I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist die Leistung einer höheren Verletztenrente als nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 20 v. H. infolge einer Verschlimmerung von Unfallfolgen aus einem Arbeitsunfall vom 03.03.2011.
Der am 1962 geb. Klägerin war am 03.03.2011 im Rahmen ihrer versicherten Tätigkeit als Sekretärin ein nach ihren Angaben 100 kg schwerer Tresen auf den linken Fuß gefallen.
Es erfolgte eine konservative Therapie der Brüche im Fersenbereich links mittels einer Ruhigstellung in einem orthopädischen Schuh.
Mit Bescheid vom 02.05.2012 wurde das Ereignis vom 03.03.2011 als Arbeitsunfall anerkannt und die Zahlung einer Verletztenrente mangels rentenberechtigender MdE abgelehnt.
Folgende Unfallfolgen wurden dabei berücksichtigt:
Funktionseinschränkung des oberen- und unteren Sprunggelenks links mit Belastungsminderung nach knöchern fest ausgeheilten Frakturen des Os cuneiforme mediale (inneres Keilbein), Os cuneiforme intermedium (mittleres Keilbein) und Os cuneiforme laterale (äußeres Keilbein) links sowie nach Fraktur des Os naviculare (Kahnbein) links und Fraktur des Os metatarsale 1 (Mittelfußknochen 1) links basisnah; eine reizlose Narbenbildung am linken Fußrücken nach Weichteilschaden II. Grades und eine vorübergehende Verschlimmerung einer unfallunabhängigen rezidivierenden depressiven Störung ohne psychotische Symptome (bereits Behandlung seit 2009) ab dem Unfallereignis bis zum 01.09.2011.
Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2012 zurückgewiesen.
Die Klage gegen diese Bescheide wurde durch das Sozialgericht mit Urteil vom 11.08.2015 zurückgewiesen (AZ. XY). In den Entscheidungsgründen des Urteils wurde aufgrund eines gerichtlich eingeholten Gutachtens auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet bei der Sachverständigen R. festgestellt, dass auf nervenärztlichem Fachgebiet keine Unfallfolgen mehr vorliegen. Eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) liege unfallunabhängig vor.
Bereits am 27.01.2014 hatte die Klägerin einen Verschlimmerungsantrag gestellt.
Mit Bescheid vom 23.07.2014 wurde eine Verschlimmerung der Unfallfolgen abgelehnt.
Hiergegen legte die Klägerin am 19.08.2014 Widerspruch ein.
Mit Bescheid vom 04.12.2019 wurde ab dem 24.01.2017 eine Verletztenrente nach einer MdE von 20 v. H. auf unbestimmte Zeit bewilligt. An diesem Tag seien erstmals in der S klinik M-Stadt rentenberechtigende Unfallfolgen festgestellt worden. Dem Bescheid lag ein Gutachten auf orthopädischem Fachgebiet von E. vom 31.01.2018 einschließlich ergänzender Stellungnahme vom 13.05.2019 und ein Gutachten auf algesiologischem Fachgebiet von W., B klinik M-Stadt, vom 26.01.2019 zugrunde. Nach dem algesiologischen Gutachten überwog ein nozizeptiver Schmerz. Ein außergewöhnlicher Schmerz bestehe nicht. Die vorliegende chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) sei überwiegend auf unfallunabhängige Faktoren zurückzuführen.
Mit Bescheid vom 08.09.2020 wurde als weitere Unfallfolge ein nozizeptiver Schmerz im linken Sprunggelenk und des linken Fußes seit dem Unfalltag anerkannt. Auch dies führe nicht zu einer rentenberechtigenden Gesamt-MdE.
Auch diesem Bescheid wurde am 08.10.2020 widersprochen.
Mit Bescheid vom 24.11.2021 wurde die Rente in Höhe von 20 v. H. auf unbestimmte Zeit bereits ab 07.05.2015 bewilligt.
