Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Juni 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung im Streit.
Die 1965 geborene Klägerin hat eine Ausbildung zur Verkäuferin absolviert und war in diesem Beruf bis 1987 sozialversicherungspflichtig tätig. In der Folge arbeitete sie als Vorarbeiterin in einem Pharmaunternehmen und im Rahmen einer geringfügigen Beschäftigung als Reinigungskraft. Zuletzt war sie erneut versicherungspflichtig als Produktionsmitarbeiterin in einem Pharmaunternehmen beschäftigt. Seit März 2019 ist sie arbeitsunfähig erkrankt, bezog zunächst Krankengeld bis zur Aussteuerung am 1. September 2020 und sodann Arbeitslosengeld. Bei der Klägerin besteht ein Grad der Behinderung (GdB) von 30. Sie pflegt ihre Tochter, für die ein Pflegegrad 4 festgestellt wurde.
Auf Aufforderung der Krankenkasse beantragte die Klägerin am 19. Februar 2020 bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen der medizinischen Rehabilitation, welche die Beklagte mit Bescheid vom 20. März 2020 in der Fassung des Bescheides vom 15. Juni 2021 bewilligte. Wegen geplanter Operationen und der Corona-Pandemie wurde die Reha in der Folge mehrfach verschoben.
Bereits am 7. Mai 2020 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Antrag auf die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte zog daraufhin medizinische Unterlagen bei, welche sie sozialmedizinisch auswerten ließ und lehnte den Antrag sodann mit Bescheid vom 12. November 2020 ab.
Den hiergegen mit Schreiben vom 30. November 2020 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2021 nach Beiziehung weiterer medizinischer Unterlagen zurück und führte zur Begründung aus, es seien unter Berücksichtigung aller Gesundheitsstörungen und der sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeiten keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen der Klägerin zeitlich einschränkten.
Am 5. Mai 2021 hat die Klägerin hiergegen Klage bei dem Sozialgericht (SG) Karlsruhe erhoben und zur Begründung vorgetragen, ihr langjähriger Hausarzt und das Herzzentrum L1 GmbH & Co. KG erachteten sie unter Verweis auf den Entlassbrief vom 13. September 2021 nicht mehr für erwerbsfähig. Das Belastungs-EKG habe bereits bei 50 Watt nach zwei Minuten wegen Erschöpfung abgebrochen werden müssen. Sie habe immer wieder auftretende Schwindelanfälle in Zusammenhang mit ihrer Herz- und Kreislaufschwäche.
In der Zeit vom 30. Juni 2021 bis 29. Juli 2021 hat die Klägerin eine ganztägige ambulante Rehabilitationsmaßnahme in dem M1 Reha-Zentrum G1 durchgeführt, aus der sie mit einem Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt entlassen wurde (Entlassbericht vom 30. Juli 2021, Diagnosen: koronare Eingefäßkrankheit, Z. n. Angiodysplasie des ersten Diagonalastes 2019, paroxysmales Vorhofflimmern, Z. n. Pulmonalvenenisolation 3/2019, Z. n. Vorhofablation 9/2020; Faktor V-Leiden-Mutation, Z. n. tiefer Beinvenenthrombose, Fettstoffwechselstörung, positive Familienanamnese). Die Beklagte ist der Leistungsbeurteilung unter Bezugnahme auf die sozialmedizinische Stellungnahme des L2 vom 13. Oktober 2020 entgegengetreten.
Das SG hat sodann die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen befragt. Der K1 hat angegeben (Auskunft vom 13. November 2021), die Klägerin könne aufgrund von Herz-Kreislaufbeschwerden und kardiopulmonalen Einschränkungen Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nur noch unter drei Stunden ausüben. H1 hat mitgeteilt (Auskunft vom 9. Dezember 2021), die Klägerin sei zweimal bei ihm vorstellig geworden und habe über eine leichte Atemnot geklagt. In der Lungenfunktionstestung sei die Lungenfunktion jeweils normal ausgefallen. Die Leistungsfähigkeit müsse ein Kardiologe beurteilen. B1 hat – unter Übersendung weiterer Befundberichte – bekundet (Auskunft vom 25. Januar 2022), die Klägerin sei nicht mehr leistungsfähig.
