1) Kranenhausvergütung; Erstattungsstreigtigkeit; OPS 8-98.g.11 (= Komplexbehandlung bei Besiedelung oder Infektion mit nicht multiresistenten isolationspflichtigen Erregern: Komplexbehandlung nicht auf spezieller Isoliereinheit: Mindestens 5 bis höchstens 9 Behandlungstage)
2) Strukturmerkmal Mindestens tägliche Fußbodendesinfektion und einmalige Schlussdesinfektion gegebenenfalls unter Einsatz besonderer Flächendesinfektionsmittel" ist nur erfüllt, wenn die Zimmerrenigung in Zusammenhang mit der Isolationsbehandlung des Patienten erfolgt für den der OPS 8-98.g11 abgerechnet wird; die reguläre Schlussdesinfektion des Patientenzimmers nach anderen Patienten kann nicht zugerechnet"werden.
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.514,93 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem 02.08.2023 zu zahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Aufschlag nach § 275c Abs. 3 SGB V in Höhe von 300 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 Prozent ab dem 06.07.2024 zu zahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
V. Der Streitwert wird auf 2.814,93 Euro festgesetzt.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist, ob der Klägerin ein Erstattungsanspruch aus einem Behandlungsfall zusteht.
Die am 1939 geborene, bei der Klägerin gesetzlich krankenversicherte R. (im Folgenden: Versicherte) wurde im Zeitraum vom 26.10.2022 bis zum 04.11.2022 im Klinikum der Beklagten - Betriebsstätte St. A1. Krankenhaus in S-Straße - vollstationär behandelt.
Die Versicherte wurde um 16:17 Uhr als Notfall bei Diarrhoen und Verdacht auf Teerstuhl akutstationär unter der führenden Aufnahmediagnose ICD U50.20 (= Mittlere motorische Funktionseinschränkung: Barthel-Index: 60 bis 75 Punkte) sowie weiterer Diagnosen aufgenommen. Bereits am Aufnahmetag wurde eine COVID-19-Infektion festgestellt. Nach Abschluss der Behandlung wurde als Hauptdiagnose der ICD-Code A08.3 (= Enteritis durch sonstige Viren) verschlüsselt. Die Behandlung erfolgte durchgehend in der Abteilung Innere Medizin, Schwerpunkt Gastroenterologie, als Isolationsbehandlung.
Für diese Behandlung stellte die Beklagte der Klägerin am 10.11.2022 per Datenträgeraustausch auf der Grundlage der DRG G77B (= Andere Komplexbehandlungen bei isolationspflichtigen Erregern bei Krankheiten und Störungen der Verdauungsorgane) einen Betrag in Höhe von 7.705,23 Euro in Rechnung, der von der Klägerin vollständig beglichen wurde.
Anschließend beauftragte die Klägerin den Medizinischen Dienst Bayern (im Folgenden: "MD") mit der Prüfung der Behandlungsdauer sowie des OPS 8-98.g.12 (= Komplexbehandlung bei Besiedelung oder Infektion mit nicht multiresistenten isolationspflichtigen Erregern: Komplexbehandlung nicht auf spezieller Isoliereinheit: Mindestens 10 bis höchstens 14 Behandlungstage).
Der MD kam in seinem Gutachten vom 13.06.2023 zum Ergebnis, dass die stationäre Behandlungsbedürftigkeit über die gesamte Behandlungszeit gegeben gewesen sei. Der OPS sei jedoch von OPS 8-98.g.12 auf OPS 8-98.g.11 (= Komplexbehandlung bei Besiedelung oder Infektion mit nicht multiresistenten isolationspflichtigen Erregern: Komplexbehandlung nicht auf spezieller Isoliereinheit: Mindestens 5 bis höchstens 9 Behandlungstage) abzuändern, da die inhaltlich geforderten Leistungen zur Kodierung der Komplexbehandlung an 9 Behandlungstagen vollständig erbracht worden seien. Hieraus resultiere die DRG G67B.
Mit leistungsrechtlicher Entscheidung vom 20.06.2023 schloss sich die Klägerin den Feststellungen des MD an und forderte die Beklagte auf, die Abrechnung hinsichtlich des sich hieraus ergebenden Differenzbetrags in Höhe von 2.514,93 Euro entsprechend zu korrigieren.
