Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 7. Oktober 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die am 28. Oktober 2024 gegen den Beschluss des Sozialgerichts Freiburg (SG) vom 7. Oktober 2024 eingelegte Beschwerde des Antragstellers ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Die Beschwerde ist insbesondere nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG ausgeschlossen, denn der Wert des Beschwerdegegenstandes überschreitet den Betrag von 750 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Der Antragsteller verfolgt mit der Beschwerde sein auf die – im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes: vorläufige – Verpflichtung des Antragsgegners weiter, die Kosten für eine Brille sowie für Artelac-Augentropfen zu übernehmen. Zwar hat der Antragsteller die diesbezüglichen Kosten weder im Antragsverfahren vor dem SG noch im Rahmen der Beschwerde beziffert. Er hat jedoch bereits gegenüber dem Antragsgegner mit Schreiben vom 29. Mai 2023 u.a. die Kostenübernahme für eine Brille in Höhe von 800,00 Euro beantragt. Diesen Betragsansatz legt der Senat mangels dagegen sprechender Anhaltspunkte auch für das hiesige Verfahren zugrunde.
Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Zunächst ist der angefochtene Beschluss nicht bereits deswegen aufzuheben, wie der Antragsteller meint, weil das SG den Anspruch des Antragstellers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz, § 62 SGG) verletzt hätte. Der Antragsteller macht diesbezüglich geltend, dass das SG ihm eine Stellungnahmefrist bis zum 10. Oktober 2024 gesetzt, aber bereits zuvor entschieden habe. Der Antragsteller verkennt insofern, dass ihm diese Frist in dem Verfahren S 14 SO 2470/24 ER vorgegeben worden ist und gerade nicht in dem mit dem vorgenannten Beschluss erstinstanzlich abgeschlossenen Verfahren. Daneben könnte unterbliebenes rechtliches Gehör im Beschwerdeverfahren nachgeholt werden.
Die Beschwerde ist auch in der Sache unbegründet. Denn das SG hat den Erlass der von dem Antragsteller begehrten einstweiligen (Regelungs-)Anordnung im Ergebnis zu Recht abgelehnt.
Zwar ist der am 17. September 2024 gestellte Antrag auf eine (vorläufige) Verpflichtung des Antragsgegners, die Kosten für eine Brille und Artelac-Augentropfen zu übernehmen, entgegen der Auffassung des SG lediglich hinsichtlich der Kostenübernahme für die Augentropfen mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig, da sich der Antragsteller diesbezüglich zuvor nicht an den Antragsgegner gewandt hat. Hierbei geht der Senat davon aus (Rechtsgedanke §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch), dass der Antragsteller bezüglich der Augentropfen einen aktuellen Bedarf geltend macht, wie er sich aus dem in erster Instanz vorgelegten Bericht des G1 vom 16. September 2024 ergibt und nicht lediglich die Kostenerstattung des Erwerbs entsprechender Produkte in den Jahren 2016 und 2017 verfolgt, deren Rezepte der Antragsteller mit Schreiben vom 12. Juli 2024 und 18. Juli 2024 bei dem Antragsgegner eingereicht hatte.
Hinsichtlich der Frage der Kostenübernahme für die Brille ist der Antragsgegner jedoch mit einem entsprechenden Leistungsantrag vorbefasst gewesen und hat diesen mit dem Bescheid vom 20. November 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. März 2024 abgelehnt. Diese Entscheidung des Antragsgegners ist Gegenstand des Klageverfahrens S 14 SO 948/24 vor dem SG. Es ist nicht ersichtlich, dass sich der hier zugrunde liegende Eilantrag auf eine andere als die im Verfahren S 14 SO 948/24 streitige Brille richten sollte. Der Antragsteller ist insofern auch nicht gehalten gewesen, sich vor Stellung eines Eilantrags nochmals an den Antragsgegner zu wenden.
