B 3 KR 3/23 R

Land
Bundesrepublik Deutschland
Sozialgericht
Bundessozialgericht
Sachgebiet
Krankenversicherung
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 3 KR 785/16
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 5 KR 57/19
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 3 KR 3/23 R
Datum
Kategorie
Urteil

 

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des SchleswigHolsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2022 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

G r ü n d e :

I

1
Im Streit steht höheres Krankengeld.

2
Die Klägerin ist bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert. Aufgrund einer lückenlos ärztlich festgestellten und jeweils rechtzeitig gemeldeten Arbeitsunfähigkeit ab 29.4.2016 bezog sie vom 10.6.2016 bis 27.3.2017 und vom 19.4. bis 18.7.2017, unterbrochen durch den Bezug von Übergangsgeld von der Rentenversicherung, Krankengeld von der Beklagten. Diese bewilligte ihr durch Bescheid vom 10.6.2016 Krankengeld ab diesem Tag in Höhe von kalendertäglich 49,47 Euro (Auszahlungsbetrag 43,30 Euro). Durch Bescheid vom 29.6.2016 bewilligte die Beklagte der Klägerin Krankengeld ab 10.6.2016 in Höhe von kalendertäglich 47,71 Euro (Auszahlungsbetrag 41,97 Euro). Den auf höheres Krankengeld als durch diese Bescheide bewilligt gerichteten Widerspruch wies die Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid vom 30.9.2016).

3
Im Klageverfahren ergingen weitere Bescheide: Durch Bescheid vom 13.1.2017 bewilligte die Beklagte der Klägerin Krankengeld ab 1.1.2017 in Höhe von kalendertäglich 47,71 Euro (Auszahlungsbetrag 41,92 Euro) und durch Bescheid vom 25.4.2017 ab 19.4.2017 in Höhe von kalendertäglich 49,13 Euro (Auszahlungsbetrag 43,17 Euro). Das SG hat die Klage auf höheres Krankengeld abgewiesen. Zutreffend habe die Beklagte für die Berechnung der Krankengeldhöhe die Entgeltumwandlung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung nicht nur beim Regelentgelt, sondern auch beim Nettoarbeitsentgelt abgezogen, und die erst im April 2016 an die Klägerin geleistete Einmalzahlung ebenso nicht berücksichtigt wie die ihr nur von Oktober 2015 bis Januar 2016 gezahlte Mehrarbeitsvergütung (Urteil vom 21.2.2019). Das LSG hat den Bescheid der Beklagten vom 29.6.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2016 wegen einer Verletzung von § 45 SGB X aufgehoben; unabhängig davon, ob der Bescheid vom 10.6.2016 rechtswidrig gewesen sei, sei der Aufhebungsbescheid vom 29.6.2016 schon mangels Ermessensausübung aufzuheben. Im Übrigen hat es die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Ein Anspruch auf höheres Krankengeld als ihr durch Bescheid vom 10.6.2016 in Höhe von kalendertäglich 49,47 Euro bewilligt, dynamisiert durch Bescheid vom 25.4.2017, bestehe nicht (Urteil vom 19.1.2022).

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Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Klägerin im Schwerpunkt eine Verletzung von § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V und macht insoweit geltend, sie habe deshalb einen Anspruch auf höheres Krankengeld, weil die Entgeltumwandlung nicht auch beim Nettoarbeitsentgelt habe berücksichtigt werden dürfen.

5
Die Klägerin beantragt,

die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 19. Januar 2022 und des Sozialgerichts Lübeck vom 21. Februar 2019 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Juni 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. September 2016 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, ihr vom 10. Juni 2016 bis 27. März 2017 und vom 19. April bis 18. Juli 2017 höheres Krankengeld zu zahlen

6
Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

7
Ihre Bescheide vom 13.1.2017 und 25.4.2017 hat die Beklagte im Revisionsverfahren aufgehoben.


II

8
Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG). Der Senat kann auf Grundlage der Feststellungen der Vorinstanz nicht abschließend entscheiden, ob der Klägerin ein höherer Krankengeldanspruch zusteht.

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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens sind die Entscheidungen der Vorinstanzen und der Bescheid der Beklagten vom 10.6.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30.9.2016, mit denen sie einen Anspruch der Klägerin auf höheres Krankengeld ablehnte.

