S 23 KR 563/23

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
SG Altenburg (FST)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
23
1. Instanz
SG Altenburg (FST)
Aktenzeichen
S 23 KR 563/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1. Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung von Krankenhausbehandlung eines Versicherten ist eine formal ordnungsgemäße Abrechnung. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und ggf. -pflichten voraus, insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf. ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen (u. a. BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 10/15 R).

2. Allein das Fehlen einer medizinischen Leistung, die einem Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) entspricht, lässt nicht den unmissverständlichen Rückschluss darauf zu, dass es sich um eine „regelhaft ambulant“ zu erbringende Leistung handelt. Wurde kein OPS übermittelt, ist anhand der übrigen nach § 301 SGB V mitgeteilten Daten zu prüfen, ob diese ausreichen, um der Krankenkasse die auf der ersten Prüfungsebene zu treffende Entscheidung zu ermöglichen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, ist die Krankenkasse berechtigt, ausnahmsweise weitere Angaben zum „Grund der Aufnahme“ beim Krankenhaus zu erfragen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.690,40 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2021 zu zahlen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 1.690,40 Euro festgesetzt.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung. Im Besonderen steht in Streit, ob das Krankenhaus seinen Informationsobliegenheiten nachgekommen und die Krankenhausabrechnung fällig geworden ist.

Die Klägerin ist Trägerin der Waldkliniken in E, einem nach § 108 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zugelassenen Krankenhauses. Am 8. Februar 2021 wurde der bei der Beklagten in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte B, geb. 2005, auf Einweisung eines Arztes stationär aufgrund anhaltender stechender Unterbauchschmerzen rechts aufgenommen. Nach konservativer Behandlung wurde der Versicherte am 10. Februar 2021 in die Häuslichkeit entlassen.

In dem an die Beklagte übermittelten Aufnahmedatensatz wurde als Aufnahmediagnose R10.3 R, Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des Unterbauches – rechts, angegeben.

Die Klägerin berechnete der Beklagten für die stationäre Behandlung insgesamt 1.690,40 Euro (Rechnung vom 17. Februar 2021) unter der DRG (Diagnosis related group) G72B: Andere leichte bis moderate Erkrankungen der Verdauungsorgane, Alter > 2 Jahre Abdominalschmerz oder mesenteriale Lymhadentitis, Alter > 2 Jahre und Alter < 56 Jahre ohne CC. Als Hauptdiagnose wurde I.88.0 (Unspezifische mesenteriale Lymphadenitis) und als Nebendiagnosen Z11 (Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf infektiöse und parasitäre Krankheiten), U99.0! (Spezielle Verfahren zur Untersuchung auf SARS-CoV-2) und Z03.8 (Beobachtung bei sonstigen Verdachtsfällen) kodiert. Operationen- und Prozedurenschlüssel (OPS) wurden nicht angegeben.

Die Beklagte wies die Rechnung per Datenträgeraustausch (DTA) am 19. Februar 2021 mit der Begründung zurück, bei der Abrechnung fehle ein OPS und erbat eine medizinische Begründung zur Notwendigkeit der vollstationären Behandlung (MBEG). Die Klägerin erwiderte am gleichen Tage per DTA, das Fehlen eines OPS-Kodes sei keine Rechtsgrundlage für die Forderung nach Begründung der stationären Behandlungsnotwendigkeit. Die für die Beurteilung notwendigen Daten nach § 301 SGB V lägen alle vor.

Mit Schreiben vom 2. März 2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Datenmeldung entspreche nicht den gesetzlichen und vertraglichen Vorgaben zur Abrechnung bzw. Datenübermittlung. Die Rechnung sei nicht fällig. Erneut bat die Beklagte um Übermittlung näherer Angaben zum Grund der stationären Aufnahme des Versicherten.