Der Antrag des Antragstellers auf Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung ist hinsichtlich der gewünschten Sehhilfe aber unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei haben sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache zu orientieren (vgl. Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 13. April 2010 – 1 BvR 216/07 – juris Rdnr. 64; BVerfG, Beschluss vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 – juris Rdnr. 9). Eine Folgenabwägung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn eine Prüfung der materiellen Rechtslage nicht möglich ist (BVerfG, Beschluss vom 14. September 2016 – 1 BvR 1335/13 – juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 31. Juli 2017 – L 7 SO 2557/17 ER-B – juris Rdnr. 21; Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2017 – L 7 SO 4253/17 ER-B – juris Rdnr. 3; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 – L 7 SO 4027/18 ER-B – juris Rdnr. 19).
Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen dabei nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung derart, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt (Beschluss des Senats vom 31. Juli 2017 – L 7 SO 2557/17 ER-B – juris Rdnr. 22; Beschluss des Senats vom 22. Dezember 2017 – L 7 SO 4253/17 ER-B – juris Rdnr. 4; Beschluss des Senats vom 3. Dezember 2018 – L 7 SO 4027/18 ER-B – juris Rdnr. 20; vgl. Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris Rdnr. 18).
Vorliegend ist hinsichtlich der seitens des Antragstellers – im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes: vorläufig – begehrten Kostenübernahme für eine Sehhilfe weder ein Anordnungsanspruch noch ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Als Anspruchsgrundlage für die begehrte Sehhilfe kommt bei dem auf Dauer erwerbsgeminderten Antragsteller – der von dem Antragsgegner Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) bis zu deren Entziehung mit Ablauf des 31. Mai 2019 (Bescheid vom 27. Mai 2019) erhalten hatte – § 19 Abs. 2, §§ 41 ff. i.V.m. § 37 Abs. 1 SGB XII in Betracht, mithin ein Anspruch auf ein ergänzendes Darlehen für einen von den Regelbedarfen umfassten und nach den Umständen unabweisbar gebotenen Bedarf als Leistung der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Betracht. Denn bei einer Brille handelt es sich um Kosten für ein langlebiges Gebrauchsgut, die vom Regelbedarf umfasst sind (BSG, Urteil vom 18. Juli 2019 – B 8 SO 4/18 R – juris Rdnr. 18). Hinsichtlich eines derartigen Anspruchs ist der Senat aber bereits nicht davon überzeugt, dass der Antragsgegner der örtlich zuständige Sozialhilfeträger für den Antragsteller ist. Gemäß § 46b Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 2b Satz 1 Gesetz zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch Baden-Württemberg ist für die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung der Träger der Sozialhilfe örtlich zuständig, in dessen Bereich der gewöhnliche Aufenthaltsort der leistungsberechtigten Person liegt. Ob der Antragsteller seinen gewöhnlichen Aufenthalt tatsächlich im angegebenen Wohnort B1 und damit im Zuständigkeitsbereich des Antragsgegners hat, erscheint jedoch fraglich, nachdem der Antragsteller, der zwar beispielsweise bei G1 in B1 in Behandlung war, Kontoauszüge seines Girokontos für die Zeit vom 1. Juni 2024 bis 31. Juli 2024 vorgelegt hat, welchen keine Abhebungen oder Einkäufe in B1 und Umgebung zu entnehmen sind, dafür jedoch mehrere Einkäufe in den im H2, N1, gelegenen Orten S3 und in A1, wo die Betreuer des Antragstellers, darunter seine ehemalige Ehefrau, und die Kinder des Antragstellers leben sowie auch andere behandelnde Ärzte des Antragstellers ihre Praxen haben.
