B 1 KR 32/23 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 18 KR 8/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 32/23 R
Datum
Kategorie
Urteil

 

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13. September 2023 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert für den Rechtsstreit wird auf 220,27 Euro festgesetzt.

G r ü n d e :

I

1
Die Beteiligten streiten um die Erstattung von Rechtsanwaltskosten, die dem klagenden Krankenhaus für seine anwaltliche Vertretung in einem vorgerichtlichen Erörterungsverfahren entstanden sind.

2
Die beklagte Krankenkasse zahlte die von der Klägerin in Rechnung gestellte Vergütung für die Behandlung einer Versicherten vom 22. bis 25.3.2022. Nachdem der mit einer Abrechnungsprüfung beauftragte Medizinische Dienst (MD) die kodierte Nebendiagnose J96.09 für nicht berücksichtigungsfähig gehalten hatte, bat die Beklagte um entsprechende Rechnungskorrektur. Die Klägerin widersprach unter Berufung auf einen Beschluss des Schlichtungsausschusses. Daraufhin forderte die Beklagte zur Durchführung eines schriftlichen Erörterungsverfahrens die dem MD übermittelten und wahlweise weitere Behandlungsunterlagen an. Mit Schreiben vom 28.11.2022 bekräftigte der von der Klägerin beauftragte Prozessbevollmächtigte die Rechtsaufassung der Beklagten und legte verschiedene Unterlagen vor. Danach akzeptierte die Beklagte die streitige Nebendiagnose und erklärte das Erörterungsverfahren für beendet. Der Prozessbevollmächtigte forderte die Beklagte zum Ausgleich der entstandenen Rechtsanwaltskosten iHv 220,27 Euro auf. Nach deren Ablehnung stellte er die Kosten der Klägerin in Rechnung (Rechnung vom 9.12.2022), die mit der Klage Erstattung durch die Beklagte begehrt.

3
Das SG hat die Klage abgewiesen und die Sprungrevision zugelassen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der Rechtsanwaltskosten. Für einen Anspruch aus § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm § 280 Abs 1 und § 241 Abs 2 BGB fehle es an einer Verletzung nebenvertraglicher Rücksichtnahme und Sorgfaltspflichten durch die Beklagte. Bei Zweifeln an der Richtigkeit der Abrechnung sei die Beklagte verpflichtet, den MD mit der Abrechnungsprüfung zu beauftragen. Darin könne ebenso wenig eine Pflichtverletzung liegen, wie in der Einleitung des Erörterungsverfahrens nach § 9 Prüfverfahrensvereinbarung (PrüfvV). Da die Beklagte die Rechnung zeitgerecht beglichen habe, scheide auch ein Anspruch aus Verzugsschaden in analoger Anwendung der § 280 Abs 1 und 2 iVm § 286 Abs 1 BGB aus. Schließlich bestehe ein Anspruch auch nicht in analoger Anwendung des § 162 Abs 2 Satz 2 VwGO oder des § 63 Abs 2 SGB X. Hierfür fehle es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Zudem regelten die beiden Vorschriften die Erstattung von Anwaltskosten für ein Verfahren, in dem zwischen dem Bürger und der Behörde ein Subordinationsverhältnis bestehe, während die Beteiligten des Erörterungsverfahrens nach § 17c Abs 2b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) zueinander in einem Gleichordnungsverhältnis ständen (Urteil vom 13.9.2023).

4
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von §§ 280 Abs 1, 241 Abs 2 BGB analog, § 162 Abs 2 Satz 2 VwGO und § 63 Abs 2 SGB X analog iVm § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V. Das SG habe verkannt, dass die für einen Erstattungsanspruch notwendige Pflichtverletzung in der unzutreffenden Leistungsentscheidung der Beklagten und in ihrer Weigerung liege, sich außerhalb eines Erörterungsverfahrens mit den Einwänden der Klägerin auseinanderzusetzen. Die Einschaltung eines Rechtsanwalts im Erörterungsverfahren sei aufgrund der Präklusionsregelung in § 17c Abs 2b KHG notwendig gewesen. Eine Kostenerstattung habe schließlich aufgrund des Rechtsgedankens in § 162 Abs 2 Satz 2 VwGO, § 63 Abs 2 SGB X zu erfolgen. Entgegen der Auffassung des SG müsse sich das gesetzgeberische Unterlassen als Analogievoraussetzung nicht aufdrängen.