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Nach dem Wortlaut des Bescheids vom 10.6.2016 hat die Klägerin "für die ärztlich voraussichtlich festgestellte Dauer Ihrer Arbeitsunfähigkeit" Anspruch auf Krankengeld. Zudem ist der kalendertägliche Krankengeldanspruch ab 10.6.2016 in seiner konkreten Höhe, die Höhe der jeweils zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge sowie der hieraus sich ergebende Auszahlungsbetrag aufgeführt. Regelungsgegenstand dieses Bescheids ist nach dem maßgeblichen objektiven Empfängerhorizont die Festsetzung, dass der Klägerin je Kalendertag, für den die gesetzlichen Voraussetzungen, insbesondere die lückenlos ärztlich festgestellte und jeweils rechtzeitig der Krankenkasse gemeldete Arbeitsunfähigkeit, fortbestehen, Anspruch auf Krankengeld in der im Bescheid benannten Höhe zusteht, sowie welcher Betrag der Klägerin kalendertäglich nach Abzug der auf den Krankengeldanspruch zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge zu zahlen ist. Eine Konkretisierung in Bezug auf die Dauer des Krankengeldanspruchs erfolgt hiernach durch die von der Klägerin vorgelegten Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigungen und die hierauf begründeten abschnittsweisen Krankengeld-Bewilligungen (vgl hierzu zuletzt BSG vom 7.4.2022  B 3 KR 16/20 R  juris RdNr 11 mwN). Die Höhe des kalendertäglichen Krankengeldanspruchs wird bei den nachfolgenden  entsprechend der jeweils vorgelegten Arbeitsunfähigkeits-Folgebescheinigungen  abschnittsweisen Bewilligungen des Krankengelds nicht erneut geprüft und festgesetzt, sondern gemäß der Erstfestsetzung durch den Bescheid vom 10.6.2016 lediglich zur Grundlage der Berechnung des Auszahlungsbetrags gemacht, wenn nicht eigens eine neue Höhenfestsetzung erfolgt, an der es hier nach den Aufhebungen von Folgefestsetzungen durch das LSG und die Beklagte im Revisionsverfahren fehlt.

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Richtige Klageart ist die auf Änderung der angegriffenen Höhenfestsetzung und Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von höherem Krankengeld gerichtete kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 Satz 1, Abs 4 SGG), die als auf ein Grundurteil gerichtet keiner Bezifferung bedarf (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG; vgl zum Grundurteil im Höhenstreit nur BSG vom 30.1.2019  B 14 AS 24/18 R  BSGE 127, 214 = SozR 44200 § 22 Nr 101, RdNr 12 mwN). Bei dem von der Klägerin geführten Höhenstreit sind Grund und Höhe des Leistungsanspruchs in vollem Umfang und grundsätzlich nicht beschränkt auf das geltend gemachte Berechnungselement zu überprüfen (stRspr; vgl BSG vom 17.3.2015  B 11 AL 12/14 R  SozR 44300 § 131 Nr 6 RdNr 11 mwN).

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2. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs auf höheres Krankengeld ist § 47 Abs 1 Satz 1 und 2 SGB V (idF des BeitrEntlG vom 1.11.1996, BGBl I 1631). Danach beträgt das Krankengeld 70 vom Hundert des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts und Arbeitseinkommens, soweit es der Beitragsberechnung unterliegt (Regelentgelt). Das aus dem Arbeitsentgelt berechnete Krankengeld darf 90 vom Hundert des bei entsprechender Anwendung des § 47 Abs 2 SGB V berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen.

