Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 11.10.2024 aufgehoben.
Der Antrag auf Kostenübernahme der regelmäßigen extrakorporalen Lipid-Apherese-Therapie im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wird abgewiesen.
Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.
Gründe:
I.
Der am 0000 geborene Antragsteller, der bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert ist, begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Versorgung mit einer Apheresebehandlung (Lipidapherese). Nach der Erstdiagnose einer koronaren Herzkrankheit (KHK) erlitt der Antragsteller in den Jahren 0000, 0000 und 0000 Myokardinfarkte. 0000 und 0000 erfolgten Bypassoperationen. Das dritte Herzgefäß ist in 0000 noch über einen Bypass (eingeschränkt) durchblutet. Der Antragsteller leidet insbesondere seit mindestens 0000 an einer Hyperlipoproteinämie (a) mit Werten des Lipoprotein (a) (Lp(a)) zwischen 311 und 383 nmol/I (nach Apheresebehandlung zuletzt 82nmol/l). Die LDL-Cholesterinwerte betrugen zwischen 0000 und 0000 zwischen 62 - 86 mg/dl. Jedenfalls unter der Apherese wurde ein LDL-Wert von unter 55mg/dl erreicht.
Eine erste, am 08.11.2022 beantragte und von der Antragsgegnerin abgelehnte Lipidapherese wurde aufgrund eines Beschlusses des Sozialgerichts Münster (S 16 KR 168/23 ER) vom 25.05.2023 im einstweiligen Rechtsschutzverfahren zu Lasten der Antragsgegnerin durchgeführt. Das entsprechende Hauptsacheverfahren ist im Berufungsrechtszug beim erkennenden Senat anhängig (L 10 KR 517/24).
Dem vorliegenden Eilverfahren liegt ein Folgeantrag aus Februar 2024 zugrunde, welchen die Apherese-Kommission der Kassenärztlichen Vereinigung Niedersachsen (KVN) mit Schreiben vom 08.05.2024, wie zuvor, befürwortete, da die Indikation zur Durchführung gegeben sei. Die Antragsgegnerin lehnte auch diesen Antrag durch Bescheid vom 22.05.2024 ab.
Der Antragsteller widersprach und beantragte am 05.09.2024 zudem bei dem Sozialgericht Münster die Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihn mit einer regelmäßigen extrakorporalen Lipidapherese im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu versorgen.
Das Sozialgericht hat eine ärztliche Stellungnahme von F. vom 10.10.2024 eingeholt und mit Beschluss vom 11.10.2024 die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller bis zur bestands- bzw. rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache, längstens jedoch bis zum 10.05.2025, vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung der Kosten, die begehrte Lipidapherese zu gewähren.
Mit der hiergegen am 30.10.2024 erhobenen Beschwerde trägt die Antragsgegnerin vor, es liege aktuell keine progrediente kardiovaskuläre Erkrankung vor. Zudem habe der Antragsteller die empfohlenen Zielwerte von 55 mg/dl vor Einleitung der Apheresebehandlung noch nicht erreicht; eine medikamentöse Therapieoptimierung zur weiteren Absenkung sei möglich gewesen. Eine Ultima-ratio-Situation liege nicht vor.
Die Apheresebehandlung wird bislang ausweislich der im Hauptsacheverfahren beigezogenen Patientenakte der diese durchführenden nephrologischen Praxis Q. gleichwohl weiterhin zu Lasten der Antragsgegnerin, durchgeführt.
Der Senat hat eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des im Hauptsacheverfahren (Gutachten vom 30.01.2024) gehörten Sachverständigen W. von der Klinik für Innere Medizin des K. vom 20.12.2024 eingeholt, auf die der Einzelheiten wegen Bezug genommen wird.
II.
Die zulässige Beschwerde ist in vollem Umfang begründet.
Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin mit dem angefochtenen Beschluss zu Unrecht im Wege der einstweiligen Anordnung zur Versorgung des Antragstellers mit der streitigen Lipidapherese verpflichtet.
