S 9 BK 25/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 9 BK 25/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 BK 8/23
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Der Bescheid der Beklagten vom 5.7.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2019 wird aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Kinderzuschlag für die Zeit vom 1.7.2019 bis 31.12.2019 in Höhe von monatlich 161,00 Euro zu zahlen.

Die Beklagte erstattet der Klägerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten

 

 

Tatbestand:

 

Zwischen den Beteiligten ist der Anspruch der Klägerin auf Kinderzuschlag für die Zeit vom 1.7.2019 bis 31.12.2019 streitig.

Die am 00.0.0000 geborene Klägerin ist die Kindergeldberechtigte für ihre 3 minderjährigen Kinder und lebte mit diesen in einer Bedarfsgemeinschaft. Sie bezog von der Beklagten bis 30.6.2019 Kinderzuschlag. Daneben erzielte die Klägerin folgendes Einkommen:

Januar 1.386,96 Euro brutto

Februar 1.517,71 Euro brutto

März 1458,00 Euro brutto

April 1.494,92 Euro brutto

Mai 1.517,98 Euro brutto

Juni 1.519,98 Euro brutto zzgl. Jahressonderzahlung 705,98 Euro brutto

Die Kinder erzielten im Bemessungszeitraum monatlich 212,00 Euro (I.), 309,00 Euro (N.) und 355 Euro (F.) Einkommen.

 

Am 2.7.2019 stellte die Klägerin einen Fortzahlungsantrag.

 

Mit Bescheid vom 5.7.2019 lehnte die Beklagte die Fortzahlung des Kinderzuschlages ab. Der hiergegen rechtzeitig eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2019 als unbegründet zurückgewiesen:

Nach § 6a Abs. 8 BKGG sei für die Ermittlung des zu berücksichtigenden Einkommens der Durchschnitt des Einkommens aus den 6 Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraumes maßgeblich. Danach betrage das bereinigte Gesamteinkommen der Bedarfsgemeinschaft 901,85 Euro. Der Gesamtbedarf betrage monatlich 864,11 Euro, so dass kein ungedeckter Restbedarf bestehen bleibe.

 

Mit der am 19.11.2019 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Anspruch auf Kinderzuschlag für die Zeit vom 1.7.2019 bis 31.12.2019 in Höhe von monatlich 161,00 Euro in vollem Umfang weiter:

Sie ist der Auffassung, dass die im Juni gezahlte Einmalzahlung in Höhe von 705,00 Euro nicht in das Durchschnittseinkomen in dem hier streitigen Bemessungszeitraum sondern erst in dem folgenden Bemessungszeitraum zur Anrechnung gelange, da nach § 11 Abs. 3 SGB II Einmalzahlungen nicht im Zuflussmonat, sondern erst ab dem Folgemonat anzurechnen seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 5.7.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2019 wird aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin Kinderzuschlag für die Zeit vom 1.7.2019 bis 31.12.2019 in Höhe von monatlich 161,00 Euro zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Sie beruft sich im Wesentlichen auf Ihre Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid.

 

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten, die jeweils Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.

 

 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der Bescheid der Beklagten vom 5.7.2019 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 21.10.2019 verletzt die Klägerin in ihren Rechten i. S. d. § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Denn Klägerin hat Anspruch auf Kinderzuschlag für die Zeit vom 1.7.2019 bis 31.12.2019 in Höhe von monatlich 161,00 Euro. Dies folgt aus § 6a BKGG i.V.m. § 11, 11b SGB II in der ab 1.7.2019 geltenden Fassung.

Nach dieser Vorschrift erhalten Personen Kinderzuschlag für in ihrem Haushalt lebende unverheiratete oder nicht verpartnerte Kinder, die noch nicht das 25. Lebensjahr vollendet haben, einen Kinderzuschlag, wenn sie für diese Kinder nach diesem Gesetz oder nach dem X. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes Anspruch auf Kindergeld oder Anspruch auf andere Leistungen im Sinne von § 4 haben, sie mit Ausnahme des Wohngeldes, des Kindergeldes und des Kinderzuschlags über Einkommen im Sinne des § 11 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch in Höhe von mindestens 900 Euro oder, wenn sie alleinerziehend sind, in Höhe von mindestens 600 Euro verfügen, wobei Beträge nach § 11b des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch nicht abzusetzen sind, sie mit Ausnahme des Wohngeldes über Einkommen oder Vermögen verfügen im Sinne der §§ 11 bis 12 SGB II, das höchstens dem nach Absatz 5 Satz 1 für die maßgebenden Betrag zuzüglich zu dem Gesamtkinderzuschlag nach Absatz 4 entspricht und durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird.