Das SG hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts sodann das Gutachten des R1 vom 9. Mai 2022 erhoben. Dieser hat ausgeführt, bei der Klägerin liege eine koronare Herzkrankheit, Herzrhythmusstörungen in Form von paroxysmalem Vorhofflimmern und einer chronotropen Insuffizienz des Herzens, eine Herzinsuffizienz und Leistungsminderung bei gestörtem Energiestoffwechsel des Herzens mit chronischem Erschöpfungssyndrom vor. Es sei eine „Gesamt-MdE von 70 % aus kardiologischer Sicht“ gegeben, eine dauerhafte Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt sei angesichts der vorliegenden Einschränkung der Belastbarkeit nicht möglich. Die Gehfähigkeit der Klägerin sei im Rahmen des chronischen Erschöpfungssyndroms eingeschränkt. Die Beklagte ist dem Gutachten unter Bezugnahme auf die sozialmedizinischen Stellungnahmen des L2 vom 24. August 2022 und des F1 vom 6. September 2022 entgegengetreten. F1 hat insoweit ausgeführt, in dem Gutachten lägen eine Reihe medizinischer Falschdarstellungen vor, die nur mit einer fehlenden Neutralität des Gutachters erklärt werden könnten. Die erhobenen Befunde seien ausreichend, um eine rentenrelevante Erkrankung auf dem Fachgebiet der Kardiologie auszuschließen.
Nach Übersendung weiterer medizinischer Befundberichte hat das SG das internistisch kardiologische Gutachten des T1 vom 12. Juni 2023 erhoben. Es bestehe bei der Klägerin eine leichte Herzinsuffizienz multifaktorieller Genese mit minimaler Mitralklappeninsuffizienz, eine koronare Eingefäßerkrankung mit Angioplastie 04/2019, zweifache Katheterablationen bei Vorhofflimmem (03/2019 und 09/2020), eine chronotrope Inkompetenz mit Implantation eines frequenzadaptiven Schrittmachersystems 11/2021, eine heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation mit Zustand nach Thrombose vor mehr als 30 Jahren, bis dato kein Hinweis auf rezidivierende Lungenembolien, ein CT-gesichertes leichtes Lungenemphysem sowie rezidivierende Synkopen, einmalig mit Frakturen. Aus internistisch-kardiologischer Sicht sei der Klägerin die Ausübung einer leichten körperlichen Tätigkeit sechs Stunden und mehr möglich. Zu keinem Zeitpunkt sei eine dramatische Herzinsuffizienz oder eine kardiale Dekompensation eruierbar gewesen. Das Gutachten des R1 sei schwer nachzuvollziehen und nicht plausibel. Bei guter Pumpfunktion beider Herzkammern und nicht erhöhtem Laborparameter NT-pro-BNP sowie einer Krankengeschichte ohne jegliche kardiale Dekompensation sei ein dramatisch reduziertes Leistungsvermögen nicht begründbar. Es bestehe jedoch der Verdacht auf eine Somatisierungsstörung, weshalb ein Gutachten auf nervenärztlichem Fachgebiet empfohlen werde.
Das SG hat sodann zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhalts das psychiatrische Gutachten des H2 vom 1. Mai 2024 erhoben, welcher die Klägerin am 30. April 2024 persönlich untersucht hat. Der Gutachter hat angegeben, er habe bei der Klägerin keine psychische Gesundheitsstörung feststellen können.