Die Beklagte wandte sich gegen die leistungsrechtliche Entscheidung und bat um Überprüfung. Es habe eine Isolation vom 26.10.2022 bis 04.11.2022 stattgefunden, was genau 10 Behandlungstage seien. Der Gutachter des MD sei vermutlich fehlerhafterweise von DRG-Belegungstagen ausgegangen.
In einer weiteren Stellungnahme vom 11.07.2023 hielt der MD an seiner Beurteilung fest. Die vom OPS inhaltlich geforderten Leistungen zur Kodierung der Komplexbehandlung bei Besiedelung oder Infektion mit nicht multiresistenten Erregern seien an 9 Behandlungstagen vollständig erbracht worden. Eine vom OPS geforderte tägliche Fußbodendesinfektion sei für den 26.10.2022 nicht dokumentiert, so dass der OPS von 10 auf 9 Behandlungstage zu kürzen sei.
Im Rahmen des Erörterungsverfahrens gemäß § 17c Abs. 2b Krankenhausfinanzierungsgesetz (KHG) i. V. m. § 9 Abs. 1 Satz 3 Prüfverfahrensverordnung (PrüfvV) übermittelte die Beklagte der Klägerin neben der Krankenhausdokumentation bezüglich der Versicherten einen "Verlaufsbericht" für eine Patientin, die im selben Zimmer untergebracht gewesen ist. Diese Patientin war am Vormittag des 26.11.2022 (10:57 Uhr) entlassen worden.
Diesbezüglich machte die Klägerin geltend, dass die regelhafte Fußbodendesinfektion am 26.11.2022 stattgefunden habe, jedoch als Leistung bei dieser Patientin dokumentiert sei. Die Versicherte sei in dem Krankenzimmer nach vorheriger Schlussdesinfektion untergebracht worden. Danach habe keine Fußbodendesinfektion mehr stattgefunden. Laut BfArM - Kodierfragen zum OPS (8019) zur Errechnung der Anzahl der Behandlungstage - werde der Behandlungsbeginn mit dem Tag gezählt, an dem einer der in den Hinweisen zum jeweiligen Kode beschriebenen Therapiebereiche erstmalig zur Anwendung komme. Ab diesem Tag müssten die geforderten Mindestmerkmale nachvollziehbar dokumentiert sein. Im vorliegenden Fall stelle sich der Sachverhalt so dar, dass ein und dieselbe Schlussdesinfektion einmal den Mindestmerkmalen im Fall der Versicherten und einmal im Fall der vormittags entlassenen Patientin zugeordnet werde. Dies sei nach den Vorgaben nicht möglich. Des Weiteren berief sich die Klägerin auf Präklusion. Der Verlaufsbericht bezüglich der am 26.11.2022 vormittags entlassenen Patientin stelle kein Dokument nach § 9 Abs. 6 PrüfvV dar, das den streitbefangenen Fall betreffe und habe dem MD auch unstrittig nicht zur Gutachtenserstellung vorgelegen. Die Verwertung dieser Unterlage sei im Erörterungsverfahren weder möglich noch zielführend. Abgesehen davon sei die Zimmerreinigung das übliche Standardvorgehen nach Entlassung eines Patienten.
Das Erörterungsverfahren endete ohne Einigung.
Mit ihrer am 05.07.2024 beim Sozialgericht München eingegangenen Klage begehrt die Klägerin weiterhin die sich bei Berücksichtigung von 9 Behandlungstagen ergebende Erstattung des Differenzbetrags in Höhe von 2.514,93 Euro unter Zugrundelegung der Stellungnahme des MD.
Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass die Reinigungsmaßnahme im Rahmen der Entlassung einer anderen Patientin am Vormittag dieses Tages erbracht worden sei. Die Dokumentation hierüber finde sich - zurecht - nicht in der Krankenhausdokumentation der Versicherten, da zu dem Fall der Versicherten kein Zusammenhang bestehe. Die Versicherte sei nach den Unterlagen, die im Erörterungsverfahren übermittelt worden seien, erst am Abend des 26.10.2022 in dieses Patientenzimmer verbracht worden. Sie habe somit ein am diesen Tag turnusmäßig gereinigtes Zimmer bezogen. Ein wie auch immer gearteter Mehraufwand auf der Basis des Mindestmerkmals "tägliche Fußbodendesinfektion" sei hier am Tag der Aufnahme nicht entstanden und somit keinesfalls dem Behandlungsfall der Versicherten zuzuordnen. Das DRG-System baue auf verschiedenen Parametern auf, deren Berücksichtigung im so genannten Grouping-Prozess letztlich eine fall- und patientenabhängige Vergütung ergäben. Die Prozedur 8-98g12 sei selbstverständlich auch patientenbezogen. Sie diene einzig und allein dem Patienten, der in diesem Moment in diesem Zimmer untergebracht sei und habe abrechnungstechnisch keinen Bezug zu dem vorhergehenden Patienten oder zu dem Patienten, der irgendwann in der Folge in dieses Zimmer einziehe.