Die Voraussetzungen der vom Antragsteller begehrten einstweiligen (Regelungs-) Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 S. 2 SGG liegen nicht vor.
Nach § 86b Abs. 2 S. 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs. 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (S. 2). Vorliegend begehrt der Antragsteller der Sache nach die vorläufige Versorgung mit einer bestimmten Therapie. Damit richtet sich die Gewährung des einstweiligen Rechtsschutzes auf den Erlass einer Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG. Die Erfolgsaussichten eines Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der erstrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stellt Art. 19 Abs. 4 GG besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. In solchen Fällen ist, wenn sich die Entscheidung an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientiert, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Ist eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. In diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange der Antragsteller umfassend in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 –, Rn. 24 ff.).
Nach diesen Grundsätzen ist die Antragsgegnerin nicht verpflichtet, den Antragsteller vorläufig mit der begehrten Lipidapherese zu versorgen.
Nach der Sach- und Rechtslage, wie sie sich sowohl im vorliegenden Eilverfahren als auch in dem beim Senat anhängigen Hauptsacheverfahren darstellt, hat der Antragsteller keinen Anspruch auf die Durchführung einer extrakorporalen Lipidapherese nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V i.V.m. der allein in Betracht kommenden Vorschrift des § 3 Abs. 2 der Anlage I Nr. 1 zur Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses zu Untersuchungs- und Behandlungsmethoden der vertragsärztlichen Versorgung (Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung <MVV-RL>, hier in der Fassung vom 17.10.2024, in Kraft getreten am 21.01.2025).
Hiernach können LDL-Apheresen bei isolierter Lp(a)-Erhöhung nur durchgeführt werden bei Patienten mit isolierter Lp(a)-Erhöhung über 60 mg/dl und LDL-Cholesterin im Normbereich sowie gleichzeitig klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierter progredienter kardiovaskulärer Erkrankung (koronare Herzerkrankung, periphere arterielle Verschlusskrankheit oder zerebrovaskuläre Erkrankungen). Da für die in § 3 der Anlage I Nr. 1 MVV-RL genannten Krankheitsbilder in der vertragsärztlichen Versorgung i.d.R. hochwirksame medikamentöse Standard-Therapien zur Verfügung stehen, sollen Apheresen nur in Ausnahmefällen als „ultima ratio“ bei therapierefraktären Verläufen eingesetzt werden (§ 1 Abs. 2 der Anlage I MVV-RL)
Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Dies ergibt sich aus dem Gesamtergebnis der erfolgten Beweisaufnahme, insbesondere dem im Hauptsacheverfahren eingeholten Gutachten des Sachverständigen I. vom 30.01.2024 nebst der vom Senat im vorliegenden Eilverfahren eingeholten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 20.12.2024 sowie den weiteren aktenkundigen und medizinischen Stellungnahmen. Da der Sachverhalt hierdurch im Wesentlichen vollständig geklärt ist, besteht für eine Entscheidung aufgrund einer Folgenabwägung keine Veranlassung; angesichts der Beweislage könnte sie ohnehin nicht zugunsten des Antragstellers ausgehen.
Soweit die Apherese-Kommission der KVN das Vorliegen einer Indikation nach § 3 der Anlage I MVV-RL und damit die Durchführung der Apheresen beim Antragsteller, wie bereits im vorherigen Verfahren, bejaht hat, so dass die erforderliche Genehmigung nach § 2 der Anlage I MVV-RL vorliegt, kommt deren Votum nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 16.05.2024 – B 1 KR 40/22 R –, Rn. 14) keine Bindungswirkung zu.
