1. Die Anwendung der Regelungen der Heilungsbewährung ergibt sich bei einem Weichteilsarkom aus den allgemeinen Vorgaben in den Versorgungsmedizinischen Grundsätzen, Teil B Nr. 1 c).
2. Die während der Zeit des Abwartens der Heilungsbewährung erfolgende umfassende Berücksichtigung körperlicher und seelischer Auswirkungen einer Krebserkrankung erfordert die Herabsetzung des zunächst regelhaft festzustellenden GdB, wenn die Krankheit nach rückfallfreiem Ablauf von fünf Jahren aufgrund medizinischer Erfahrungen mit hoher Wahrscheinlichkeit überwunden ist und außer der unmittelbaren Lebensbedrohung und der Gefahr eines Rezidivs damit auch die mit der Feststellung, Beseitigung und Nachbehandlung des Tumors in allen Lebensbereichen verbundenen vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung entfallen sind; die subjektive Angst vor einem Rezidiv ist dabei berücksichtigt (Anschluss an BSG, Urteil vom 9. August 1995 – 9 RVs 14/94 –, juris, Rz. 13).
3. Die Mitteilung der Versorgungsverwaltung an den Betroffenen, dass sie eine Herabsetzung des GdB aufgrund des Ergebnisses der erneuten Überprüfung unter Berücksichtigung seiner Ausführungen und weiterer ärztlicher Unterlagen derzeit nicht beabsichtige, kann kein Verwirkungsverhalten begründen.
4. Aus der unbefristeten Feststellung des GdB ergibt sich kein Anspruch auf eine Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises. Der Ausweis ist nach § 152 Abs. 5 Satz 3 SGB IX vielmehr in der Regel zu befristen. Von einem Fall des § 6 Abs. 2 Satz 2 SchwbAwV kann bei einer Heilungsbewährung gerade nicht ausgegangen werden, so dass offenbleiben kann, ob sich aus dieser Regelung ein weitergehender Anspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Ausweises ergeben kann (Anschluss an LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Februar 2022 – L 8 SB 2527/21 –, juris, Rz. 26).
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 13. Februar 2024 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den Entzug des Grades der Behinderung (GdB) von 50 aufgrund eingetretener Heilungsbewährung.
Bei dem 1977 geborenen Kläger wurde im Dezember 2012 im Universitätsklinikum T1 ein High grade Sarkom am linken Oberschenkel diagnostiziert. Das Sarkom wurde histologisch als maligner, spindelzelliger mesenchymaler Tumor mit ausgedehnten Tumornekrosen und hoher mitotischer Aktivität beschrieben, das initiale Tumorstadium wurde mit cT2b, cNO, cMO festgestellt. Nach der neoadjuvanten Radiochemotherapie erfolgte am 10. Juni 2013 eine en-bloc-Tumorresektion der Außenrotatoren des Hüftgelenks links.
Der Kläger beantragte im August 2013 bei dem Landratsamt O1 (LRA) rückwirkend ab 1. Dezember 2012 die Feststellung des GdB im Hinblick auf seine Krebserkrankung.
N1 empfahl versorgungsärztlich nach Auswertung der medizinischen Unterlagen die rückwirkende Anerkennung eines GdB von 50 wegen eines Weichteilsarkoms am linken Oberschenkel. Ab der Tumorentfernung am 10. Juni 2013 könne die Heilungsbewährung angesetzt werden.
Mit Bescheid vom 22. August 2013 stellte das LRA daher einen GdB von 50 seit dem 1. Dezember 2012 wegen eines Weichteilsarkoms am linken Oberschenkel (in Heilungsbewährung) fest. Bei der Bewertung des GdB sei eine Gesundheitsstörung im Stadium der Heilungsbewährung berücksichtigt. Das heiße, dass der GdB höher eingeschätzt sei, als dies dem tatsächlichen Zustand entspreche. Dies geschehe, um über einen bestimmten Zeitraum eine Stabilisierung des Gesundheitszustandes abzuwarten. Sei nach dem Ergebnis einer entsprechenden Nachprüfung diese Stabilisierung eingetreten, werde der GdB gegebenenfalls auf das tatsächlich bestehende Maß zurückgeführt, selbst wenn Beschwerden und Allgemeinzustand unverändert sein sollten.
