L 8 KR 110/24 WA

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 1241/20
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 110/24 WA
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 8/24 BH
Datum
Kategorie
Beschluss


Die Wiederaufnahmeklage des Klägers gegen das Urteil des Senats vom 27. Januar 2022 (L 8 KR 279/21) wird als unzulässig verworfen. 

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten. 

Die Revision wird nicht zugelassen.  


Tatbestand

Der Kläger begehrt die Wiederaufnahme eines rechtkräftig abgeschlossenen Berufungsverfahrens. 

Im vorangegangenen Verfahren L 8 KR 279/21 stand die Erstattung und weitere Kostenübernahme für Mundschutzmasken im Streit. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 22. März 2021 abgewiesen. Der Senat hat die Berufung mit Urteil vom 27. Januar 2022 zurückgewiesen. 

Der Senat hat, weil der Kläger unbekannten Aufenthalts war, die öffentliche Zustellung der Entscheidung bewilligt (Beschluss vom 3. Februar 2022); die Entscheidung ist dem Kläger zudem an sein Postfach übersandt worden. Der Kläger hat am 27. Januar 2022 beim Bundessozialgericht (BSG) Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Durchführung der Beschwerde gegen die Entscheidung vom 27. Januar 2022 gestellt. Das BSG hat mit Beschluss vom 3. Mai 2022 den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Der Kläger hat am 4. April 2024 „Nichtigkeitsklage gem. § 579 ZPO“ erhoben. Er macht geltend, die Ladungen und Entscheidungen seien ihm nicht wirksam zugestellt worden. Die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung hätten nicht vorgelegen. 

Der Kläger beantragt sinngemäß, 
das Verfahren L 8 KR 279/21 wiederaufzunehmen. 

Die Beklagte beantragt, 
die Klage abzuweisen. 

Der Kläger ist durch den Senatsvorsitzenden mit Verfügung vom 24. Juni 2024 darauf hingewiesen worden, dass der Senat beabsichtige, über die Nichtigkeitsklage durch Beschluss der Berufsrichter des Senats ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, weil die Nichtigkeitsklage nicht statthaft und daher als unzulässig zu verwerfen sei. Der Kläger hat hierauf mündliche Verhandlung beantragt und den Vorsitzenden als befangen abgelehnt, da der „Freßzettel“ vom 24. Juni 2024 kein tauglicher Hinweis sei. Das Gericht habe seine Prozessfähigkeit zu prüfen, die Beiordnung eines Anwalts nach § 72 SGG werde beantragt. 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. 


Gründe

Der Senat konnte unter Mitwirkung von Vorsitzender Richter am Landessozialgericht XY. entscheiden, denn der Befangenheitsantrag des Klägers ist rechtsmissbräuchlich gestellt und daher unbeachtlich. Art 101 Abs. 1 Satz 2 GG lässt in dem Fall eines gänzlich untauglichen oder rechtsmissbräuchlichen Ablehnungsgesuchs eine Entscheidung des abgelehnten Richters selbst über das Gesuch zu (vgl. BVerfG <Kammer>, Beschluss vom 11. März 2013 - 1 BvR 2853/11 - juris Rn. 30 mwN; BSG, Beschluss vom 17. Dezember 2020 - B 10 ÜG 4/20 B -, juris Rn. 20). Der Kläger lehnt den Vorsitzenden wie auch die anderen Mitglieder des Senats in den von ihm betriebenen unzähligen Verfahren regelhaft ab, sobald sie eine dem Kläger missliebige Rechtsansicht äußern oder eine von ihm nicht gewünschte Verfahrenshandlung vornehmen. Dies betrifft auch den vorliegenden Fall, in dem bereits der Hinweis des Vorsitzenden auf eine von der Prozessordnung vorgesehene Verfahrensweise das Ablehnungsgesuch ausgelöst hat. In solchen Fällen, in denen das Ablehnungsrecht zu verfahrensfremden Zwecken eingesetzt wird, kann der Senat in der Sache unter Mitwirkung des abgelehnten Richters entscheiden (vgl. Keller in Meyer-Ladewig u.a., SGG, 14. Aufl. 2023, § 60 Rn. 10c m.w.N.).

