1. Erfolgsaussichten iSv §§ 73a SGG, 114 ZPO bestehen, wenn das Gericht den Rechtstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar erachtet. An die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden (BVerfG, Beschluss vom 4. Februar 2004 - 1 BvR 1172/02). 2. Auch in Fällen sog "Sekundärmigration" ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Rückkehr in das schutzgewährende Land rechtlich und tatsächlich möglich und zumutbar ist.
I. Der Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. November 2024 wird aufgehoben, soweit Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde.
II. Den Antragstellern wird Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren unter Beiordnung von Rechtsanwalt R. H. , A.-Str. 56, 0...L., bewilligt. Monatliche Raten aus dem Einkommen und Zahlungen aus dem Vermögen sind nicht zu leisten.
Gründe:
I.
Die Antragsteller und Beschwerdeführer (im weiteren nur Antragsteller) wenden sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, mit dem Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde (L 8 AY 21/24 B). In dem zugrundeliegenden Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes begehren sie ungekürzte Leistungen nach §§ 3, 3a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Gegen den auch insoweit ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts wenden sich die Antragsteller ebenfalls (L 8 AY 20/24 B ER).
Der Antragsteller zu 1) ist 1977 geboren und die Antragstellerin zu 2) im Jahre 1981. Die übrigen Antragsteller sind ihre minderjährigen Kinder. Sie sind alle afghanische Staatsangehörige und haben einen Asylantrag in Deutschland gestellt.
Am 28. August 2024 wurden die Antragsteller gemäß § 50 Abs. 2, 4 und 6 Asylgesetz (AsylG) von der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber der Stadt D. (Antragsgegnerin) zugewiesen. Dieser Zuweisung kamen die Antragsteller nach.
Am 28. August 2024 beantragten die Antragsteller Leistungen nach dem AsylbLG. Die Antragsgegnerin stellte fest, dass den Antragstellern Passdokumente in Griechenland ausgestellt worden waren. Gleichwohl überwies sie ihnen am 2. September 2024 einen Vorschuss i.H.v. 200 €. Das Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) teilte mit, dass die Antragsteller über einen Aufenthaltstitel in Griechenland verfügten und dort internationalen Schutz erhalten hätten.
Mit Bescheid vom 5. September 2024 lehnte die Antragsgegnerin die Bewilligung von Leistungen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse für die Antragsteller ab. Zur Begründung heißt es, diese hätten keinen Anspruch auf Leistungen nach § 1 Abs. 4 AsylbLG, da ihnen bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylbLG gewährt worden sei (Griechenland). Ungeachtet dessen seien die Antragsteller zu 1) und 2) am 23. Februar 2024 unerlaubt in die Bundesrepublik Deutschland eingereist, weshalb ein Ermittlungsverfahren bei der Staatsanwaltschaft anhängig sei. Zugleich forderte die Antragsgegnerin die Antragsteller auf, bis zum 8. September 2024 die gestellte Wohnung zurückzugeben. Zugleich wies sie zur Vermeidung von Obdachlosigkeit mit weiterem Bescheid vom 5. September 2024 die Antragsteller mit Wirkung vom 9. September 2024 vorübergehend in ein Wohnheim in D. ein. Mit Bescheid vom 5. September 2024 setzte die Antragsgegnerin für die Nutzung der Unterkunft zugleich eine monatliche Gebühr i.H.v. 1.161,00 € fest. Am 9. September 2024 räumten die Antragsteller die zugewiesene Wohnung. Am 10. September 2024 zogen sie in das zugewiesene Wohnheim ein.
Die Antragsteller wiesen darauf hin, dass sie im Besitz einer Aufenthaltsgestattung und daher nicht vollziehbar ausreisepflichtig seien. Am 12. September 2024 beantragte die Schwester des Antragstellers zu 1) auch in seinem Namen für die Antragsteller Überbrückungsleistungen gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 AsylbLG für die Ausreise und bat um Antwort spätestens bis zum 16. September 2024.
