S 18 KR 341/24

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG Nürnberg (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 341/24
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

S 18 KR 341/24

    
SOZIALGERICHT NÜRNBERG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
in dem Rechtsstreit

A., 
A-Straße, A-Stadt
- Kläger -

Proz.-Bev.:
Rechtsanwalt B., B-Straße, B-Stadt 

gegen
Techniker Krankenkasse, Hauptverwaltung, 
vertreten durch den Vorstand, Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg 
- Beklagte -

Krankenversicherung

Die 18. Kammer des Sozialgerichts Nürnberg hat auf die mündliche Verhandlung in Nürnberg

am 13. November 2024

durch Richterin am Sozialgericht a.w.a.Ri. Rauschert als Vorsitzende sowie die ehrenamtlichen Richter W. und B. für Recht erkannt:

I. Die Klage wird abgewiesen. 

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 

T a t b e s t a n d :


Die Beteiligten streiten um die Beitragspflicht von Versorgungsbezügen aus der Bayerische Ingenieursversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung.

Der 1958 geborene Kläger ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert.

Am 01.02.2024 meldete die Zahlstelle der Bayerischen Versorgungskammer Bayerische Ingenieursversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung der Beklagten die Zahlung eines Versorgungsbezugs in Höhe von 1.883,05 € monatlich beginnend ab dem 01.02.2024. Zu diesem Zeitpunkt war der Kläger noch berufstätig und freiwillig versichert.  

Mit Schreiben vom 30.04.2024 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er ab 01.05.2024 als Rentner versichert sei, hierfür seien Angaben zu seinem Einkommen erforderlich.

Der Kläger gab an, dass er neben seiner gesetzlichen Rente noch Einkünfte von der Bayerische Ingenieursversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung und der Victoria LV habe.

Mit Bescheid vom 09.05.2024 setzte die Beklagte die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung fest, dabei wurden die Leistungen der Viktoria LV berücksichtigt, Beiträge wurden iHv insg. 39,76 € festgesetzt (Zahlbetrag 18.758,29 €, monatliches EK 1/120 daraus 156,32 €). Der Kläger wandte sich mit Schreiben vom 23.05.2024 an die Beklagte und erhob Widerspruch gegen die Verbeitragung der Versorgungsbezüge der Bayerische Ingenieursversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung, soweit die Beiträge auf seiner dort freiwilligen Mitgliedschaft seit 01.01.1999 beruhten. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 14.06.2024 mit, dass die Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung vom Versorgungswerk direkt an sie abgeführt würden. Zudem erlies die Beklagte am 04.07.2024 einen Ergänzungsbescheid zum Beitragsbescheid vom 09.05.2024, in welchem sie feststellte, dass auch Beiträge aus dem monatlichen Versorgungsbezug von 1.883,05 € in Höhe von insgesamt 361,55 € (zahlbar direkt von der Zahlstelle) festgesetzt würden.

Im laufenden Verwaltungsverfahren erhob der Kläger mehrfach vorsorglich Widerspruch und argumentierte, dass die Versorgungsbezüge aus dem Versorgungswerk nicht der Beitragspflicht unterlägen, da er sie rein privat finanziert habe. Er verwies dabei auf ein Urteil des Sozialgerichts (SG) Landshut zum Az S 10 KR 392/20. Er sei nach einem Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts (Bay. LSG) vom 30.06.2021
- L 19 R 549/20 lediglich im Zeitraum 09.11.21995 bis 31.12.1998 von seiner Pflichtmitgliedschaft in der Deutschen Rentenversicherung (DRV) befreit gewesen. Seit dem 01.01.1999 sei er wieder Pflichtmitglied in der DRV gewesen, seine Beiträge zum Versorgungswerk der Bayerische Ingenieursversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung habe er im Rahmen einer freiwilligen Mitgliedschaft aus privaten Mitteln finanziert. Da nur Versorgungsbezüge aus beruflich Tätigkeit zu verbeitragen seien, könnten die Versorgungsbezüge aus der Bayerische Ingenieursversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung aus Beiträgen ab 01.01.1999 nicht bei der Beitragsberechnung berücksichtigt werden. 
 
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.07.2024 unter Bezug auf §§ 229, 237 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) zurück.

Hiergegen hat der Kläger mit Schreiben vom 26.08.2024 Klage zum Sozialgericht Nürnberg erhoben. 


Er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung der Bescheide vom 09.05.2024 und 04.07.2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2024 dem Kläger in der Beitragsmessung die Einkünfte aus der freiwilligen Mitgliedschaft im Versorgungswerk Bayerische Versorgungskammer nicht zu verbeitragen.

Der Kläger habe nach dem Ende seiner Pflichtmitgliedschaft im Versorgungswerk weiterhin freiwillige Beiträge gezahlt. Entsprechend einer verfassungskonformen Auslegung des § 229 Abs. 1 Satz 1 n. 3 SG V seien Versorgungsbezüge, welche auf Zeiten einer freiwilligen Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk beruhten, nicht als beitragspflichtig berücksichtigungsfähig.