Bei dem Antragsteller liegen zwar (wohl unstreitig) eine isolierte Lp(a)-Erhöhung mit Werten von 311 und 383 nmol/I (entspricht 129,594 mg/dl bzw. 159,596 mg/dl) und ein LDL-Cholesterin im Normbereich (1), jedoch keine Ultima-ratio-Situation (2) vor. Vor diesem Hintergrund kann der Senat es im Ergebnis dahinstehen lassen, ob eine klinisch und durch bildgebende Verfahren dokumentierte progrediente kardiovaskuläre Erkrankung nachgewiesen ist, was allerdings erheblich zweifelhaft ist (3). Ob eine ergänzende lipidologische Beurteilung erfolgte, vermag der Senat abschließend nicht zu beurteilen. Dies kann aber ebenfalls dahinstehen (4.).
1. Die beim Antragsteller nachgewiesenen LDL-Cholesterinwerte betrugen zwischen 2018 und 2022 (und damit vor Erstantragstellung) zwischen 62 und 86 mg/dl. Damit lagen und liegen sie ungeachtet (noch) niedriger Werte im weiteren Verlauf im Normbereich i.S. des § 3 Abs. 2 der Anlage I 1 MVV-RL. Für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Normbereich" i.S. der Richtlinie ist auf die medizinische Bedeutung des Begriffs abzustellen. Danach handelt es sich um einen Bereich, der unabhängig von individuellen Therapiezielen und Patienten-Risikoprofilen für gesunde Menschen im Normalfall vorliegen sollte. Der Normbereich liegt -- in Abgrenzung zu niedrigeren "Zielwerten" für Hochrisikopatienten nach der ESC/EAS-Leitlinie – die der gerichtliche Sachverständige sowie die Antragsgegnerin wiederholt in Bezug genommen und mit 55 mg/dl angegeben haben -- auch beim Antragsteller bei <100 mg/dl (vgl. zur Bestimmung des Normbereichs BSG, Urteil vom 16.05.2024 – B 1 KR 40/22 R –, Rn. 33). Das Heranziehen von niedrigeren Zielwerten würde überdies nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung im Ergebnis zu einer doppelten Berücksichtigung einer Ultima-ratio-Situation (neben § 1 Abs. 2 der Anlage I Nr. 1 MVV-RL) führen, für die der Wortlaut des § 3 Abs. 2 der Anlage I Nr. 1 MVV-RL keine Anhaltspunkte bietet. (BSG a.a.O.).
2. Hingegen liegt eine Ultima-ratio-Situation im Sinne von § 1 Abs. 2 der Anlage I MVV-RL nicht vor. Nach § 5 Abs. 2 S. 2 der Anlage I MVV-RL muss insoweit aus der Dokumentation nachvollziehbar hervorgehen, dass jeweils (auch in Bezug auf Folgeanträge) eine Befundkonstellation vorliegt, für die es keine Therapiealternativen gibt und die Lp(a)-Apherese somit eine solche Ultima-ratio-Behandlung darstellt. Dies ist vorliegend nach den Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen I. nicht der Fall.
Vielmehr hat dieser bereits in seinem Gutachten vom 30.01.2024 ausgeführt, dass die KHK des Antragstellers noch mittels Lebensstilmaßnahmen (Bewegung, Gewichtsreduktion, angepasste Ernährung, Aufgabe des Rauchens), einer guten Blutdruckeinstellung sowie ggf. einer medikamentösen lipdidsenkenden Therapie behandelbar ist. In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 20.12.2024 führt er nunmehr ausdrücklich aus, dass bezüglich des erhöhten LDL-Cholesterins zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht alle medikamentösen Maßnahmen ausgeschöpft gewesen seien. Es sei bereits eine Therapie mit Atorvastain40, Ezetemib10 und Nilemdo180 erfolgt, die fortgeführt und durch ergänzende Gabe z.B. eines PCSK9-Hemmers deutlich hätte intensiviert werden können. Zudem habe deutliches Übergewicht bestanden, welches ebenfalls noch beeinflussbar war. Der Sachverständige kommt unter Würdigung insbesondere dieser Umstände ausdrücklich zu dem Ergebnis, dass von einer „Ultima-ratio-Situation" noch nicht habe ausgegangen werden können. Insoweit stimmt er im Ergebnis mit den Ausführungen der Medizinischen Dienste Niedersachsen und Bremen (MD) im sozialmedizinischen Gutachten vom 25.01.2023 überein
Dass der Sachverständige dies nur für die Therapie des erhöhten LDL-Cholesterins und des Übergewichts festgestellt hat, nicht aber für die Behandlung der isolierten Lp(a)-Erhöhung, für die er keine anderen therapeutischen Maßnahmen außer der Lipidapherese gesehen hat, führt nicht zu einer anderen Wertung. Aus den tragenden Gründen zum Beschluss des G-BA über eine Änderung der MVV-RL in Anlage I: Apheresebehandlung bei isolierter Lp(a)-Erhöhung vom 19.06.2008 lässt sich ableiten, dass die in § 1 Abs. 2 Anlage I Nr. 1 MVV-RL benannten Standardtherapien nicht auf das Krankheitsbild einer isolierten Lp(a)-Erhöhung ausgerichtet sind, sondern auf die kardiovaskulären Erkrankungen.