Am 13. September 2024 legten die Antragsteller Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. September 2024 bezüglich der Ablehnung der Gewährung von Leistungen nach dem AsylbLG ein. Sie hätten Anspruch auf Leistungen gemäß § 3, 3a AsylbLG. Eine Rückkehr nach Griechenland sei ihnen nicht zumutbar. Zur Begründung wurden verschiedene Gerichtsentscheidungen wiedergegeben, wonach die Verhältnisse in Griechenland auch für anerkannte Flüchtlinge unzumutbar seien. Sie haben mitgeteilt, man bitte um Bescheidung des Widerspruchs bis zum 18. September 2024.
In der Einkommens- und Vermögenserklärung vom 24. September 2024 wies der Antragsteller zu 1) zugleich im Namen der anderen Antragsteller darauf hin, kein eigenes Einkommen und auch kein Vermögen zu haben. Er habe sich vom 3. Oktober 2023 bis 20. Februar 2024 in einem Flüchtlingscamp auf der griechischen Insel Lesbos aufgehalten. Sozialleistungen habe er dort, abgesehen von Lebensmitteln, nicht erhalten.
Mit Bescheid vom 25. September 2024 bewilligte die Antragsgegnerin den Antragstellern ab dem 28. August 2024 abweichend von §§ 3, 3a AsylbLG nur eingeschränkte Leistungen nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG i.V.m. § 1a Abs. 1 AsylbLG i.H.v. 177,19 € für August sowie i.H.v. insgesamt 2.699,90 € für den Monat September 2024 sowie die Kosten der Unterkunft und Heizung als Sachleistung für sechs Monate. Wegen der Höhe der einzelnen Leistungen wird auf den Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 12. Dezember 2024 hingewiesen. Zur Begründung der Entscheidung heißt es, die Antragsteller gehörten zum Kreis der Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG. Allerdings erhielten Leistungsberechtigte, für deren Prüfung ihres Antrags auf internationalen Schutz ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union zuständig sei, nur Leistungen entsprechend § 1a Abs. 4 AsylbLG. Hier sei den Antragstellern im Rahmen des Asylverfahrens internationaler Schutz in Griechenland gewährt worden. Soweit im Einzelfall besondere Umstände vorlägen, könnten auch andere Leistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG gewährt werden. Anhaltspunkte für ein Abweichen von dieser Regel seien im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Ein weitergehender, konkreter und unabweisbarer Bedarf sei nicht vorgetragen.
Am 23. September 2024 haben die Antragsteller beim Sozialgericht Dessau-Roßlau einen Antrag auf Gewährung von einstweiligem Rechtsschutz sowie für die Durchführung des Verfahrens einen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt. Sie haben vorgetragen, ihnen sei in Griechenland internationaler Schutz gewährt worden. Daraufhin hätten sie das Camp für Geflüchtete verlassen müssen. Danach hätten sie in einem Zelt ohne Strom und Licht übernachten müssen. Dann seien sie nach Deutschland ausgereist und hätten einen Asylantrag gestellt. Die Antragsteller seien zunächst in einer Gemeinschaftsunterkunft in H. untergebracht worden. Es sei ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 1a Abs. 4 AsylbLG, dass eine Rückkehr in das schutzgewährende Land (hier Griechenland) rechtlich und tatsächlich möglich und zumutbar sein müsse. Dies sei angesichts der konkreten Verhältnisse in Griechenland nicht der Fall. Als Beleg haben die Antragsteller verschiedene Gerichtsentscheidungen angeführt (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27. März 2020 - L 20 AY 20/20 B ER; Sozialgericht [SG] L., Beschluss vom 25. Mai 2021 - S 10 AY 18/21 ER; Verwaltungsgericht [VG] Gießen, Beschluss vom 7. September 2023 - 2 L 1520/23.GI.A). Angesichts der existenziellen Notlage bestehe auch ein Anordnungsgrund. Sie verfügten über keinerlei finanzielle Reserven.