Das LRA leitete 2018 eine erste Nachprüfung der gesundheitlichen Verhältnisse ein. Der Kläger verwies hierbei auf einen Arztbrief des W1 vom 17. Juli 2018, nach dem sich im MRT ein kontrastmittelaufnehmender Herdbefund im Musculus adductor longus linksseitig sowie kontralateral im rechtsseitigen Musculus adductor brevis gezeigt hatte. Lokalrezidive bzw. Metastasen könnten nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden, weswegen sich eine erneute Bildgebung (z.B. PET-CT) empfehle. Der behandelnde H1 teilte dem LRA in einem Befundschein vom 21. Oktober 2018 mit, dass sich bei der Kontrolluntersuchung im September 2018 eine Progredienz des Herdbefundes im Musculus adductor brevis gezeigt habe. Deshalb sei eine Vorstellung in der Radiologischen Klinik der Universität T1 zum PET-CT erfolgt, das keinen Nachweis eines rezidiv- oder metastasensuspekten Befundes erbracht habe. Um für den verunsicherten Patienten einen endgültigen Ausschluss zu erhalten, sei für den Jahreswechsel nochmals ein MRT vorgesehen. Nach dem entsprechenden MRT-Bericht von W1 vom 3. September 2018 war der Herdbefund am rechtsseitigen Musculus adductor brevis nicht mehr nachweisbar. Ansonsten bestehe Befundkonstanz mit Befundprogredienz der Adduktorenmuskulatur linksseitig. Nach dem Bericht des Universitätsklinikums T1 vom 26. September 2018 hatte sich im PET-CT kein Nachweis eines rezidiv- oder metastasensuspekten Befundes ergeben. Es bestehe eine kleine fokale Stoffwechselsteigerung im linken Musculus adductor longus ohne CT-morphologisches Korrelat und ohne korrelierende Raumforderung in der externen MRT.
Nach versorgungsärztlicher Stellungnahme von Z1 vom 8. Februar 2019 sollte damit die Behinderung entfallen, da kein Hinweis auf Progress oder Rezidiv bestünde.
Der Kläger wies auf das entsprechende Anhörungsschreiben des LRA zu einer beabsichtigten Aufhebung des Bescheides darauf hin, dass bei unklaren Befunden eine weitere Bildgebung empfohlen worden sei. Er beantrage daher die dauerhafte Beibehaltung des GdB und wies darauf hin, dass er als Mitarbeiter einer Krankenkasse alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen werde.
In dem Befundbericht vom 15. März 2019 nach einer weiteren MRT mit Kontrastmittel führte W1 aus, dass keine Befundprogredienz festzustellen sei. Es bestehe kein Hinweis auf ein Lokalrezidiv, Satellitenherde oder Fernmetastasen. Die Veränderungen seien wahrscheinlich operationsbedingt bzw. postradiogen. K1 vom Städtischen Klinikum D1 hatte zuvor am 31. Januar 2019 ausgeführt, dass bei der über Jahre hinweg zunehmenden Signalstörung im Bereich des Adductor longus eine aktuelle MRT mit KM und bei fortbestehendem Befund eine histologische Sicherung empfohlen werde.
Nach Auswertung dieser Unterlagen führte Z1 am 20. Mai 2019 versorgungsärztlich ergänzend aus, dass, obwohl das PET-CT keinen Hinweis auf ein Rezidiv ergeben habe, weiterhin der unklare Befund von verschiedenen Ärzten diskutiert werde. Nach dem Befundbericht aus D1 sollte ein erneutes MRT durchgeführt werden. Insgesamt werde vorgeschlagen, die Heilungsbewährung um ein Jahr zu verlängern und 5/2020 den aktuellen Stand zu erfragen.
Das LRA teilte dem Kläger am 23. Mai 2019 hierauf schriftlich mit, dass derzeit keine Herabsetzung des GdB beabsichtigt sei.
In dem erneuten Nachprüfungsverfahren ab Mai 2020 wirkte der Kläger unter Verweis auf die Corona-Pandemie nicht mit und beantragte stattdessen die unbefristete Verlängerung des Schwerbehindertenausweises. Z1 schlug daher versorgungsärztlich vor, bei mangelnder Mitwirkung von einem bestmöglichen Verlauf auszugehen, so dass die Behinderung entfalle.
Auf das entsprechende Anhörungsschreiben des LRA vom 28. Dezember 2020 hin führte der Kläger aus, dass sein Antrag zu verbescheiden sei. Er legte ferner die Art und das Ausmaß des bei ihm festgestellten Tumors dar. Frühestens Ende 2023 sei das Ende der Heilungsbewährung erreicht. Er werde einen Herabstufungsbescheid bis zu diesem Zeitpunkt definitiv nicht akzeptieren und den Rechtsweg beschreiten, zumal Widerspruch und Klage aufschiebende Wirkung hätten. Er setzte dem LRA dann eine Frist bis 28. Februar 2021 zur Entscheidung über seinen Antrag.