Der monatliche Höchstbetrag des Kinderzuschlags deckt zusammen mit dem für ein erstes Kind nach § 66 des Einkommensteuergesetzes zu zahlenden Kindergeld ein Zwölftel des steuerfrei zu stellenden sächlichen Existenzminimums eines Kindes für das jeweilige Kalenderjahr mit Ausnahme des Anteils für Bildung und Teilhabe. Steht dieses Existenzminimum eines Kindes zu Beginn eines Jahres nicht fest, ist insoweit der für das Jahr geltende Betrag für den Mindestunterhalt eines Kindes in der zweiten Altersstufe nach der Mindestunterhaltsverordnung maßgeblich. Als Höchstbetrag des Kinderzuschlags in dem jeweiligen Kalenderjahr gilt der Betrag, der sich zu Beginn des Jahres nach den Sätzen 1 und 2 ergibt, mindestens jedoch ein Betrag in Höhe des Vorjahres.

Ausgehend vom Höchstbetrag mindert sich der jeweilige Kinderzuschlag, wenn das Kind nach den §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch zu berücksichtigendes Einkommen oder Vermögen hat. Bei der Berücksichtigung des Einkommens bleiben das Wohngeld, das Kindergeld und der Kinderzuschlag außer Betracht. Der Kinderzuschlag wird um 45 Prozent des zu berücksichtigenden Einkommens des Kindes monatlich gemindert. Ein Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlags für ein Kind besteht nicht, wenn zumutbare Anstrengungen unterlassen wurden, Ansprüche auf Einkommen des Kindes geltend zu machen. § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Vermögen nur berücksichtigt wird, wenn es erheblich ist. Ist das zu berücksichtigende Vermögen höher als der nach den Sätzen 1 bis 5 verbleibende monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, so dass es den Kinderzuschlag für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums vollständig mindert, entfällt der Anspruch auf Kinderzuschlag. Ist das zu berücksichtigende Vermögen niedriger als der monatliche Anspruch auf Kinderzuschlag, ist der Kinderzuschlag im ersten Monat des Bewilligungszeitraums um einen Betrag in Höhe des zu berücksichtigenden Vermögens zu mindern und ab dem folgenden Monat Kinderzuschlag ohne Minderung wegen des Vermögens zu zahlen.

Die Summe der einzelnen Kinderzuschläge nach den Absätzen 2 und 3 bildet den Gesamtkinderzuschlag.

Der Gesamtkinderzuschlag wird in voller Höhe gewährt, wenn das nach den §§ 11 bis 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch mit Ausnahme des Wohngeldes und des Kinderzuschlags zu berücksichtigende Einkommen der Eltern einen Betrag in Höhe der bei der Berechnung des Arbeitslosengeld II zu berücksichtigenden Bedarfe der Eltern (Gesamtbedarf der Eltern) nicht übersteigt und kein zu berücksichtigendes Vermögen der Eltern nach § 12 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch vorhanden ist. Als Einkommen oder Vermögen der Eltern gilt dabei dasjenige der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft mit Ausnahme des Einkommens oder Vermögens der in dem Haushalt lebenden Kinder. Zur Feststellung des Gesamtbedarfs der Eltern sind die Bedarfe für Unterkunft und Heizung in dem Verhältnis aufzuteilen, das sich aus den im 12. Bericht der Bundesregierung über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern festgestellten entsprechenden Bedarfen für Alleinstehende, Ehepaare, Lebenspartnerschaften und Kinder ergibt.

Der Gesamtkinderzuschlag wird um das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern gemindert, soweit es deren Bedarf übersteigt. Wenn das zu berücksichtigende Einkommen der Eltern nicht nur aus Erwerbseinkünften besteht, ist davon auszugehen, dass die Überschreitung des Gesamtbedarfs der Eltern durch die Erwerbseinkünfte verursacht wird, wenn nicht die Summe der anderen Einkommensteile für sich genommen diesen maßgebenden Betrag übersteigt. Der Gesamtkinderzuschlag wird um 45 Prozent des Betrags, um den die monatlichen Erwerbseinkünfte den maßgebenden Betrag übersteigen, monatlich gemindert. Anderes Einkommen oder Vermögen der Eltern mindern den Gesamtkinderzuschlag in voller Höhe.