Dabei wurden folgende Unfallfolgen berücksichtigt:
Fortgeschrittene arthrotische Veränderungen im Mittelfuß, eine eingeschränkte Dorsalextension im Sprunggelenk, eine pathologisch veränderte Fußgeometrie sowie nozizeptive Schmerzen im Bereich des linken Fußes nach knöchern fest ausgeheilten Frakturen des Os cuneiforme medial, Os cuneiforme intremedium und Os cuneiforme laterale links sowie Fraktur des Os naviculare links und Fraktur des Os metatarsale 1 links basisnah; eine reizlose Narbenbildung am linken Fußrücken nach Weichteilschaden II. Grades; eine vorübergehende Verschlimmerung einer unfallunabhängigen rezidivierenden depressiven Störung ohne psychiatrische Symptome für den Zeitraum vom Unfallereignis bis zum 19.09.2011 sowie ein seit dem Unfalltag bestehender nozizeptiver Schmerz im Bereich des linken Sprunggelenkes und des linken Fußes (vgl. Bescheid vom 08.09.2020).
Der Widerspruch der Klägerin (Schreiben vom 22.12.2021) wurde mit Widerspruchsbescheid vom 12.10.2022 zurückgewiesen.
Hiergegen ließ die Klägerin am 11.11.2022 Klage erheben.
Nach Beiziehung der medizinischen Befunde hat das Gericht Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf unfallchirurgisch-orthopädischem Fachgebiet bei M..
In seinem Gutachten vom 16.01.2024 kam der Sachverständige nach Sichtung der medizinischen Befunde und ambulanter Untersuchung vom 09.01.2024 zu dem Ergebnis, dass die Unfallfolgen erstmals ab dem 07.05.2015 eine Rente nach einer MdE von 20 v. H. begründen würden.
Der ursprünglichen Feststellung der Unfallfolgen im Bescheid vom 02.05.2012 und Widerspruchsbescheid vom 08.11.2012 sei zuzustimmen. Erstmals objektivierbar habe sich eine deutliche Verschlechterung der Beweglichkeit des oberen und unteren Sprunggelenks bei der Verlaufskontrolle an der orthopädischen Klinik am 07.05.2015 gezeigt (OSG 0-5-20 (Norm 20-0-40) und USG 0-0-15 (Norm: 10-0-30), Gefühlsstörung Fußrücken, typische Schmerzen, rezidivierende Schwellung, posttraumatische Arthroseentwicklung). Dies begründe eine MdE von 20 v. H. Eine weitere wesentliche Verschlechterung sei nicht eingetreten.
Es bestehe eine mittelgradig eingeschränkte Beweglichkeit, eine mittelgradig eingeschränkte Belastbarkeit, eine veränderte Fußgeometrie, ein linksseitiges Hinken, eine rezidivierende Schwellneigung und chronische Schmerzen im Bereich des linken Sprunggelenks und Fußes bei fortgeschrittener posttraumatischer Arthrose im Bereich der Gelenke der linken Fußwurzel (Sprungbein-Kahnbein-Gelenk, Kahnbein-Keilbein-Gelenke) und des Gelenkes zwischen Fußwurzel und Mittelfußknochen I bis IV und bei rezidivierender Entzündungsreaktion des Weichteilgewebes und der Peronealsehnen (Peritenditis) nach komplexem Bruch mehrerer Fußknochen (inneres, mittiges und äußeres Keilbein, Kahnbein und erster Mittelfußknochen), eine Taubheit eines Teils des Fußrückens links nach Läsion sensibler Endäste des Nervus peroneus links und eine mit geringer Narbenbildung abgeheilte Schürfwunde im Bereich des linken Fußrückens.
In der Untersuchung am 09.01.2024 habe sich ein weitestgehend ähnlicher Befund wie im Vorgutachten des E. (Untersuchungstag am 11.10.2017) feststellen lassen.
Die unfallbedingte Gangstörung auf der linken Seite könne zwar zu einer muskulären Verspannung im Bereich der unteren Lendenwirbelsäule führen. Es müsse allerdings die unfallunabhängige vorliegende chronische Schmerzstörung bewertet werden, was sich bei der Klägerin vor allem im Bereich der Hüfte beidseits und im gesamten Rücken manifestiere. Es fehle die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer unfallbedingten, wesentlichen Ursache der Hüft- Rückenbeschwerden, welche im Sozialrecht bei mittelbaren Unfallfolgen gefordert werde. Aufgrund des schlüssigen Schmerzgutachtens der BGU Murnau erfolge im Hinblick auf die Schmerzen keine MdE-Erhöhung.
