Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 10.10.2024 wird als unzulässig abgelehnt.
Gründe
I.
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Am 14.08.2024 ging beim Sozialgericht Fulda ein insgesamt neun Seiten umfassendes Fax des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ein. Bei Seite 1 handelte es sich um einen Ausdruck über ein am Montag, dem 08.07.2024, „erfolgreich abgeschlossenes Fax“ über insgesamt acht Seiten. Die nachfolgenden Seiten des Faxes vom 14.08.2024 umfassten eine „Klage“ vom 08.07.2024 nebst Vollmacht, ein Schreiben des privaten Versicherers D. und ein Schriftsatz des Vogelsbergkreises vom 13.10.2023. Auf dem vorgenannten Ausdruck (Seite 1 des Faxes vom 14.08.2024) war in einem Textfeld folgende Mitteilung hinterlegt:
„Wir erinnern höflich an die Eingangsbestätigung
Diese liegt uns noch nicht vor.
Mit freundlichen Grüßen i.A E., B-Stadt, 13.08.2024“
Das Fax vom 14.08.2024 wurde elektronisch in das System unter dem Az. S 11 KR 95/24 eingepflegt und dem im Vertretungsfall zuständigen Richter vorgelegt, der die Bestätigung des Eingangs verfügte. In der elektronisch geführten Gerichtsakte befindet sich der Ausdruck mit der „Erinnerung an die Eingangsbestätigung“ auf Blatt 9, die „Klage“ auf Blatt 1. Bei der Ausfertigung der Eingangsverfügung wurde gegenüber dem Antragsteller mitgeteilt, dass die „Klage“ am 08.07.2024 eingegangen sei.
Unter dem 14.08.2024 hatte der Antragsteller außerdem einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes gestellt. Das Verfahren wird unter dem Az. S 11 KR 96/24 ER geführt und ist noch nicht entschieden.
Mit Verfügung vom 26.08.2024 forderte das Gericht den Antragsteller zunächst auf, zur Einhaltung der Klagefrist Stellung zu nehmen, da nach der am 14.08.2024 eingegangenen Klageschrift der Widerspruchsbescheid vom 18.06.2024 schon am 25.06.2024 zugegangen war.
Hierzu ließ der Antragsteller am 03.09.2024 mitteilen, dass dort eine Verfügung zur Fristversäumnis nicht bekannt sei. Der Eingang der Klage am 08.07.2024 sei bestätigt worden. Mit Verfügung vom 04.09.2024 informierte das Gericht den Antragsteller dahingehend, dass die Klageschrift zwar vom 08.07.2024 datiere, beim Sozialgericht Fulda jedoch erst am 14.08.2024 und damit am gleichen Tag wie der Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtschutzes eingegangen sei. Dem Umstand sei zunächst deswegen keine Bedeutung beigemessen worden, weil der Widerspruchsbescheid zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorgelegen hätte. Anhand der „Stempel-Erinnerung“ würde nun noch einmal der Eingangszeitpunkt der Klage geprüft.
Interne Recherchen in Zusammenarbeit mit dem zuständigen IT-Referat ergaben, dass am 08.07.2024 insgesamt fünf Faxe des Prozessbevollmächtigten eingegangen waren. Vier der Faxe konnten einzelnen Verfahren zugeordnet oder als Neuklagen identifiziert werden. Bei einem Fax handelte es sich um das oben genannte Schreiben der D. sowie des Vogelsbergkreises (mithin insgesamt vier lose Seiten). Diese Seiten wurden dem Verfahren mit dem Az. S 3 KR 40/24 zugeordnet – bei jenem Verfahren handelte es sich um eine Untätigkeitsklage zwischen denselben Beteiligten. Klageschrift und Vollmacht waren nicht eingegangen.
Mit Verfügung vom 10.09.2024, ausgeführt am 11.09.2024, teilte das Sozialgericht dem Antragsteller nach erneuter Prüfung des Vorgangs daraufhin mit, dass die Erinnerung an die Übersendung der Eingangsbestätigung versehentlich als Klageerhebung ausgelegt worden sei. Klage am 08.07.2024 sei nicht wirksam erhoben worden: „Mithin liegt bis heute keine wirksame Klageerhebung vor.“ (Bl. 46 Gerichtsakte). Zugleich verwies das Gericht auf den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Schleswig-Holstein vom 08.04.2021 (Az. 5 LA 133/20).
