L 2 SF 316/25 AB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
2.
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 SF 316/25 AB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 24. Januar 2025 gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht S1 wird abgelehnt.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.



Gründe

Das Ablehnungsgesuch des Klägers vom 24.01.2025 gegen den Vorsitzenden Richter am Landessozialgericht S1 im Verfahren L 2 SO 108/25 ist unbegründet. Hierbei ist das Schreiben des Klägers dahingehend auszulegen, dass er nur den Vorsitzenden Richter S1 als befangen ablehnt. Soweit er die anderen Mitglieder des Senats in diesem Schreiben erwähnt, liegt kein ausdrückliches Ablehnungsgesuch vor, zumal er diese auch nicht konkret benennt und eine pauschalen Ablehnung eines gesamten Spruchkörpers unzulässig wäre (vgl. hierzu Landessozialgericht [LSG] Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.01.2023 - L 20 SF 203/22 AB -, juris, Rn. 4).

Nach § 60 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) gelten für die Ablehnung eines Richters §§ 41 bis 46 Abs. 1 und §§ 47 bis 49 Zivilprozessordnung (ZPO) entsprechend.

Die Entscheidung ergeht durch das Gericht, bei dem der Richter angestellt ist (§ 49 Halbsatz 2 ZPO). Dies ist das LSG Baden-Württemberg. Zuständig für die Entscheidung über den Ablehnungsantrag des Klägers ist im Grundsatz der 2. Senat ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters (§ 60 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO). Der Abgabe einer dienstlichen Stellungnahme des abgelehnten Richters hat es hier nicht bedurft, da der zu beurteilende Sachverhalt anhand der Akten eindeutig feststellbar war (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 60, Rn. 11c; Bayerisches LSG, Beschluss vom 20.05.2022
L 2 SF 103/22 AB -, juris Rn. 18; BSG, Beschluss vom 27.06.2019 - B 5 R 1/19 B -, juris, Rn. 10).

Nach § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter sowohl in den Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden. Die hier allein in Betracht zu ziehende Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit findet nach § 42 Abs. 2 ZPO statt, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Eine Besorgnis der Befangenheit liegt nur dann vor, wenn ein objektiv vernünftiger Grund gegeben ist, der den am Verfahren Beteiligten auch von seinem Standpunkt aus befürchten lassen kann, der Richter werde nicht unparteiisch und sachlich entscheiden. Eine rein subjektive, unvernünftige Vorstellung ist unerheblich. Es kommt auch nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich befangen ist oder ob er sich selbst für befangen hält. Entscheidend ist ausschließlich, ob ein am Verfahren Beteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit des Richters zu zweifeln (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG] Beschluss vom 12.07.1986 - 1 BvR 713/83 - BVerfGE 73, 330, 335 und Beschluss vom 05.04.1990 - 2 BvR 413/88 - BVerfGE 82, 30, 38; Bundessozialgericht [BSG] Beschluss vom 01.03.1993 - 12 RK 45/92 - SozR 3-1500 § 60 Nr. 1).

Danach ist hier nicht von einer Besorgnis der Befangenheit des abgelehnten Richters auszugehen. Der Kläger hat vorgetragen, ein Fehler im „PKH-Beschwerdeverfahren“ sei nicht korrigiert worden. Der abgelehnte Richter habe „sich übergriffig am Wort Vorsatz vergriffen. Zuständig für den Strafvorwurf (Vorsatz) wäre die StA H1“. Diese habe das Verfahren jedoch eingestellt. Er lehne daher den Vorsitzenden Richter S1 als befangen ab. Hiermit bezieht sich der Kläger offensichtlich auf den Beschluss des Senats vom 18.12.2024 im Verfahren L 2 SO 3194/24 B, mit dem die Beschwerde des Klägers gegen den die Gewährung von Prozesskostenhilfe ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Oktober 2024 zurückgewiesen worden war.