Mit Beschluss vom 8. November 2024 hat das Sozialgericht Dessau-Roßlau den Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sowie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, die Antragsteller hätten keinen Anspruch auf uneingeschränkte Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG. Griechenland habe den Antragstellern internationalen Schutz gewährt, der auch fortbestehe. Bei ihrer Rückkehr nach Griechenland würde den Antragstellern auch keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 Europäische Menschenrechtskonversion (EMRK) drohen. Zutreffend sei zwar der Hinweis der Antragsteller, dass in der Vergangenheit mehrere Verwaltungsgerichte und auch Sozialgerichte angenommen hätten, dass Flüchtlingen trotz gewährten internationalen Schutzes bei einer Rückkehr nach Griechenland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK drohe. In der aktuellen Rechtsprechung werde das allerdings mittlerweile weit überwiegend verneint (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Urteil vom 6. August 2024 - 2 A 489/23.A; VG B., Beschluss vom 20. September 2024 - VG 9 L 542/24 A; VG Trier, Beschluss vom 6. August 2024 - 8 L 3201/24.TR; VG Augsburg, Urteil vom 23. Juli 2024 - Au 9 K 24.30562; VG Cottbus, Urteil vom 16. Mai 2024 - 5 K 22/19.A, alle zitiert nach juris).
Gegen den ihnen am 11. November 2024 zugestellten Beschluss haben die Antragsteller am nächsten Tag sowohl gegen die Ablehnung der Prozesskostenhilfe als auch in dem Eilverfahren selbst Beschwerde eingelegt. Zur Begründung haben sie ihren erstinstanzlichen Vortrag wiederholt. Sie haben eine bis zum 22. April 2025 gültige Aufenthaltsgestattung vorgelegt. Eine Entscheidung des BAMF über den Asylantrag stehe noch aus.
Die Antragsteller beantragen,
den Beschluss des Sozialgerichts Dessau-Roßlau vom 8. November 2024 aufzuheben und
ihnen Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Sozialgericht ohne Ratenzahlungsverpflichtung unter Beiordnung von Rechtsanwalt H., L., zu bewilligen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Beschluss für zutreffend. Sie hat nochmals betont, dass den Antragstellern in Griechenland internationaler Schutz gewährt worden sei. Die diesbezüglichen Dokumente gälten bis zum 20 November 2026, so dass eine entsprechende Rückführung bis zu diesem Datum problemlos möglich wäre. Soweit den Beschwerdeführern bereits internationaler Schutz gewährt worden sei, gelte die Überstellungsfrist nach der Dublin-III-Verordnung nicht.
Der Senat hat verschiedene Unterlagen zu der Situation von Flüchtlingen in Griechenland beigezogen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie auf die beigezogene Verwaltungsakte verwiesen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
II.
Die zulässige Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe ist begründet.
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts, mit dem mangels hinreichender Erfolgsaussichten die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt wurde, ist nach § 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Sie wurde gemäß § 173 SGG frist- und formgerecht eingelegt.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Ausgehend von der im Beschwerdeverfahren maßgeblichen Sach- und Rechtslage liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung des gewählten Rechtsanwalts vor.
a) Gemäß § 73a SGG i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten für die Prozessführung nicht aufbringen kann (dazu bei bb), auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (dazu bei aa).
aa) Unter Berücksichtigung der Klagebegründung bietet die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Erfolgsaussichten in diesem Sinne bestehen, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers aufgrund seiner Sachverhaltsschilderung und der vorliegenden Unterlagen zumindest für vertretbar erachtet. An die hinreichende Erfolgsaussicht dürfen keine überspannten Anforderungen gestellt werden (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], 4. Februar 2004 - 1 BvR 1172/02 - NJW-RR 2004, 1153). Zweck der Prozesskostenhilfe ist der weitgehend gleiche Zugang zu Gericht einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 30. Mai 2022 - 1 BvR 1012/20 - juris Rn. 11). Prozesskostenhilfe darf nur verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber lediglich eine entfernte ist (BVerfG, Beschluss vom 2. Mai 2016 - 2 BvR 1267/15 - juris Rn. 10).