Weiter ist für den Senat jedoch nicht ausreichend ersichtlich, dass der Antragsteller einen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen (gegebenenfalls wieder) hat, weil nicht mit dem erforderlichen Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit belegt ist, dass er seinen notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen bestreiten kann. Insofern ist zu berücksichtigen, dass sich der Verwaltungsakte des Antragsgegners zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Antragstellers neben dessen Angaben im Wesentlichen lediglich die bereits angeführten Kontoauszüge sowie verschiedene eidesstattliche Erklärungen aus dem familiären Umfeld des Antragstellers entnehmen lassen, wobei letzteren über allgemeine Angaben zur Unterstützung des Antragstellers „in nahezu jeder Lebenslage“ (eidesstattliche Versicherung der H1 S1 vom 15. Juli 2024) bzw. der Erforderlichkeit von Schuldenaufnahmen zugunsten des Antragstellers (eidesstattliche Versicherung der S2 S1 vom 16. Juli 2024) oder zur Beantwortung aller „notwendigen Fragen“ des Antragsgegners (eidesstattliche Versicherung der S2 S1 vom 7. Juli 2024) hinausgehende Erkenntnisse nicht zu entnehmen sind. In Anbetracht dessen, dass dem Antragsteller bereits seit Juni 2019 – wegen ungeklärter Vermögensfragen – Grundsicherungsleistungen entzogen sind bzw. von dem Antragsgegner nicht wieder gewährt wurden und insofern erhebliche Unklarheiten dazu bestehen, wie der Antragsteller in der Zwischenzeit seinen Lebensunterhalt bestritten hat, genügt dies im vorliegenden Fall auch unter Berücksichtigung der abgesenkten Beweismaßmaßstäbe im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht zur Glaubhaftmachung der wirtschaftlichen Hilfebedürftigkeit des Antragstellers.
Ein Anspruch auf einmalige Bedarfe zur Anschaffung einer Sehhilfe gemäß § 31 Abs. 1 Nr. 3 SGB XII kommt – neben den vorstehenden Ausführungen – bereits deswegen nicht in Betracht, weil diese Regelung für therapeutische Geräte wie eine Sehilfe lediglich Bedarfe für Reparaturen und Miete erfasst (vgl. Stölting in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 31 SGB XII, Stand: 1. Mai 2024, Rdnr. 46).
Denkbare Hilfen zur Gesundheit nach dem Fünften Kapitel des SGB XII gehen nach Art und Umfang nicht über die Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung nach dem Fünften Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) hinaus (vgl. § 48 SGB XII) und scheiden damit wegen der entsprechenden Beschränkung der Versorgung in § 33 Abs. 2 Satz 2 SGB V aus (vgl. BSG, a.a.O., Rdnr. 20.). Ansprüche auf Leistungen in sonstigen Lebenslagen nach § 73 SGB XII bestehen ebenfalls nicht, denn eine sonstige Lebenslage in diesem Sinne zeichnet sich dadurch aus, dass sie von keinem anderen Leistungsbereich des SGB XII erfasst ist und damit einen Sonderbedarf (atypische Bedarfslage) darstellt. Diese Voraussetzungen liegen bei einem Bedarf, der vom Regelbedarf erfasst ist, nicht vor (BSG, a.a.O., Rdnr. 20 m.w.N.).
Daneben ist aber auch kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht, nachdem weder vorgetragen noch sonst ersichtlich ist, dass dem Antragsteller bei einem Abwarten des Hauptsachverfahrens erhebliche und nicht wieder zu beseitigende Nachteile drohen. Insbesondere lässt sich auch dem Bericht des G1 insoweit lediglich entnehmen, dass dieser eine Bifokalbrille aus medizinischer Sicht für indiziert erachtet. Vor diesem Hintergrund kann ebenso dahinstehen, ob hinsichtlich der Ausstattung mit einer Sehhilfe ein teilhaberechtlicher Anspruch in Betracht kommen könnte, da es auch insoweit jedenfalls an einem Anordnungsgrund fehlt.
Sollte der Antragsteller – entgegen der Auslegung des Senats – hinsichtlich der geltend gemachten Artelac-Augentropfen im vorliegenden Eilverfahren (auch) die Kostenübernahme für die entsprechenden, in den Jahren 2016 und 2017 angeschafften – mithin seit langem verbrauchten oder nicht mehr verwendbaren – Produkte begehren, wäre der Eilantrag insoweit zwar zulässig, jedoch fehlt es auch insoweit nach Maßgabe der vorstehenden Ausführungen zur Sehhilfe an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrundes.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Diese Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 14 SO 2485/24 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 3119/24 ER-B
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Beschluss
Rechtskraft
Aus
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