L 9 SO 23/24 NZB

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 3 SO 176/22
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 23/24 NZB
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2023 wird zurückgewiesen.

Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt. 

Gründe

Die am 15.01.2024 eingelegte Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 20.11.2023, dem Kläger zugestellt am 03.01.2024, ist gemäß § 145 SGG zulässig aber unbegründet.

1) Die Beschwerde ist statthaft. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 € nicht übersteigt und nicht wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betroffen sind (§ 144 Abs. 1 Satz 2 SGG). Dies ist hier der Fall.

 

Der für eine statthafte Berufung zu erreichende Wert des Beschwerdegegenstands iS von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG richtet sich danach, was das SG dem Rechtsmittelkläger versagt hat und was er davon mit seinen Berufungsanträgen weiterverfolgt. Bei einem unbezifferten Antrag muss das Gericht den Wert ermitteln bzw. anhand des wirtschaftlichen Interesses des Rechtsmittelführers am Ausgang des Rechtsstreits schätzen. Insoweit kann auf eine überschlägige Berechnung zurückgegriffen werden (BSG Beschluss vom 13.07.2022 – B 7 AS 3/22 B mwN).

 

Bei – wie hier – noch erforderlicher, aber dem Grunde nach bereits möglicher Konkretisierung der angefallenen Kosten des Widerspruchsverfahrens obliegt es dem Kläger, sein wirtschaftliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits zu konkretisieren oder für das Gericht konkretisierbar zu machen. Anderenfalls ist das Berufungsgericht berechtigt, den Wert des Beschwerdegegenstands zu schätzen. Dazu kann es sich an allgemeinen gesetzlichen Vorgaben orientieren (BSG Beschluss vom 13.07.2022 – B 7 AS 3/22 B mwN). Nach Nr. 2302 VV-RVG beträgt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, der Gebührenrahmen nach dem Vergütungsverzeichnis zum RVG (VV-RVG) 60 bis 768 €. Eine Gebühr von mehr als 359 € kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war. Letzteres war hier nicht der Fall. Der (unzulässige) Widerspruch richtete sich gegen den Änderungsbescheid vom 18.02.2022, mit dem eine Nebenkostennachforderung iHv 344,36 € teilweise als zusätzlicher Bedarf im Rahmen der Grundsicherung nach dem SGB XII anerkannt worden ist. Der Widerspruch ist von der Bevollmächtigten nicht begründet worden, Gründe dafür, die Angelegenheit als umfangreich und schwierig anzusehen, sind nicht ersichtlich. Die Angabe der Höchstgebühr von 768 € in der Beschwerdeschrift dient vor diesem Hintergrund erkennbar nur dazu, die Berufungssumme des § 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG zu überschreiten und ist damit unbeachtlich (dazu BSG Urteil vom 30.06.2021 – B 4 AS 70/20 R).

 

Die Beschwerde ist auch sonst zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben worden.

 

2) Die Berufung ist nicht gemäß § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG erfüllt sind.

 

Danach ist die Berufung nur zuzulassen, wenn

 

1.         die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

 

2.         das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht, oder

 

3.         ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

 

a) Eine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG liegt nicht vor. Erforderlich für eine Zulassung wegen grundsätzlicher Bedeutung ist, dass die Streitsache eine bisher nicht geklärte Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, deren Klärung im allgemeinen Interesse liegt, um die Rechtseinheit zu erhalten und die Weiterentwicklung des Rechts zu fördern und deren Klärung durch das Berufungsgericht zu erwarten ist (Klärungsbedürftigkeit und Klärungsfähigkeit), wobei ein Individualinteresse nicht genügt (BSG Beschlüsse vom 25.02.2021 – B 4 AS 360/20 B und vom 25.09.2002 – B 7 AL 142/02 B; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 144 Rn. 28 f mwN). Ist lediglich ein tatsächlicher, individueller Sachverhalt zu beurteilen, so fehlt es an einer grundsätzlichen Bedeutung (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 26.03.2010 – L 6 B 110/09 AS NZB). Das Verfahren hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn in der Rechtsprechung des BSG ist geklärt, dass eine Kostenerstattung nach § 63 SGB X bei einem unzulässigen Widerspruch nicht erfolgt (BSG Urteil vom 19.06.2012 – B 4 AS 142/11 R). Zwar wird in der Literatur teilweise eine abweichende Auffassung vertreten (Roos/Blüggel in Schütze, SGB X, § 63 Rn. 25; dagegen Feddern in jurisPK SGB X § 63 Rn. 57/58), diese Auffassung hat sich in der Rechtsprechung jedoch nicht durchgesetzt (LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 26.01.2022 – L 3 AS 3/22 NZB). Bei höchstrichterlicher Klärung einer Rechtsfrage kann eine vereinzelt gebliebene abweichende Literaturmeinung eine grundsätzliche Bedeutung nicht begründen (Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. § 160 Rn. 8/8a mwN).

 

b) Auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG) ist nicht gegeben. Diese liegt nur vor, wenn das Sozialgericht in der angefochtenen Entscheidung einen tragenden Rechtssatz in Abweichung von einem abstrakten Rechtssatz in einer Entscheidung des (zuständigen) Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts aufgestellt hat. Eine Abweichung liegt folglich nicht schon dann vor, wenn die Entscheidung des Sozialgerichts nicht den Kriterien entspricht, die die obersten Gerichte aufgestellt haben, sondern erst dann, wenn es diesen Kriterien widersprochen, also andere rechtliche Maßstäbe entwickelt hat. Eine Unrichtigkeit der Entscheidung des Sozialgerichts im Einzelfall begründet hingegen keine Divergenz iSd § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG (vgl. BSG Beschluss vom 05.10.2010 – B 8 SO 61/10 B; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 03.01.2020 – L 7 AS 1820/19 NZB). Hier hat das Sozialgericht keinen von der Rechtsprechung des Landessozialgerichts oder der obersten Gerichte abweichenden abstrakten Rechtsgrundsatz aufgestellt.

 

c) Schließlich macht der Kläger auch keinen der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend, auf dem die Entscheidung des Sozialgerichts beruhen kann (§ 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG). Ein Verfahrensmangel bezieht sich nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils, also die Richtigkeit der Entscheidung, sondern vielmehr auf das prozessuale Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil (vgl. nur Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 144 Rn. 32 mwN). Der Kläger hat einen Verfahrensmangel nicht gerügt, damit fehlt es an einer Geltendmachung (vgl. hierzu Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 14. Aufl. § 144 Rn. 36). Der Senat kann daher offenlassen, ob das angefochtene Urteil, das zur Begründung lediglich auf den Beteiligtenvortrag der Beklagten verweist, mit Entscheidungsgründen iSd § 136 Abs. 1 Nr. 6 SGG versehen ist (dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. § 136 Rn. 7e/7f).

 

3) Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist mangels Erfolgsaussichten abzulehnen (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG iVm § 114 Abs. 1 ZPO).

 

4) Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).

 

 

Rechtskraft
Aus
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