Die Prüfung der Erfolgsaussicht soll nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 16. April 2019 - 1 BvR 2111/17 - juris Rn. 22). Prozesskostenhilfe ist allerdings nicht bereits zu gewähren, wenn die entscheidungserhebliche Frage zwar noch nicht höchstrichterlich geklärt ist, ihre Beantwortung aber im Hinblick auf die einschlägige gesetzliche Regelung oder die durch die bereits vorliegende Rechtsprechung gewährten Auslegungshilfen nicht als „schwierig“ erscheint. Liegt diese Voraussetzung dagegen vor, läuft es dem Gebot der Rechtsschutzgleichheit jedoch zuwider, dem Unbemittelten wegen fehlender Erfolgsaussicht seines Begehrens Prozesskostenhilfe vorzuenthalten. So bestehen je nach Verfahrensart Möglichkeiten des Unbemittelten, eine ihm günstige Entscheidung der Rechtsfrage durch ein Gericht höherer Instanz zu erreichen, das im Prozesskostenhilfe-Verfahren nicht erreichbar wäre. Ein Fachgericht, das § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO dahin auslegt, dass auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfe-Verfahren „durchentschieden“ werden können, verkennt damit die Bedeutung der in Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz (GG) verbürgten Rechtsschutzgleichheit (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 16. April 2019 - 1 BvR 2111/17 - juris Rn. 22).
Die gesetzlichen Voraussetzungen zum Erlass einer einstweiligen Anordnung können nicht als fernliegend angesehen werden.
Gemäß § 86b Abs. 2 Satz 1 SGG kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch die Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich die Dringlichkeit des Rechtsschutzes voraus. Die Tatsachen, die den Anordnungsgrund und den Anordnungsanspruch begründen sollen, sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Sinn und Zweck des einstweiligen Rechtsschutzes liegen in der Sicherung der Entscheidungsfähigkeit und der prozessualen Lage, um eine endgültige Rechtsverwirklichung im Hauptsacheprozess zu ermöglichen. Es will nichts Anderes als allein wegen der Zeitdimension der Rechtserkenntnis und der Rechtsdurchsetzung im Hauptsacheverfahren eine zukünftige oder gegenwärtige prozessuale Rechtsstellung vor zeitüberholenden Entwicklungen sichern und irreparable Folgen ausschließen und der Schaffung vollendeter Tatsachen vorbeugen, die auch dann nicht mehr rückgängig gemacht werden können, wenn sich die angefochtene Verwaltungsentscheidung im Nachhinein als rechtswidrig erweist. Hingegen dient das vorläufige Rechtsschutzverfahren nicht dazu, gleichsam unter Umgehung des für die Hauptsache zuständigen Gerichts und unter Abkürzung dieses Verfahrens, geltend gemachte materielle Rechtspositionen vorab zu realisieren. Bei der Auslegung und Anwendung der Regelungen des vorläufigen Rechtsschutzes sind die Gerichte gehalten, der besonderen Bedeutung der jeweils betroffenen Grundrechte und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Die Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG verlangt grundsätzlich die Möglichkeit eines Eilverfahrens, wenn ohne sie dem Betroffenen eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Rechten droht, die durch die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 25. Oktober 1999 - 2 BvR 745/88 - BVerfGE 79, 69, 74; BVerfG, Beschluss vom 16. Mai 1995 - 1 BvR 1087/91 - BVerfGE 93, 1, 14). Dies gilt sowohl für die Anfechtungs- als auch für Vornahmesachen. Hierbei dürfen die Entscheidungen der Gerichte grundsätzlich auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Ist dem Gericht eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Die Gerichte müssen sich schützend und fördernd vor die Grundrechte des Einzelnen stellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG, Beschluss vom 25. Februar 2009 - 1 BvR 120/09 - NZS 2009, 674, 675).