Dem trat die Klägerin mit Schreiben vom 10. März 2021 entgegen. Sie teilte der Beklagten mit, es liege kein Fall vor, für den nach der Rechtsprechung des BSG ein Anspruch der Krankenkasse auf Angabe eines Grundes für die stationäre Behandlung bestehe. Eine Rechtsgrundlage für die entsprechende Forderung bestehe nicht. Abschließend führte die Klägerin aus: „In Bezug auf den aktuellen Fall: Wie Sie aus den gemeldeten Falldaten sehen könnten, erfolgte die Aufnahme wegen akuter Schmerzen im Unterbauch. Das allein ist aus medizinischer Sicht als Begründung ausreichend.“

Die Beklagte bezahlte die Rechnung vom 17. Februar 2021 nicht. Sie leitete auch kein Prüfverfahren beim Medizinischen Dienst (MD) ein.

Nach erfolgloser Mahnung erhob die Klägerin am 12. Juni 2023 die vorliegende Klage.

Die Klägerin trägt vor, sie habe Anspruch auf Zahlung des geltend gemachten Gesamtbetrages. Die der Beklagten vorgelegte Abrechnung genüge den Anforderungen des § 301 SGB V, der Rechnungsbetrag sei fällig. Aus dem Aufnahmedatensatz ergebe sich die Aufnahmediagnose R10.3 Schmerzen im Bereich des Unterbauches. Auch für medizinische Laien werfe dies unkompliziert die Frage nach einer möglichen Appendizitis (Blinddarmentzündung) bei dem im Behandlungszeitpunkt 15-jährigen Patienten auf. Schlichte Bauchschmerzen, wie von der Beklagten vermutet, hätten gerade nicht vorgelegen. Aus der Aufnahmediagnose folge dann auch nachvollziehbar die Überwachung des Patienten, welche als Z03.8 Beobachtung bei sonstigen Verdachtsfällen kodiert worden sei. Der Abrechnungsdatensatz weise die Hauptdiagnose I88.0 Unspezifische mesenteriale Lymphadenitis aus, eine Vorstufe zur Appendizitis. Warum die Beklagte bei diesen nach § 301 SGB V bereits übermittelten Informationen eine gesonderte medizinische Begründung für notwendig erachte, erschließe sich nicht. Ihre Zweifel an der medizinischen Notwendigkeit der vollstationären Aufnahme hätte sie durch den MD prüfen lassen können, eine Prüfung durch die Beklagte selbst sei nicht möglich. Endlich habe auch kein OPS kodiert werden müssen. Bei konservativer Behandlung des Versicherten, sei keine Leistung erbracht worden, für die ein operativer oder nichtoperativer OPS existiere. 

