S 27 KR 682/19

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
27
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 27 KR 682/19
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 10 KR 946/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

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Sozialgericht Düsseldorf

 

 

Az.: S 27 KR 682/19

 

Verkündet am: 01.09.2023

 

 

 

 

 

 

Im Namen des Volkes

 

Urteil

 

In dem Rechtsstreit

 


Klägerin

Proz.-Bev.:
 

gegen


Beklagte

 

 

hat die 27. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 01.09.2023 durch die Richterin am Sozialgericht ……, sowie die ehrenamtlichen Richterinnen …… und …… für Recht erkannt: 

 

 

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand:

 

Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Kosten, die der Klägerin infolge der Durchführung einer Präimplantationsdiagnostik (PID) im Rahmen einer Maßnahme der künstlichen Befruchtung entstanden sind.

 

Die im Jahre 1981 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Sowohl sie als auch ihr Ehemann …… …… sind heterozygote Anlageträger für eine Deletion der Exons 7 und 8 im SMN1-Gen und mithin Überträger für eine spinale Muskelatrophie (SMA). Die SMA ist durch angeborene und progredient verlaufende Muskelschwäche sowie Muskelschwund gekennzeichnet. Sie ist eine frühkindlich manifeste Erkrankung, für die es keine ursächliche Behandlung gibt. In der Regel treten im Verlauf tödliche Komplikationen durch die Muskelschwäche auf. Ihr im Jahre 2016 geborener gemeinsamer Sohn ist an der SMA erkrankt. Bei ihm liegt die Deletion der Exons 7 und 8 in homozygoter Form vor. Bei weiteren gemeinsamen Kindern besteht eine Wahrscheinlichkeit von 25 %, dass diese ebenfalls an SMA erkranken. Die Klägerin und ihr Ehemann wollen vermeiden, dass ein weiteres gemeinsames Kind an SMA leidet.

 

Sie stellten daher im Jahre 2017 einen Antrag auf Durchführung eine PID bei der Bayerischen Ethikkommission für PID, da sie beabsichtigten, die PID in einem bayerischen PID-Zentrum durchführen zu lassen. Mit Bescheid vom 04.12.2017 bewertete die Bayerische Ethikkommission für PID den Antrag auf Durchführung einer PID zustimmend. Aufgrund der genetischen Disposition der Klägerin und ihres Ehemannes bestünde für gemeinsame Nachkommen das hohe Risiko einer schwerwiegenden Erbkrankheit. Die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Gesetz zum Schutz von Embryonen (ESchG) lägen vor.

 

Mit Bescheid vom 06.07.2018 sicherte die Beklagte der Klägerin eine 50%ige Kostenübernahme zu den Maßnahmen der künstlichen Befruchtung zu. Aufgrund der Satzungsregelungen würden neben dem gesetzlich vorgeschriebenen 50 % der Behandlungskosten weitre 25 % der mit dem Behandlungsplan genehmigten Kosten der Maßnahme übernommen.

 

Mit Schreiben vom 07.11.2018 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für die Durchführung einer PID im Rahmen der bereits genehmigten künstlichen Befruchtung. Sie teilte mit, dass eine medizinische Indikation bestünde und verwies auf das positive Votum der bayerischen Ethikkommission für PID.

 

Mit Bescheid vom 22.11.2018 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung führte sie aus, dass der gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) für die PID-Diagnostik eine Abrechnung der Behandlungsmethode zu Lasten der Krankenkassen generell ausgeschlossen habe. Eine leistungsrechtliche Grundlage zur Kostenübernahme bestünde nicht. Eine Übernahme der Kosten der PID-Diagnostik erfolge daher nicht.

 

Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens teilte die Klägerin mit, dass es psychisch eine sehr belastende, traumatische Situation sei, ein Kind mit einer tödlich verlaufenden Erkrankung zu haben. Sie habe sich zum Zeitpunkt der Diagnosestellung in Psychotherapie begeben. Durch die Geburt eines weiteren Kindes mit der schweren genetischen Erkrankung würde ihre seelische Erkrankung weiter verschlimmern. Die Geburt eines nicht kranken Kindes gebe auch ein Stück Normalität zurück und habe demnach Therapiecharakter. Bei dem Gendefekt gebe es keine nicht-invasive Pränataldiagnostik (PND) z.B. mittels Bluttest, sondern es müsste eine invasive Pränataldiagnostik, z.B. eine Fruchtwasseruntersuchung durchgeführt werden. Diese unterliege aber einem signifikanten Fehlgeburtsrisiko. Auch das Baby im Bauch habe einen grundrechtlichen Anspruch auf körperliche Unversehrtheit. Die Durchführung einer invasiven Pränataldiagnostik und das Risiko des dadurch bedingten möglichen Todes eines Kindes könne mittels PID vermieden werden. Dass die gesetzliche Krankenversicherung die Kosten einer invasiven Pränataldiagnostik trage, stelle eine Ungleichbehandlung dar. Die PID sei die frühstmögliche Form der PND und daher als Teil dieser zu sehen. Zudem habe auch das ungeborene Kind ein Recht auf körperliche Unversehrtheit. Da die PID nur im Zusammenhang einer ICSI (künstliche Befruchtung) durchgeführt werden könne, sei die komplette Kostenübernahme der ICSI auch Teil ihres Antrages. Auch legte sie eine Bescheinigung der Psychologin …… vor, auf die verwiesen wird.

 

Mit Widerspruchsbescheid vom 18.03.2019 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass durch die PID eine befruchtete Eizelle mit dem Ziel untersucht werde, diese ggf. bei der Diagnostik des Gendefekts absterben zu lassen. Die Methode stelle daher keine Behandlung eines vorhandenen Leidens bei einem existenten anspruchsberechtigten Versicherten dar. Soweit die Klägerin auf psychische Beschwerden verweise, seien diese mit den Mitteln der Psychotherapie zu behandeln. Im Übrigen gehöre die PID nicht zu den Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Schließlich verstoße die Nichteinbeziehung der PID in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gegen das Grundgesetz. Der Gesetzgeber sei nicht verpflichtet, jede mögliche Behandlungs- bzw. Diagnosemethode, die nicht von vornherein verboten sei, in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufzunehmen.

 

Die Klägerin hat am 17.04.2019 Klage erhoben.

 

Sie wiederholt ihr bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor, dass es sich bei einem Embryo bereits um entwicklungsfähiges Leben handele, der damit auch von Krankheiten gefährdet sei. Der Embryo selbst müsse daher vom Schutzzweck des § 27 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) – Gesetzliche Krankenversicherung – umfasst sein. Sowohl eine PND als auch ein möglicher Schwangerschaftsabbruch, welcher zu einer deutlich höheren körperlichen und psychischen Belastung führen würde, könnten durch eine PID vermeiden werden. Auch sei zu berücksichtigen, dass der G-BA den nicht-invasiven Bluttest (NIPT) in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung aufgenommen habe.

 

Die Klägerin beantragt,

 

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22.11.2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2019 zu verurteilen, der Klägerin die durch die selbstbeschaffte Präimplantationsdiagnostik (PID) entstandenen Kosten in Höhe von 11.560,19 EUR zu erstatten. 

 

Die Beklagte beantragt,

 

            die Klage abzuweisen.

 

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig und verweist zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 18.03.2019. Ergänzend meint sie, dass ein Embryo kein Anspruchsinhaber sei.

 

Die Klägerin hat die PID mittlerweile durchführen lassen. Auf die eingereichten Rechnungen wird verwiesen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. 

 

 

Entscheidungsgründe:

 

Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.

 

Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid nicht i.S.d. § 54 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beschwert, denn dieser ist nicht rechtswidrig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für die selbstbeschaffte PID.

 

Als Anspruchsgrundlage für die Erstattung bereits entstandener Kosten kommt allein § 13 Abs. 3 S. 1 SGB V in Betracht. Hiernach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen (1. Alternative) oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt (2. Alternative) und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Der insoweit in Betracht kommende Kostenerstattungsanspruch reicht nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts – BSG – nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben. Der Anspruch ist gegeben, wenn die Krankenkasse die Erfüllung eines Naturalleistungsanspruchs rechtswidrig abgelehnt und der Versicherte sich die Leistung selbst beschafft hat, wenn weiterhin ein Ursachenzusammenhang zwischen Leistungsablehnung und Selbstbeschaffung bestand, die selbst beschaffte Leistung notwendig war und die Selbstbeschaffung eine rechtlich wirksame Kostenbelastung des Versicherten ausgelöst hat (vgl. BSG, Urteile vom 07.05.2020 – B 3 KR 4/19 R – juris Rn. 16; vom 17.12.2009 – B 3 KR 20/08 R – juris Rn. 10 jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