5
Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13. September 2023 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 220,27 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 9. Dezember 2022 zu zahlen,
hilfsweise,

das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13. September 2023 aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Nürnberg zurückzuverweisen.

6
Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen,
hilfsweise für den Fall einer Urteilsaufhebung,

den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht Nürnberg zurückzuverweisen.

7
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.


II

8
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 SGG). Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten  iHv 220,27 Euro aus der Rechnung vom 9.12.2022.

9
1. Streitgegenstand ist ein Anspruch auf Erstattung von konkret bezifferten Rechtsanwaltskosten unabhängig von der pauschalen Abgeltung des dem Krankenhaus durch das Prüfverfahren entstandenen Aufwands durch die Aufwandspauschale nach § 275c Abs 1 Satz 2 SGB V. Dies ergibt sich aus dem Revisionsantrag und dem zu dessen Begründung gehaltenen Vortrag der Klägerin. Sie hat darin ausdrücklich klargestellt, dass es ihr um die Erstattung der konkret bezifferten Rechtsanwaltskosten für das Tätigwerden ihres Prozessbevollmächtigten im Erörterungsverfahren als zusätzlichem Aufwand geht.

10
2. Einen über die Aufwandspauschale hinausgehenden Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten für das Erörterungsverfahren nach § 17c Abs 2b Satz 1 KHG kennt das Gesetz nicht. Nach § 69 Abs 1 Satz 2 SGB V werden die (öffentlichrechtlichen) Rechtsbeziehungen zwischen den Krankenhäusern und den Krankenkassen im 4. Kapitel des SGB V, in den §§ 63, 64 SGB V, im KHG und Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sowie den dazu jeweils ergangenen Rechtsverordnungen abschließend geregelt. Aus diesen Vorschriften lässt sich kein Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten für das Erörterungsverfahren ableiten (dazu a). Die verfahrensrechtlichen Vorschriften zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten (§ 162 Abs 2 Satz 2 VwGO, § 63 Abs 2 SGB X) finden auf das Erörterungsverfahren weder direkt (dazu b) noch analog Anwendung (dazu c).

11
Nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V gelten im Übrigen die Vorschriften des BGB entsprechend, soweit sie mit § 70 SGB V und den Vorschriften des 4. Kapitels des SGB V vereinbar sind. Die dort geregelten Sekundäransprüche greifen ebenfalls nicht durch (dazu 3. und 4.).

12
a) § 17c Abs 2b KHG normiert das Erörterungsverfahren zwischen Krankenhäusern und Krankenkassen, enthält aber keine Regelung zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten. Auch die Vorschriften zum Erörterungsverfahren in den ab 1.1.2022 geltenden §§ 9, 10 PrüfvV 2021 (idF vom 22.6.2021) enthalten keine solche Kostenregelung. § 5 PrüfvV 2021 regelt das (fakultativ durchführbare) Vorverfahren (Falldialog) und bestimmt hierfür in Absatz 4, dass die Aufwandspauschale keine Anwendung findet.

13
b) Ein Erstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich auch nicht aus den verfahrensrechtlichen Vorschriften des § 162 Abs 2 Satz 2 VwGO oder § 63 Abs 2 SGB X zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten.

14
Nach § 162 Abs 1, Abs 2 Satz 2 VwGO sind alle Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig, die ihnen anlässlich des Gerichtsverfahrens und anlässlich eines zuvor durchgeführten behördlichen Vorverfahrens entstanden sind, sofern und soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Entsprechend sind im sozialgerichtlichen Verfahren Rechtsanwaltskosten für das dem Gerichtsverfahren vorausgegangene Vorverfahren nach § 193 Abs 3 SGG erstattungsfähig, soweit die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig war (§ 162 Abs 2 Satz 2 VwGO analog oder § 197 SGG: vgl zum Streitstand Evers in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK, Stand 1.11.2024, § 193 SGG RdNr 48). Beide Vorschriften regeln lediglich die erstattungsfähigen Kosten eines Rechtsanwalts im Fall eines gerichtlichen Verfahrens. Über die streitige Krankenhausvergütung ist es nicht zu einem gerichtlichen Verfahren gekommen. Für ein isoliertes Widerspruchsverfahren, dem kein sozialgerichtliches Verfahren mehr nachfolgt, enthält § 63 SGB X eine Kostenerstattungsregelung (vgl hierzu BSG vom 19.10.2016  B 14 AS 50/15 R  SozR 41300 § 63 Nr 25 RdNr 15; vgl Roos/Blüggel in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 63 RdNr 2, 4; für das erfolgreiche Widerspruchsverfahren im Verwaltungsverfahren vgl § 80 Verwaltungsverfahrensgesetz).