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 1.690,40 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 25. Februar 2021 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie macht geltend, der streitgegenständliche Vergütungsanspruch sei aufgrund einer formal fehlerhaften Abrechnung nicht fällig geworden. Die Klägerin habe ihren Mitwirkungspflichten nicht entsprochen. Ein Vergütungsanspruch bestehe bei dieser Sach- und Rechtslage nicht. Zu den zu übermittelnden Daten gehöre nach § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V auch der „Grund der Aufnahme“. Sind die Angaben des Krankenhauses unvollständig, dürfe die Krankenkasse bei Zweifeln oder Unklarheiten durch nicht-medizinische Nachfragen klären, ob die Voraussetzungen der Zahlungspflicht gegeben sind. Das sei vorliegend geschehen, weil die 301er Daten keinen OPS enthielten und die Klägerin als Aufnahmediagnose R10.3 angegeben hatte. Die von der Klägerin angegebenen Bauchschmerzen seien für sich genommen unzweifelhaft zunächst den ambulant niedergelassenen Ärzten/innen zugeordnet. Das begründe sich daraus, dass Bauchschmerzen einer der häufigsten Probleme in der Kinder- und Jugendarztpraxis darstellten. Würde jedes Kind bzw. jeder Jugendliche, der an Bauchschmerzen leide, krankenhausbehandlungsbedürftig sein, würden die Kapazität der Krankenhäuser hierfür nicht ausreichen. Die abgerechnete Hauptdiagnose I88.0 weise eine Lymphknotenentzündung aus. Dabei handele es sich nicht – wie von der Klägerin behauptet – um die Vorstufe zu einer Appendizitis. Es werde nicht in Abrede gestellt, dass die Diagnosen R10.3 und I88.0 auch ohne einen OPS kodiert werden könnten. Aufgrund des Fehlens eines OPS habe jedoch die Berechtigung bestanden, von der Klägerin den Grund der Aufnahme zu erfragen. Die Klägerin habe jedoch auch im Schreiben vom 10. März 2021 keine medizinische Begründung übermittelt, sondern im Ergebnis nur den Wortlaut des „Aufnahmekodes“ wiedergegeben. Es sei daher zusammenfassend nicht ersichtlich gewesen, warum es hier einen Grund für die Aufnahme zur vollstationären Behandlung im Krankenhaus der Klägerin gegeben haben soll. Entsprechende Angaben hierzu habe die Klägerin verweigert. Damit sei die notwendige Prüfung auf der ersten Stufe, ob es einer Einbindung des MD bedarf, nicht ermöglicht worden.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Patientenakte der Klägerin zum streitigen Behandlungsfall beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12. September 2024, den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Die Klägerin hat mit der erhobenen (echten) Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die richtige Klageart gewählt. Die Klage eines Krankenhausträgers - wie der Klägerin - auf Zahlung der Behandlungskosten eines Versicherten gegen eine Krankenkasse - wie die Beklagte - ist ein sog. Beteiligtenstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht in Betracht kommt, kein Vorverfahren durchzuführen und keine Klagefrist zu beachten ist (st. Respr. BSG, vgl. nur BSG, Urteil vom 30. Juni 2009 – B 1 KR 24/08 R). Die Klägerin hat den Zahlungsanspruch auch konkret beziffert. Dies gilt gleichermaßen für den geltend gemachten Zinsanspruch. Insoweit reicht die Bezugnahme auf den Basiszinssatz.

Die Klage hat in der Sache Erfolg. Der Klägerin steht der geltend gemachte Vergütungsanspruch für die erbrachten Leistungen der stationären Krankenhausbehandlung zu.

Rechtsgrundlage des von der Klägerin geltend gemachten Vergütungsanspruchs aus der stationären Behandlung des Versicherten ist § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V iVm. §§ 7, 9 und 11 des Gesetzes über die Entgelte für voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen - Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG), 17b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) iVm. der für das Behandlungsjahr geltenden Fallpauschalenvereinbarung (FPV) und dem Fallpauschalen-Katalog der jeweils anwendbaren G-DRG-Version. Der Vergütungsanspruch wird in seiner Höhe auf Bundesebene durch Normsetzungsverträge (Normenverträge/Fallpauschalenverordnungen) konkretisiert. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der Verband der privaten Krankenversicherung gemeinsam vereinbaren nach § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 KHEntgG mit der Deutschen Krankenhausgesellschaft als "Vertragsparteien auf Bundesebene" mit Wirkung für die Vertragsparteien nach § 11 KHEntgG einen Fallpauschalen-Katalog einschließlich der Bewertungsrelationen sowie Regelungen zur Grenzverweildauer und der in Abhängigkeit von diesen zusätzlich zu zahlenden Entgelten oder vorzunehmenden Abschläge. Ferner vereinbarten sie insoweit Abrechnungsbestimmungen in den Fallpauschalenvereinbarungen auf der Grundlage des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 KHEntgG (hier: FPV 2021).

Die Klägerin erfüllte die Grundvoraussetzungen eines Anspruchs auf Krankenhausvergütung, indem sie den Versicherten vom 8. bis 10. Februar 2021 stationär behandelte. Nach § 109 Abs. 4 Satz 3 SGB V entsteht die Zahlungsverpflichtung einer Krankenkasse unabhängig von einer Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn - wie hier - die Versorgung in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) durchgeführt wird und iSd § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich ist.

