S 49 BA 93/24 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Betriebsprüfungen
Abteilung
49
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 49 BA 93/24 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 8 BA 139/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Bild entfernt.

 

Sozialgericht Düsseldorf

 

Az.: S 49 BA 93/24 ER

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beschluss

In dem Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes

 

 

Antragstellerin

Proz.-Bev.:
gegen

Antragsgegnerin

 

hat die 49. Kammer des Sozialgerichts Düsseldorf am 30.09.2024 durch die Vorsitzende, die Richterin am Sozialgericht ……, beschlossen:

 

Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 10.01.2024 hinsichtlich des Bescheides der Antragsgegnerin vom 08.01.2024 anzuordnen, wird abgelehnt.

 

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

 

Der Streitwert wird auf 973.794,25 Euro  endgültig festgesetzt.

 

Gründe:

 

I.

Die Beteiligten streiten über eine Beitragsnachforderung für den Zeitraum vom 01.12.20217 bis 31.10.2022 in einer Gesamthöhe von 3.895.177,00 Euro, wobei Säumniszuschläge i.H.v. 1.153.972,00 Euro enthalten sind.  Die Antragstellerin ist eine …… in Liquidation. Geschäftsmodell der Antragstellerin war es u. a. Pächterin von Toilettenanlagen bei großen Kaufhausketten (…… und ……) zu sein. Jede dieser Toilettenanlagen wurde als selbständiger Pachtgegenstand betrachtet. Ausweislich des Pachtvertrages war die Antragstellerin berechtigt, die Pachtgegenstände jeweils selbst zu bewirtschaften oder unterzuverpachten.  Die Antragstellerin war seit der Gründung im Jahr 2011 mit dem Gebäudereinigerhandwerk in die Handwerksrolle eingetragen.

Der Pachtvertrag der Antragstellerin mit der …… GmbH & Co.KG …… hat folgende Einzelheiten

„(…)

Pächterin wird die sich aus diesem Vertrag ergebenden Rechte, Pflichten und Obliegenheiten dementsprechend entweder selbst oder die Unterpächter wahrnehmen. Im Falle der Unterverpachtung ist die Pächterin verpflichtet, die sie treffenden vertraglichen Verpflichtungen aus diesem Vertrag auch im Verhältnis zu den Unterpächtern zu regeln. Die Pächterin haftet für Verletzungen der vertraglichen Pflichten aus dem vorliegenden Vertrag durch Unterpächter wie für eigenes Verschulden.

(3) Verpächter und Pächterin haben jeden Pachtgegenstand gemeinsam eingehend besichtigt. Die Pächterin übernimmt jeden Pachtgegenstand wie er steht und liegt. Die Pächterin verpflichtet sich, jeden Pachtgegenstand und die jeweils dazu gehörenden gemeinschaftlichen Einrichtungen schonend und pfleglich zu behandeln und eventuelle Schäden, Betriebsstörungen o.ä., insbesondere Schäden an Wasser- und Abwasserleitungen, unverzüglich der jeweiligen Filialorganisation zu melden.

(4) Die Pachtgegenstände werden zum Zwecke des Betriebes von Kunden-Toilettenanlagen verpachtet. Die Pächterin darf Kunden in angemessener Weise darauf hinweisen, dass der Pachtgegenstand von ihr bewirtschaftet wird. Die Pächterin wird die Pachtgegenstände ausschließlich zur Erwirtschaftung von Erträgen aus den Toilettenanlagen nutzen. Die Pächterin darf von den Toiletten-Nutzern ein Entgelt annehmen, aber nicht fordern. Geleistete Zahlungen der Kunden stehen in vollem Umfang der Pächterin zu. Die steuerliche Abwicklung derartiger Gelder ist keine Sache des Verpächters. (5) Die Pächterin hat für die ausreichende Belüftung, ordnungsgemäße Reinigung und Beheizung der Pachträume Sorge zu tragen.

 (6) Einsatz von Arbeitskräften, Geräte und Maschinen, zur Bewirtschaftung ist Sache der Pächterin. Strom, Wasser, Reinigungs- und Pflegemittel stellt der Verpächter unentgeltlich zur Verfügung; die Pächterin verpflichtet sich zur sparsamen Verwendung. Ansprechpartner der Pächterin, um bei Vertragsstörungen insbesondere im Falle der Unterverpachtung entsprechende Anzeigen des Verpächters entgegenzunehmen, ist:

Tel.:

(7) Sofern die Pächterin in dem Pachtobjekt Personal beschäftigt, verpflichtet sie sich gegenüber dem Verpächter zur ordnungsgemäßen Einhaltung aller einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen. Die Pächterin sichert insbesondere zu, die Rechtsnormen von anzuwendenden allgemeinverbindlichen Rahmen- und Entgelt-bzw. Lohntarifverträgen in der jeweils gültigen Fassung, welche die Mindestentgelte einschließlich der Überstunden oder die Dauer des Erholungsurlaubs, das Urlaubsentgelt oder ein Urlaubsgeld zum Gegenstand haben, auf die Arbeitsverträge mit seinem im Pachtobjekt beschäftigten Arbeitnehmern anzuwenden bzw. den für den im Pachtobjekt unterhaltenen Betrieb des Pächters jeweils gültigen Mindestlohn pro Stunde zu zahlen. Die Pächterin muss Mitglied der zuständigen Berufsunfallgenossenschaft sein, Unfallverhütungsvorschriften und Arbeitsschutzvorschriften sowie die bestehenden steuer- und sozialversicherungsrechtlichen Bestimmungen einschließlich der Meldevorschriften für geringfügig Beschäftigte müssen beachtet werden. Soweit das Arbeitnehmerentsendegesetz oder allgemeinverbindliche Tarifverträge Anwendung findet, hat die Pächterin dem Verpächter plausibel zu machen, dass unter Berücksichtigung des Reinigungsaufwandes und der Einnahmen aus Trinkgeldern eine hiernach erforderliche tarifliche Bezahlung von Mitarbeitern gewährleistet ist. Sofern sich Hinweise auf die Nichteinhaltung dieser Vorgaben ergeben, ist der Verpächter unverzüglich zu informieren. Der Verpächter ist berechtigt, bei entsprechenden Verdachtsmomenten Nachweise zu verlangen.

(8) Der Verpächter darf die Pachträume betreten, wenn und soweit dies zur Verwaltung des Warenhauses erforderlich ist. Er hat sich vorher anzumelden. Er darf das Recht auch durch Beauftragte und Bevollmächtigte ausüben lassen und durch diese notwendige Arbeiten an den Pachträumen ausführen lassen.

(9) Die Pächterin ist verpflichtet, bauliche Änderungen des Verpächters, die zur Erhaltung oder Modernisierung der Pachträume, des Gebäudes bzw. der Wirtschaftseinheit oder zur Abwendung drohender Gefahren oder zur Beseitigung von Schäden notwendig sind, zu dulden. Die Pächterin ist zu baulichen und sonstigen Veränderungen und zur Schaffung neuer Einrichtungen nur nach vorheriger Zustimmung des Verpächters berechtigt.

(…)“.

Laut der in den Beweisstücken abgelegten Adressenliste stand die …… …. mit bis zu 58 …… Filialen in vertraglichen Verhältnissen.

Der Vertrag zwischen der Antragstellerin und der ……, …… hat u.a. folgenden Inhalt:

„(…)

Der Auftragnehmer ist gegenüber dem Auftraggeber verpflichtet, die übertragenen sanitären Anlagen während der gesamten Öffnungszeiten des Ladengeschäftes durchgehend hygienisch sauber und im einwandfreien Zustand zu halten. Er hat darauf zu achten, dass immer ausreichend Papier und Handtücher vorhanden sind und die Papierkörbe stets geleert sind. Er hat falls nötig, für zusätzliche Lüftung zu sorgen.

Die Betreuung kann von dem Auftragnehmer selbst vorgenommen werden; er ist auch berechtigt, insoweit einen Subunternehmer einzusetzen; er bleibt jedoch für die ordnungsgemäße Auswahl und die Beaufsichtigung des Subunternehmers gegenüber dem Auftraggeber verantwortlich.

Der Auftragnehmer informiert seine Mitarbeiter oder die von ihm eingesetzten Subunternehmer über die Verpflichtung, etwaige Trinkgelder und sonstige Einnahmen zu versteuern. Soweit ein Subunternehmer eingesetzt wird, ist dieser gemäß § 2 Ziffer 9 5GB VI darauf hingewiesen, dass Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen sowie regelmäßig im Wesentlichen nur für einen Auftraggeber tätig sind, als versicherungspflichtig gelten und gehalten sind, sich bei den zuständigen Sozialversicherungsträgern selbst zu versichern.

Der Unternehmer ist für die fortwährende Unterhaltsreinigung zuständig. Soweit der Auftragnehmer Subunternehmer einsetzt, werden diese hinsichtlich der einwandfreien Ausführung der ihnen übertragenen Aufgaben vom Auftragnehmer überwacht. Soweit ein Subunternehmer vom Auftragnehmer eingesetzt wird, besteht zwischen Ihm und der …… …… eine schriftliche Vereinbarung, die bei Bedarf dem Auftraggeber vorgelegt werden kann. Alle Subunternehmer sind namentlich vor Ihrem Einsatz dem Auftraggeber zu benennen. Strom und Wasser stellt der Auftraggeber unentgeltlich zur Verfügung. Der Auftragnehmer stellte eine ordentliche Dienstleistung zur Verfügung. Die Subunternehmer haben stets gepflegt zu erscheinen.

Sowohl die Mitarbeiter des Auftragnehmers als auch die von diesem eingesetzten Subunternehmer werden die jeweilige Hausordnung des Auftraggebers akzeptieren, soweit diese dem üblichen Standard entspricht. Sie unterwerfen sich ferner den Sicherungsanforderungen des Auftraggebers.