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3. Der Senat vermag auf Grundlage der Feststellungen des LSG nicht abschließend zu entscheiden, ob der Klägerin ein höherer Krankengeldanspruch zusteht. Zu Recht hat das Berufungsgericht bei der Berechnung der Höhe des Krankengeldanspruchs zugrunde gelegt, dass die beitragsfreie Entgeltumwandlung der Klägerin im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung bei dem von der Beklagten zutreffend  auf der Grundlage des letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonats März 2016 als Referenzzeitraum  berechneten Regelentgelt abzuziehen ist, sowie die der Klägerin erst im April 2016 geleistete Einmalzahlung und die ihr von Oktober 2015 bis Januar 2016 gezahlte Mehrarbeitsvergütung nicht berücksichtigt (hierzu a). Zutreffend hat das LSG die beitragsfreie Entgeltumwandlung der Klägerin im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung zudem beim Nettoarbeitsentgelt abgezogen. Ob das von der Beklagten errechnete Nettoarbeitsentgelt im Weiteren den gesetzlichen Voraussetzungen entspricht, lässt sich jedoch wegen fehlender Feststellungen des LSG zu Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen der Klägerin nicht abschließend entscheiden (hierzu b). Im wiedereröffneten Verfahren wird das LSG weiter zu prüfen haben, inwieweit sich  auch abhängig vom zugrunde zu legenden Nettoarbeitsentgelt  weitere Fehler der Beklagten bei der Berechnung des Krankengeldanspruchs und des Auszahlungsbetrags auswirken (hierzu c).

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a) Grundlage für die Bestimmung sowohl des krankengeldrechtlichen Brutto- als auch des Nettoarbeitsentgelts ist das Regelentgelt.

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Für das der Krankengeldberechnung zugrundeliegende Regelentgelt enthält zunächst § 47 Abs 2 SGB V weitere Vorgaben. Danach gilt bei Arbeitsentgelt, das  wie vorliegend  nach Monaten bemessen ist, der dreißigste Teil des im letzten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit abgerechneten Kalendermonat erzielten und um einmalig gezahltes Arbeitsentgelt verminderten Arbeitsentgelts als Regelentgelt (§ 47 Abs 2 Satz 3 SGB V). Zudem ist für die Berechnung des Regelentgelts der dreihundertsechzigste Teil des einmalig gezahlten Arbeitsentgelts, das in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit nach § 23a SGB IV der Beitragsberechnung zugrunde gelegen hat, dem nach § 47 Abs 2 Satz 1 bis 5 SGB V berechneten Arbeitsentgelt hinzuzurechnen (§ 47 Abs 2 Satz 6 SGB V).

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Arbeitsentgelt iS von § 47 SGB V wird dabei nach dem gemäß § 1 Abs 1 Satz 1 SGB IV auch für die gesetzliche Krankenversicherung geltenden § 14 Abs 1 SGB IV (idF der Bekanntmachung vom 12.11.2009, BGBl I 3710) definiert als alle laufenden oder einmaligen Einnahmen aus einer Beschäftigung, gleichgültig, ob ein Rechtsanspruch auf sie besteht, unter welcher Bezeichnung oder in welcher Form sie geleistet werden und ob sie unmittelbar aus der Beschäftigung oder im Zusammenhang mit ihr erzielt werden (Satz 1). Arbeitsentgelt sind auch Entgeltteile, die durch Entgeltumwandlung nach § 1 Abs 2 Nr 3 BetrAVG in den Durchführungswegen Direktzusage oder Unterstützungskasse verwendet werden, soweit sie 4 vom Hundert der jährlichen Beitragsbemessungsgrenze der allgemeinen Rentenversicherung übersteigen (Satz 2; s zu den weiteren Formen der einbezogenen Entgeltumwandlung § 1 Abs 1 Satz 1 Nr 9 SvEV).

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Darüber hinaus kann zur Bestimmung des Regelentgelts die Berücksichtigung von unregelmäßigen Mehrarbeitsvergütungen auch außerhalb des Referenzzeitraums im Einzelfall geboten und können diese als regelmäßiges Arbeitsentgelt iS von § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V anzusehen sein, wenn sie in den letzten drei Monaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit regelmäßig erzielt und abgerechnet wurden (vgl BSG vom 11.11.2022  B 3 KR 11/22 B  juris RdNr 7 mwN; vgl zu Ausnahmekonstellationen BSG vom 1.6.1994  7 Rar 40/93  BSGE 74, 199SozR 34100 § 59 Nr 5, juris RdNr 40 ff).