Mit Schreiben vom 19.02.2024 teilte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit, dass er das Gutachten für nicht verwertbar halte. Mit Schreiben vom 08.03.2024 wurden Diagnosen wie ein Complex regional pain syndrome (CRPS) und eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) angeführt. Es wurde beantragt, den Schriftverkehr zwischen dem damaligen Arbeitgeber und der Beklagten anzufordern und zu befragen, warum die Vitrine nicht ordnungsgemäß befestigt gewesen sei.
Es erfolgte ein richterlicher Hinweis vom 19.04.2024, auf den Bezug genommen wird.
In der mündlichen Verhandlung am 10.06.2024 beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin,
die Beklagte, unter Abänderung des Bescheids vom 24.11.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2022, zu verurteilen, ab dem 27.01.2014 eine Verletztenrente nach einer MdE von mind. 30 v. H. zu zahlen.
Der Beklagtenvertreter beantragte,
die Klage abzuweisen.
Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung, die Gerichtsakte und die beigezogene Akte der Beklagten verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Klage ist unbegründet und war daher abzuweisen.
1. Die Klage wurde nach Durchführung des gesetzlich vorgeschriebenen Widerspruchsverfahrens form- und fristgerecht gemäß §§ 87, 90, 92 SGG beim zuständigen Sozialgericht München eingelegt und ist zulässig.
2. Die Klage ist unbegründet. Die klagegegenständlichen Bescheide sind rechtmäßig. Nach dem schlüssigen und nachvollziehbaren Gutachten des Sachverständigen M. ist zwar von einem Fortschreiten der Arthrose auszugehen; Funktionseinschränkungen, die zu einer Rente nach 30 v. H. berechtigen, liegen allerdings noch nicht vor.
Maßstab für diese Entscheidung ist § 48 Abs. 1 S. 1 SGB X i. V. m. § 73 Abs. 3 SGB VII, wonach für einen klagebegründeten Anspruch der Klägerin eine wesentliche Änderung im Sinne einer Verschlimmerung von mehr als 5 v. H. vorliegen müsste.
a) Die Klägerin hat keinen Anspruch auf eine Verletztenrente nach einer MdE von mind. 20 v. H. und damit auch nicht auf die beantragte Rente nach einer MdE von 30 v. H. für den Zeitraum ab Verschlechterungsantrag vom 27.01.2014 bis zum 07.05.2015. Ausgangspunkt für eine in diesem Zeitraum eingetretene Verschlechterung ist der rentenablehnende Bescheid vom 02.05.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 08.11.2012.
Der Sachverständige M. hat schlüssig und nachvollziehbar dargelegt, dass bei der Untersuchung in der Klinik B. vom 20.06.2014 lediglich eine MdE von 10 vorlag. Unter Berücksichtigung der dort dokumentierten Werte von OSG: E/F 5-0-30 Grad (Norm: 20-0-40), USG seitengleich (Norm: 10-0-30), einer Gefühlsstörung am Fußrücken, typischen Schmerzen, rezidivierender Schwellung und einer posttraumatischen Arthroseentwicklung sei im Vergleich zum Bescheid von 02.05.2012 noch keine wesentliche Änderung eingetreten. Die Wertung des Sachverständigen steht im Einklang mit der Fachliteratur, nach der eine Bewegungseinschränkung im oberen Sprunggelenk Hebung/Senkung (Normwert 25-0-40 Grad) von 0-0-30 Grad mit einer MdE von 10 v. H. bewertet wird (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Auflage, S. 715).
b) Der Sachverständige M. legte schlüssig und nachvollziehbar dar, dass im weiteren Verlauf mit der Untersuchung in der orthopädischen Klinik vom 07.05.2015 erstmals eine deutliche Verschlechterung der Beweglichkeit sowohl im oberen als auch im unteren Sprunggelenk objektivierbar gewesen sei (OSG: E/F 0-5-20 (Norm: 20-0-40); USG: P/S 0-0-15 (Norm: 10-0-30), Gefühlsstörung Fußrücken, typische Schmerzen, rezidivierende Schwellung, posttraumatische Arthroseentwicklung). Ausgangspunkt/Maßgeblich für eine darüber hinaus gehende Verschlimmerung ist der rückwirkende Bescheid vom 24.11.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.10.2022 (Rentenzahlung bereits ab dem 07.05.2015).