Im Hinblick auf die Frage, ob die von der Klägerin erbrachte stationäre Leistung iSd § 39 Abs. 1 Satz 2 SGB V erforderlich und wirtschaftlich war, d. h. in dem konkreten Behandlungsfall aufgrund patientenspezifischer Umstände die Leistungen ambulant hätten erbracht werden können, scheiden weitere Ermittlungen von Amts wegen auf Basis der beigezogenen Patientenakte vorliegend aus, weil die Beklagte die Frist nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V (in der bis 31. Dezember 2019 geltenden Fassung, ab 1. Januar 2020 neu geregelt in § 275c Abs. 1 SGB V) zur Einleitung eines Prüfverfahrens durch den MD fruchtlos hat verstreichen lassen (vgl. BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 R, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R). 

Die Klägerin berechnete für die im Zeitraum 8. bis 10. Februar 2021 erbrachten stationären Leistungen aufgrund der DRG G72B eine Vergütung von insgesamt 1.690,40 Euro, die sie der Beklagten datierend auf den 17. Februar 2021 in Rechnung stellte. Umstände, die darauf hindeuten, dass die Berechnung der Vergütung der Höhe nach fehlerhaft sein könnte, liegen nicht vor.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ist der Vergütungsanspruch der Klägerin aus der Rechnung vom 17. Februar 2021 auch fällig geworden. Die Klägerin ist ihren Informations- und Mitwirkungspflichten hinreichend nachgekommen.

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG bestehen die wechselseitigen Auskunfts-, Prüf- und Mitwirkungspflichten zwischen Krankenhäusern, Krankenkassen und MD auf drei Ebenen: Auf der ersten Stufe sind zwingend zunächst die Angaben nach § 301 Abs. 1 SGB V zu machen. Hiernach ist das Krankenhaus verpflichtet, der Krankenkasse bei Krankenhausbehandlung die wesentlichen Aufnahme- und Behandlungsdaten zu übermitteln. Aus datenschutzrechtlichen Gründen ist abschließend und enumerativ aufgelistet, welche Angaben der Krankenkasse bei einer Krankenhausbehandlung von Versicherten auf jeden Fall zu übermitteln sind; darunter findet sich auch - hier von besonderem Belang - gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V der "Grund der Aufnahme". Erschließen sich aufgrund dessen oder eines landesvertraglich vorgesehenen Kurzberichts die Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung oder weitere Abrechnungsvoraussetzungen den medizinisch in der Regel nicht besonders ausgebildeten Mitarbeitern der Krankenkasse nicht selbst, hat diese auf der zweiten Stufe der Sachverhaltserhebung ein Prüfverfahren nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V einzuleiten und beim MD eine gutachtliche Stellungnahme einzuholen, die auf der Grundlage der vom Krankenhaus der Krankenkasse zur Verfügung gestellten Unterlagen - also insbesondere den Angaben nach § 301 SGB V - sowie ggf. mit vom Versicherten überlassenen Unterlagen zu erstellen ist. Lässt sich auch unter Auswertung dieser Sozialdaten ein abschließendes Ergebnis nicht finden, so hat das Krankenhaus schließlich auf der dritten Stufe der Sachverhaltserhebung auf eine von der Krankenkasse nach § 275 Abs. 1c Satz 2 SGB V (in der bis 31. Dezember 2019 geltenden Fassung) ordnungsgemäß eingeleitete Prüfung dem MD gemäß § 276 Abs. 2 Satz 1 Halbs 2 SGB V auch alle weiteren Angaben zu erteilen und Unterlagen vorzulegen, die im Einzelfall zur Beantwortung der Prüfanfrage der Krankenkasse benötigt werden. Auf dieser Grundlage ist der MD ermächtigt, die erforderlichen Sozialdaten beim Krankenhaus anzufordern; das Krankenhaus ist zu deren Vorlage verpflichtet, weil in einem solchen Fall allein durch die Angaben gemäß § 301 SGB V und einen etwaigen Kurzbericht eine zuverlässige Beurteilung der Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit oder anderer Fragen der Abrechnung nicht möglich ist (ständige Respr., vgl. BSG, Urteil vom 15. Mai 2013 – B 3 KR 32/12 R, BSG, Urteil vom 21. März 2013 - B 3 KR 28/12 R; vgl. auch BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 - B 3 KR 14/11 R).