Eine Dokumentation in o.g. Sinn, die eine andere Befundkonstellation und damit eine Ultima-ratio-Situation nachvollziehbar darstellt, liegt nicht vor. Auch die Patientenakte der die Apherese durchführenden nephrologischen Praxis Q. und die vom Senat im Hauptsacheverfahren beigezogenen Unterlagen der M. lassen einen gegenteiligen Schluss nicht zu.
3. Bei dieser Sachlage kann im Ergebnis dahinstehen, ob eine klinisch und durch bildgebende Befunde belegte Progredienz der kardiovaskulären Erkrankung des Antragstellers vorliegt bzw. – für die Zwecke des einstweiligen Rechtsschutzes – glaubhaft gemacht ist. Der Senat weist jedoch darauf hin, dass dies unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes fraglich erscheint.
Nach § 5 der Anlage I Nr. 1 MVV-RL sind zur Indikationsstellung – auch im Wiederholungsfall – und im Behandlungsverlauf neben den weiteren dort einzeln aufgeführten Sachverhalten (u.a. der Ultima-ratio-Situation) für jeden Einzelfall unter Darlegung der Befunde u.a. die Angabe zum klinischen Verlauf der Progredienz der Erkrankung(en) sowie die bildgebende Dokumentation der Progredienz der kardiovaskulären Erkrankung zu dokumentieren.
Angesichts dieser Regelung erscheint ein im Zeitpunkt der Erstvorstellung des Patienten vorliegendes Stadium der areriosklerotischen Erkrankung, deren Progress vital gefährdend ist, nicht ausreichend, einen Anspruch auf Versorgung mit einer Lipidapherese unter dem Gesichtspunkt der Progredienz zu bejahen (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.11.2023 – L 4 KR 354/23 B ER –, Rn. 7f., juris). Vielmehr dürfte sich aus § 5 der Anlage I Nr. 1 MVV-RL ergeben, dass ein progredienter Verlauf nicht nur bei Erst-, sondern auch bei Folgeanträgen dokumentiert sein muss (so auch LSG NRW, Beschluss vom 29.01.2021 – L 11 KR 865/20 B ER –, Rn. 37f., juris).
Der Begriff "progredient" ist, ausgehend von seinem Wortsinn (sich in einem bestimmten Verhältnis allmählich steigernd) und seiner grammatischen Herleitung (Partizip Präsenz von progredi) im Sinne von fortschreitend (und nicht etwa von fortgeschritten) zu verstehen (so zutreffend m.w.N. LSG NRW, Beschluss vom 03.12.2018 – L 5 KR 677/18 B ER –, juris). Es muss also über einen gewissen Zeitraum (klinisch oder durch bildgebende Verfahren) eine Verschlechterung der kardiovaskulären Erkrankung festgestellt sein (LSG NRW, Beschluss vom 03.07.2020 – L 11 KR 181/20 B ER – juris).