Dieser Vortrag kann aber eine Unparteilichkeit nicht begründen. Nach allgemeiner Auffassung kann die Ablehnung grundsätzlich nicht erfolgreich auf die Verfahrensweise oder die Rechtsauffassung eines Richters gestützt werden. Ein prozessrechtlich korrektes Vorgehen kann nämlich in der Regel nicht zur Besorgnis der Befangenheit führen (LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 29.06.2011 - L 6 SF 22/11 AB - juris Rn. 38). Denn im Ablehnungsverfahren geht es allein um die Parteilichkeit des Richters und nicht um die Richtigkeit seiner Handlungen und Entscheidungen, deren Überprüfung allein den Rechtsmittelgerichten vorbehalten ist (G. Vollkommer in: Zöller, Zivilprozessordnung, 35. Auflage 2024, § 42 Rn. 28 m.w.N.). Allein eine möglicherweise unrichtige Anwendung von Verfahrens- oder materiellem Recht ist mithin kein für die Richterablehnung ausreichender Grund, denn diese ist grundsätzlich kein geeignetes Mittel, sich gegen für unrichtig gehaltenes prozessuales Vorgehen oder für unzutreffend angesehene Rechtsauffassungen eines Richters zu wehren, es sei denn, die mögliche Fehlerhaftigkeit beruhte auf einer unsachlichen Einstellung des Richters oder Willkür (vgl. Bundesarbeitsgericht [BAG], Beschluss vom 29.10.1992 - 5 AZR 377/92 - in NZA 1993, 238, 239, juris Rn. 9; Bundesfinanzhof [BFH], Beschluss vom 17.04.1996 - I B 134/95 - in NVwZ 1998, 663, 664, juris Rn. 37). Objektive Anhaltspunkte für eine unsachliche oder gar von Willkür geprägte Einstellung vermag der Senat im vorliegenden Sachverhalt und im Vorbringen des Klägers in keinster Weise zu erkennen. Von einer auf Willkür beruhenden Verfahrenshandlung bzw. Entscheidung kann nur dann gesprochen werden, wenn sie bei verständiger Würdigung schlechterdings nicht mehr verständlich erscheint. Der Vortrag des Klägers geht nicht über den Vorwurf der unrichtigen Rechtsauffassung bzw. Beweiswürdigung hinaus, indem er kritisiert, dass in einem vorherigen Verfahren der Senat zu Unrecht geprüft habe, ob Vorsatz vorliegt oder nicht. Nicht zuletzt verkennt der Kläger hier, dass im vorherigen Verfahren die Voraussetzungen des § 45 Sozialgesetzbuch (SGB X) geprüft wurden und in dieser Norm in deren Absatz 2 Satz 3 Nr. 2 ausdrücklich geregelt ist, dass sich der Begünstigte auf Vertrauen nicht berufen kann, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich (…) in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat.
Ferner begründet allein die Tatsache, dass der abgelehnte Richter an einer Entscheidung in einem anderen Verfahren mitgewirkt hat, keine Besorgnis der Befangenheit, und zwar auch wenn diese Entscheidung in verfahrens- oder materiell-rechtlicher Hinsicht rechtswidrig gewesen sein sollte, es sei denn, die Unrichtigkeit der Entscheidung ließe auf eine unsachliche Einstellung des Richters schließen (vgl. nochmals BFH, a.a.O.). Hierfür gibt es vorliegend keinerlei Anhaltspunkte. Die Richterablehnung dient nicht dazu, für unliebsam gehaltene Richter auszuschalten; denn es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass durch die Stattgabe des Ablehnungsgesuchs ein anderer als der gesetzlich vorgesehene Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes - GG -) ohne oder sogar gegen den Willen des anderen Beteiligten zur Entscheidung berufen wird.

Nach alledem ist das Ablehnungsgesuch hier als unbegründet abzulehnen.

Die Kostenentscheidung erfolgt in entsprechender Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).




 

Rechtskraft
Aus
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