Der Senat macht von der Möglichkeit Gebrauch, die Wiederaufnahmeklage durch Beschluss als unzulässig zu verwerfen (vgl. § 179 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) i.V.m. § 589 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist bei einer unzulässigen Wiederaufnahmeklage nicht geboten (vgl. BSG, Beschluss vom 2. Februar 2021 - B 9 V 57/20 B -, juris, Rn. 8; Claus in jurisPK-SGG, 2. Aufl. 2022, § 179 SGG, Rn. 11). Der Kläger ist auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. 

Eine Nichtigkeitsklage gemäß §§ 179 SGG, 579 ZPO findet statt, wenn das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (Nr. 1), ein Richter bei der Entscheidung mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war (Nr. 2), wenn bei der Entscheidung ein Richter mitgewirkt hat, obgleich er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt war (Nr. 3) oder wenn eine Partei in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten war, sofern sie nicht die Prozessführung ausdrücklich oder stillschweigend genehmigt hat (Nr. 4). Nach § 586 Abs. 1 ZPO ist die Nichtigkeitsklage vor Ablauf eines Monats zu erheben. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem die Partei von dem Anfechtungsgrund Kenntnis erhalten hat, jedoch nicht vor eingetretener Rechtskraft des Urteils (§ 586 Abs. 2 1. Halbs. ZPO).

Vorliegend ist die Nichtigkeitsklage bereits nicht rechtzeitig erhoben worden. 

Als Nichtigkeitsgrund kommt vorliegend einzig die Behauptung des Klägers in Betracht, er sei zum Termin zur mündlichen Verhandlung nicht ordnungsgemäß geladen worden. Es stellt einen absoluten Revisionsgrund dar, wenn der Beteiligte wegen einer unterbliebenen Ladung nicht an der mündlichen Verhandlung teilnehmen konnte und daher im Sinne von § 547 Nr. 4 ZPO "in dem Verfahren nicht nach Vorschrift der Gesetze vertreten" war (BSG, Beschluss vom 23. Juni 2016 – B 14 AS 25/16 B –, juris Rn. 4; Beschluss vom 2. März 2010 - B 5 R 440/09 B - juris Rn. 6 mwN).  Die angeblich nicht ordnungsgemäße Ladung war dem Kläger jedoch mit dem Urteil des Senats vom 27. Januar 2022 bekannt. Mit der Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch das BSG am 3. Mai 2022 wurde die Entscheidung des Senats rechtskräftig. Die erst am 4. Mai 2024 erhobene Klage ist danach verfristet. 

Der behauptete Nichtigkeitsgrund liegt im Übrigen auch nicht vor. Vorliegend wurde der Kläger, der damals angeblich wohnsitzlos und lediglich über ein Postfach zu erreichen war, zur mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen (Beschluss über öffentliche Zustellung der Ladung vom 9. Dezember 2021). Der Termin war dem Kläger zudem bekannt, denn er befand sich Anfang Januar 2022 in Untersuchungshaft, erhielt dort auf Veranlassung des Gerichts die Ladungen ausgehändigt und hat dies zum Anlass für neue Sachanträge genommen (Schreiben des Klägers vom 12. und 15. Januar 2022). 

Anhaltspunkte für eine – ebenfalls unter § 579 Nr. 4 ZPO zu subsumierende – fehlende Prozessfähigkeit des Klägers hat der Senat weder bezogen auf das Ursprungsverfahren noch das Wiederaufnahmeverfahren, weshalb auch die von dem Kläger beantragte Beiordnung eines besonderen Vertreters nach § 72 SGG nicht zu erfolgen hatte. 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
 

Rechtskraft
Aus
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