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Ausgehend hiervon ergibt sich das kalendertägliche, kumulierte Regelentgelt in Höhe von 107,61 Euro aus der Zusammenrechnung des im Monat vor der Arbeitsunfähigkeit erzielten Bruttoarbeitsentgelts von 3347,34 Euro (kalendertäglich 111,58 Euro) mit dem 360. Teil der im April 2015 geleisteten Einmalzahlung von 800 Euro, die der Beitragsberechnung zugrunde gelegen hat (=2,22 Euro). Zutreffend hat das LSG den Entgeltbestandteil, der von der Klägerin im Rahmen der Entgeltumwandlung für die betriebliche Altersversorgung aufgewendet wurde (Jahresbetrag 2228,70 Euro; 6,19 Euro kalendertäglich), beim Regelentgelt nicht berücksichtigt, weil der Jahresbetrag im Kalenderjahr 4 vom Hundert der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung (§ 159 SGB VI iVm Anlage 2 zum SGB VI) nicht übersteigt. Zu Recht hat es zudem die im April 2016 geleistete Einmalzahlung nicht berücksichtigt, weil sie nicht in den letzten zwölf Kalendermonaten vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit der Beitragsberechnung zugrunde gelegen hat, und ebenso nicht die von Oktober 2015 bis Januar 2016 für Mehrarbeit gezahlten Vergütungen, da es nach den aufgezeigten Maßstäben an der erforderlichen Regelmäßigkeit fehlt und Anhaltspunkte für eine Ausnahmekonstellation nicht ersichtlich sind.

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b) In einem zweiten Schritt ist die Begrenzung des Krankengeldanspruchs der Klägerin nach § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V auf 90 vom Hundert des Nettoarbeitsentgelts zu berücksichtigen.

20
Das Regelentgelt ist auch für die Berechnung des Nettoarbeitsentgelts iS von § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V zugrunde zu legen. Das Nettoarbeitsentgelt stellt mangels gesetzlicher Grundlage keine selbständige Berechnungsgröße im Rahmen von § 47 SGB V dar, sondern ist vom Arbeitsentgelt abzuleiten. Nach § 47 Abs 1 Satz 2 SGB V erfolgt die Berechnung des Nettoarbeitsentgelts "bei entsprechender Anwendung des Absatzes 2", der die Berechnung des Regelentgelts näher bestimmt. Hieraus ergibt sich, dass für das Regelentgelt und das Nettoarbeitsentgelt von dem gleichen Entgeltbegriff auszugehen ist (vgl zur RVO bereits BSG vom 25.7.1979  3 RK 74/78  SozR 2200 § 182 Nr 49, juris RdNr 14).

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Von diesem Grundsatz ist bei der hier im Schwerpunkt streitigen krankengeldrechtlichen Berücksichtigung der Entgeltumwandlung mangels normativer Grundlage nicht abzuweichen, wie das LSG zutreffend entschieden hat. Eine beitragsfreie Entgeltumwandlung im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung ist bei der Berechnung der Höhe des Krankengeldanspruchs nicht nur beim Regelentgelt, sondern auch beim Nettoarbeitsentgelt abzuziehen. Dass die sozialversicherungsrechtliche Privilegierung der beitragsfreien Entgeltumwandlung, für die sich die Klägerin als Form der Altersabsicherung entschieden hat, zu einem niedrigeren krankengeldrechtlichen Nettoarbeitsentgelt und damit zu einem niedrigeren Krankengeld führt, ist auch mit Blick auf dessen Kernfunktion als Entgeltersatzleistung zur Lebensunterhaltssicherung nicht zu beanstanden.

22
Das der Berechnung des Nettoarbeitsentgelts zugrunde zu legende Regelentgelt weicht jedoch insoweit von dem nach § 47 Abs 1 Satz 1 SGB V zu berücksichtigenden Regelentgelt ab, als nach § 47 Abs 1 Satz 3 SGB V für Einmalzahlungsbeträge eine gesonderte Berücksichtigung erfolgt (vgl hierzu sogleich unter c).