Der Auftragnehmer trägt dafür Sorge, dass die eigenen Mitarbeiter oder der Subunternehmer bei der Betreuung der Sanitäranlagen die vereinbarten Zeiten einhalten.

Der Auftraggeber zahlt für die Betreuung an den Auftragnehmer monatlich einen Betrag in Höhe von XXXXXX € (in Worten: XXXXXX ) gegen Rechnungserstellung. Zahlungen sind jeweils am letzten eines Monats fällig und erfolgt per Überweisung auf das nachfolgende Konto:

IBAN: DEXXXXXX BIC: XXXXXX ……

Rechnungsstellung hat jeweils bis zur Mitte eines Monats durch den Auftragnehmer zu erfolgen. Der Auftragnehmer verpflichtet sich ferner, dafür Sorge zu tragen, dass die Kunden des Auftraggebers höflich und zuvorkommend behandelt werden. Beschwerden, Streitigkeiten oder Klagen sollen unter allen Umständen vermieden werden. Bei Verfehlungen des Mitarbeiters des Unternehmers bzw. Subunternehmers ist er bzw. hat er seinen Subunternehmer zu verpflichten, diesen auf erstes Anfordern auszutauschen. Es ist beiden Vertragsparteien untersagt, oben genannte Dienstleistungen außerhalb der vertraglichen Vereinbarung ausführen zu lassen.

Der Auftragnehmer haftet für Schäden, die von ihm selbst, seinen Mitarbeitern oder durch den von ihm beauftragten Subunternehmer — schuldhaft — verursacht worden sind. Auch für Schäden des Auftraggebers, die durch Einbruch, Diebstahl oder Beschädigung durch Mitarbeiter des Unternehmers und des Subunternehmers entstehen können, übernimmt der

Auftraggeber die Haftung, bei Waren auf den Verkaufswert.

Der Auftraggeber sichert zu, dass er den Auftragnehmer von allen Haftungen im Innen- und Außenverhältnis aus dem Mindestlohngesetz freistellt.

Die …… …… bringt nach Absprache mit dem Auftraggeber ein Schild im Sanitärbereich an, das folgenden Text haben wird:

Wir bieten Ihnen den Service einer sauberen und ordentlichen Toilette an. Über einen kleinen Obolus würde sich die Servicekraft sehr freuen.

Der Vertrag beginnt am 15.06.2015 und ist nicht befristet. Beide Parteien haben das Recht, den Vertrag mit monatlicher Frist zum Monatsende zu kündigen. Kündigungen bedürfen grundsätzlich der Schriftform an die den Vertragspartnern bekannte Adresse.

Sollten durch diesen Vertrag mehrere Objekte betreut werden, so gilt die Kündigungsfrist auch für hieraus resultierende Einzelobjekte. (…)“.

 „(…)

Lt. Mitteilung der Firma …… handelte es sich um Betriebsstätten in 7 Filialen, die mit der Antragstellerin in Verbindung standen.

Die Antragstellerin schloss zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus den vorgenannten Verträgen mit einer Vielzahl von Personen ihrerseits vertragliche Vereinbarungen mit folgendem Inhalt:

Zwischen …… . …… …… ……

-nachfolgend „Unternehmer“ genannt-

und

-nachfolgend „Subunternehmer“ genannt - wird folgende Vereinbarung geschlossen:

Der Unternehmer gibt dem Subunternehmer nachfolgende Tätigkeiten an die Hand: a) Betreuung und Reinigung der sanitären Anlagen

Der Subunternehmer verpflichtet sich, dass von ihm betriebene selbständige Gewerbe gegenüber den zuständigen Behörden anzumelden und die Anmeldung des selbständigen Gewerbes dem Unternehmer schriftlich und durch entsprechende Belege (Gewerbeanmeldung) nachzuweisen. Der Unternehmer hat keine Zahlungen an den Subunternehmer zu leisten; der Subunternehmer ist dem Unternehmer gegenüber auch nicht zu Zahlungen verpflichtet.

Einnahmen, die aus dem Bereich der Pflege der Sanitäranlagen entstehen, wie z.B. Trinkgelder, stehen dem Subunternehmer allein zu; sie sind durch den Subunternehmer dem Finanzamt mitzuteilen und von diesem entsprechend zu versteuern.

Der Subunternehmer ist darauf hingewiesen, dass gemäß § 2 Ziffer 9 SGB VI Personen, die im Zusammenhang mit ihrer selbständigen Tätigkeit mit Ausnahme von Familienangehörigen keine versicherungspflichtigen Arbeitnehmer beschäftigen sowie regelmäßig im wesentlichem nur für einen Auftraggeber tätig sind, als versicherungspflichtig gelten und gehalten sind, sich bei den zuständigen Sozialversicherungsträgern selbst zu versichern. Er sichert insbesondere zu, dass er die Bestimmungen des Mindestlohngesetzes einhält und den Unternehmer von allen Haftungen im Innen- und Außenverhältnis aus dem Mindestlohngesetz freistellt.