Der Aufschlag gemäß § 275c Abs. 3 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sei der Beklagten am 18.10.2023 mitgeteilt worden und werde, nach formal unzulässiger Aufrechnung und erfolgter Rückerstattung, hilfsweise zusätzlich zur Hauptforderung geltend gemacht.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 2.514,93 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 02.08.2023 zu bezahlen,
2. hilfsweise für den Fall des erfolgreichen Hauptantrags die Beklagte zu verurteilen, einen Aufschlag nach § 275c Abs. 3 SGB V in Höhe von 25 %, jedoch mindestens 300 Euro und höchstens 10 Prozent des auf Grund der Prüfung durch den Medizinischen Dienst geminderten Abrechnungsbetrages, wobei der Mindestbetrag von 300 Euro nicht unterschritten werden darf, zzgl. Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit (04.07.2024) an die Klägerin zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie führt aus, dass der streitgegenständliche OPS eine mindestens tägliche Fußbodendesinfektion und einmalige Schlussdesinfektion ggf. unter Einsatz besonderer Flächendesinfektionsmittel erfordere. Dieses Merkmal knüpfe an das jeweilige Patientenzimmer an und stelle ein zimmerspezifisches, und nicht wie von der Klägerin suggeriert, patientenspezifisches Merkmal dar. Die Versicherte sei am 26.10.2022 um 20:54 Uhr in das Isolationszimmer verlegt worden. Die Isolierung sei um 21:11 Uhr dokumentiert. Bereits zuvor am Tag sei eine vollständige Schlussdesinfektion des Patientenzimmers erfolgt. Diese Schlussdesinfektion umfasse ebenfalls die von der Klägerin negierte Fußbodendesinfektion. Die Schlussdesinfektion ergebe sich aus der Patientenakte der Patientin, die zuvor das Zimmer belegt habe. Der OPS bestimme gerade nicht, zu welchem Zeitpunkt die tägliche Fußbodendesinfektion zu erfolgen habe. Eine Einschränkung darauf, dass diese zwingend nach Verlegung des Patienten in das Zimmer zu erfolgen habe, gebe der Wortlaut des OPS nicht her.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Verwaltungs- und Patientenakte verwiesen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Vorliegend konnte das Gericht über die Klage durch Urteil ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden, da die Beteiligten dieser Vorgehensweise zugestimmt haben.
Die Klage wurde bei dem gemäß §§ 51 Abs. 1 Nr. 2, 57 Abs. 1 SGG sachlich und örtlich zuständigen Sozialgericht München gemäß §§ 90, 92 SGG formgerecht eingelegt und ist als echte Leistungsklage i. S. d. § 54 Abs. 5 SGG im sogenannten Parteienstreit im Gleichordnungsverhältnis, in dem eine Regelung durch Verwaltungsakt nicht zu ergehen hat (vgl. BSG, Urteil vom 17.06.2000, B 3 KR 33/99 R; Urteil vom 28.11.2013, B 3 KR 33/12 R, SozR 4-5562 § 9 Nr.5, juris), ohne Durchführung eines Vorverfahrens und ohne Einhaltung einer Klagefrist statthaft und zulässig. Eine einzelfallbezogene Erörterung zwischen den Beteiligten als Zulässigkeitsvoraussetzung der Klage i. S. d. § 17c Abs. 2b Satz 1 KHG ist erfolgt.
Die Klage erweist sich in der Sache auch als begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Erstattung des geltend gemachten Differenzbetrags in Höhe von 2.514,93 Euro aus der Behandlung der Versicherten entsprechend den zivilrechtlichen Grundsätzen der §§ 812 ff. BGB (vgl. Sprau, Palandt, BGB, 79. Auflage 2020, Einführung vor § 812, Rdnr. 9).