Die von dem Sachverständigen ab dem 07.05.2015 vorgeschlagene Rente nach einer MdE von 20 v. H. ist bereits mit den streitgegenständlichen Bescheiden von der Beklagten anerkannt. Eine MdE von 30 v. H. ist seit dem 07.05.2015 im weiteren Verlauf nicht begründbar.
Insoweit führte der Sachverständige schlüssig aus, dass in beiden Berichten der S klinik M-Stadt vom 24.01.2017 und vom 26.07.2017 keine erneute wesentliche Änderung der Funktionseinschränkungen dokumentiert sei (OSG: E/F 10-0-30 (Norm: 10-0-40), USG: "Supination kräftig", Peritenditis, Gefühlsstörung Fußrücken, typische Schmerzen, rezidivierende Schwellung, posttraumatische Arthroseentwicklung). E. habe am 31.01.2018 in seinem Gutachten ebenso eine MdE von 20 v. H. empfohlen (auch unter Berücksichtigung des Schmerzgutachtens Murnau). Der klinische Befund der eigenen Untersuchung vom 09.01.2024 habe weitgehend dem Vorgutachten von E. entsprochen.
Der Sachverständige M. dokumentierte in seinem Gutachten einen linksseitig unsicheren und deutlich hinkenden Gang auf ebenem Boden.
Das Reflexverhalten an oberen und unteren Extremitäten sei unauffällig gewesen, es habe keine Zeichen eines extrapyramidalen Syndroms gegeben. An beiden Beinen seien die Nervendehnungszeichen (Test nach Lasègue und Bragard) negativ gewesen. Eine Störung der Trophik, der Behaarung oder des Nagelwachstums sei nicht feststellbar gewesen. Auch weitere für die von dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin angeführte Diagnose eines komplexen regionalen Schmerzsyndroms CRPS (Complex regional pain syndrome) maßgebliche Budapest-Kriterien (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Auflage, S. 262 ff) lagen nicht und auch zu keinem anderen Zeitpunkt des Verfahrens vor.
Der Sachverständige M. dokumentierte eine links mittelgradig eingeschränkte Beweglichkeit des oberen und unteren linken Sprunggelenks. Beschwerden seien bei Hyperextension im oberen Sprunggelenk geäußert worden. Ein sensibles Defizit sei über dem Rist des Fußes über einer Fläche von ca. 5x10 cm angegeben worden. Die Kraft im Sprunggelenk und im Bereich der Zehen habe sich vollständig bei 5/5 nach Janda gezeigt. Ein Heben/Senken des Fußes sei rechts (20-0-40), links (0-10-30) bei nach der Fachliteratur (Schönberger) Normwerten von 25-0-40 festgestellt worden. Ein Fußrandheben/Fußrandsenken war links zu (3/5) möglich. Im Übrigen stellte der Sachverständige 1 cm Umfangsminderung links oberhalb des Kniegelenkspalts fest und eine Schwellung von ca. 2 cm über dem linken Knöchel. Weiterhin hielt er einen leichtgradigen Druck- und Klopfschmerz am Innen- und Außenknöchel, auch über dem Innen- und Außenband, auch entlang der Peronealsehnen ab Knöchelhöhe und keinen Schmerz an der Achillessehne fest.
Eine Instabilität des linken Sprunggelenks lag nach dem Gutachten des Sachverständigen M. nicht vor: In der Röntgenbildgebung des oberen Sprunggelenks und des linken Fußes links in zwei Ebenen am 09.01.2024 finde sich eine langsame Zunahme der bekannten posttraumatischen Arthrose im Bereich der Fußwurzel und im Gelenk zwischen Fußwurzel und Mittelfuß (Tarso-Matatarsal-Gelenke I bis IV). Die im Verlaufsbericht in der S klinik M-Stadt am 26.07.2017 dokumentierte laterale Instabilität des linken Sprunggelenks finde sich in den klinischen Untersuchungen nicht mehr. Diese finde sich auch nur an einem Untersuchungstag in den Akten wieder (26.07.2017). Eine laterale Instabilität scheide als Unfallfolge aus.