15
Das zwischen den Beteiligten durchgeführte Erörterungsverfahren nach dem KHG ist aber kein förmliches Vorverfahren im Sinne dieser Vorschriften. Nach ständiger verwaltungsrechtlicher Rechtsprechung ist unter einem Vorverfahren iS von § 162 Abs 1, Abs 2 Satz 2 VwGO nur das Widerspruchsverfahren zu verstehen, das als Sachurteilsvoraussetzung vor Erhebung bestimmter Klagen erfolglos durchgeführt worden sein muss (vgl hierzu und zum Streitstand in der Literatur in Bezug auf andere vergleichbar konzipierte Verfahren der behördlichen Selbstkontrolle Kunze in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, 70. Ed Stand 1.7.2024, § 162 VwGO RdNr 54 mwN). Das gilt auch, soweit Rechtsanwaltskosten für dessen Hinzuziehung im Widerspruchsverfahren nach § 193 Abs 3 SGG erstattungsfähig sind (vgl hierzu B. Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 193 RdNr 5a). Ebenso ist der Begriff des Vorverfahrens iS des § 63 Abs 1 SGB X eng auszulegen. Ein solches Widerspruchsverfahren ist das Erörterungsverfahren nicht. Das BSG hat nur für bestimmte Entscheidungen im Vertragsarztrecht eine Kostenerstattung analog § 63 SGB X anerkannt (vgl zu Verfahren vor Berufungsausschüssen bei Zulassungsentscheidungen: BSG vom 11.12.1985  6 RKa 35/84  BSGE 59, 216, 217 f = SozR 1300 § 63 Nr 7 S 20 f = juris RdNr 6 ff; BSG vom 18.12.1996  6 RKa 33/95  SozR 31300 § 63 Nr 9 S 29 ff = juris RdNr 12 ff; für den Drittwiderspruch eines Arztes gegen die Zulassung eines Konkurrenten: BSG vom 31.5.2006  B 6 KA 62/04 R  BSGE 96, 257SozR 41300 § 63 Nr 3, RdNr  13 f = juris RdNr 13 f; vgl auch Heße in Rolfs/Giesen/Meßling/Udsching, BeckOK Sozialrecht, 73. Ed 1.6.2024, § 63 SGB X RdNr 5), im Übrigen aber die Anwendung auf andere Abschnitte des Verwaltungsverfahrens abgelehnt (vgl zu einem Widerspruch gegen eine Vollstreckungsankündigung: BSG vom 25.6.2015  B 14 AS 38/14 R  BSGE 119, 170 = SozR 41300 § 63 Nr 23, RdNr 23).

16
Für das einem Vorverfahren vorgelagerte Ausgangsverfahren findet weder nach verwaltungsverfahrensrechtlichen (vgl zu einem Planfeststellungsverfahren etwa BVerwG vom 1.9.1989  4 B 17/89  juris RdNr 4, 5; ferner für ein nicht vorgesehenes Widerspruchsverfahren: Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg vom 10.3.2017  1 S 2595/16  juris RdNr 14) noch nach sozialverfahrensrechtlichen Vorschriften (vgl zu einem Verwaltungsverfahren vor dem kassenärztlichen Berufungsausschuss BSG vom 9.6.1999  B 6 KA 76/97 R  SozR 35520 § 44 Nr 1 S 4 f = juris RdNr 24 f; ferner zu einem Beitragserstattungsverfahren: BSG vom 21.8.2008  B 12 KR 33/07 B  juris RdNr 9) eine Erstattung von Rechtsanwaltskosten statt.