Über den Gesamtkinderzuschlag ist jeweils für sechs Monate zu entscheiden (Bewilligungszeitraum). Der Bewilligungszeitraum beginnt mit dem Monat, in dem der Antrag gestellt wird, jedoch frühestens nach Ende eines laufenden Bewilligungszeitraums. Änderungen in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen während des laufenden Bewilligungszeitraums sind abweichend von § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch nicht zu berücksichtigen, es sei denn, die Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft oder der Höchstbetrag des Kinderzuschlags ändert sich. Wird ein neuer Antrag gestellt, unverzüglich nachdem der Verwaltungsakt nach § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch wegen einer Änderung der Bedarfsgemeinschaft aufgehoben worden ist, so beginnt ein neuer Bewilligungszeitraum unmittelbar nach dem Monat, in dem sich die Bedarfsgemeinschaft geändert hat.

Für die Ermittlung des monatlich zu berücksichtigenden Einkommens ist der Durchschnitt des Einkommens aus den sechs Monaten vor Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich. Bei Personen, die den selbst genutzten Wohnraum mieten, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die laufenden Bedarfe für den ersten Monat des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Bei Personen, die an dem selbst genutzten Wohnraum Eigentum haben, sind als monatliche Bedarfe für Unterkunft und Heizung die Bedarfe aus den durchschnittlichen Monatswerten des Kalenderjahres vor Beginn des Bewilligungszeitraums zugrunde zu legen. Liegen die entsprechenden Monatswerte für den Wohnraum nicht vor, soll abweichend von Satz 3 ein Durchschnitt aus den letzten vorliegenden Monatswerten für den Wohnraum zugrunde gelegt werden, nicht jedoch aus mehr als zwölf Monatswerten. Im Übrigen sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse zu Beginn des Bewilligungszeitraums maßgeblich.

Diese Voraussetzungen liegen hier vor, denn die Beklagte hat zu Unrecht in das in dem Bemessungszeitraum von Januar 2019 bis Juni 2019 zugeflossene Einkommen auch die im Juni 2019 gezahlte Jahressonderzahlung eingerechnet. Dies folgt aus § 6a Abs. 5, 8 BKGG i.V.m. § 11 Abs. 3 SGB II. Denn danach richtet sich auch das nach der Gesetzesänderung zum 1.7.2019 zu berücksichtigende Durchschnittseinkommen im Bemessungszeitraum nach § 11 SGB II. Dieser ist daher auch nach der Gesetzesänderung maßgebend für die Bestimmung des Einkommens. Insoweit ändert § 6a Abs. 8 BKGG nur die Berechnung dahingehend ab, das von dem Einkommen, das rechtlich nach § 11 SGB II in dem Bemessungszeitraum zufließt, zwingend ein Durchschnitt zu bilden ist. Dagegen ändert § 6a Abs. 8 BKGG nicht die in § 11 Abs. 3 SGB II normierte Regelung in welchem Monat eine Einmahlzahlung normativ zufließt und damit bei der Berechnung des Durchschnittseinkommens anzurechnen ist. Nach § 11 Abs. 3 SGB II werden einmalige Leistungen im Monat des Zuflusses berücksichtigt, es sei denn, dass in diesem Monat bereits Leistungen ohne Berücksichtigung der einmaligen Zahlung erbracht worden sind. In diesem Fall werden sie im Folgemonat berücksichtigt. Hierbei handelt es um eine gesetzlich normierte Abweichung vom Zuflussprinzip.

Genau dies ist hier der Fall. Die Klägerin hat im Juni bereits Leistungen von der Beklagten ohne Berücksichtigung der im Juni erhaltenen Einmahlzahlung in Höhe von 705,98 Euro erhalten. Diese wäre aber noch auf die im Juni bewilligten Leistungen nach § 6a BKGG in der bis zum 30.6.2019 geltenden Fassung (a.F.) anzurechnen gewesen, da § 6a Abs. 8 BKGG erst zum 1.7.2019 in Kraft getreten ist. Daher gilt nach § 11 Abs. 3 SGB II zwingend der Zufluss der im Juni erhaltenen Einmahlung erst im Folgemonat Juli und wäre daher auch erst im folgenden Bemessungszeitraum Juli bis Dezember 2019 in die Durchschnittsberechnung des Einkommens anzurechnen gewesen.

Ohne die Anrechnung der im Juni 2019 erfolgten Einmahlzahlung in Höhe von 705,98 Euro hat die Klägerin jedoch Anspruch auf Kinderzuschlag in der Zeit vom 1.7.2019 bis 31.12.2019 in Höhe von 161,0 Euro monatlich. Insoweit nimmt das Gericht auf die zwischen den Beteiligten unstreitige Berechnung der Beklagten von 19.9.2022, die sich das Gericht nach Prüfung zu eigen macht.

 

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.

Rechtskraft
Aus
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