Es ist klargestellt, dass der Unternehmer nicht für Unfälle haftet, die im Bereich der Tätigkeit des Subunternehmers im Sanitärbereich entstehen. Der Subunternehmer hat den Sanitärbereich, auf den sich seine Tätigkeit erstreckt, besichtigt und überprüft. Er bestätigt, dass dieser Sanitärbereich sich in einem ordnungsgemäßen und vertragsgerechten Zustand befindet.

Der Subunternehmer sichert zu, dass er in einem gepflegten und seriösen Outfit seine Tätigkeit ausübt. Er hat auf jeden Fall Ersatz zu besorgen, wenn er aus Gründen der Krankheit oder des Urlaubes verhindert ist.

Der Unternehmer hat sich gegenüber seinen Kunden verpflichtet, nur seriösen Subunternehmern die Objekte an die Hand zu geben. Der Unternehmer ist berechtigt, dem Subunternehmer das Objekt zu entziehen, wenn der Subunternehmer seinen Verpflichtungen nicht nachkommt.

In seiner Tätigkeit ist der Subunternehmer weisungsfrei. Er ist als selbständiger Gewerbetreibender bezüglich der Art und Weise, der Zeit und Dauer der Dienstleistungen an Weisungen nicht gebunden. Die Entscheidungen darüber, ob er Urlaub nehmen will und wann dies geschieht, liegt allein beim Subunternehmer. Bei der Ausübung seiner Tätigkeit hat der Subunternehmer die Interessen des Unternehmers mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes zu betrachten.

Der Subunternehmer ist nicht verpflichtet, höchstpersönlich tätig zu werden; er kann sich hierzu auch der Hilfe von anderen Arbeitnehmern bedienen, er ist jedoch gegenüber dem Unternehmer verpflichtet, die fachliche Qualifikation und die Zuverlässigkeit dieser Arbeitnehmer sicherzustellen.

Der Unternehmer hat dem Subunternehmer die zur Ausübung seiner Tätigkeit erforderlichen Unterlagen unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, jeweils zu ergänzen und auf den neusten Stand zu halten. Diese Unterlagen bleiben Eigentum des Unternehmers, sowie sie nicht bestimmungsgemäß verbraucht sind.

Der Unternehmer wird dem Umstand Rechnung tragen, dass der Subunternehmer selbständig ist. Andererseits hat der Unternehmer den Subunternehmer bei der Ausführung seiner Tätigkeit nach besten Kräften zu unterstützen und ihm stets die erforderlichen Nachrichten und Auskünfte zu geben.

Der Subunternehmer hat über die Geschäftsgeheimnisse, die ihm während seiner Tätigkeit bekannt werden, insbesondere über die Auftraggeber seines Unternehmers, Dritten gegenüber Stillschweigen zu bewahren. Dies gilt auch für die Zeit nach Beendigung des Vertrages.

Der Subunternehmer verpflichtet sich gegenüber dem Unternehmer, keine Geschäfte auf eigene Rechnung mit dem Kunden des Unternehmers abzuschließen.

Der Subunternehmer verpflichtet sich, für jeden durch ihn abgeworbenen Kunden des Unternehmers dem Unternehmer XXX % seines jeweiligen Jahresumsatzes zu zahlen.

(…)“.

Kontrollbeamte des …… …… hatten am 23.03.2021, 26.03.2021, 09.06.2021 und 24.02.2022 Kontrollen in den Kaufhäusern von …… sowie …… in …… durchgeführt. Bei den Kontrollen wurden Personen bei der Ausübung von Gebäudereinigungsarbeiten in den Toiletten der o.g. Kaufhäusern arbeitend angetroffen. Die Personen gaben an, im Auftrag der Firma ………… Reinigungsarbeiten in den Toiletten der Firma …… bzw. …… auszuführen.

Die Arbeiten werden nach Angaben der Angetroffenen im Rahmen einer selbständigen Tätigkeit als Subunternehmer ausgeübt. Einen dementsprechend lautenden Subunternehmervertrag legten die Betroffenen den Kontrollbeamten vor. Den Kontrollbeamten wurde übereinstimmend angegeben, dass lediglich der Trinkgeldbetrag einbehalten werden darf. Eine Entlohnung durch die Antragstellerin fand insoweit nicht statt. Eine Meldung der angetroffenen Personen zur Sozialversicherung wurde durch Ihre Firma nicht vorgenommen. Ermittlungen der …… …… ergaben, dass keine der Reinigungskräfte eine gewerberechtliche Anmeldung vorgenommen hatte. Nach übereinstimmenden Angaben der Befragten verfügt keiner der Angetroffenen über einen eigenen Betriebssitz. Auf Befragen gaben die Personen an, über keine eigene Buchhaltung o.ä. zu verfügen. Ermittlungen über die zuständigen Finanzämter ergaben, dass die angetroffenen Personen nicht als Selbständige steuerlich geführt werden. Die Angetroffenen teilten mit, arbeitstäglich Beträge zwischen 25,00 Euro und 60,00 Euro zu vereinnahmen.

