024 darauf hingewiesen, dass die von der Beklagten mit Bescheid vom 9. November 2018 vorgenommen Änderung ab November 2018 gem. § 96a Abs. 5 i.V.m. § 34 Abs. 3e S. 3 SGB VI nur für die Zukunft und daher erst ab Dezember 2018 möglich gewesen sein dürfte.
Die Beteiligten haben jeweils ihr Einverständnis mit einer schriftlichen Entscheidung gem. § 124 Abs. 2 SGG erklärt, die Beklagte mit Schriftsatz vom 23. August 2024, die Klägerin mit Schriftsatz vom 13. September 2024 und die Beigeladene mit Schriftsatz vom 17. September 2024.
Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe
Das Gericht konnte nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hiermit ihr Einverständnis erklärt haben.
Die Klägerin wendet sich mit dieser Klage gegen die Abänderung ihrer zunächst voll ausgezahlten Rente wegen voller Erwerbsminderung durch die angefochtenen Bescheide für die Zeit vom 1. Oktober bis 31. Dezember 2018 wegen Berücksichtigung von Einmalzahlungen aus Urlaubsabgeltung sowie aus Auflösung der Lang- und Kurzzeitkonten als Hinzuverdienst gem. § 96a Abs. 1, 1c, 2 und 5 i.V.m. § 34 Abs. 3e und 3f SGB VI in der ab 1. Juli 2017 gültigen Fassung vom 8. Dezember 2016 (im Folgenden: SGB VI) und begehrt die Zahlung der ihr gewährten Erwerbsminderungsrente auch in den Monaten Oktober bis Dezember 2018 in voller Höhe.
Diese reine Anfechtungsklage gegen die gem. § 96a Abs. 5 i.V.m. § 34 Abs. 3f S. 1SGB VI vorgenommene Teilaufhebung der ursprünglichen Rentenbewilligung sowie die Leistungsklage auf Zahlung der weiteren Rentenzahlbeträge für Oktober bis Dezember 2018 sind zulässig (s. zur Leistungsklage BSG, Urteil vom 23. August 2005, Az. B 4 RA 29/04 R, Rn. 17). Diese Klagen haben aber nur im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
1.
Im aus dem Tenor ersichtlichen Umfang hat die Klägerin Anspruch auf Aufhebung der angefochtenen Bescheide. Die angefochtenen Bescheide sind zwar formell rechtmäßig, insbesondere war gem. § 96a Abs. 5 i.V.m. § 34 Abs. 3f S. 3 SGB VI keine vorherige Anhörung erforderlich. Die Bescheide sind jedoch lediglich in aus dem Tenor ersichtlichen Umfang materiell rechtmäßig. Ermächtigungsgrundlage für die von der Beklagten vorgenommene teilweise Aufhebung des Rentenbescheides vom 12. März 2018 ist § 96a Abs. 5 i.V.m. § 34 Abs. 3e SGB VI. Danach ist bei Hinzutritt von Hinzuverdienst dieser mit Wirkung für die Zukunft zu berücksichtigen. Ein Hinzuverdienst zu einer vollen Erwerbsminderungsrente vermindert gem. § 96a Abs. 1 SGB VI die Höhe der zu leistenden Rente, wenn die kalenderjährliche Hinzuverdienstgrenze nach § 96a Abs. 1c Nr. 2 SGB VI von 6.300 € überschritten wird. Einen solchen Hinzuverdienst hat die Klägerin im Kalenderjahr 2018 i.H.v. 9.229,88 €. Das ist der mit Ende des Beschäftigungsverhältnisses der Klägerin entstandene Anspruch auf Urlaubsabgeltung für die Urlaubsjahre 2017 und 2018.