Die Beklagte beantragt,
    
die Klage abzuweisen.


Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung das Urteil des Bay. LSG vorgelegt. In dem Rechtsstreit hat der Kläger sich dagegen verwehrt, dass die Deutsche Rentenversicherung eine Befreiung von der Rentenversicherungspflicht für seine abhängige Beschäftigung als Ingenieur bei der Fa. R. GmbH & Co. KG seit 01.04.2010 abgelehnt hat, weil der Kläger seit 1995 lediglich freiwilliges Mitglied bei dem Versorgungswerk gewesen sei. Tatsächlich hatte der Arbeitgeber auf Antrag des Klägers zunächst die Rentenversicherungsbeiträge an das Versorgungswerk abgeführt. In dem Rechtsstreit hat der Kläger argumentiert, dass seine (Pflicht-) Mitgliedschaft in dem berufsständigen Versorgungswerk nur deshalb möglich gewesen sei, weil er den Ingenieursberuf ausgeübt habe. Eine Doppelversicherung zum Versorgungswerk und der DRV sei systemwidrig. Das Bay. LSG hat die Klage auf Befreiung von der Rentenversicherungspflicht abgewiesen und u. a. ausgeführt, dass der Kläger in dem berufsständigen Versorgungswerk freiwillig versichert gewesen sei. Um eine doppelte Beitragslast zu vermeiden, hätte sich der Kläger gem. § 14 Abs. 1 Nr. 1 der Satzung der Bayerischen Ingenieursversorgung-Bau von der Pflichtmitgliedschaft befreien lassen können. 

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakt und der beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :


Die form- und fristgemäß erhobene Klage ist zulässig, jedoch unbegründet. Streitgegenstand ist der Beitragsbescheid vom 09.05.2024 und dessen Ergänzungsbescheid vom 04.07.2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2024, soweit darin Beiträge aus dem Versorgungsbezug der Bayerische Ingenieursversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung festgesetzt werden. Diese Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.


Rechtsgrundlage für die Beitragsbemessung von versicherungspflichtigen Rentnern wie dem Kläger ist § 237 SGB V. Danach wird bei der Beitragsbemessung der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen zugrunde gelegt. Gem. § 237 Satz 4 SGB V wird § 229 SGB V im Rahmen des § 237 SGB V entsprechend angewendet. Nach § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V gelten als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) Renten der Versicherungs- und Versorgungseinrichtungen, die für Angehörige bestimmter Berufe errichtet sind, soweit sie wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden.

Unter Zugrundelegung des eindeutigen Wortlauts des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V stellt der monatliche Versorgungsbezug des Klägers aus dem Versorgungswerk der Bayerische Ingenieursversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung eindeutig einen zu verbeitragenden Versorgungsbezug dar. 

Entgegen der Ansicht des SG Landshut (Urteil vom 22.06.2022, Az S 10 KR 392/20     derzeit anhängig beim Bayerischen LSG unter dem Az L 5 KR 295/22) verstößt § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB V auch nicht gegen Art 3 Grundgesetz (GG) und ist mithin auch nicht verfassungskonform auszulegen.

Das BVerfG hat in zwei Kammerbeschlüssen vom 28.09.2020 (1 BvR 1660/08) und vom 27.06.2018 (1 BvR 100/15) entschieden, dass der Gesetzgeber bei der Ordnung von Massenerscheinungen (wie hier der Verbeitragung) - ohne damit den allgemeinen Gleichheitssatz zu verletzen - zwar berechtigt sei, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, wenn die damit verbundenen Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären, lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist. Die Grenzen zulässiger Typisierung aber jedenfalls dann überschritten würden, wenn bei Direktversicherungen oder Pensionskassen die Rentenzahlungen auf einem nach dem Ende eines Arbeitsverhältnisses geänderten und ab diesem Zeitpunkt neu abgeschlossenen Vertrags des Versicherungsgebers mit dem Versicherungsnehmer beruhten, an welchem der Arbeitgeber nicht mehr beteiligt ist und die Beitragszahlung alleine über den Versicherten erfolge. 

Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen hat der Gesetzgeber mit Art. 1 Nr. 5a des Gesetzes zur Beitragsentlastung der Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Versichertenentlastungsgesetz vom 11.12.2018, BGBl. I S. 2387) mit Wirkung zum 15.12.2018 einen zweiten Teil in den 2. Halbsatz des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V eingefügt. Demnach bleiben bei der Verbeitragung von Renten der betrieblichen Altersversorgung solche Leistungen außer Betracht, die der Versicherte nach dem Ende des Arbeitsverhältnisses als alleiniger Versicherungsnehmer aus nicht durch den Arbeitgeber finanzierten Beiträgen erworben hat. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich die gesetzliche Regelung an die Rechtsprechung des BVerfG angepasst, sich aber nicht zu der Notwendigkeit von Ausnahmeregelungen für andere Versorgungsbezüge geäußert.