Gemessen daran können sich die Antragsteller sowohl auf einen Anordnungsanspruch (dazu bei ß.) als auch auf einen Anordnungsgrund (dazu bei a.) berufen.
a. Die Sache ist eilbedürftig, da die Antragsteller glaubhaft gemacht haben, weder über Einkommen noch über Vermögenswerte zu verfügen. Die nach § 1a Abs. 4 i.V.m. § 1a Abs. 2 AsylbLG gekürzten Leistungen decken grundsätzlich nur einen Teil des notwendigen Bedarfs im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG ab. Damit ist ihr verfassungsrechtlicher Anspruch auf Sicherung ihres menschenwürdigen Existenzminimums gefährdet (dazu BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - juris Rn. 120).
Der Antrag vom 28. August 2024 hat sich nicht durch eine Ausreise in das Ausland erledigt. Die Antragsteller sind am 9. September 2024 mit dem Zug nach F. und am nächsten Tag wieder zurückgefahren. Sie haben das Bundesgebiet nicht verlassen (siehe außerdem: BSG, Urteil vom 24. Juni 2021 - B 7 AY 2/20 R - juris Rn. 11).
Der Antrag auf Überbrückungsleistungen vom 12. September 2024 dürfte entsprechend dem Grundsatz der Meistbegünstigung (dazu BSG, Urteil vom 24. Juni 2021 - B 7 AY 3/20 R - juris Rn. 11 m.w.N.) dahingehend zu verstehen sein, dass weiterhin Grundleistungen begehrt worden sind. Die von der Antragsgegnerin zunächst beabsichtigte Abmeldung der Antragsteller aus dem Leistungssystem ist tatsächlich unterblieben. Von einem „echten“ Folgeantrag dürfte nicht auszugehen sein.
Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist diese Frage auch ohne Belang. An der grundsätzlichen Notlage der Antragsteller und dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf einstweiligen Rechtsschutz ändert sich durch einen Folgeantrag ohnehin nichts. Andernfalls wären die Antragsteller entgegen Art. 1, 19 Abs. 4 GG rechtschutzlos gestellt. Die letztgenannte Bestimmung garantiert nicht nur das formelle Recht und die theoretische Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern auch eine tatsächlich wirksame gerichtliche Kontrolle. Daher muss das Gericht das Verfahrensrecht in einer Weise auslegen und anwenden, die dem Gebot effektiven Rechtsschutzes Rechnung trägt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 4. Februar 2016 - 2 BvR 2223/15 - juris Rn. 100). Verfahrensnormen sind kein Selbstzweck, sondern dienen der Findung einer möglichst richtigen und gerechten Entscheidung, die den Rechtsfrieden wiederherstellen kann. Verfahrensrecht ist also dienendes Recht (Ulmer in Hennig, SGG [Stand: Juni 2015], vor § 51 Rn. 3).
ß. Es bestehen ausreichende Erfolgsaussichten hinsichtlich des Vorliegens eines Anordnungsanspruchs.
Die Antragsteller gehören zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG. Sie sind Ausländer, halten sich tatsächlich im Bundesgebiet auf und besitzen eine Aufenthaltsgestattung nach dem AsylG. Die letztgenannte ausländerrechtliche Entscheidung entfaltet Tatbestandswirkung für die Frage nach der Zugehörigkeit zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 1 AsylbLG (BSG, Urteil vom 25. Juli 2024 - B 8 AY 7/23 R - juris Rn. 18).