17
c) Eine analoge Anwendung von § 162 Abs 1, Abs 2 Satz 2 VwGO oder § 63 Abs 2 SGB X scheidet zur Begründung eines Anspruchs auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten für die Vertretung im Erörterungsverfahren nach § 17c Abs 2b KHG aus.

18
Die Übertragung einer Norm auf einen Sachverhalt, der vom Wortsinn der Norm nicht umfasst wird, ist nur geboten, wenn eine unbewusste planwidrige Regelungslücke vorliegt, der zu lösende Sachverhalt mit dem geregelten Sachverhalt vergleichbar ist und nach dem Grundgedanken der Norm und dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert (vgl zu den Analogievoraussetzungen: BVerfG vom 3.4.1990  1 BvR 1186/89 BVerfGE 82, 6, 11 ff = juris RdNr 20 ff; BVerfG vom 31.5.2006  2 BvR 1673/04, 2 BvR 2402/04   BVerfGE 116, 69, 83 ff = juris RdNr 46, 47, 49; BSG vom 5.7.2018  B 8 SO 32/16 R  BSGE 126, 174 = SozR 43500 § 98 Nr 5, RdNr 20; BSG vom 19.11.2019  B 1 KR 13/19 R  BSGE 129, 232 = SozR 42500 § 76 Nr 6, RdNr 13 mwN).

19
Zwar wird mit § 69 Abs 1 Satz 2 SGB V die Anwendung sonstiger sozialrechtlicher Vorschriften nicht generell ausgeschlossen (BSG vom 12.5.2005  B 3 KR 32/04 R  SozR 42500 § 69 Nr 1 RdNr 18 = juris RdNr 25), es fehlt aber sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke (dazu aa) als auch an einer vergleichbaren Interessenlage (dazu bb).

20
aa) Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber oder die Vereinbarungspartner der PrüfvV (§ 17c Abs 2 Satz 1 KHG) eine Regelung zur Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten für das Erörterungsverfahren übersehen haben könnten. Vielmehr ist eine Regelung zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten für das Erörterungsverfahren sowohl im Gesetz als auch in der PrüfvV bewusst unterblieben. Bei den Beteiligten des obligatorischen Erörterungsverfahrens nach § 17c Abs 2b KHG handelt es sich um professionelle Verfahrensbeteiligte im Gleichordnungsverhältnis (vgl hierzu zB BSG vom 9.4.2019  B 1 KR 2/18 R  juris RdNr 7 mwN; BSG vom 30.6.2009  B 1 KR 24/08 R  BSGE 104, 15SozR 42500 § 109 Nr 17, RdNr 12 mwN), die aufgrund ihres Fachwissens in der Lage sind, die Regelungen der PrüfvV auch ohne anwaltliche Hilfestellung zu verstehen und umzusetzen sowie das Verfahren konsensorientiert durchzuführen (vgl BTDrucks 20/11854 S 197 zu dem inzwischen beschlossenen ausdrücklichen Ausschluss eines Anspruchs auf Erstattung von Kosten für einen Rechtsbeistand im Erörterungsverfahren in § 17c Abs 2b Satz 3 KHG nF). Zudem bietet bereits die Aufwandspauschale nach § 275c Abs 1 Satz 2 SGB V eine pauschalierte Abgeltung für den dem Krankenhaus im Prüfverfahren entstandenen Aufwand. Das Erörterungsverfahren ist Teil des Abrechnungsprüfverfahrens. Der Gesetzgeber hat also nicht übersehen, dass den Krankenhäusern durch Abrechnungsprüfungen Aufwendungen entstehen. Er hat aber insoweit lediglich eine pauschalierte Abgeltung geregelt.

21
Das Fehlen einer Regelungslücke wird auch durch § 17c Abs 3 KHG bestätigt. Die Vorschrift enthält für ein fakultatives Schlichtungsverfahren, das unabhängig vom Erörterungsverfahren stattfinden kann, in Satz 4 lediglich die Regelung, dass die Kosten der Schlichtungsperson von den Beteiligten zu gleichen Teilen zu tragen sind. Dass der Gesetzgeber zwar insoweit diese Kosten geregelt, eine Regelung für die Kosten der Beteiligten (einschließlich der Anwaltskosten) aber übersehen haben könnte, ist fernliegend. Das Gleiche gilt für die mit der näheren Ausgestaltung des Verfahrens betrauten Vereinbarungspartner der PrüfvV (§ 17c Abs 2 Satz 2 Nr 8 KHG). Für das vor Einschaltung des MD fakultativ durchführbare Vorverfahren (Falldialog) nach § 5 PrüfvV 2021 haben die Vereinbarungspartner in Absatz 4 ausdrücklich geregelt, dass den Krankenhäusern hierfür kein pauschalierter Aufwandsersatz nach § 275c Abs 1 Satz 2 SGB V zusteht. Es spricht nichts dafür, dass sie eine ausdrückliche Kostenregelung für das Erörterungsverfahren nach §§ 9, 10 PrüfvV 2021 übersehen haben könnten.

