S 11 SO 187/24

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Sozialhilfe
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 11 SO 187/24
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze

Das örtlich zuständige Sozialgericht ist auch bei der Klage einer natürlichen Person, die als Selbständiger bzw. als Einzelunternehmer tätig ist, stets nach dem Wohnsitz, hilfsweise nach dem Aufenthaltsort der Person zu bestimmen.

S 11 SO 187/24
    
SOZIALGERICHT NÜRNBERG

In dem Rechtsstreit

A. , A-Straße, A-Stadt
- Kläger -

Proz.-Bev.:
Rechtsanwälte B., B-Straße, B-Stadt

gegen
Bezirk Unterfranken, Sozialverwaltung, vertreten durch den Bezirktagspräsidenten, Silcherstraße 5, 97074 Würzburg
- Beklagter -

Streitigkeiten nach dem SGB XII (Sozialhilfe) einschließlich der Angelegenheiten nach Teil 2 SGB IX

erlässt der Vorsitzende der 11. Kammer, Richter am Sozialgericht a.w.a.Ri. Dr. Cantzler, ohne mündliche Verhandlung am 17. Januar 2025 folgenden

Beschluss:

Das Sozialgericht Nürnberg erklärt sich für örtlich unzuständig und verweist den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Landshut.


Gründe:

Gem. § 57 Abs. 1 S. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist das Sozialgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthaltsort hat; steht er in einem Beschäftigungsverhältnis, so kann er auch vor dem für den Beschäftigungsort zuständigen Sozialgericht klagen. Klagt eine Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts, in Angelegenheiten nach dem Elften Buch Sozialgesetzbuch ein Unternehmen der privaten Pflegeversicherung oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts oder des Schwerbehindertenrechts ein Land, so ist der Sitz oder Wohnsitz oder Aufenthaltsort des Beklagten maßgebend, wenn dieser eine natürliche Person oder eine juristische Person des Privatrechts ist (S. 2).

Der Kläger, über dessen Vermögen mittlerweile das Insolvenzverfahren eröffnet ist, betreibt als Selbstständiger einen Pflegedienst als Einzelunternehmen unter der Unternehmensbezeichnung "Pflegedienst L.". Auch wenn der Kläger nach Aktenlage Zweigstellen seines Unternehmens in 95... G. und in 90... F. betrieben hat, befand sich der Hauptsitz des Pflegeunternehmens zum Zeitpunkt der Klageerhebung in A-Stadt. Das zuständige Betriebsfinanzamt befindet sich in B-Stadt.

Der Kläger selbst wohnte zum Zeitpunkt der Klageerhebung ebenfalls in A-Stadt.

Nach herrschender Meinung ist bei Klagen natürlicher Personen für die Bestimmung des örtlich zuständigen Sozialgerichts nach § 57 SGG stets der Wohnsitz maßgeblich (vgl. Keller in    Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Sozialgerichtsgesetz, § 57 SGG Rn. 7a m.w.N.; Scholz in beck-online.GROSSKOMMENTAR, § 57 Rn. 13; Antje Groß in Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, § 57 Rn. 4; Mink in    BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Meßling/Ud-sching, § 57 SGG Rn. 1; wohl auch des BSG, vgl. Beschl. v. 08.08.2001 - B 7 SF 8/01 S, BeckRS 2001, 41401, und Beschl. v. 09.03.2010 - B 12 SF 1/10 S, BeckRS 2010, 67531 Rn. 6). Nach anderer Auffassung sollen Einzelunternehmer, die ihre Firma an einem von ihrem Wohnsitz abweichenden Ort betreiben, in dieser Eigenschaft am Sitz der Firma klagen können (Groth in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 2. Aufl., § 57 SGG Rn. 43, allerdings ohne weitere Begründung; ihm folgend Walter Böttiger in Fichte/​Jüttner, SGG, § 57 Rn. 6). Diese Auffassung teilt das Gericht nicht. Hiergegen spricht, dass nach gängigem Rechtsverständnis nur juristische Personen, also nicht natürliche Personen einen Sitz haben (vgl. § 17 Abs. 1 S. 1 Zivilprozessordnung - ZPO). Dies ist dem Umstand geschuldet, dass juristische Personen anders als natürliche Personen keinen Wohnsitz haben können (s. dazu § 13 ZPO), aber dennoch als Rechtssubjekte in Erscheinung treten und daher ggf. auch vor Gericht klagen können müssen bzw. verklagt werden können müssen. Bei einem Einzelunternehmen, das keine juristische Person darstellt, sondern allein durch ihren Inhaber als natürlicher Person am Rechtsverkehr teilnimmt, besteht dieses Bedürfnis nicht. Auch in § 57 Abs. 1 S. 2 SGG unterscheidet der Gesetzgeber ausdrücklich zwischen natürlichen Personen und juristischen Personen des Privatrechts. Dass ein Einzelunternehmer als natürliche Person nicht auch an dem Ort seiner Niederlassung klagen kann, legt zudem die Gesetzesformulierung nahe, die Sitz und Wohnsitz in ein Alternativverhältnis setzt, nicht aber verschiedene Sozialgerichte ("Örtlich zuständig ist das Sozialgericht, in dessen Bezirk ... Sitz oder Wohnsitz ..."). Der Zweck der gesetzlichen Regelung in § 57 SGG zielt offensichtlich darauf ab, das örtliche zuständige Sozialgericht möglichst eindeutig zu bestimmen und eine Auswahl unter mehreren Gerichten nur in den explizit geregelten Fällen zuzulassen. Eine Regelung wie in § 21 ZPO (Besonderer Gerichtsstand der Niederlassung) - die im Bereich des SGG keine ergänzende Anwendung findet (vgl. Walter Böttiger in Fichte/Jüttner, SGG, § 57 Rn. 1a) - hat der Gesetzgeber für den Bereich der Sozialgerichtsbarkeit gerade nicht geschaffen.

Maßgeblich für die Bestimmung des örtlich zuständigen Sozialgerichts im vorliegenden Klageverfahren ist somit der Wohnsitz des Klägers in A-Stadt. Daraus ergibt sich die örtliche Zuständigkeit des Sozialgerichts Landshut.

Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass das Sozialgericht Landshut auch dann für das vorliegende Klageverfahren zuständig wäre, wenn man die Auffassung verträte, dass ein Einzelunternehmer auch am Sitz seines Unternehmens klagen kann. Denn in diesen Fall ist der Sitz der Hauptniederlassung entscheidend (s. auch § 17 Abs. 1 S. 2 ZPO), nicht aber der Sitz einer bloßen Zweigniederlassung (vgl. Antje Groß in Berchtold, Sozialgerichtsgesetz, § 57 Rn. 5 m.w.N.). Die Hauptniederlassung des Unternehmens befindet sich nach den Angaben des Klägers ebenfalls in A-Stadt. Dementsprechend ist auch das Finanzamt in B-Stadt als Betriebsfinanzamt zuständig.

Der Rechtsstreit war daher an das Sozialgericht Landshut zu verweisen.

Die Beteiligten wurden vor Erlass des Beschlusses gehört und haben sich mit einer Verweisung an das Sozialgericht Landshut einverstanden erklärt.


Dieser Beschluss ist gemäß § 98 S. 2 SGG unanfechtbar.

Rechtskraft
Aus
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