Für die Leistungsgewährung ist die Antragsgegnerin zuständig. § 10 Satz 1 AsylbLG sieht diesbezüglich vor, dass die Landesregierungen oder die von ihnen beauftragten obersten Landesbehörden die für die Durchführung dieses Gesetzes zuständigen Behörden und Kostenträger bestimmen; sie können Näheres zum Verfahren festlegen, soweit dies nicht durch Landesgesetz geregelt ist. Die danach zuständigen Behörden und Kostenträger können aufgrund näherer Bestimmung gemäß § 10 Satz 1 AsylbLG Aufgaben und Kostenträgerschaft auf andere Behörden übertragen (§ 10 Satz 2 AsylbLG). Dies ist im Land Sachsen-Anhalt erfolgt. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 7 Allgemeine Zuständigkeitsverordnung für die Gemeinden und Landkreise zur Ausführung von Bundesrecht (vom 7. Mai 1994, zuletzt geändert durch Verordnung vom 12. Mai 2021, GVBl. LSA S. 284, 285) ergibt sich die Zuständigkeit der Antragsgegnerin als kreisfreie Stadt für die Durchführung des AsylbLG.
Ob die in § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG genannten Voraussetzungen für die Gewährung eingeschränkter Leistungen vorliegen, ist zweifelhaft.
Nach § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG erhalten Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1, 1a oder 5 AsylbLG, für die in Abweichung von der Regelzuständigkeit nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (ABl. L 180 vom 29.6.2013, S. 31), nach einer Verteilung durch die Europäische Union ein anderer Mitgliedstaat oder ein am Verteilmechanismus teilnehmender Drittstaat, der die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 anwendet, zuständig ist, nur Leistungen gemäß Absatz 1. Nach Satz 2 gilt dies entsprechend für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 1a AsylbLG, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz gewährt worden ist, wenn der internationale Schutz fortbesteht.
Der Sinn des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG liegt in der Begrenzung der Sekundärmigration insbesondere aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Deutschland (Oppermann in: Schlegel/Voelzke- jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 1a AsylbLG [Stand: 14.01.2025], Rn. 133). Nach dem Gesetzentwurf vom 31. Mai 2016 dient sie der Vervollständigung der Regelung nach § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG (BT-Drucksache 18/8615, S. 35), wonach eine Anspruchseinschränkung für bestimmte Fälle vorgesehen ist, in denen ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zu § 1a Abs. 4 AsylbLG in der ab dem 24. Oktober 2015 geltenden Fassung war gefordert worden, dass eine Leistungseinschränkung auch („erst recht“) bei Personen erfolgt, deren Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat durch Gewährung eines Schutzstatus bereits positiv abgeschlossen worden ist (BR-Drucksache 446/1/15, S. 7).
Für das Asylverfahren bestimmt § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG für die gleiche Sachlage, dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat.
Es bestehen mehrere schwierige, offene Rechts- und Tatsachenfragen, für deren abschließende Klärung nicht das Verfahren über die Prozesskostenhilfe vorgesehen ist. Es wird für vergleichbare Fälle wie vorliegend vertreten, im Wege einer teleologisch-systematischen Reduktion des § 1a Abs. 4 AsylbLG zu prüfen, ob die Rückkehr in das schutzgewährende Land rechtlich und tatsächlich möglich und zumutbar ist (Bayerisches Landesozialgericht [LSG], 9. März 2023 - L 8 AY 110/22- juris; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 7. Februar 2018 - L 8 AY 23/17 B ER - juris Rn. 16 - 18). Die Anwendung des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG sei zweckwidrig und insgesamt nicht gerechtfertigt, wenn trotz Vorliegens der Tatbestandsvoraussetzungen der Norm in der Bundesrepublik Deutschland eine Sachentscheidung über den Antrag auf Zuerkennung einer Flüchtlingseigenschaft zu treffen ist, wenn also § 29 AsylbLG nicht greift. In einem solchen Fall trifft den Leistungsberechtigten keine Obliegenheit, sich in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu begeben, in dem ihm Schutz zuerkannt worden ist (so LSG Niedersachsen-Bremen vom 7. Februar 2018 - L 8 AY 23/17 B ER - FEVS 70, 66; Adolph in: Adolph, SGB II, SGB XII, AsylbLG, § 1a AsylbLG, Rn. 103).