Die angetroffenen Personen wurden jeweils zeugenschaftlich vernommen. Es fanden Durchsuchungen bei der Antragstellerin statt. Die Unterlagen wurden ausgewertet.

Nachdem der Antragsgegnerin eine Anfrage zur Fertigung einer gutachterlichen Stellungnahme über das …… …… übersandt wurde, führte die Antragsgegnerin bei der Antragstellerin eine Betriebsprüfung (Beginn 12.09.2023) für den Prüfzeitraum 01..1202.17 bis 31..10.2022 durch. Die Antragstellerin wurde unter dem 09.10.2023 angehört. Der streitgegenständliche Bescheid wurde am 08.01.2024 erlassen. Widerspruch wurde zwei Tage durch die Antragstellerin eingelegt. Zur Begründung trug die Antragstellerin – bereits vertreten durch die jetzigen Verfahrensbevollmächtigten vor – fehlende Betriebs- und Produktionsmittel seien kein taugliches Abgrenzungskriterium. Bei reinen Dienstleitungen – wie vorliegend – sei eine unternehmerische Tätigkeit nicht mit größeren Investitionen in Werkzeug, Arbeitsgerät oder Material verbunden. Die Höhe des zu erzielenden Trinkgeldes sei durch die Art der Reinigung und der Freundlichkeit und Höflichkeit beeinflussbar. Auch die weiteren aufgestellten Kriterien seien nicht geeignet, eine abhängige Beschäftigung zu konstruieren.

Da der angefochtene Bescheid rechtswidrig sei, zumindest aber begründete Zweifel an der Rechtmäßigkeit bestehen, könne der Antragstellerin nicht zugemutet werden, die festgesetzten Beträge und die Säumniszuschläge zu zahlen. Es handele sich auch um Beträge im Millionenbereich. Der Vollzug des angefochtenen Bescheides sei auszusetzen.

 

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 08.01.2024 auszusetzen.

 

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitig zu der Gerichtsakte gereichten Schriftsätze und Unterlagen, den weiteren Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

 

 

II.

Der zulässige Antrag ist nicht begründet.

 

Nach § 86 b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Ist der Verwaltungsakt zum Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen.

Der Widerspruch der Antragstellerin hat kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung. Zwar haben nach § 86 a Abs. 1 Satz 1 SGG Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung entfällt jedoch gemäß § 86 a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten sowie der Anforderung von Beiträgen, Umlagen und sonstigen öffentlichen Abgaben einschließlich der darauf entfallenden Nebenkosten.

Die Entscheidung nach § 86 b Abs. 1 Nr. 2 SGG steht im Ermessen des Gerichts und erfolgt auf der Grundlage einer Interessenabwägung. Abzuwägen sind das private Interesse des Antragstellers, vom Vollzug des Verwaltungsaktes bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verschont zu bleiben und das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Bescheide. Erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtmäßig, überwiegt in der Regel das Vollzugsinteresse. Ist dagegen offensichtlich, dass der angefochtene Bescheid rechtswidrig ist, überwiegt das private Aussetzungsinteresse. Am sofortigen Vollzug eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes besteht kein überwiegendes öffentliches Interesse. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil sich bei einer summarischen Beurteilung der Widerspruch weder als offensichtlich erfolgsversprechend noch als offensichtlich aussichtslos erweist, so hat eine Abwägung aller wechselseitiger Interessen zu erfolgen.

 

Ausgehend davon ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht anzuordnen. Unter Heranziehung dieser maßgeblichen Kriterien bestehen keine überwiegenden Zweifel an die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides. Rechtsgrundlage des Bescheides ist § 28 p Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 SGG IV.

 

Im streitigen Zeitraum unterlagen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt waren, der Versicherungspflicht in der Renten- und Arbeitslosenversicherung (§ 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI, § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB III) sowie der Kranken- und Pflegeversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Satz 2 Nr. 1 SGB IX).

Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer (abhängigen) Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV). Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisung und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV).

Zur Abgrenzung von Beschäftigung und Selbstständigkeit ist regelmäßig vom - wahren und wirksamen - Inhalt der zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarungen auszugehen. Auf dieser Grundlage ist eine wertende Zuordnung des Rechtsverhältnisses zum Typus der abhängigen Beschäftigung oder selbstständigen Tätigkeit vorzunehmen und in einem weiteren Schritt zu prüfen, ob besondere Umstände vorliegen, die eine hiervon abweichende Beurteilung notwendig machen (vgl. BSG, Urteil v. 24.3.2016, Az.: B 12 KR 20/14 R).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des Gerichts aufgrund der festgestellten abgrenzungsrelevanten Indizien und nach Gesamtabwägung aller Umstände des Einzelfalles entsprechend ihrem Gewicht sowohl in vertraglicher als auch in tatsächlicher Hinsicht fest, dass die Personen in dem vom angefochtenen Bescheid erfassten Zeitraum im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses für die Antragstellerin tätig geworden sind.