 

Zwar scheidet eine „unaufschiebbare Leistung“ nach Alt. 1 der Bestimmung ersichtlich aus; denn diese ist nach der Rechtsprechung des BSG, der das erkennende Gericht folgt, regelmäßig auf Fälle der „Ersten Hilfe“ begrenzt (BSG, Urteil vom 27.03.2007, B 1 KR 25/06 R), mithin auf Fälle besonderer medizinischer Dringlichkeit. Bei der PID handelt es sich um eine diagnostische Maßnahme im Rahmen einer künstlichen Befruchtung, die ihrerseits zeitlich im Voraus planbar ist und deren Durchführung nicht eilbedürftig erscheint. Eine diesbezügliche Dringlichkeit ist von der Klägerin auch zu keinem Zeitpunkt behauptet worden.

 

Die Beklagte hat die Leistung auch nicht zu Unrecht abgelehnt im Sinne des § 13 Abs. 3 S. 1 Alt. 2 SGB V. Versicherte haben nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Hierbei umfasst die Krankenbehandlung nach Maßgabe des Satzes § 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB V die ärztliche Behandlung einer Krankheit (vgl. auch: § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V), mithin auch die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist (§ 28 Abs. 1 S. 1 SGB V). Dazu zählen infolgedessen ebenso Methoden zur Diagnostik. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. "Krankheit" im Rechtssinne erfordert einen regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 1 KR 19/13 R – juris Rn. 14 m.w.N.).

 

Die Kammer muss nicht abschließend darüber entscheiden, ob ein Gendefekt, der keine pathophysiologischen Wirkungen beim Träger des Erbguts entfaltet und auch voraussichtlich nicht entfalten wird, aber vererblich ist und u.U. gravierende Folgen für die Nachkommen haben kann, gleichwohl als gegenwärtig bestehende Krankheit (Konduktoreigenschaft) im Sinne eines regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes anzusehen ist. Selbst wenn die Klägerin wegen ihrer Konduktoreigenschaft hinsichtlich der SMA als krank anzusehen wäre, ist die von ihr selbst beschaffte PID keine auf die Behandlung des Gendefekts gerichtete Krankenbehandlung. Mit der diagnostischen Maßnahme soll weder eine Funktionsbeeinträchtigung erkannt, geheilt oder gelindert werden, noch wird einer Verschlimmerung des Gendefekts entgegengewirkt. Die PID bezweckt vielmehr, den Embryo zu untersuchen und ihn ggf. absterben zu lassen, wenn das daraus heranwachsende Kind nach ärztlicher Erkenntnis an SMA erkranken wird (Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht – LSG – Urteil vom 24.05.2022 – L 10 KR 42/18 – juris Rn. 28 m.w.N.). Es erfolgt damit keine Behandlung eines vorhandenen Leidens. Die PID stellt mithin keine Krankenbehandlung der Klägerin im Sinne des Gesetzes dar.

 

Soweit die Klägerin vorgebracht hat, dass der infolge einer erneuten Schwangerschaft mit einem erbkranken Embryo erforderlich werdende Schwangerschaftsabbruch bzw. die Geburt eines ebenfalls an SMA erkrankten zweiten Kindes für sie eine unzumutbare psychische Belastung darstelle. Dieser Vortrag von zu befürchtenden psychischen Belastungen genügt zur Überzeugung der Kammer nicht, um vom Vorliegen einer medizinischen Indikation für eine ausnahmsweise als Krankenbehandlung vorzunehmende empfängnisverhütende Maßnahme annehmen zu können (siehe hierzu Schleswig-Holsteinisches LSG a.a.O.). So hat insbesondere die Psychologin …… keine entsprechenden Angaben gemacht, sondern vielmehr darauf hingewiesen, dass die Geburt eines gesunden Kindes der Klägerin Stabilität und Normalität gebe. Die Klägerin spricht diesbezüglich selbst vom Therapiecharakter. Psychische Beeinträchtigungen sind aber mit den Mitteln der Psychotherapie zu behandeln.