In der Folgezeit nahm der Antragsteller auf das Faxprotokoll vom 08.07.2024 Bezug. Offensichtlich läge ein technisches Problem vor – entweder beim Versand oder beim Empfang. Am 13.09.2024 verwies das Gericht noch einmal auf die bereits zitierte Entscheidung und erklärte, dass eine Zugangsfiktion in dieser Konstellation nicht in Betracht komme.
Am 10.10.2028 beantragte der Antragsteller schließlich gemäß § 67 Abs. 1 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, dass am 08.07.2024 ein achtseitiges Dokument mit der Klageschrift an die Faxsoftware übergeben worden sei. Es seien keine Übertragungsfehler gemeldet und im System hinterlegt worden. Der Antragsteller bzw. der Prozessbevollmächtigte durfte davon ausgehen, dass die Klageschrift beim Sozialgericht Fulda eingegangen sei. Sie sei spätestens am 13.08.2024 eingegangen. Die Monatsfrist sei eingehalten, da das Gericht erst mit Verfügung vom 10.09.2024 einen Hinweis zur Zulässigkeit der Klage erteilt habe.
Die Antragsgegnerin meint, dass die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht erfüllt sind.
II.
Der Antrag ist unzulässig. Gemäß § 67 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten. Nach § 67 Abs. 2 S. 1 SGG ist der Antrag binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Dabei sollen die Tatsachen zur Begründung des Antrags glaubhaft gemacht werden (§ 67 Abs. 2 S. 2 SGG). Gemäß § 67 Abs. 2 S. 3 SGG ist innerhalb der Antragsfrist die versäumte Rechtshandlung nachzuholen.
Ein Wiedereinsetzungsgrund liegt zwar an sich vor, weil der Antragsteller die hier einschlägige Klagefrist von einem Monat (§ 87 Abs. 1 S. 1 SGG) ohne Verschulden versäumt hat. Klage hätte nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides am 25.06.2024 spätestens am 25.07.2024 wirksam erhoben werden müssen. Eine Klageschrift ist bis zum Ablauf der Frist nicht beim Sozialgericht Fulda eingegangen. Anhaltspunkte dafür, dass in Bezug auf die Übermittlung bzw. Eingang der Klageschrift vom 08.07.2024 ein der Sphäre des Empfängers zurechenbarer Fehler vorgelegen hat, der zu einer Fiktion des Zugangs führen könnte (vgl. Beschluss des OVG vom 08.04.2021, Az. 5 LA 133/20, Rn. 3, zitiert nach juris), sind nicht ersichtlich.
Allerdings hat der Antragsteller auch danach nicht wirksam Klage erhoben und es damit versäumt, die unterbliebene Rechtshandlung innerhalb der Antragsfrist gemäß § 67 Abs. 2 S. 3 SGG nachzuholen. Der Antragsteller selbst geht davon aus, spätestens am 14.08.2024 wirksam Klage erhoben zu haben. Ob Klage erhoben werden soll, ist durch Auslegung zu ermitteln. Aus der am 14.08.2024 beim Sozialgericht Fulda eingegangenen „Klage“ vom 07.08.2024 nebst Anlagen lässt sich jedenfalls keine wirksame Erhebung herleiten, mag das Schreiben auch vom Sozialgericht Fulda fälschlicherweise zunächst als solche erfasst worden sein. Denn im Zusammenhang mit der auf dem Faxprotokoll angebrachten Erinnerung „Wir erinnern höflich an die Eingangsbestätigung. Diese liegt uns noch nicht vor“ kann die beigefügte Klageschrift selbst nur Anlage zu dieser Anfrage gewesen sein. Es ist also am 14.08.2024 keine Klage erhoben worden, sondern nur eine Anfrage zum Verbleib der Eingangsbestätigung einer am 08.07.2024 nicht eingegangenen Klage erfolgt. Dafür spricht auch, dass am 14.08.2024 insgesamt neun Seiten beim Sozialgericht Fulda eingegangen sind und das Faxprotokoll mit Erinnerung an die Eingangsbearbeitung die erste Seite gewesen ist.
Eine andere Deutung zu Gunsten des Antragstellers ist in diesem Kontext ausgeschlossen, ebenso eine rückwirkende Umdeutung. Es gibt auch keine anderen Umstände, die darauf schließen lassen könnten, dass am 14.08.2024 Klage erhoben werden sollte. Der Antragsteller hätte letztendlich innerhalb der Antragsfrist Klage erheben müssen. Wird die Prozesshandlung nicht rechtzeitig nachgeholt, muss der Antrag als unzulässig abgelehnt werden (Meyer-Ladewig/ Keller/Schmidt, SGG, 14. Auflage 2023, § 67, Rn. 10a).