22
bb) Es fehlt auch an einer vergleichbaren Interessenlage. Die analoge Anwendung einer Norm setzt insoweit voraus, dass die Regelungsabsicht des Gesetzgebers wegen der Gleichheit der zugrundeliegenden Interessenlage auch den nicht geregelten Fall hätte einbeziehen müssen. Dieses Gebot beruht letztlich auf der Forderung normativer Gerechtigkeit, Gleichartiges gleich zu behandeln (BSG vom 24.10.1984  6 RKa 36/83  BSGE 57, 195, 196 = SozR 1500 § 149 Nr 7 S 7 = juris RdNr 6; BSG vom 31.5.2006  B 6 KA 62/04 R  BSGE 96, 257SozR 41300 § 63 Nr 3, RdNr 14 = juris RdNr 14). Daran fehlt es hier schon im Hinblick auf die Art des Verfahrens und den Wissensstand der Verfahrensbeteiligten hinsichtlich der im Verfahren behandelten Fragen.

23
§ 162 Abs 2 Satz 2 VwGO und § 63 Abs 2 SGB X ist der Rechtsgedanke gemein, dass sie für die Erstattung von Rechtsanwaltskosten ein Vorverfahren gegen einen behördlichen Verwaltungsakt voraussetzen und die Kostenerstattung davon abhängig machen, dass die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bzw eines sonstigen Bevollmächtigten im Vorverfahren notwendig war. Ein allgemeiner Rechtsgrundsatz dahingehend, dass ein uneingeschränkter Anspruch auf Erstattung von Vertretungskosten auch außerhalb eines förmlichen Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt bestehen würde, ist den Vorschriften hingegen nicht zu entnehmen (vgl zB BSG vom 12.12.1990  9a/9 RVs 13/89  SozR 31300 § 63 Nr 1 S 4 f = juris RdNr 12 ff mwN). Zudem kommt in dem hier vorliegenden Gleichordnungsverhältnis die Anwendung von Regelungen zum Verwaltungsakt grundsätzlich nicht in Betracht (vgl BSG vom 8.5.2021  B 1 KR 58/20 B  juris RdNr 9; Krasney in Kasseler Komm, Stand 15.2.2023, § 69 SGB V RdNr 27 f).