Denn die Beklagte hat zu Unrecht den OPS 8-98.g.12 anstelle des OPS 8-98.g.11 in Ansatz gebracht, wodurch dem Vergütungsanspruch die höher vergütete DRG G77B anstelle der zutreffenden DRG G67B zugrunde gelegt wurde.
Das Gericht teilt vollumfänglich die Rechtsauffassung der Klägerin. Der streitgegenständliche OPS lautet, soweit hier von Belang:
"Mindestens tägliche Fußbodendesinfektion und einmalige Schlussdesinfektion gegebenenfalls unter Einsatz besonderer Flächendesinfektionsmittel"
Eine solche tägliche Fußbodendesinfektion ist in Zusammenhang mit der Isolationsbehandlung der Versicherten nicht dokumentiert und wird von der Beklagten auch nicht behauptet. Vielmehr soll die in Zusammenhang mit einer anderen Patientin erfolgte Schlussdesinfektion des Patientenzimmers der Behandlung der Versicherten "zugerechnet" werden.
Dieses Vorgehen entspricht jedoch nicht den Abrechnungsvorgaben im DRG-System. Wie die Klägerin zutreffend dargelegt hat, folgt die "Vergütung der Leistung" und erfordert einen spezifischen Aufwand bezüglich des jeweils behandelten Versicherten. Zwar enthält der OPS 8-98.g tatsächlich auch "zimmerbezogene" Strukturmerkmale, wie etwa einen "zimmerbezogenen Schutzkittel"; auch bei diesem ist jedoch selbstverständlich, dass der "zimmerbezogene Schutzkittel" in Zusammenhang mit dem Patienten verwendet wird, für dessen Isolationsbehandlung später abgerechnet wird. Die "Zurechnung" der irgendwann einmal am selben Tag erfolgten Schlussdesinfektion des Patientenzimmers als "tägliche Fußbodendesinfektion" für den streitgegenständlichen Behandlungsfall ist systemfremd und würde zu einer doppelten Abrechenbarkeit für den streitgegenständlichen Fall der Versicherten und für die zuerst behandelte Patientin führen. Abgesehen davon wäre es vom Zufall abhängig, ob der Reinigungsaufwand Berücksichtigung finden könnte. Wäre die vorherige Patientin nämlich bereits am Vortag entlassen und dementsprechend die Zimmerreinigung bereits am Vortag erfolgt, wäre die Prozedur nicht berücksichtigungsfähig. Schließlich darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Zimmerreinigung im Rahmen des OPS 8-98.g deshalb als Mehraufwand abrechenbar ist, weil diese wegen der Infektionsgefahr bei Isolationsbehandlung anfällt. Die Versicherte befand sich in Isolationsbehandlung in der Abteilung Innere Medizin, Schwerpunkt Gastroenterologie, nicht in einer räumlich und organisatorisch von den restlichen Pflegeeinheiten des Krankenhauses getrennten speziellen Isoliereinheit. Es ist daher sehr gut möglich, dass die am Vormittag entlassene Patienten selbst sich nicht in Isolationsbehandlung, sondern in regulärer Behandlung befunden hat. Diese reguläre "Standardzimmerreinigung" bei der Patientin kann nicht bei einer anderen Patientin als Mehraufwand in Zusammenhang mit einer Isolationsbehandlung angesehen werden.
Im Übrigen geht das Gericht davon aus, dass die Unterlagen bezüglich der am Vormittag entlassenen Patientin präkludiert i. S. d. § 7 Abs. 2 Satz 11 PrüfvV sind. Diese wurden unstreitig dem MD im Prüfverfahren nicht vorgelegt, sondern erst im Erörterungsverfahren eingebracht. Zum Nachweis der stattgehabten Fußbodendesinfektion am 26.11.2022 hätten diese bereits dem MD vorgelegt werden müssen. Dies unterstreicht jedoch, dass es nicht richtig sein kann, dass die Zimmerreinigung in Zusammenhang mit einer anderen Patientin für die Erfüllung des OPS bei der Versicherten herangezogen werden kann.
Da mithin für die Abrechnung der Vergütung für die Behandlung der Versicherten der OPS 8-98.g.11 zugrunde zu legen ist, resultiert die DRG G67B, mit der Folge, dass die Beklagte der Klägerin den Differenzbetrag in Höhe der Klageforderung zu erstatten hat.