Dennoch folgt unter Würdigung der Rechtsprechung des BVerfG kein anderes Ergebnis. Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht ist hier nicht erkennbar. Die Heranziehung von Versorgungsbezügen bei der Beitragsbemessung in der Gesetzlichen Krankenversicherung begegnet im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. zuletzt BSG Urteil vom 10.10.2017 - B 12 KR 2/16 R - BSGE 124, 195 = SozR 4-2500 § 229 Nr. 22, RdNr 14; Urteil vom 8. Oktober 2019 - B 12 KR 2/19 R -, SozR 4-2500 § 229 Nr. 28, RdNr. 20). 

Das BVerfG hat in den oben zitierten Kammerbeschlüssen nur in Sonderfällen bestimmte Leistungsanteile von der Beitragspflicht als Versorgungsbezug ausgenommen. Voraussetzung dafür ist einerseits die Auflösung des beruflichen Bezugs und andererseits der Wechsel in der Versicherungsnehmereigenschaft. Das BVerfG hat also zwei Voraussetzungen für eine verfassungskonforme Auslegung der Beitragspflicht aufgestellt. Für den Ausschluss der Beitragspflicht ist danach einerseits die Versicherungsnehmereigenschaft des Rentenbeziehers und zweitens die Lösung des beruflichen Bezugs des Versicherungsverhältnisses zwingend erforderlich. Übertragen auf den hier anhängigen Fall lag aber eine Lösung des beruflichen Bezugs des Klägers im Hinblick auf seine an das Versorgungswerk gezahlten Beiträge nicht vor. Er war während der gesamten Ansparphase als Ingenieur abhängig beschäftigt und fiel damit durchgängig in die von dem Versorgungswerk der Bayerische Ingenieursversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung erfassten Berufsgruppe. Das Versorgungswerk ist ausschließlich der in der Satzung nach §§ 13 ff abschließend aufgezählten Berufsgruppen zugänglich. Diese Versorgungsleistung ist damit lediglich einem exklusiven Personenkreis vorbehalten, der von einer bestimmten beruflichen Qualifikation abhängt. Die Versorgungsbezüge des Klägers aus dem Versorgungswerk haben also zu keinem Zeitpunkt einen mit einem frei zugänglichen Altersvorsorgeprodukt vergleichbaren Charakter erworben (vgl. BSG zur Beitragspflichtig auf einem bei einem privaten Versicherungsunternehmen abgeschlossenen Gruppenversicherungsvertrag für die Berufsgruppe der Seelotsen, Urteil vom 8. Oktober 2019 - B 12 KR 2/19 R -, SozR 4-2500 § 229 Nr. 28, Rn. 21). Der institutionelle Rahmen eines Versorgungsbezugs aus einem Versorgungswerk ist vom Kläger nie verlassen worden. Hier werden auch keine Grenzen der Typisierung verletzt, da sich wie oben ausgeführt der Kläger gerade nie auch dem institutionellen Rahmen herausbewegt hat. Anders als die vom BVerfG behandelten Fälle einer umgewandelten privaten Lebensversicherung geht die Versorgung durch ein Versorgungswerk über eine reine Kapitalleistung zum Renteneinritt hinaus. So gewährt ein Versorgungswerk neben einem Altersvorsorgebezug auch Berufsunfähigkeits-ruhegeld, Hinterbliebenenversorgung etc.. Die Versorgungsbezüge aus einem Versorgungswerk sind daher klassisch einer Rentenleistung der DRV vergleichbar. Es würde aber die Massenverwaltung sprengen, wenn bei jedem Rentenbezug "freiwillig" und "privat" gezahlte Einzahlungen vor einer Verbeitragung abgezogen werden müssten. Insoweit hat der Gesetzgeber die Grenzen der zulässigen Typisierung keinesfalls überschritten, indem er für Versorgungsbezüge aus einem berufsständigen Versorgungswerk keine dem § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V gleichlautende Ausnahme geregelt hat. Dies gilt umso mehr, als dass es Versicherten erlaub ist, auch freiwillige Beiträge zur Erhöhung einer späteren Rente an die DRV zu zahlen, welche später ebenso der Beitragspflicht unterliegen.

Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass anders als in dem Fall des SG Landshut der Kläger im vorliegenden Fall zwar "freiwillige" Beiträge zum Versorgungswerk gezahlt. Er war im Zeitpunkt der Zahlung aber der Ansicht, dass er von der Pflichtmitgliedschaft in der DRV befreit sei und daher die Beiträge zum Versorgungswerk sein einziger Versorgungsbezug neben privaten Versorgungsbezügen sein würden. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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Rechtskraft
Aus
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