24
Das Erörterungsverfahren ist zwar  ebenso wie das Widerspruchsverfahren gegen Verwaltungsakte  einem Klageverfahren obligatorisch vorgeschaltet. Bei förmlichen Widerspruchsverfahren spricht aber bereits das in dem Verhältnis zwischen dem Widerspruchsführer und der Behörde typischerweise bestehende Wissensgefälle regelmäßig für die Notwendigkeit einer anwaltlichen Vertretung des Widerspruchsführers (vgl BSG vom 15.11.2007  B 3 KR 1/07 R  BSGE 99, 208SozR 42500 § 69 Nr 3, RdNr 25; vgl auch Roos/Blüggel in Schütze, SGB X, 9. Aufl 2020, § 63 RdNr 30). Das ist hier nicht der Fall. Denn das Erörterungsverfahren findet in einem Gleichordnungsverhältnis zwischen dem Krankenhaus und der Krankenkasse statt, in dem typischerweise kein Wissensgefälle herrscht. Beide Beteiligte sind dauerhaft mit der Abrechnung von Krankenhausleistungen befasst und hierfür mit entsprechenden personellen und sächlichen Mitteln ausgestattet (vgl BSG vom 15.11.2007  B 3 KR 1/07 R  BSGE 99, 208SozR 42500 § 69 Nr 3, RdNr 28; Bockholdt in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 9. ErgLfg 2024, § 109 RdNr 209). Beide Beteiligte sind zudem zur vertrauensvollen Zusammenarbeit berufen (vgl hierzu zB BSG vom 20.1.2021  B 1 KR 31/20 R  SozR 42500 § 109 Nr 84 RdNr 37 mwN). Der Schwerpunkt möglicher Fragestellungen liegt regelmäßig auf medizinischem Gebiet. Die Hinzuziehung von Rechtsanwälten im Rahmen von Abrechnungsstreitigkeiten ist vom BSG  im Zusammenhang mit Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden  bisher nicht als notwendig erachtet worden, wenn keine besonders komplexe Rechtsfrage zu behandeln war oder keine besondere wirtschaftliche Bedeutung zugrunde lag (vgl BSG vom 15.11.2007  B 3 KR 1/07 R  BSGE 99, 208SozR 42500 § 69 Nr 3, RdNr 28; BSG vom 27.1.2009  B 1 KR 76/08 B  juris RdNr 5 f; vgl auch Bockholdt in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 9. ErgLfg 2024, § 109 RdNr 209). Die im Erörterungsverfahren geltende Präklusionsvorschrift des § 17c Abs 2b Satz 3 KHG begründet  entgegen der Ansicht der Klägerin  typischerweise nicht bereits eine besondere rechtliche Schwierigkeit, die eine anwaltliche Beauftragung erforderlich machen würde. Präklusionsvorschriften galten nach der PrüfvV schon vor Einführung des Erörterungsverfahrens (zu § 7 Abs 2 PrüfvV 2014 vgl BSG vom 18.5.2021  B 1 KR 24/20 R  SozR 42500 § 275 Nr 37 RdNr 11 ff mwN; zu § 7 Abs 5 PrüfvV 2014 vgl BSG vom 18.5.2021  B 1 KR 34/20 R  BSGE 132, 152 = SozR 42500 § 301 Nr 10, RdNr 14 ff mwN). Die rechtzeitige Vorlage notwendiger, im Einzelnen in der PrüfvV 2021 geregelter Unterlagen und der darauf bezogene Vortrag im Erörterungsverfahren kann im Regelfall durch das eigene Personal der Beteiligten erfolgen.

25
3. Die Klägerin kann einen Kostenerstattungsanspruch auch nicht auf einen Verzugsschaden nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm §§ 280 Abs 2, 286 BGB stützen (vgl allgemein zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten als Verzugsschaden: BSG vom 2.7.2013  B 1 KR 18/12 R  BSGE 114, 36 = SozR 42500 § 130a Nr 9, RdNr 47; BSG vom 15.11.2007  B 3 KR 1/07 R  BSGE 99, 208SozR 42500 § 69 Nr 3, RdNr 9). Denn die Beklagte hat die Rechnung der Klägerin zeitgerecht bezahlt. Eine analoge Anwendung auf Fälle einer drohenden Inanspruchnahme wegen eines Rückerstattungsanspruchs scheidet aus. Selbst wenn die Beklagte mit der Zahlung der Vergütung im Verzug gewesen wäre, fehlte es an einem Verzugsschaden, denn die Einschaltung eines Rechtsanwalts in Abrechnungsstreitigkeiten ist ohne besondere rechtliche Schwierigkeit oder besondere wirtschaftliche Bedeutung nicht notwendig (vgl BSG vom 15.11.2007  B 3 KR 1/07 R  BSGE 99, 208SozR 42500 § 69 Nr 3, RdNr 28).

26
4. Schließlich kann die Klägerin die Kosten ihrer anwaltlichen Vertretung im Erörterungsverfahren auch nicht als Schadensersatz wegen Verletzung nebenvertraglicher Pflichten nach § 69 Abs 1 Satz 3 SGB V iVm §§ 280 Abs 1, 241 Abs 2 BGB beanspruchen. Grundsätzlich sind die Vorschriften des BGB zum Schadensersatz wegen Pflichtverletzung auf das öffentlichrechtliche Schuldverhältnis zwischen Krankenhaus und Krankenkasse entsprechend anwendbar. Die Folgen von Pflichtverletzungen aus einem solchen Schuldverhältnis sind weder landesvertraglich noch landes oder bundesrechtlich abschließend geregelt (vgl BSG vom 12.11.2013  B 1 KR 22/12 R  BSGE 115, 11 = SozR 42500 § 69 Nr 9, RdNr 10, 12; BSG vom 7.3.2023  B 1 KR 4/22 R  BSGE 135, 292 = SozR 42500 § 69 Nr 12, RdNr 26).