Unter Berücksichtigung dieser Befunde ist eine Erhöhung der MdE von 20 v. H. auf orthopädischem Fachgebiet nicht zu begründen. Die Fachliteratur (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Auflage, S. 715 ff) sieht für eine Bewegungseinschränkung des oberen Sprunggelenks von 0-0-30 Grad eine MdE von 10 (vorliegend bessere Werte) und für einen Kahnbeinbruch mit erheblicher Verformung und Sekundärarthrosis eine MdE von 20 v. H. vor. Folgen von Fußwurzel-, Mittelfußbrüchen mit Fehlstellungen verheilt werden mit einer MdE von 10 - 30 v. H. bewertet. Eine funktionelle Versteifung des oberen Sprunggelenks bei Werten von 5-0-5 Grad wird mit einer MdE von 20 v. H. und Bewegungseinschränkungen im unteren Sprunggelenk mit einer MdE von bis zu 10 v. H. bewertet. Eine Versteifung des unteren Sprunggelenks und des Vorfußes wird mit einer MdE von 25 v. H. bewertet. Erst eine Versteifung des oberen Sprunggelenks in ungünstiger Stellung (Spitzfuß von mehr als 20 Grad oder Hackenfuß von mehr als 10 Grad) wird mit einer MdE von 30 v. H. bewertet.
Auch m Hinblick auf die Schmerzen der Klägerin kann eine Erhöhung der auf orthopädischem Fachgebiet bestehenden MdE von 20 v. H. nicht erfolgen.
"Übliche Schmerzen" stellen ein Begleitsymptom einer körperlich fassbaren Gewebeschädigung bzw. - erkrankung dar. Sie spielen bei der Schmerzbegutachtung keine wesentliche Rolle, da sie in den gängigen Bewertungstabellen für die jeweilige Schädigung bereits berücksichtigt sind. Demgegenüber sind "außergewöhnliche Schmerzen" im Rahmen der Schmerzbegutachtung zusätzlich zur Gewebeschädigung bzw. - erkrankung gesondert zu bewerten, da sie zu einer Funktionsbeeinträchtigung führen, die aus der reinen Gewebeverletzung resultierende Schmerzen deutlich übersteigt.
Die Kausalitätsbeurteilung bei der Begutachtung von Schmerzen folgt den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Grundsätzen (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Auflage, S. 270 ff). Nach einer Verletzung zeigen Schmerzen in der Regel im Verlauf eine gewisse Besserungstendenz. Persistierende bzw. sich im Verlauf verschlimmernde Schmerzen können durch Komplikationen im Heilverlauf (z. B. Pseudoarthrosenbildung, Entwicklung CRPS) hervorgerufen werden, welche dann aber mit charakteristischen Befunden einhergehen, die bei der Klägerin nicht vorliegen.
Vorerkrankungen sind zu berücksichtigen. Bei einem für den erlittenen Gesundheitserstschaden untypischen Verlauf der Schmerzen stellt sich die Frage, inwieweit die Schmerzsymptomatik im Verlauf durch schädigungsunabhängige Gesundheitsstörungen unterhalten wird. Lösen diese den schädigungsrelevanten Erstschaden als wesentliche Ursache der Schmerzsymptomatik ab, spricht man von einer "Verschiebung der Wesensgrundlage".
Anhaltspunkte für rentenrelevante Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem bzw. schmerzmedizinischem Fachgebiet waren nicht gegeben. Bereits das von der Beklagten eingeholte Gutachten auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet von 09.03.2012 von G. stellte eine vorbestehende rezidivierende depressive Symptomatik, seit 2009 behandelt, fest. Der Unfall sei nur Teilursache für eine vorübergehende Verschlechterung gewesen, die aber nach dem Bericht der Psychiatrischen Institutambulanz vom 08.11.2011 vollständig behandelt worden sei. Darüber hinaus bestehende Symptome seien nicht unfallbedingt. Dieses Verwaltungsgutachten wurde durch das von dem Sozialgericht eingeholte Gutachten von R. vom 08.07.2014 bestätigt: Auch sie sah unfallbedingt ebenfalls eine vorübergehende Verschlimmerung, aber seit 20.09.2011 nicht mehr unfallabhängig an, die Wesensgrundlage habe sich verschoben; Auf neurologischem Fachgebiet bestehe keine Gesundheitsstörung im eigentlichen Sinne; Auf psychiatrischem Fachgebiet stellte die Sachverständige eine rezidivierende depressive Störung, derzeit leichtere Episode (F33.0) und chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) fest.