 

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die PID als Gegenstand der künstlichen Befruchtung, die in § 27a SGB V als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung abschließend geregelt ist. § 27a SGB V setzt als Grund für einen Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung nur die Unfruchtbarkeit des Ehepaares voraus. Die vorgesehenen Maßnahmen müssen zur Herbeiführung der gewünschten Schwangerschaft erforderlich und nach ärztlicher Einschätzung Erfolg versprechend sein. Welche Umstände die Infertilität verursachen und ob ihr eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne zugrunde liegt, ist unerheblich. Nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung bildet den Versicherungsfall (stRspr, vgl. nur  BSG, Urteil vom 18.11.2014 a.a.O., juris Rn. 17). Die PID ist zur Herbeiführung einer gewünschten Schwangerschaft weder erforderlich noch nach ärztlicher Einschätzung Erfolg versprechend. Sie ist vom Anspruch aus § 27a SGB V nicht umfasst. Ihr Zweck liegt nicht in der Herbeiführung einer Schwangerschaft. Für den Anspruch auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ist es unerheblich, dass die PID auf den Gesamtvorgang der künstlichen Befruchtung angewiesen ist. Denn nur wer zum Zweck der Herbeiführung einer Schwangerschaft Zellen des Embryos vor dem intrauterinen Transfer untersucht, handelt nach § 3a Abs. 2 ESchG unter Erfüllung der weiteren dort genannten Voraussetzungen nicht rechtswidrig. Demgegenüber sind Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht auf die PID angewiesen (BSG a.a.O., juris Rn. 18). Die Leistungseingrenzung des § 27a SGB V allein auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Art 3 Abs. 1 Grundgesetz – GG – gebietet es nicht, dass die Gerichte die Behebung einer Fertilitätsstörung mit der Embryonen-Vorauswahl zur Vermeidung erbkranken Nachwuchses bei bestehender Fertilität gleichsetzen (vgl. Bundesverfassungsgericht – BverfG – Nichtannahmebeschluss vom 30.11.2001, 1 BvR 1764/01, juris Rn. 2).

 

Der Verweis der Klägerin darauf, dass eine PID gegenüber einer grundsätzlich möglichen, zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gehörenden späteren Abtreibung (vgl. § 24b SGB V) aufgrund der damit verbundenen körperlichen und psychischen Belastungen vorzugswürdig sei, vermag daran nichts zu ändern und keinen Anspruch auf eine PID zu begründen. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, jede nicht verbotene Form der "medizinisch unterstützten Erzeugung menschlichen Lebens" (so die Formulierung des Kompetenztitels in Art 74 Abs. 1 Nr. 26 GG) in den Leistungskatalog einzubeziehen. § 27a SGB V regelt keinen Kernbereich der Leistungen der GKV, sondern begründet einen eigenständigen Versicherungsfall, vor dem Maßnahmen der Krankenbehandlung Vorrang haben. Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung näher zu bestimmen, auch - wie hier - in einem Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der GKV nicht von vornherein veranlasst ist (vgl. BSG a.a.O., juris Rn. 20 und m.w.N.).

 

Schließlich verschafft auch eine verfassungskonforme Auslegung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung der Klägerin nicht den für den eingeklagten Erstattungsanspruch erforderlichen Primäranspruch. Zum einen folgt im Grundsatz weder aus den Grundrechten auf Leben und körperliche Unversehrtheit, noch aus den Verfassungsregelungen zum Sozialstaatsprinzip ein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen. Zum anderen erscheint ein Rückgriff auf das Verfassungsrecht auch gar nicht notwendig, weil schon § 27 SGB V in Ausnahmefällen einen Anspruch auf empfängnisverhütende Maßnahmen im Falle einer medizinischen Indikation für die – potentielle – schwangere Versicherte gewährt (siehe hierzu Schleswig-Holsteinisches LSG a.a.O. und m.w.N.). Ein solcher Ausnahmefall ist jedoch hier nicht feststellbar.

 

Vor diesem Hintergrund hat die Klage keinen Erfolg. Sie war daher mit der sich aus §§ 183, 193 SGG ergebenden Kostenfolge abzuweisen.

 

 

 

 

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.

 

Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim

 

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen

 

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

 

Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem

 

Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf

 

schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

 

Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.

 

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

 

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist und über das Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) eingereicht wird oder

 

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

 

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.

 

Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.

 

Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Düsseldorf schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.

 

Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.

 

Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.

 

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

 

 

 

Rechtskraft
Aus
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