27
Die Beklagte hat aber keine nebenvertragliche Pflicht iS von § 241 Abs 2 BGB verletzt. Die Durchführung des gesetzlich vorgesehenen Erörterungsverfahrens ist keine Pflichtverletzung. Sie ist eine obligatorische Voraussetzung für eine ggf nachfolgende gerichtliche Überprüfung der Abrechnung (§ 17c Abs 2b Satz 1 KHG). Das Erörterungsverfahren dient der vorgerichtlichen einvernehmlichen Klärung der Abrechnungsstreitigkeit. Der Umstand, dass sich die Beklagte nach Sichtung der von der Klägerin im Verfahren übersandten Behandlungsunterlagen der klägerischen Rechtsauffassung angeschlossen hat, begründet ebenfalls keine Pflichtverletzung. Die einvernehmliche Streitbeilegung ist gerade der Zweck des Erörterungsverfahrens (vgl BTDrucks 19/13397 S 87 f zu Art 3 Nr 2 Buchst c; BTDrucks 19/14871 S 113 zu Art 3 Nr 2 Buchst c). Eine Pflichtverletzung liegt auch nicht darin, dass die Beklagte den vollen Vergütungsanspruch der Klägerin erst im Erörterungsverfahren einräumte, zuvor aber an ihrer Auffassung von der Fehlerhaftigkeit der Abrechnung  auch nach weiteren Ausführungen der Klägerin  festhielt. Das Erheben einer unberechtigten (Erstattungs)Forderung und das vorgerichtliche Festhalten daran, begründet für sich genommen im Gleichordnungsverhältnis grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung aufgewandter Rechtsanwaltskosten. Einen generellen Erstattungsanspruch von Rechtsanwaltskosten gegen denjenigen, der sich unberechtigt eines Rechts berühmt, kennt die deutsche Rechtsordnung nicht. Vielmehr gehört es zum allgemeinen Lebensrisiko, mit unberechtigten Forderungen konfrontiert zu werden, soweit nicht die Voraussetzungen einer speziellen Haftungsnorm vorliegen (dazu grundlegend BGH vom 12.12.2006  VI ZR 224/05  juris RdNr 14 mwN; OLG Koblenz vom 9.7.2014  5 U 684/12  juris RdNr 17; vgl auch BGH vom 11.6.1996  VI ZR 256/95  VersR 1996, 1113, 1114). Anwaltskosten sind deshalb grundsätzlich erst nach Einschaltung der Gerichte von der unterliegenden Partei zu tragen. Ausnahmen sind in Sonderverbindungen denkbar, aus denen sich Auskunfts, Schutz oder Ersatzpflichten ergeben können, zB wenn der in Anspruch Genommene im Einzelfall besonders schutzwürdig ist. Allein durch die Geltendmachung eines Anspruchs, der tatsächlich nicht besteht oder jedenfalls nicht weiter verfolgt wird, entsteht eine solche Sonderverbindung jedoch nicht (vgl BGH vom 12.12.2006  VI ZR 224/05  juris RdNr 13 f mwN). Das gilt selbst dann, wenn der in Anspruch Genommene die Heranziehung eines Rechtsanwalts für erforderlich halten durfte (BGH aaO RdNr 24).

28
Die zwischen den Beteiligten von Abrechnungsstreiten bestehenden gegenseitigen Rücksichtnahmepflichten werden nicht allein durch die Rückforderung bereits gezahlter Vergütungen verletzt, auch wenn eine Krankenkasse letztlich nicht an der Rückforderung festhält. Einer ggf bestehenden Schutzbedürftigkeit der Krankenhäuser vor unberechtigten Erstattungsforderungen der Krankenkassen hat der Gesetzgeber bereits mit der Aufwandspauschale nach § 275c Abs 1 Satz 2 SGB V Rechnung getragen.

29
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3 Satz 1 sowie § 47 Abs 1 Satz 1 GKG.

 

Rechtskraft
Aus
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