Mit Gerichtsbescheid vom 27. Juni 2024 hat das SG die Klage gestützt auf die Gutachten des T1 und des H2 abgewiesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stehe für die Kammer fest, dass die vorhandenen Gesundheitsstörungen, die überwiegend auf internistisch-kardiologischem Fachgebiet zu verorten seien, lediglich qualitative Leistungseinschränkungen bedingten, so dass es der Klägerin weiterhin möglich und zumutbar sei, einer leidensgerechten Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für sechs Stunden und mehr arbeitstäglich nachzukommen. Dem Gutachten des R1 sei nicht zu folgen. Wie T1 überzeugend ausgeführt habe, sei bei guter Pumpfunktion beider Herzkammern und nicht erhöhtem Laborparameter NT-pro-BNP sowie einer Krankengeschichte ohne jegliche kardiale Dekompensation ein dramatisch reduziertes Leistungsvermögen nicht begründbar. Zutreffend verweise F1 darauf, dass die Klägerin bei R1 im Rahmen des Stress-Echo mittels fahrradergometrischer Belastung maximal 100 Watt erreicht habe, ohne kardiale Beschwerden über die erforderlichen sechs Minuten, was für eine ausreichend gute kardio-pulmonale Belastbarkeit spreche. Die Interpretation von verschiedenen Zellstoffwechselparametern sei nach T1 nur dann sinnvoll, wenn sie etabliert und evaluiert seien, was im Gutachten des R1 nicht der Fall und nur einseitig durchgeführt worden sei. Weiterhin verkenne R1 offensichtlich auch den anzulegenden Prüfungsmaßstab, da die Frage der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Frage einer Verletztenrente im Rahmen des Unfallversicherungsrechts zu klären sei, nicht aber für eine Erwerbsminderungsrente. Auch die Annahme eines quantitativ geminderten Leistungsvermögens durch behandelnde Ärzte und im Reha-Entlassungsbericht der Rehabilitationseinrichtung M1 Reha-Zentrum G1 (Entlassungsbericht vom 30. Juli 2021) überzeugten mangels objektivierbarer Grundlagen nicht.
Gegen den ihren damaligen Prozessbevollmächtigten am 1. Juli 2024 zugestellten Gerichtsbescheid wendet sich die Klägerin unter Vorlage von ärztlichen Befundberichten mit ihrer am 25. Juli 2024 bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegten Berufung. Zur Begründung führt sie aus, sie sehe sich aufgrund ihrer kardiologischen Erkrankungen nicht mehr in der Lage einer dauerhaften Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachzugehen. Symptome wie Erschöpfung, Schwäche, Atemlosigkeit, Schwindel, Kraftlosigkeit, sehr niedriger Blutdruck und Herzschwäche machten es ihr unmöglich, den Anforderungen einer Anstellung gerecht zu werden. Hinzu kämen regelmäßige Ohnmachtsanfälle, wovon einer bereits mit einer Fraktur geendet habe. Dem Gutachten des T1 sei nicht zu folgen, dieses werde durch das Gutachten des R1 und die Auskünfte ihrer behandelnden Ärzte widerlegt. Soweit T1 angebe, es seien nicht die Diagnosen maßgeblich, sondern objektiv nachgewiesene Funktionseinschränkungen, sei ihm zu widersprechen. Das Leiden an einer Krankheit könne nicht ausschließlich an Laborparametern und Zahlen festgemacht werden. Sie habe sich zudem – entgegen ihrer eigenen Einschätzung und der ihrer langjährig behandelnden Ärzte – bei der Bundesagentur für Arbeit informiert, die jedoch ebenfalls bestätigt habe, dass sie mit ihren Leiden sehr wahrscheinlich nicht mehr vermittelbar sei.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 27. Juni 2024 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 12. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27. April 2021 zu verurteilen, ihr eine Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Mai 2020 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Auf Anforderung des Senats hat die Klägerin noch den endgültigen Entlassbericht des M1 Herzzentrum vom 30. Juli 2024 vorgelegt. Die Beklagte hat insoweit unter Hinweis auf die sozialmedizinische Stellungnahme der K2 vom 10. September 2024 ausgeführt, dass auch unter Berücksichtigung des nunmehr vorgelegten Entlassberichtes die Ausübung einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit möglich sei. Teilweise oder volle Erwerbsminderung liege nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die gemäß § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte und gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte Berufung der Klägerin ist zulässig, jedoch unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits ist – neben der erstinstanzlichen Entscheidung – der Bescheid vom 12. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2021 (§ 95 SGG), mit dem die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 7. Mai 2020 auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung abgelehnt hat. Dagegen richtet sich die Klägerin statthaft mit der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG), mit der sie die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab 1. Mai 2020 geltend macht. Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit kommt für die Klägerin von vornherein nicht in Betracht, weil sie nicht vor dem 2. Januar 1961 geboren ist und damit nicht zum Kreis der Anspruchsberechtigten dieser Rente gehört (§ 240 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch [SGB VI]).
Der Bescheid vom 12. November 2020 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, denn sie ist weder voll noch teilweise erwerbsgemindert, weswegen ihr weder eine Rente wegen voller noch wegen teilweiser Erwerbsminderung zusteht.
Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI in der ab 1. Januar 2008 geltenden Fassung (Gesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554) haben Versicherte bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung, wenn sie voll erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI). Voll erwerbsgemindert sind auch Versicherte nach § 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VI, die wegen Art oder Schwere der Behinderung nicht auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können, und Versicherte, die bereits vor Erfüllung der allgemeinen Wartezeit voll erwerbsgemindert waren, in der Zeit einer nicht erfolgreichen Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 Abs. 2 Satz 3 SGB VI). Versicherte haben nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung, wenn neben den oben genannten versicherungsrechtlichen Voraussetzungen eine teilweise Erwerbsminderung vorliegt. Teilweise erwerbsgemindert sind Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein (§ 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). Erwerbsgemindert ist nicht, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).
Die Tatsachengerichte der Sozialgerichtsbarkeit haben von Amts wegen (§ 103 SGG) mit Hilfe (medizinischer) Sachverständiger (§ 106 Abs. 3 Nr. 5 SGG) zu ermitteln und festzustellen, a) Art, Ausprägung und voraussichtliche Dauer der Krankheit(en) oder Behinderung(en), an denen der Versicherte leidet, b) Art, Umfang und voraussichtliche Dauer der quantitativen und qualitativen Leistungseinschränkungen (Minderbelastbarkeiten, Funktionsstörungen und -einbußen) sowie den c) Ursachenzusammenhang („wegen“) zwischen a) und b) (z.B. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris Rdnr. 13).
Die Klägerin hat die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren sowie die besonderen versicherungs-rechtlichen Voraussetzungen im Zeitpunkt der Rentenantragstellung erfüllt, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist.
Der Senat ist jedoch nicht davon überzeugt, dass die Klägerin erwerbsgemindert ist. Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Gerichtsbescheids vom 27. Juni 2024 zutreffend und im Wesentlichen gestützt auf das Gutachten des T1 ausgeführt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für die von ihr begehrte Rente wegen voller bzw. teilweiser Erwerbsminderung nicht erfüllt, weil sie trotz ihrer bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen zumindest sechs Stunden täglich zu verrichten und sie mit diesem zeitlichen Leistungsvermögen nicht erwerbsgemindert ist (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Das SG hat weiter überzeugend ausgeführt, aus welchen Gründen dem Gutachten des R1 nicht zu folgen ist. Der Senat sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich eine andere Beurteilung auch nicht aus dem Reha-Entlassbericht des M1 Reha-Zentrum G1 (Entlassungsbericht vom 30. Juli 2021) ergibt. Zwar wird dort eine quantitative Leistungseinschränkung auf drei bis unter sechs Stunden für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten attestiert, eine Aussage zu nur leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wird jedoch nicht getroffen. Der Feststellung lässt sich zudem keine belastbare Erkenntnisgrundlage für diese Bewertung entnehmen. Echokardiographisch zeigte sich „eine gute linksventrikuläre Pumpfunktion mit einer EF von 60% bei regelrechter Wandbewegung“. Im Langzeit-EKG vom 1. Juli 2021 fanden sich keine relevanten Arrhythmien. Bei der Abfrage des Event-Recorders konnten zudem seit Juni 2021 keine Rhythmus-Ereignisse festgestellt werden. Während der ambulanten Rehabilitationsmaßnahme war die Klägerin kardiopulmonal stabil. Zwar wurde die Untersuchung bei der diagnostischen Ergometrie vom 16. Juli 2021 bei 50 Watt nach 30 Sekunden „bei Dyspnoe und peripherer Erschöpfung“ abgebrochen. Angina pectoris Beschwerden wurden verneint. Allerdings sprechen die Kreislaufparameter gegen eine Anstrengungsbereitschaft der Klägerin, die es ermöglicht hätte, die tatsächlich mögliche Belastbarkeit zu ermitteln, worauf auch L2 in seiner sozialmedizinischen Stellungnahme vom 13. Oktober 2021 zutreffend hingewiesen hat.
Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren noch den endgültigen Entlassbericht des M1 Herzzentrums L3 vom 30. Juli 2024 vorgelegt hat, ergibt sich hieraus nichts Anderes. Dieser gibt Auskunft über ein 2-Monats-Follow-up nach stattgehabter Katheter-Behandlung (EPU= elektrophysiologische Untersuchung – hier auch mit Verödungsbehandlung im Vorhof) im Mai 2024. Es ergab sich ausweislich des Entlassberichts ein gutes Ergebnis. Die Klägerin berichtete über ein Wohlbefinden bis auf gelegentlichen Schwindel. Objektive Befunde, die gegen das gefundene Ergebnis sprächen, ergeben sich hieraus nicht.
Auch die übrigen mit der Berufungsbegründung vorgelegten Unterlagen führen zu keiner anderen Beurteilung und lagen zudem bereits im SG-Verfahren und zum Teil auch bei der Begutachtung durch T1 vor. Dabei sind insbesondere den Befundberichten des M1 Herzzentrums L3 (Entlassberichte vom 25. Januar 2024, 29. Mai 2024 sowie Schrittmacherkontrolle vom 21. Mai 2024) keine objektiven Befunde zu entnehmen, die eine andere Bewertung rechtfertigen würden. Danach zeigte sich jeweils vielmehr eine regelrechte Funktion des Systems. Bei der transthorakalen Echokardiographie am 21. Januar 2024 zeigte sich visuell eine gute RV-Funktion sowie eine gute systolische LV-Funktion, EF 60 % und – wie bereits bei der Untersuchung durch T1 – eine leichtgradige Mitralklappeninsuffizienz. Auch das ärztliche Attest des K1 vom 6. September 2021 rechtfertigt keine andere Bewertung. Objektive Befunde sind diesem nicht zu entnehmen. K1 stützt seine Einschätzung vielmehr auf die „ausgeprägten Beschwerde (…) sowie die lange Leidensgeschichte“. Welcher Art diese Beschwerden sind und ob insoweit objektive Befunde erhoben werden konnten, lässt sich dem Attest nicht entnehmen.
Soweit die Klägerin in ihrer Berufungsbegründung darüber hinaus ausgeführt hat, es sei T1 zu widersprechen, wenn er ausführe, dass nicht die Diagnosen maßgebend seien, sondern objektiv nachgewiesene Funktionseinschränkungen, ist ihrer Auffassung nicht zu folgen. Im Rahmen der Prüfung einer Erwerbsminderung kommt es nicht, wie T1 zutreffend dargestellt hat, entscheidend auf eine bestimmte Diagnosestellung, die Art oder Anzahl von Diagnosen oder auf die Bezeichnung von Befunden an, sondern auf die Beeinflussung des individuellen quantitativen sowie qualitativen Leistungsvermögens durch dauerhafte Gesundheitsstörungen, die Rentenbegutachtung ist in diesem Sinne im Wesentlichen eine „Funktionsbegutachtung“ (BSG, Beschluss vom 28. Februar 2017 – B 13 R 37/16 BH – juris Rdnr. 15). Derartige höhergradige Funktionsdefizite mit Auswirkung auf das zeitliche Leistungsvermögen hat T1 aber gerade nicht festzustellen vermocht.
Soweit die Klägerin ferner ausgeführt hat, auch nach Auffassung der Bundesagentur für Arbeit auf dem Arbeitsmarkt keine Chance mehr zu haben, ist auch dies nicht maßgeblich, weil die „jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen“ ist (§ 43 Abs. 3 Halbsatz 2 SGB VI) und die Vermittelbarkeit auf einen entsprechenden freien Arbeitsplatz der Arbeitsverwaltung obliegt, nicht jedoch der gesetzlichen Rentenversicherung, die ihre Versicherten allein vor den Nachteilen einer durch Krankheit oder Behinderung geminderten Leistungsfähigkeit zu schützen hat (vgl. nur BSG, Urteil vom 14. Mai 1996 – 4 RA 60/94 – juris Rdnr. 30, 80; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Oktober 2024 – L 10 R 717/23 – juris Rdnr. 39).
Unter Zugrundelegung all dessen konnte mithin auch der Senat – wie schon das SG – nicht feststellen, dass bei der Klägerin die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller bzw. wegen teilweiser Erwerbsminderung vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
7.
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 17 R 1257/21
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 R 2277/24
Datum
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
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Kategorie
Urteil
Rechtskraft
Aus
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