Zum Asylanspruch der Antragsteller fehlt bis heute - soweit ersichtlich - eine Entscheidung des BAMF, die für den Senat wohl Tatbestandswirkung hätte (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juli 2024 - B 8 AY 7/23 R - juris Rn. 18).
Es ist allerdings unstreitig, dass das BAMF von der ihm eingeräumten Befugnis, einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in einem anderen Mitgliedstaat als unzulässig abzulehnen, keinen Gebrauch machen darf, wenn die Lebensverhältnisse in diesem Mitgliedstaat die Antragsteller der ernsthaften Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 EU-Grundrechtecharta aussetzen würde. Dies folgt schon aus dem klaren Wortlaut von Art. 3 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (BeckOK AuslR/Nuckelt, 42. Aufl., 1.7.2024, AsylG § 29 Rn. 20, beck-online; siehe auch EuGH, Beschluss vom 13. November 2019 - C-540/17, C-541/17, beck-online; BVerwG, EuGH-Vorlagebeschluss vom 7. September 2022 - 1 C 26/21 - juris Rn. 5).
Damit hat der Senat im Verfahren L 8 AY 20/24 BER und schließlich die Antragsgegnerin bei der Verbescheidung des Widerspruchs der Antragsteller gegen den Bescheid vom 5. September 2024 zu prüfen, ob den Antragstellern - also einer großen Familie - trotz internationalem Schutzstatus im Falle einer Rückkehr nach Griechenland eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 der EU-Grundrechtecharta und Art. 3 EMRK droht (bejahend in vergleichbaren Fällen zu Griechenland Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Urteil vom 27. Januar 2022 - A 4 S 2443/21 - juris; Oberverwaltungsgericht [OVG] des Saarlands, Urteil vom 15. November 2022 - 2 A 81/22 - juris; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23. November 2021 - 3 B 53.19 -; zuletzt SG Karlsruhe, Beschluss vom 25. September 2024 - S 12 AY 2449/24 ER - juris Rn. 7 - 8 m.w.N.). Ob dies heute noch zutrifft, wird der Senat auch aufgrund der beigezogenen Unterlagen zu prüfen haben. Erfolgsaussichten können schon deshalb nicht verneint werden.
Außerdem erscheint es zumindest im vorliegenden Fall vertretbar, dass eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 AsylbLG über sechs Monate innerhalb eines Jahres gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt. Auch die Einschränkung der Leistungen um mehr als 50 Prozent gegenüber Empfängern von Bürgergeld erscheint unabhängig von der Zeitdauer verfassungsrechtlich bedenklich (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 16. Dezember 2021 - L 8 AY 8/21 B ER - juris Rn. 17; Sächsisches LSG, Beschluss vom 22. Februar 2021 - L 8 AY 9/20 B ER - juris Rn. 59; sehr kritisch auch Oppermann in: Schlegel/Voelzke- jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 1a AsylbLG [Stand: 14.01.2025], Rn. 241 ff auch unter Hinweis auf erhebliche Zweifel bei erstinstanzlichen Gerichten Rn. 239 m.w.N.).
Angesichts dieser schwierigen Rechtslage ist auch eine Folgenabwägung in Betracht zu ziehen. Es ist nicht fernliegend, dass diese zu Gunsten der Antragsteller ausgeht. Denn ihnen droht im Falle einer rechtswidrigen Leistungsablehnung eine schwerwiegende Beeinträchtigung ihrer Grundrechte (vgl. BVerfG, Urteil vom 5. November 2019 - 1 BvL 7/16 - juris Rn. 120), während auf Seiten der Antragsgegnerin nur ein (unter Umständen nur vorübergehender) finanzieller Verlust steht.
bb) Die Antragsteller sind nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen bedürftig, da ihnen seit September 2024 lediglich eingeschränkte Leistungen nach § 1a Abs. 2 AsylbLG gewährt werden.
b) Im Beschwerdeverfahren gegen eine Entscheidung über Prozesskostenhilfe sind Kosten kraft Gesetzes nicht zu erstatten (vgl. § 127 Abs. 4 ZPO).
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).