Nach dem von dem LRA beigezogenen CT der Thoraxorgane mit KM berichtete der T2 am 21. Oktober 2020 von keiner Befundveränderung. Es bestünden keine abgrenzbaren Herdbefunde oder suspekte Lymphknoten oder suspekte ossäre Skelettherde. In seinem Befundschein teilte H1 dem LRA am 18. März 2021 mit, dass ein Rezidiv 2018 im PET-CT habe ausgeschlossen werden können. Die nachfolgenden Untersuchungen hätten keinen weiteren Anhalt für ein Rezidiv ergeben. Der Kläger leide seit der Behandlung an rezidivierenden Schmerzen und Reizungen im linken Bein bei deutlich geringerem Beinumfang und einem erheblichen Kraftdefizit. In dem weiteren von dem LRA eingeholten Arztbrief gaben die W2 am 9. Juni 2021 an, dass keine Hauterkrankung dokumentiert sei. Sie berichteten nach einem Hautkrebsscreening im Mai 2021 von den Diagnosen Melanozytennaevi, Sarcom und atypischer Naevuszellnaevus, wobei die vorhandenen Naevi unauffällig gewesen seien. Ein etwas irregulär pigmentiertes Muttermal hinter dem Ohr sei vorsichtshalber entfernt worden. Der Vater des Klägers habe wohl an einem metastasierenden Melanom gelitten.
Die P1 führte hierzu versorgungsärztlich aus, dass ein Zustand nach (Z.n.) Weichteilsarkom linker Oberschenkel bei 2018 eingetretener Heilungsbewährung mit keinem Teil-GdB von mindestens 10 zu bewerten sei. Bei malignen Erkrankungen sei eine Heilungsbewährung von maximal 5 Jahren vorgesehen. Eine Verlängerung auf 10 Jahre wegen weiter erforderlicher Nachsorge sei nicht zu begründen. Mit den aktuellen Befunden sei Rezidivfreiheit nachgewiesen und damit Heilungsbewährung eingetreten. Der Verlauf des Nachuntersuchungsverfahrens zeige, dass der Kläger mit seinen Bemühungen, alle rechtlichen Möglichkeiten zur Beibehaltung der Schwerbehinderteneigenschaften auszuschöpfen, bislang erfolgreich gewesen sei.
Mit dem hier angefochtenen Bescheid vom 28. Juni 2021 hob das LRA den Bescheid vom 22. August 2013 auf und stellte fest, dass ab dem 1. Juli 2021 ein GdB von mindestens 20 und die Schwerbehinderteneigenschaft nicht mehr vorlägen. Der Zustand nach (Z.n.) Weichteilsarkom linker Oberschenkel mit 2018 eingetretener Heilungsbewährung bedinge keinen Teil-GdB von wenigstens 10 und stelle deshalb keine Behinderung dar.
Der Kläger legte hiergegen unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen Widerspruch ein. Auf seinen Antrag auf Verlängerung der Heilungsbewährung bis Ende 2023 sei nicht eingegangen worden und seine Fristsetzungen seien ignoriert worden. Er fühle sich auch persönlich angegriffen.
W3 nahm versorgungsärztlich dahingehend Stellung, dass nach den vorliegenden ärztlichen Unterlagen von Seiten des Sarkoms Rezidivfreiheit bestehe. Somit sei Heilungsbewährung eingetreten. Verbliebene Gesundheitsstörungen seien nicht objektivierbar belegt. Die Rückstufung nach Eintritt der Heilungsbewährung sei zutreffend. Tenor und GdB entfielen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. August 2021 wies das Regierungspräsidium S1 den Widerspruch zurück. In den Verhältnissen, die dem letzten maßgebenden Bescheid vom 22. August 2013 zugrunde gelegen hätten, sei eine wesentliche Änderung insoweit eingetreten, als die Heilungsbewährung von 5 Jahren abgelaufen sei. Nachdem kein Rezidiv der malignen Grunderkrankung aufgetreten sei, könne kein GdB von mindestens 20 mehr festgestellt werden. Mit den aktuellen Befunden sei Rezidivfreiheit nachgewiesen. Die Heilungsbewährung sei eingetreten.