Ausgangspunkt der Statusbeurteilung ist dabei das praktizierte Vertragsverhältnis der Beteiligten, wie es sich aus den getroffenen Vereinbarungen ergibt bzw. - sofern solche nicht festgestellt werden können - aus der gelebten Beziehung erschließen lässt. Dabei wurden die Toilettenreingiungskräfte im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses für die Antragstellerin tätig.

Im Rahmen der maßgeblich heranzuziehenden Vereinbarung sind die Vertragsparteien inhaltlich übereingekommen, dass die Toilettenreinigungsklärfte zeitlich unbefristet regelmäßig Leistungen in dem Bereich Betreuung und Reinigung der sanitären Anlagen in einem Kaufhausobjekt ausführt. Dafür konnte er die Einnahme, die aus dem Bereich der Pflege der Sanitäranlagen entstehen (namentlich Trinkgelder) behalten bzw. standen der Reinigungskraft allein zu.

Die Reinigungskräfte waren i.S.v. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV in der für sie fremden, einseitig durch die Antragstellerin vorgegebenen Arbeitsorganisation tätig. Eine dienende Teilhabe am Arbeitsprozess im Sinne abhängiger Beschäftigung liegt in der Regel vor, wenn das Arbeitsziel und der betriebliche Rahmen von dem Auftraggeber gestellt oder auf seine Rechnung organisiert werden. Sie kann selbst dann noch gegeben sein, wenn lediglich der Geschäfts- oder Betriebszweck vorgegeben und es dem Beschäftigten überlassen wird, welche Mittel er zur Erreichung der Ziele einsetzt (vgl. Segebrecht, in: jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 7, Rdnr. 87 ff. m.w.N.).

Das ist hier der Fall. Die Reinigungskräfte waren zur Ausführung der Reinigungsarbeiten ausschließlich in den Toilettenräumlichkeiten des Verpächters der Antragstellerin zur Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten diesem gegenüber tätig geworden und hat bei der Ausführung der vereinbarten Dienstleistungen auf die bereitgestellten Betriebsmittel zurückgegriffen. Die Antragstellerin hat ihr insofern nicht nur das Reinigungsobjekt als solches, sondern unstrittig auch die Reinigungsutensilien zur Verfügung gestellt. Denn dies war Aufgabe der Antragstellering als Pächterin. Sie hat entsprechend auch Toilettenpapier und Handtücher zur Verfügung zu stellen gehabt. Sie hat auch dafür Sorge zu tragen, dass Reinigungskräfte ordentlich und seriös gekleidet, ihre Tätigkeit verrichteten.  

Für eine Eingliederung der Reinigungskräfte in die von Antragstellerin, dass  über Reklamationen etc. über die Antragstellerin lief und diese gegenüber ihren Vertragspartnern für die ordnungsgemäße vertragliche Pflichterfüllung verantwortlich und auch im Außenverhältnis haftbar war. . Die Beanstandungen wurden sodann der Reinigungskraft mitgeteilt.

Unerheblich ist dabei, dass die Reinigungsarbeiten aus tatsächlichen Gründen zwingend in den Räumlichkeiten des Objektes zu erbringen gewesen sind. Eine tatsächliche bestehende Eingliederung in den Betrieb eines Dienstherrn tritt nicht deshalb in ihrer Bedeutung zurück, weil sie (auch) in der Eigenart der zu erbringenden Leistung begründet ist nach höchstrichterlich Rechtsprechung.

Die Reinigungskräfte unterlagen im Rahmen der hier zu beurteilenden Reinigungsarbeiten einem Weisungsrecht der Antragstellerin bezüglich Ort, Zeit sowie Art und Weise der Tätigkeit.

Nach der höchstrichterlichen arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung arbeitet weisungsgebunden, wer - im Umkehrschluss zu § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB - nicht im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Die Einschränkungen der Gestaltungsfreiheit müssen nicht auf einzelnen Anordnungen des Arbeitgebers beruhen. Eigenverantwortlichkeit und inhaltliche Freiheiten bei der Aufgabenerfüllung sind erst dann ein aussagekräftiges Indiz für Selbständigkeit, wenn sie nicht mehr innerhalb des Rahmens einer derartigen dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess zu verorten sind und insbesondere eigennützig durch den Auftragnehmer zur Steigerung seiner Verdienstchancen eingesetzt werden können. Die Beurteilung hängt dabei auch von der Art der jeweiligen Tätigkeit ab. Größere Spielräume, die auch abhängig Beschäftigten aufgrund der Natur ihrer Tätigkeit zustehen, können dabei nicht als maßgebendes Kriterium für die Abgrenzung von selbständiger Tätigkeit von abhängiger Beschäftigung herangezogen werden (LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil v. 15.2.2017, Az.: L 8 R 86/13).