a)
Diese Urlaubsabgeltung ist Arbeitsentgelt i.S.v. § 96a Abs. 2 S. 1 SGB VI und § 14 Abs. 1 S. 1 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV), welcher den Begriff des Arbeitsentgeltes legaldefiniert als alle laufenden und einmaligen Einnahmen aus einem Beschäftigungsverhältnis. Aufgrund dieser weiteren Begriffsbestimmung sind Arbeitsentgelt alle Einnahmen, die der Klägerin in ursächlichem Zusammenhang mit einer Beschäftigung zufließen (BSG, Urteil vom 12.03.2019, Az. B 13 R 35/17 R, Rn. 15 mwN; juris). Es muss also im Zeitpunkt des Rentenbezugs noch eine Beschäftigung vorgelegen haben und dieser muss die Einmalzahlung Urlaubsentgelt aufgrund Bestehens einer rechtlich-zeitlichen Kongruenz rechtlich zugeordnet werden können (BSG, Urteil vom 12.03.2019, Az. B 13 R 35/17 R, Rn. 16 mwN; juris). Eine Beschäftigung der Klägerin in diesem Sinne lag trotz ihrer Arbeitsunfähigkeit seit 17. März 2017 bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gem. § 19 Abs. 1 Bstb. d) TV-N Berlin mit Ende März 2018 noch vor, und damit auch noch während des Rentenbezugs ab Januar 2018 (s. hierzu BSG, Urteil vom 12.03.2019, Az. B 13 R 35/17 R, Rn. 17; BSG, Urteil vom 06.09.2017, Az. B 13 R 21/15 R, Rn. 65, BSG, Urteil vom 26.04.2018, Az. B 5 R 26/16 R, Rn. 18; juris). Und die Urlaubsabgeltung für die Jahre 2017 und 2018 ist auch dem während des Rentenbezugs fortbestehenden Beschäftigungsverhältnis rechtlich zuzuordnen (s. BSG, Urteil vom 12.03.2019, Az. B. 13 R 35/17, Rn. 17; BSG, Urteil vom 06.09.2017, Az. B 13 R 21/15 R, Rn. 38 ff.; BSG, Urteil vom 26.04.2018, B 5 R 26/16 R, Rn. 26; juris). Insbesondere steht dem auch für die Urlaubsabgeltung für das Urlaubsjahr 2017 nicht entgegen, dass das Urlaubsjahr 2017 vor dem Rentenzug liegt. Der Urlaubsabgeltungsanspruch für das Urlaubsjahr 2017 ist erst mit Ende März 2018, dem Ende des Beschäftigungsverhältnisses und damit im Rentenbezugszeitraums entstanden, worauf es zum einen ankommt (s. BSG, Urteil vom 12.03.2019, AZ. B 13 R 35/17 R, Rn. 19 f.; juris) und ist zeitlich-rechtlich nicht dem Jahr 2017 wertend zuzuordnen, worauf es zum anderen ankommt (s. BSG, a.a.O.); denn weder der Urlaub noch dessen Abgeltung wird im Urlaubsjahr „erdient“ (s. BSG, a.a.O.).
b)
Dagegen kann die Einmalzahlung aufgrund der Abwicklung des Lang- und Kurzzeitkontos rechtlich i.S.e. zeitlich-rechtliche Kongruenz (s. hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.03.2022, Az. L 18 R 164/21, Rn. 37 ff.) nicht der Rentenbezugszeit von Januar 2018 bis Ende des Beschäftigungsverhältnisses mit Ablauf März 2018 zugeordnet werden.
Hinzuverdienst sind gem. § 96a Abs. 2 S. 1 und 2 SGB VI die zusammengerechneten Einkünfte aus Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen und vergleichbarem Einkommen. Arbeitsentgelte sind gem. § 14 Abs. 1 SGB IV alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung. Dabei ist alleine entscheidend, dass die Einnahme in einem ursächlichen Zusammenhang mit einer Beschäftigung steht (s. BSG, Urteil vom 12. März 2019, Az. B 13 R 35/17 R, Rn. 15; BSG, Urteil vom 26. April 2018, Az. B 5 R 26/16 R, Rn. 19; juris). Auch die Entschädigung/ Vergütung nach Auflösung der Arbeitszeitkonten ist nach dieser weiten Begriffsbestimmung erstmal Arbeitsentgelt i.S.v. § 14 Abs. 1 SGB IV. Dieses Einkommen ist auch dem Beschäftigungsverhältnis der Klägerin zuzuordnen. Es ist insbesondere nicht nach seiner Zweckbestimmung der Zeit nach dessen Beendigung zuzuordnen wie es eine bei einer Abfindung der Fall wäre, welche für zukünftige Verdienstausfälle gewährt wird (s. BSG, Urteil vom 6. September 2017, Az. B 13 R 21/15 R, Rn. 24; juris). Diese Einnahmen stammen auch aus einer Beschäftigung i.S.v. § 96a SGB VI, welches während des Erwerbsminderungsrentenbezuges noch bestand (s.o.). Die Entschädigung aus Auflösung der Arbeitszeitkonten ist jedoch rechtlich wertend nicht der Zeit des Rentenbezugs im Kalenderjahr 2018 zuzuordnen, sondern den Jahre 2006 bis 2016 bzw. dem Jahr 2017, in welchem die Klägerin die nun vergüteten Arbeitsstunden durch entsprechende Mehrarbeit