Vorliegend hat bereits der MD festgestellt, dass ein Progress der koronaren Herzerkrankung aus fachgutachterlicher Sicht nicht bestätigt werden könne, da insbesondere aktuelle angiologische Verlaufsberichte aus 2022 nicht vorlagen. Ein TTE-Befund vom 27.10.2022 zeige einen normal großen linken Ventrikel mit geringer konzentrischer Hypertrophie und einer LVEF von 50 %. Ein Progress der KHK könne daraus nicht abgeleitet werden.
Der behandelnde Kardiologe F. bescheinigt in einem Befundbericht vom 21.01.2024 ein gutes Langzeitergebnis nach proximalem RCX-Stent (2008) und einen seit 2020 relativ stabilen Zustand. Dem entsprechen die Ausführungen des Herzzentrums des Klinikums Q. (Bericht vom 14.08.2020), das ergänzend eine Intensivierung der Herzinsuffizienztherapie, begleitend die Intensivierung der antianginösen Therapie und zusätzlich eine maximale nierenprotektive Therapie empfahl. In einem Schreiben vom 10.10.2024 hat F. ausgeführt, der Verlauf der Erkrankung habe „zumindest bis 2010 eine erhebliche Dynamik bzw. Aktivität der Erkrankung erkennen lassen“. Ein Fortschreiten der KHK seit Mai 2024 sei „so nicht nachweisbar“.
Die behandelnde nephrologische Praxis hat am 26.11.2024 zu Letzterem darauf hingewiesen, beim Antragsteller könne eine Zunahme der Gefäßverkalkung nicht mittels der notwendigen bildlichen Darstellung der Gefäße im Vergleich zu einer bereits früher durchgeführten Bildgebung nachgewiesen werden. Es gebe zum einen keine früheren (CT-) Aufnahmen der Herzkranzgefäße, die man zum Vergleich heranziehen könne. Zum anderen sei eine ggf. erforderliche Herzkatheteruntersuchung beim Antragsteller aus medizinischen Gründen nicht durchführbar. Bei der Durchführung von EKG und Echokardiographie hätten sich keine indirekten Hinweise für das Fortschreiten der Verkalkungszunahme ergeben. Demgegenüber diagnostiziert der Sachverständige I. zwar das Vorliegen einer progredienten Arteriosklerose mit fortgeschrittener koronarer 3-Gefäßerkrankung.Insofern referiert er im Ergebnis auf den Zeitpunkt der Erstantragstellung, ohne allerdings eine Progredienz seit 2020 bzw. seit Erreichen der Zielwerte des LDL-Cholesterins festzustellen.
Die zuletzt empfohlene Fistelvenenrevision mit Patchplastik der hochgradigen Stenose (Klinikum Q. vom 02.12.2024) dürfte für sich allein betrachtet die Progredienz einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit nicht belegen.
4. Gemäß § 4 Abs. 1 der Anlage I Nr. 1MVV-RL hat der Indikationsstellung in den Fällen nach § 3 Absatz 1 und 2 (LDL-Apherese bei Hypercholesterinämie und bei isolierter Lp(a)-Erhöhung) eine ergänzende kardiologische bzw. angiologische und lipidologische Beurteilung des Patienten voranzugehen. Bereits der MD und die Antragsgegnerin haben das Fehlen jedenfalls einer lipidologischen Stellungnahme bemängelt.
5. Lediglich der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass die Befristung der zugesprochenen vorläufigen Versorgung mit Apheresebehandlungen nicht bis zum 10.05.2025, wie vom Sozialgericht entschieden, sondern längstens bis zum 07.05.2025 hätte erfolgen dürfen. Dies folgt aus § 8 Abs. 1 S. 1 der Anlage 1 Nr. 1 MVV-RL (vgl. auch BSG, Urteil vom 16.05.2024 a.a.O. Rn. 32). Die dort genannte Jahresfrist berechnet sich ab der Entscheidung der Apherese-Kommission (vgl. etwa. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.02.2022 – L 4 KR 27/22 B ER, m.w.N).
Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung von § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).