Der Kläger hat am 3. September 2021 beim Sozialgericht Ulm (SG) Klage erhoben, da der GdB bis mindestens 31. Dezember 2023 mit 50 zu bemessen sei. Sein Antrag auf Verlängerung der Heilungsbewährung sei nicht berücksichtigt worden. Auch sei die versorgungsärztliche Stellungnahme von unsachlichen Überlegungen beeinflusst gewesen.
Das SG hat den W2 sowie den H1 schriftlich als sachverständige Zeugen befragt.
W2 hat am 26. Januar 2022 von einem unauffälligen Hautbefund berichtet. Bei dem entfernten suspekten Naevus habe es sich histologisch gesichert um einen unauffälligen Compoundnaevus gehandelt. Für den GdB relevante Gesundheitsstörungen auf dermatologischem Gebiet bestünden nicht.
H1 hat am 7. Februar 2022 eine hausärztliche Behandlung seit 2013 dargelegt. Es bestehe eine deutliche muskuläre Differenz des linken zum rechten Oberschenkel im Hinblick auf Umfang, Kraft und Belastbarkeit. Auffällig sei, dass der Kläger seit der Feststellung des Herdbefundes im MRT 2018 unter einer erheblich größeren Angst vor einem Tumorrezidiv leide. Seine Beweglichkeit sei nicht wesentlich eingeschränkt. Es bestünden aber Anlaufschmerzen nach längerem Sitzen oder beim Aufstehen ein muskulärer Spannungsschmerz im gesamten linken Bein. Diese Störungen seien seit Jahren gleichbleibend. Er hat einen Befundbericht von W1 vom 22. November 2021 vorgelegt, in dem dieser nach einer erneuten MRT mit KM Im Vergleich zur letzten Voruntersuchung weiterhin keine relevanten Befundänderungen gesehen hat. Nach wie vor bestehe kein sicherer Hinweis auf ein lokales Tumorrezidiv oder Fernmetastasen. Es finde sich weiterhin eine als reaktiv zu wertende Kontrastmittelaufnahme im voroperierten und bestrahlten Bereich. Daneben bestehe eine unveränderte Hypotrophie von vielen muskulären Strukturen des linken Oberschenkels mit resultierender persistierender Oberschenkel-Umfangsdifferenz.
Der Beklagte ist der Klage unter Verweis auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme von B1 vom 15. März 2022 entgegengetreten, da kein GdB von mindestens 20 mehr festzustellen sei. B1 hat die hausärztlich angegebene muskuläre Differenz mit Krafteinschränkung als Gebrauchseinschränkung des linken Beines mit einem Teil-GdB von 10 bewertet. Radiologisch bestehe weiterhin kein Hinweis auf ein Rezidiv. Die Entfernung eines Naevus bedinge einen GdB von 0.
Der Kläger hat seinerseits an der Klage festgehalten, da die Heilungsbewährung individuell zu prüfen und zu bemessen gewesen wäre, weil die Versorgungsmedizinischen Grundsätze (VG) keine Regelung zur Heilungsbewährung bei einem Weichteilsarkom enthielten.
Mit einem als Gerichtsbescheid bezeichneten Schriftstück vom 3. Juli 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Eine Namenswiedergabe des entscheidenden Richters ist weder im Rubrum noch am Ende des elektronischen Dokuments enthalten; eine elektronische Signatur ist erfolgt. Weiterhin hat das SG am 5. Juli 2023 den Beteiligten mitgeteilt, dass ein Wechsel der Kammerzuständigkeit eingetreten sei und für das Verfahren nunmehr die 9. Kammer zuständig sei.
Auf die Berufung des Klägers hat der Senat mit Urteil vom 5. Oktober 2023 (Az. L 6 SB 2273/23) festgestellt, dass es sich bei dem als Gerichtsbescheid bezeichneten Schriftstück des Sozialgerichts Ulm vom 3. Juli 2023 nicht um einen wie ein Urteil wirkenden Gerichtsbescheid im Sinne des Sozialgerichtsgesetzes handelte. Es liege nur eine Schein- bzw. Nichtentscheidung vor, die die Beteiligten nicht binde. Im Übrigen hat er die Berufung als unzulässig verworfen, da keine Sachentscheidung vorliege. Das Verfahren sei weiterhin bei dem SG anhängig.