Schließlich hatte die Beklagte ein algesiologisches (schmerzmedizinisches) Gutachten von W., B klinik M-Stadt, vom 26.01.2019 eingeholt. Nach diesem ausführlichen und gut begründeten Gutachten überwiege der nozizeptive Schmerz. Die vorliegende chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41) sei überwiegend auf unfallunabhängige Faktoren zurückzuführen; eine multimodale Schmerztherapie sei nie eingeleitet worden (eine Schmerztherapie ist dann 2021 erfolgt). Der Schmerz sei als Begleitsyndrom der Gewebeschädigung zu werten. Ein außergewöhnlicher Schmerz im eigentlichen Sinne bestehe nicht.
Unter diesen Umständen war ein weiteres Gutachten weder - wie von dem Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung beantragt - auf neurologischem Fachgebiet noch auf psychiatrischem und/oder schmerzmedizinischem Fachgebiet einzuholen. Der Beweisantrag hinsichtlich eines rein neurologischen Gutachtens war in Bezug auf die Schmerzen bereits ungeeignet, da keine Hinweise für Unfallfolgen auf rein neurologischem Fachgebiet in rentenrelevantem Ausmaß bestanden. Die festgestellte Teilläsion des N. peroneus (für Fußhebung zuständig) ist eine sich mit den orthopädischen Funktionseinschränkungen überschneidende Folge und keine ausreichende Erklärung für das Schmerzerleben der Klägerin.
Die Frakturen sind verheilt. Die Klägerin leidet glaubhaft und unzweifelhaft unter Schmerzen, jedoch unfallbedingt nicht in einem außergewöhnlichen Ausmaß, welches gesondert mit einer Einzel-MdE festzustellen wäre. Nur unfallbedingte Schmerzen in einem außergewöhnlichen Ausmaß könnten eine eigenständige MdE auf schmerzmedizinischem Fachgebiet begründen. Von drei Sachverständigen wurde eine unfallunabhängige Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren festgestellt, die maßgeblich für das besondere Schmerzerleben der Klägerin sei. Befunde, die fundiert und substantiiert eine Unfallbedingtheit der Schmerzen begründen, liegen nicht vor. Eine PTBS wurde von keinem der Sachverständigen festgestellt. Aus Sicht der Kammer wäre diesbezüglich bereits das hierfür notwendige A-Kriterium zweifelhaft: Als mögliche Auslöser für die Entwicklung einer PTBS werden u. a. lebensbedrohliche Verkehrsunfälle, schwere Arbeitsunfälle, Missbrauchserlebnisse und Vergewaltigungen sowie das Erleben von schwerer körperlicher Gewalt und Folter genannt (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 10. Auflage, S. 204 ff).
Im Hinblick auf die LWS-Beschwerden wird unabhängig von deren Einordnung als unfallunabhängig nach der Theorie der wesentlichen Bedingung (insoweit folgte die Kammer den Ausführungen des Sachverständigen M.) darauf hingewiesen, dass keine für eine Rentenerhöhung relevanten Funktionseinschränkungen dokumentiert wurden (beidseits paravertebraler Druckschmerz im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsegmente, Druckschmerz im Bereich der Dornfortsätze; Rückneigung, Seitneigung sowie Rotation des Oberkörpers zeigte in der aktiven und passiven Bewegungsumfangprüfung eine nur leichtgradige Einschränkung; Fingerbodenabstand mit 0 cm demonstrierbar; weder radikuläre Reiz-/kompressionszeichen der Nervenwurzel noch pseudoradikuläre Symptomatik; Beweglichkeit: Seitneigung je 35 Grad (Normwert: 30-40 Grad) und Drehen je 40 Grad (Normwert: 30-50 Grad)) .
3. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 193 SGG und folgt der Klageabweisung in der Hauptsache.