Grundvoraussetzung der Fälligkeit eines entstandenen Anspruchs auf Vergütung von Krankenhausbehandlung eines Versicherten ist – auf der ersten Prüfungsebene – eine formal ordnungsgemäße Abrechnung. Eine formal ordnungsgemäße Abrechnung setzt eine ordnungsgemäße Information der Krankenkasse über die vom Krankenhaus abgerechnete Versorgung nach Maßgabe der Informationsobliegenheiten und -pflichten voraus, insbesondere aus § 301 SGB V sowie ggf. ergänzenden landesvertraglichen Bestimmungen (vgl. BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 10/15 R, BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 R, BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R, LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. Februar 2023 – L 10 KR 297/21 KH).

Auf der Grundlage von § 301 Abs. 1 SGB V haben die Krankenhäuser den Krankenkassen – auf der ersten Prüfungsebene – alle notwendigen Angaben zur Verfügung zu stellen, die diese insbesondere zur ordnungsgemäßen Abrechnung und zur Überprüfung der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung benötigen. Zur gebotenen Information gehört, dass das Krankenhaus in Fällen, in denen regelhaft ambulante Behandlung ausreichend ist, nicht nur eine Aufnahmediagnose benennt, die die ärztliche Behandlung rechtfertigen kann, sondern Angaben zu Begleiterkrankungen oder zu sonstigen Gründen macht, die Anlass für die stationäre Versorgung des Versicherten hätten geben können. Ohne solche Angaben darüber, warum ausnahmsweise eine stationäre Behandlung erforderlich ist, fehlen Informationen über den "Grund der Aufnahme" und damit eine der zentralen Angaben gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V, die eine Krankenkasse für die ordnungsgemäße Abrechnungsprüfung benötigt (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R, BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 10/15 R, BSG, Urteil vom 14. Oktober 2014 - B 1 KR 27/13 R). Lassen weder die übermittelte Hauptdiagnose noch die OPS-Nr. den naheliegenden Schluss zu, dass die Behandlung stationär erfolgen musste, hat das Krankenhaus von sich aus schon zur Begründung der Fälligkeit der Forderung gegenüber der Krankenkasse die erforderlichen ergänzenden Angaben zu machen (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R, BSG, BSG, Urteil vom 21. April 2015 – B 1 KR 10/15 R).

Die Klägerin ist den ihr obliegenden und dargestellten Informationsobliegenheiten hinreichend gerecht geworden. Sie war in dem vorliegenden Fall nicht verpflichtet, über die bereits getätigten Angaben hinaus, außerhalb eines Prüfverfahrens nach § 275 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, weitergehende Informationen zum „Grund der Aufnahme“ an die Beklagte zu übermitteln.

Sofern die Beklagte unter Verweis auf eine Entscheidung des SG Dresden vom 3. März 2020 - Az. S 47 KR 785/17 vorgetragen hat, allein aufgrund des Fehlens der Angabe eines OPS sei sie zu weiteren Nachfragen zum „Grund der Aufnahme“ berechtigt gewesen, kann sich die Kammer dem in der von der Beklagten formulierten Generalität nicht anschließen.  