23
Aus dem zugrunde zu legenden Regelentgelt ergibt sich das Nettoarbeitsentgelt durch Abzug von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen (stRspr; vgl BSG vom 24.5.2007  B 1 KR 3/07 R  SozR 42500 § 47 Nr 8 RdNr 23). Hierüber kann der Senat nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil das LSG keine Feststellungen zur Höhe der Abzüge von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen vom Bruttoarbeitsentgelt der Klägerin getroffen hat. Für die Ermittlung des Nettoarbeitsentgelts kann auch nicht auf die von der Beklagten und dem LSG zugrunde gelegten Angaben aus der Entgeltbescheinigung des Arbeitgebers zurückgegriffen werden, weil sich die hierin enthaltenen Nettoangaben (1649,08 Euro) von denen in der Gehaltsabrechnung gegenüber der Klägerin (1575,64 Euro) unterscheiden und zu einem unterschiedlichen krankengeldrechtlichen Nettoarbeitsentgelt führen, das entweder zu einem jeweils geringfügig niedrigeren oder höheren Krankengeldanspruch als durch den Bescheid vom 10.6.2016 bewilligt führt. Auf welche dieser Angaben für die Krankengeldberechnung aus welchen Gründen abzustellen ist, lässt sich weder dem Berufungsurteil noch den Bescheiden der Beklagten entnehmen.

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c) Ausgehend von dem hiernach zugrunde zu legenden Nettoarbeitsentgelt wird das LSG weiter zu prüfen haben, in welcher Höhe das kalendertägliche Einmalzahlungs-Nettoarbeitsentgelt hinzuzurechnen ist, um das kumulierte Nettoarbeitsentgelt zu ermitteln, in welcher Höhe hiervon Steuern und Sozialversicherungsbeiträge abzuziehen sind und wie der Krankengeldanspruch ab dem 19.4.2017 nach § 50 SGB IX (idF des Dritten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 5.8.2010; aF) zu dynamisieren ist.

25
Das kalendertägliche Einmalzahlungs-Nettoarbeitsentgelt ergibt sich nicht nach Abzug der individuellen, auf die Einmalzahlungen entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge, sondern ist im Wege der Pauschalierung nach Maßgabe des § 47 Abs 1 Satz 3 SGB V zu bestimmen. Danach ist für die Berechnung des Einmalzahlungs-Nettoarbeitsentgelts der sich aus dem kalendertäglichen Hinzurechnungsbetrag nach § 47 Abs 2 Satz 6 SGB V ergebende Anteil am Nettoarbeitsentgelt mit dem Vomhundertsatz anzusetzen, der sich aus dem Verhältnis des kalendertäglichen Regelentgeltbetrages nach § 47 Abs 2 Satz 1 bis 5 SGB V, dh ohne Berücksichtigung des kalendertäglichen Einmalzahlungsbetrages nach § 47 Abs 2 Satz 6 SGB V, zu dem sich aus diesem Regelentgeltbetrag ergebenden Nettoarbeitsentgelt ergibt (vgl ausführlich BSG vom 21.2.2006  B 1 KR 11/05 R  BSGE 96, 72SozR 42500 § 47 Nr 3, RdNr 19 ff).

26
Zudem wird das LSG zur Bestimmung des Auszahlungsbetrags des Krankengelds der Klägerin zu berücksichtigen haben, dass die vom Krankengeld abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge nach § 345 Nr 5 SGB III, § 166 Abs 1 Nr 2 SGB VI und § 57 Abs 2 Satz 1 SGB XI jeweils anhand von 80 vom Hundert des der Bemessung der Leistung zugrunde zu legenden Regelentgelts zu berechnen sind (vgl zB Bassen in Udsching/Schütze, SGB XI, 6. Aufl 2024, § 57 RdNr 18) und der Beitrag der Pflegeversicherung zum 1.1.2017 angepasst wurde. Der so jeweils errechnete Beitrag ist sodann von dem nach den vorstehenden Maßgaben ermittelten kalendertäglichen Krankengeldanspruch abzuziehen.

27
Für die Zeit ab dem 19.4.2017 wird schließlich zu berücksichtigen sein, dass die Dynamisierung der Entgeltersatzleistung nach § 50 SGB IX aF durch Anpassung der dem Krankengeld zugrunde liegenden Berechnungsgrundlage zu erfolgen hat (vgl zum Übergangsgeld BSG vom 31.10.2012  B 13 R 10/12 R  SozR 43250 § 49 Nr 2 RdNr 54).

28
Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

 

Rechtskraft
Aus
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