Nach den insofern getroffenen Vereinbarungen waren die Reinigungskraft verpflichtet, während der Öffnungszeiten der Kaufhäuser die ihr von der Antragstellerin zugewiesenen sanitären Anlagen zu reinigen. Eine substanzielle zeitliche Flexibilität im Sinne einer im Wesentlichen frei gestalteten Arbeitszeit ist innerhalb dieses zeitlichen Rahmens nicht ersichtlich. Der geschuldete Leistungsort ergab sich aus der Tätigkeit selbst. Ihre Art und Weise gab die Antragstellerin insoweit vor, als ein ordnungsgemäßes Reinigungsergebnis sicherzustellen war. Zudem wurden Reklamationen und Beanstandungen über die Antragstellerin an die Reinigungskräfte herangetragen und weitergegeben, mit der Auflage, diese zu beheben.  Ob und ggf. inwieweit die Antragstellerin darüber hinaus Anweisungen zur konkreten Reinigungstechnik erteilt hat, bedurfte keiner weitergehenden Aufklärung. Es ist unerheblich, ob die Reinigungskräfte ihren Aufgabenbereich alleinverantwortlich und regelmäßig ohne Weisungen ausgeführt hat. Denn der (Nicht-) Gebrauch bestehender Weisungsbefugnisse ist unbeachtlich, weil die versicherungsrechtliche Beurteilung sonst wesentlich davon abhinge, ob die Tätigkeit aus Sicht des Rechtsmachtinhabers beanstandungsfrei ausgeübt wurde (vgl. LSG NRW, Urteil v. 25.3.2010, Az.: L 16 (5) KR 190/08, LSG NRW, Urteil v. 30.4.2014, L 8 R 981/12). Gerade vor dem Hintergrund der längerfristigen Rechtsbeziehung zwischen Antragstellerin und  den Reinigungskräfte und der gewonnenen Arbeitsroutine sowie der Natur der Tätigkeit ist die Annahme lebensfremd, dass ständige Weisungen der Antragstellerin hinsichtlich der Art der Tätigkeit erforderlich waren.

Wesentliche Merkmale, die für eine selbstständige Tätigkeit sprechen und im Rahmen der Gesamtabwägung dermaßen überwiegen, dass nicht von einer abhängigen Beschäftigung auszugehen ist, sind nicht ersichtlich.

Die Reinigungskräfte verfügten für das zu betrachtende Vertragsverhältnis im Streitzeitraum nicht über eine eigene, von dem Betrieb der Antragstellerin unabhängig bestehende Betriebsstätte.

Soweit die Reinigungskräfte nicht verpflichtet gewesen sind, die Leistungen persönlich zu erbringen, ist diesem Gesichtspunkt im Rahmen der Gesamtabwägung kein maßgebliches Gewicht beizumessen. Zwar haben nach der Rechtsprechung des BSG Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl. BSG, Urteil v. 18.12.2001, Az.: B 12 KR 8/01 R), sodass daraus grundsätzlich ein Indiz für ein Arbeitsverhältnis folgt. Da nach § 613 Satz 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste demgegenüber nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen (BAG, Urteil v. 19.11.1997, Az.: 5 AZR 653/96, BAGE 87, 129). Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt aber nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses spricht (vgl. BSG, Urteil v. 17.12.2014, Az.: B 12 R 13/13 R). Der dadurch ggf. geschaffene Gestaltungsspielraum der Reinigungskräfte hat vorliegend das Gesamtbild der Tätigkeit nicht geprägt. Dass von diesem Recht im maßgeblichen Umfang Gebrauch gemacht wurde, ist auch nicht ersichtlich. Nur in vereinzelten Fällen wurden Freunde oder Bekannte eingesetzt. Wenn und soweit einzelne Reinigungskräfte über eine Gewerbeanmeldung verfügten, hat dies nicht die Relevanz, die die Antragstellerin dieser beimisst.. Dieses formale Kriterium spricht nicht entscheidend für eine selbstständige Tätigkeit, da es für die Beurteilung der tatsächlichen Ausgestaltung der zu beurteilenden Tätigkeit ohne wesentliche Aussagekraft ist. Der sozialversicherungsrechtliche Status eines Betriebsinhabers wird seitens der Gewerbeaufsicht nicht geprüft (LSG NRW, Urteil v. 17.12.2014, Az.: L 8 R 463/11und Urteil v. 11.5.2016, Az.: L 8 R 975/12).