Der Zinsanspruch ergibt sich aus der zwischen den Beteiligten im Behandlungszeitpunkt geltenden Entgeltvereinbarung.
Nachdem die Klage im Hauptantrag erfolgreich war, war auch über den für diesen Fall gestellten Hilfsantrag zu entscheiden. Die zulässige Leistungsklage auf Zahlung eines Aufschlags nach § 275c Abs. 3 SGB V ist begründet.
Ab dem Jahr 2022 haben Krankenhäuser nach § 275c Abs. 3 SGB V bei einem Anteil unbeanstandeter Abrechnungen unterhalb von 60 Prozent neben der Rückzahlung der Differenz zwischen dem ursprünglichen und dem geminderten Abrechnungsbetrag einen Aufschlag auf diese Differenz an die Krankenkassen zu zahlen. Dabei knüpft das Tatbestandsmerkmal "ab dem Jahr 2022" an den Zeitpunkt der Einleitung der Rechnungsprüfung an, der sich nach außen durch die Erteilung des Prüfauftrages der Krankenkassen an den Medizinischen Dienst manifestiert (vgl. BSG, Urt. v. 19.10.23, B 1 KR 8/23 R, Rdnr. 19).
Der Aufschlag nach § 275c Abs. 3 SGB V beträgt 25 % im Falle des Abs. 2 Satz 4 Nummer 2, 50 % im Falle des Abs. 2 Satz 4 Nummer 3 und im Falle des Absatzes 2 Satz 6, jedoch mindestens 300 Euro und höchstens 10 Prozent des auf Grund der Prüfung durch den MD geminderten Abrechnungsbetrages, wobei der Mindestbetrag von 300 Euro nicht unterschritten werden darf. Die Höhe dieses Aufschlages ergibt sich aus dem Anteil der unbeanstandeten Schlussrechnungen im vorletzten Quartal vor dem Prüfauftrag an den MD Bayern. Der Prüfauftrag an den MD Bayern erfolgte in diesem Fall am 20.12.2022. Somit ist hier maßgeblich das 2. Quartal 2022. Nach den Statistikdaten des GKV-Spitzenverbandes ergibt sich für das 2. Quartal 2022 für die Beklagte ein Anteil von Schlussrechnungen, bei dem nach abgeschlossener MD-Prüfung der Abrechnungsbetrag nicht minderungsfähig ist, in Höhe von 54,55 %. Die vom GKV-Spitzenverband festgelegten Prüfquoten sind bindend. Resultierend aus der der Beklagten im Zeitpunkt der Einleitung der Prüfung zugeordneten individuellen Prüfquote beträgt der prozentuale Aufschlag 25 % des Erstattungsbetrages in Höhe von 2.514,93 Euro. Dies wären 628,73 Euro. Aufgrund der Begrenzung des Erstattungsbetrags auf höchstens 10 %, dies wären vorliegend 251,49 Euro und der Mindestbetragsregelung, ergibt sich vorliegend der Aufschlag in Höhe von 300 Euro.
Hinsichtlich des Zinsanspruchs ist die Klage teilweise begründet. Der Zinsanspruch der vorliegend beantragten Prozesszinsen begann entsprechend § 187 Abs. 1 BGB mit dem Tag nach Rechtshängigkeit (BSG, Urteil vom 09.04.2019 - B 1 KR 5/19 R Rn. 39 m. w. N.), mithin nach Klageeingang am 05.07.2024 ab dem 06.07.2024, und nicht wie beantragt am 04.07.2024.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 155 Abs. 1 Sätze 1 und 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), da die Beteiligten nicht zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören, und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Die Klägerin ist lediglich hinsichtlich des Beginns der ab Rechtshängigkeit geltend gemachten Zinsen um zwei Tage, und damit so geringfügig unterlegen, dass es gerechtfertigt ist, der Beklagten die vollen Kosten aufzuerlegen.
Da die Hauptforderung in der Klage beziffert war, war der Streitwert gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 1, 3 Gerichtskostengesetz (GKG) hierfür in dieser Höhe festzusetzen. Die eingeklagten Zinsen bleiben als Nebenforderung zu dem Hauptanspruch gemäß § 43 Abs. 1 GKG unberücksichtigt. Weil über die hilfsweise erhobene Leistungsklage entschieden wurde, war der Streitwert gemäß § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG entsprechend zu erhöhen.