geleistet hat. Zwar ist der Auszahlungsanspruch selbst aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen der Klägerin mit der Beigeladenen erst mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses entstanden. Jedoch bestand bereits im Zeitpunkt der Erbringung der Mehrarbeit ein damit synallagmatischer Anspruch der Klägerin auf Vergütung dieser Mehrarbeit. Anders als der Urlaubsanspruch, welcher sich erstmals mit Ende des Beschäftigungsverhältnisses in einen Zahlungsanspruch umwandelt, stand der Mehrarbeit der Klägerin immer ein entsprechender Anspruch auf Bezahlung der Mehrarbeit gegenüber, auch wenn dieser Zahlungsanspruch durch die Vereinbarungen zu den Zeitkonten aufschiebend bedingt war durch den vorrangigen Ausgleich durch Inanspruchnahme entsprechender Arbeitsfreistellung (s. LSG Nordrhein-Westfalen in seinem Urteil vom 08.08.2022, Az. L 18 R 164/21, Rn. 51 und des SG Landshut in seinem Urteil vom 13. Juli 2018, Az. S. 2 R 1024/15 Rn. 36 ff.). Auch wenn ein einklagbarer Anspruch auf Auszahlung der Vergütung für die erbrachte Mehrarbeit aufgrund der Vereinbarungen zu den Zeitkonten erst mit Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, also mit Ablauf des März 2018, fällig geworden ist, sind diese Zahlungen wertend zeitlich den Zeiträumen der Arbeitsleistungserbringung zuzuordnen; denn einzig aufgrund dieser tatsächlich erbrachten Arbeitsleistung ist dieser Zahlungsanspruch überhaut entstanden. Das ist ganz wesentlicher Unterschied zu der Urlaubsabgeltung, welche keine tatsächliche Arbeitsleistung voraussetzt. Bei der wertenden Beurteilung kommt es nicht allein auf die vereinbarte Fälligkeit des Zahlungsanspruchs an (anders Bayrisches LSG, Urteil vom 22.07.2022, Az. L 13 R 91/20, Rn. 43; juirs). Entscheidend ist auch nach den BSG-Entscheidungen vom 06.09.2017, Az. B 13 R 21/15 R, Rn. 48, vom 26.04.2018, Az. B 5 R 26/16 R, Rn. 23 und vom 12.03.2019, Az. B 13 R 35/17 R, Rn. 19 ganz wesentlich für die wertende Zuordnung der Urlaubsabgeltung zu dem Zeitpunkt der Anspruchsentstehung und nicht zu dem abgegoltenen Urlaubsjahr selbst, dass dieser Urlaubsabgeltungsanspruch keine tatsächliche Arbeitsleistung voraussetzt und daher nicht „erdient“ ist. Das ist in diesem Fall jedoch anders. Hier ist der Zahlungsanspruch auf die Einmalzahlung aus den Zeitkonten nur deswegen entstanden, weil die Klägerin in den Jahren 2006 bis 2017 jeweils entsprechende Mehrarbeit geleistet hatte.
2.
Die Leistungsklage der Klägerin auf volle Rentenzahlung hat nur teilweise Erfolg. Der Anspruch der Klägerin gegen die Beklagte auf Zahlung weiterer Rentenbeträge für die Monate Oktober bis Dezember 2018 ergibt sich aus der aufgrund des Absatz 1 dieses Urteilstenors veränderten Bescheidlage und damit veränderten Anspruchslage aus den Bescheiden sowie aufgrund der bisher von der Beklagten für Oktober bis Dezember 2018 nur geringer erbrachten Rentenzahlungen. Die Beklagte hat gemäß ihren Bescheiden vom 27. September 2018 und 9. November 2018 der Klägerin nur die Rentenzahlungen geleistet, die sich für Oktober 2018 unter Berücksichtigung von 19.585,00 € kalenderjährlichen Hinzuverdienstes i.S.v. § 96a Abs. 2 SGB VI und für November und Dezember 2018 unter Berücksichtigung von 29.758,30 € kalenderjährlichen Hinzuverdienstes i.S.v. § 96a Abs. 2 SGB VI ergaben. Da jedoch nur ein kalenderjährlicher Hinzuverdienst von 9.229,88 € i.S.v. § 96a Abs. 2 SGB VI zu berücksichtigen ist (s. Absatz 1 des Urteilstenors), hat die Klägerin Anspruch auf Zahlung der sich danach ergebenen weiteren, noch nicht ausgezahlten Rentenzahlbeträge. Da der nach Absatz 1 des Urteilstenors zu berücksichtigende kalenderjährliche Hinzuverdienst für 2018 die jährliche Hinzuverdienstgrenze von 6.300 € (§ 96a Abs. 1c Nr. 2 SGB VI) übersteigt, wird die Erwerbsminderungsrente nicht voll, sondern nur teilweise geleistet (§ 96a Abs. 1 und Abs. 1a SGB VI) und hat die Leistungsklage der Klägerin auf volle Rentenzahlung nur teilweise Erfolg.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG und berücksichtigt, dass die Klage zum Teil Erfolg hat.