Nach der zitierten ständigen Rechtsprechung des BSG sind weitere Angaben zum „Grund der Aufnahme“ immer dann erforderlich, wenn es sich bei der stattgehabten Behandlung um eine solche handelt, die regelhaft ambulant durchzuführen ist. Von einer regelhaft ambulanten Behandlung in diesem Sinne kann ausgegangen werden, wenn die in Frage stehende Leistung bzw. der diese beschreibende OPS normativ, d. h. durch Rechtsvorschriften, Normverträge etc, dem Bereich der ambulanten Versorgung zugewiesen ist (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. Februar 2023 – L 10 KR 297/21 KH). Das ist z. B. gegeben, wenn eine Leistung im AOP-Katalog oder in der Anlage I zur Richtlinie des G-BA „Methoden vertragsärztliche Versorgung“ abgebildet ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. Juni 2015 – B 1 KR 26/14 R, BSG, Urteil vom 21. März 2013 – B 3 KR 28/12 R, BSG, Urteil vom 16. Mai 2012 – B 3 KR 14/11 R, LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 16. August 2023 – L 10 KR 941/21 KH).

Die Übertragung der o. g. Rechtsprechung des BSG zur Begründung weiterer Informationspflichten zum „Grund der Aufnahme“ generell auf alle Fälle, in denen eine stationäre Leistung erbrachte wurde, die nicht die Voraussetzungen der Kodierung eines OPS erfüllt, ist nach Überzeugung der Kammer – entgegen der Entscheidung des SG Dresden – nicht angezeigt. Aufgrund des datenschutzrechtlichen Hintergrundes der gesetzlich vorgesehenen Beschränkung der an die Krankenkasse zu übermittelnden Daten nach § 301 SGB V, ist hinsichtlich der Ausweitung der Rechtsprechung des BSG auf weitere nicht gesetzlich geregelte Fallgruppen Zurückhaltung geboten. Neben dem vorliegenden Fall sind eine Vielzahl von Behandlungsfällen denkbar, in denen eine stationäre Behandlung medizinisch notwendig ist, diese aber aufgrund der Anwendung konservativer Behandlungsmethoden, keine Leistungen umfasst, die sich in einem der festgelegten OPS wiederspiegeln. Allein das Fehlen einer medizinischen Leistung, die einem OPS entspricht, lässt nicht – vergleichbar mit den vom BSG angenommenen Fallgestaltungen – den unmissverständlichen Rückschluss darauf zu, dass es sich um eine „regelhaft“ ambulant zu erbringende Leistung handelt. Wurde kein OPS übermittelt, ist vielmehr anhand der übrigen nach § 301 SGB V mitgeteilten Daten zu prüfen, ob diese ausreichen, um der Krankenkasse die auf der ersten Prüfungsebene zu treffende Entscheidung zu ermöglichen. Nur wenn dies nicht der Fall ist, ist die Krankenkasse berechtigt, ausnahmsweise weitere Angaben zum „Grund der Aufnahme“ beim Krankenhaus abzufragen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die vom Krankenhaus übermittelten Daten die im Regelfall nicht besonders medizinisch geschulten Mitarbeiter der Krankenkasse auf der ersten Prüfungsebene nur in die Lage versetzen müssen, sich die grundsätzliche Möglichkeit der Notwendigkeit der Krankenhausbehandlung zu erschließen („naheliegender Schluss“). Es ist dagegen nicht erforderlich, dass sich die Mitarbeiter der Krankenkassen bereits aufgrund der nach § 301 SGB V übermittelten Daten von der tatsächlichen medizinischen Notwendigkeit der stationären Behandlung überzeugen können. Die Klärung verbleibender Zweifel ist dem Prüfverfahren unter Einbezug des MD auf der zweiten und dritten Stufe vorbehalten.    

Die von der Klägerin im streitgegenständlichen Behandlungsfall übermittelten Daten genügten den gesetzlich und vertraglich vorgesehenen Anforderungen. Aus diesen kann auch ein nicht besonders medizinisch geschulter Beurteiler den naheliegenden Schluss ziehen, dass es sich bei der erbrachten stationären Leistung nicht um eine solche handelte, die „regelhaft ambulant“ zu erbringen ist und deshalb gemäß § 301 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V weitergehende Angaben zum „Grund der Aufnahme“ erforderlich macht.