In Bezug auf die ausgeübte Tätigkeit unterlagen die Reinigungskräfte auch keinem ausschlaggebenden unternehmerischen Risiko. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung ist maßgebliches Kriterium hierfür, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der tatsächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist. Erforderlich ist ein Risiko, das über das Risiko hinausgeht, für den Arbeitseinsatz kein (oder kaum) Entgelt zu erzielen. Dies war vorliegend nicht der Fall. Das Risiko der Reinigungskräfte ging über das Risiko kein oder kaum Entgelt zu erzielen, nicht hinaus. Ein maßgeblicher Kapitaleinsatz der Reinigungskräfte ist nicht erkennbar. Nicht erheblich ist ebenso, dass kein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei Krankheit und Urlaub bestand. Vertragsklauseln, die darauf gerichtet sind, an den Arbeitnehmer bzw. Beschäftigtenstatus anknüpfende arbeits-, steuer- und sozialrechtliche Regelungen abzubedingen bzw. zu vermeiden, lassen, auch wenn sie in der Praxis tatsächlich umgesetzt werden, ausschließlich Rückschlüsse auf den Willen der Vertragsparteien, Beschäftigung auszuschließen, zu. Darüber hinaus haben sie bei der im Rahmen des § 7 Abs. 1 SGB IV vorzunehmenden Gesamtabwägung keine eigenständige Bedeutung. Vielmehr setzen sie bereits das Fehlen des Status als Arbeitnehmer bzw. Beschäftigter voraus und sind daher eher Folge einer rechtsirrigen Statuseinschätzung als Indiz für eine solche. Allein die Belastung eines Erwerbstätigen, der im Übrigen nach der tatsächlichen Gestaltung des gegenseitigen Verhältnisses als abhängig Beschäftigter anzusehen ist, mit zusätzlichen Risiken rechtfertigt nicht die Annahme von Selbstständigkeit im Rechtssinne. Abgesehen davon ist die Überbürdung sozialer Risiken abweichend von der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung nur dann ein gewichtiges Indiz für unternehmerisches Handeln, wenn damit auch tatsächliche Chancen einer Einkommenserzielung verbunden sind, also eine Erweiterung der unternehmerischen Möglichkeiten stattfindet (BSG, Urteil v. 11.3.2009, Az.: B 12 KR 21/07 R), wofür im vorliegenden Fall jedoch nichts ersichtlich ist.

Weitere in die Gesamtabwägung einzustellende Gesichtspunkte sind nicht ersichtlich.

Im Rahmen der insofern gebotenen Gesamtabwägung überwiegen die Indizien, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen.

 

Es spricht derzeit auch mehr dafür als dagegen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen zum Erlass eines nicht personenbezogenen Summenbeitragsbescheides erfüllt sind (vgl. § 28 f Abs. 2 SGB IV), dass die getroffene Schätzung der Höhe der beitragspflichtigen Arbeitsentgelte nicht zu beanstanden ist und Ermessensfehler nicht vorliegen. Es bestehen keine erheblichen Zweifel, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen zum Erlass eines nicht personenbezogenen Summenbeitragsbescheides erfüllt sind. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Schätzung der Arbeitsentgelte nach § 28 f Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 SGB IV ist nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht zu beanstanden. Auch wenn der prüfende Rentenversicherungsträger bei der Wahl der Schätzungsmethode frei ist, muss er von sachlichen und nachvollziehbaren Erwägungen ausgehen und eigene, sozialversicherungsrechtliche Maßstäbe. Dies hat die Antragsgegnerin vorliegend getan. Die der streitbefangenen Beitragsnacherhebung zugrundeliegenden Schätzung der Arbeitsentgelte basiert auf dem nachgewiesenen Arbeitsanfall, der sich aus den abzudeckenden Arbeitsstunden während der Öffnungszeiten ergibt. Der Betrieb der Antragstellerin fällt in den Geltungsbereich des Rahmentarifvertrages.

 

Hinsichtlich Verjährung und Säumniszuschläge ist davon auszugehen, dass zumindest mit dolus eventualis gehandelt wurde. Die Antragstellerin hat die streitgegenständlichen Verträge rechtsanwaltlich prüfen lassen. Spätestens nach Eingang des rechtsanwaltlichen Schreibens von Juni  2020 hätte man die rechtliche Möglichkeit zur Antragstellung gem. § 7a Abs. 1 SGB IV oder § 28 h Abs. 2 SGB IV nutzen müssen. Dass man dies – trotz Kenntnis des Schreibens des Rechtsanwaltes -  nicht getan hat, ist als billigendes Inkaufnahmen zu werten.  

 

Rechtsmittelbelehrung:

 

Gegen diesen Beschluss kann binnen eines Monats nach Bekanntgabe Beschwerde bei dem

 

Sozialgericht Düsseldorf, Ludwig-Erhard-Allee 21, 40227 Düsseldorf

 

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden. Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem

 

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen

 

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.

 

Die elektronische Form wird durch Übermittlung eines elektronischen Dokuments gewahrt, das für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet ist und

 

- von der verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert ist

 

- von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg gem. § 65a Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) eingereicht wird.

 

Weitere Voraussetzungen, insbesondere zu den zugelassenen Dateiformaten und zur qualifizierten elektronischen Signatur, ergeben sich aus der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung - ERVV) in der jeweils gültigen Fassung. Über das Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) können nähere Informationen abgerufen werden.

 

Schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch einen Rechtsanwalt, durch eine Behörde oder durch eine juristische Person des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihr zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse eingereicht werden, sind als elektronisches Dokument zu übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein elektronisches Dokument nachzureichen. Gleiches gilt für die nach dem Sozialgerichtsgesetz vertretungsberechtigten Personen, für die ein sicherer Übermittlungsweg nach § 65a Abs. 4 Nr. 2 SGG zur Verfügung steht (§ 65d SGG).

 

Rechtskraft
Aus
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