Entgegen der Ansicht der Beklagten lassen die von der Klägerin an sie übermittelten Daten erkennen, dass hier kein Fall von „bloßen“ Bauchschmerzen vorlag, der für sich genommen unzweifelhaft der Behandlung durch die ambulant niedergelassenen Ärzte/innen zuzuordnen ist. Auch wenn Bauchschmerzen zu den häufigsten Problemen in der Kinder- und Jugendarztpraxis gehören, können diese aufgrund divergierender Lokalisation, Art und Stärke Ausdruck verschiedenster leichter oder aber auch schwerwiegender Erkrankungen sein. Abhängig vom einzelnen Erkrankungsbild kann eine ambulante Behandlung ausreichend oder eine stationäre Behandlung medizinisch begründet sein. Hier war der Beklagten aus dem Aufnahmedatensatz die Diagnose R10.3 R bekannt. D. h., die Aufnahme des Versicherten zur stationären Behandlung erfolgte aufgrund von Schmerzen mit Lokalisation in anderen Teilen des Unterbauches – rechts. Von der Lokalisation her also im Bereich einer in Betracht zu ziehenden Appendizitis. Die abgerechnete Hauptdiagnose beschreibt mit I88.0 eine unspezifische mesenteriale Lymphadenitis. Auch wenn es sich bei dieser Lymphkontenschwellung bzw. -entzündung nicht zwingend um eine Vorstufe der Appendizitis handeln muss, lässt der Einbezug der Nebendiagnose Z03.8 darauf schließen, dass bei dem versicherten Jugendlichen ein Erkrankungsbild vorlag, welches über bloße Bauchschmerzen hinausging und deshalb eine Beobachtung bei sonstigen Verdachtsfällen erforderlich gemacht hat. Dazu tritt die aus der Meldung ersichtliche Kenntnis der Beklagten, dass die stationäre Aufnahme des Versicherten aufgrund einer Einweisung durch einen Arzt erfolgte, was darauf hindeutet, dass der stationären Aufnahme bereits eine ambulante ärztliche Konsultation vorausgegangen war. Schließlich hat die Klägerin in ihrem Schreiben vom 10. März 2021 auch nicht nur den Wortlaut des „Aufnahmekodes“ wiedergegeben, sondern ausdrücklich „In Bezug auf den aktuellen Fall“ erklärt, dass die stationäre Aufnahme wegen akuter Schmerzen im Unterbauch erfolgt war und das allein aus medizinischer Sicht als Begründung ausreichend sei. Im Besonderen der Verweis auf akute Bauchschmerzen und die erfolgte Beobachtung aufgrund eines sonstigen Verdachtsfalles lässt darauf schließen, dass hier ein Behandlungsfall vorliegt, in dem nicht nur einfache Bauschmerzen medizinisch zu beurteilen und zu behandeln waren. In Gesamtwürdigung aller übermittelten Daten erscheint damit die Aufnahme zur stationären Behandlung auf der ersten Prüfungsebene nicht von vornherein offensichtlich unplausibel und deshalb weiter begründungsbedürftig. Etwaige dennoch bestehende Zweifel an der Notwendigkeit einer stationären Krankenhausbehandlung hätte die Beklagte im Rahmen eines Prüfverfahrens durch den MD auf zweiter oder dritter Prüfungsebene veranlassen können.

Im Ergebnis erweist sich die Forderung der Beklagten nach weiteren Angaben zum „Grund der Aufnahme“ als Voraussetzung für eine formal ordnungsgemäße Abrechnung als unbegründet. Der mit Rechnung vom 17. Februar 2021 liquidierte Vergütungsanspruch der Klägerin ist fällig geworden. Damit war der Klage in der Hauptsache einschließlich des geltend gemachten Zinsanspruchs vollumfänglich stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da weder die Klägerin noch die Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören und die Beklagte die unterliegende Partei des Rechtsstreits ist.

Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit dem Gerichtskostengesetz (GKG). Da der Klageantrag auf eine bezifferte Geldleistung gerichtet war, ist deren Höhe maßgeblich (§ 52 Abs. 3 GKG).

Rechtskraft
Aus
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