Mit weiterem Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2024 (Az.: S 9 SB 2763/23) hat das SG die Klage nach erneuter Anhörung der Beteiligten zu dieser Verfahrensweise abgewiesen. In den Verhältnissen bei Erlass des Bescheides vom 22. August 2013 sei eine wesentliche Besserung eingetreten, da die Heilungsbewährung von 5 Jahren nach den VG, Teil B Nr. 17.13 komplikationsfrei abgelaufen sei. Soweit H1 von einer muskulären Differenz zwischen linkem und rechtem Oberschenkel mit Krafteinschränkung berichtet habe, erscheine ein Teil-GdB von 10 angemessen. Ein Gesamt-GdB von mindestens 20 sei damit nicht festzustellen.
Der Kläger hat am 13. März 2024 beim SG Berufung mit der Begründung eingelegt, das SG habe bei der Frage der Heilungsbewährung auf Regelungen der VG abgestellt, die einen malignen Tumor der Haut beträfen. Er habe nicht an einem derartigen Tumor, sondern an einem High grade Sarkom im Oberschenkel gelitten. Bei Weichteilsarkomen handele es sich um bösartige Tumore, die aus mesenchymalem Gewebe wie Knochen- und Muskelgewebe, Fett- und peripherem Nervengewebe, sowie dem Gewebe von Blut- und Lymphgefäßen entstünden. Er sei bei Erkrankungsbeginn 35 Jahre alt gewesen, so dass er zu einem seltenen Fall und zusätzlich auch nicht zur typischen Zielgruppe gehört habe. In seinem Fall habe es sich um einen tiefen Tumor gehandelt, der zudem schlecht differenziert gewesen sei, was sich auf die Prognose auswirke. Der Hautkrebs sei hiervon deutlich zu unterscheiden. Er beantrage zu prüfen, ob die Heilungsbewährung in seinem Einzelfall nicht über den 31. Dezember 2023 hinaus dauerhaft erteilt werden müsse, da im Gesetz bzw. in den VG keine Höchstgrenze der Heilungsbewährung genannt sei.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Ulm vom 13. Februar 2024 sowie den Bescheid vom 28. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2021 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, den Grad der Behinderung weiterhin mit 50 festzustellen und ihm einen unbefristeten Schwerbehindertenausweis auszustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er verweist auf die angefochtene Entscheidung. Es erschließe sich ihm nicht ganz, weshalb das Weichteilsarkom im linken Oberschenkel nicht zu einem malignen Tumor der Haut gezählt werden könne.
Der Senat hat den Kläger darauf hingewiesen, dass die vorgenommene Herabsetzung nicht zu beanstanden sein dürfte, nachdem auch die letzte Untersuchung beim Hautarzt keine Hinweise auf ein Rezidiv ergeben habe. Alle behandelnden Ärzte seien befragt worden; mehr könne der Senat für den abgelaufenen Zeitraum nicht ermitteln. Die Schwerbehinderteneigenschaft verbleibe ihm bis zum Abschluss des Verfahrens.
Hinsichtlich des weiteren Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die form- und fristgerecht (§ 151 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Gerichtsbescheid vom 13. Februar 2024, mit dem das SG zum einen die isolierte Anfechtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) gegen den Bescheid vom 28. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2021 (§ 95 SGG) abgewiesen hat. Der Kläger hat daneben ausdrücklich eine Verpflichtungsklage auf Feststellung eines GdB von weiterhin 50 und eine Leistungsklage auf Ausstellung eines entsprechenden Schwerbehindertenausweises erhoben (§§ 54 Abs. 1, Abs. 5, 56 SGG).
Die Klage auf Ausstellung eines entsprechenden unbefristeten Schwerbehindertenausweises ist als echte Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 SGG statthaft. Insoweit besteht ein Rechtsschutzbedürfnis, da der Ausweis nur befristet erteilt wurde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 2023 – L 8 SB 1641/23 –, juris, Rz. 22).
Soweit es um die Prüfung von Schadensersatzansprüchen wegen angeblich verspäteter Ausstellung geht, hat der kundige Kläger das Begehren im Klage- und Berufungsverfahren nicht fortgeführt.
Insofern der Kläger erstinstanzlich geltend gemacht hat, die Heilungsbewährung bis zum 31. Dezember 2023 zu verlängern, so hat das SG dieses Begehren zutreffend dahingehend verstanden, dass es als „bis mindestens“ zu verstehen ist und so dem klägerischen Antrag zugrunde gelegt, was die dahingehende Nachfrage des Senats vom 4. April 2024 bestätigt hat. Er hat also den Antrag nicht zeitlich beschränkt, so dass durch den reinen Zeitablauf das Rechtsschutzinteresse entfallen wäre. Eine Beschränkung des Streitgegenstands liegt hierin deshalb ebenfalls nicht.
Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei einer Anfechtungsklage der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung, mithin derjenige des Erlasses des Widerspruchsbescheides (vgl. für die Herabbemessung des GdB Urteil des Senats vom 21. Februar 2019 – L 6 SB 2892/18 –, juris, Rz. 26; vgl. Urteil des Senats vom 14. Oktober 2021 – L 6 SB 2703/20 –, juris, Rz. 34). Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung des Sach- und Streitstandes ist bei einer Verpflichtungs- und Leistungsklage der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, Kommentar zum SGG, 14. Aufl. 2023, § 54 Rz. 33; BSG, Urteil vom 13. August 1997 – 9 RVs 10/96 –, juris, Rz. 15; BSG, Urteil vom 11. August 2015 – B 9 SB 2/15 R –, juris, Rz. 13).
Die Unbegründetheit der Berufung ergibt sich hinsichtlich der Verpflichtungsklage aus deren Unzulässigkeit. Die Verpflichtungsklage auf Feststellung eines GdB von weiterhin 50 ist unzulässig, da es hierfür an dem erforderlichen Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Denn bei der mit der Anfechtungsklage erstrebten Aufhebung des angefochtenen Bescheides vom 28. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2021 würde die vorherige Feststellung des höheren GdB von selbst wiederaufleben (vgl. Urteil des Senats vom 21. Februar 2019 – L 6 SB 2892/18 –, juris, Rz. 24), zumal der rechtskundige Kläger eine Neufeststellung des GdB gar nicht beantragt hat. Das entnimmt der Senat dem Formular im Nachprüfungsverfahren.
Die ursprüngliche Feststellung eines GdB von 50 wäre dann weiterhin wirksam, so dass das alleine hierauf gerichtete Rechtsschutzziel des Klägers bereits erreicht wäre. Auf die von dem Kläger behauptete Möglichkeit einer Genehmigungsfiktion ist bereits aus diesem Grunde nicht einzugehen. Die Genehmigungsfiktion des § 18 Abs. 3 Satz 1 SGB IX kann schon in Ermangelung eines Antrags nicht greifen und bezieht sich abgesehen davon nach dem eindeutigen Wortlaut, der die Grenze der zulässigen Auslegung bildet, ohnehin nur auf „Leistungen zur Teilhabe“, die unzweifelhaft nicht streitbefangen sind.
Die Unbegründetheit der Berufung im Übrigen folgt aus der Unbegründetheit der Anfechtungsklage. Der angefochtene Bescheid vom 28. Juni 2021 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. August 2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 1 Satz 2 SGG). Der Beklagte hat die Feststellung des GdB nach ordnungsgemäßer Anhörung des Klägers zu Recht aufgehoben, weil bei ihm infolge eingetretener Heilungsbewährung jedenfalls ab dem Herabsetzungszeitpunkt kein GdB von 20 mehr festzustellen ist. Die Klageabweisung durch das SG ist damit nicht zu beanstanden.
Rechtsgrundlage des angefochtenen Bescheides ist § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X soll der Verwaltungsakt mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zugunsten der Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X). Dabei liegt eine wesentliche Änderung vor, soweit der Verwaltungsakt nach den nunmehr eingetretenen tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen nicht mehr so erlassen werden dürfte, wie er ergangen war. Die Änderung muss sich nach dem zugrundeliegenden materiellen Recht auf den Regelungsgehalt des Verwaltungsaktes auswirken. Das ist bei einer tatsächlichen Änderung nur dann der Fall, wenn diese so erheblich ist, dass sie rechtlich zu einer anderen Bewertung führt. Von einer wesentlichen Änderung im Gesundheitszustand ist auszugehen, wenn diese einen um wenigstens 10 veränderten Gesamt-GdB rechtfertigt (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 12). Im Falle einer solchen Änderung ist der Verwaltungsakt – teilweise – aufzuheben und durch die zutreffende Bewertung zu ersetzen (vgl. BSG, Urteil vom 22. Oktober 1986 – 9a RVs 55/85 –, juris, Rz. 11 m. w. N.). Die Feststellung einer wesentlichen Änderung setzt einen Vergleich der Sach- und Rechtslage bei Erlass des – teilweise – aufzuhebenden Verwaltungsaktes und zum Zeitpunkt der Überprüfung voraus (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2010 – B 9 V 2/10 R –, SozR 4-3100 § 35 Nr. 5, Rz. 38 m. w. N.).
Dass der Beklagte bei identischer Befundlage 2018 und 2019 keine Herabsetzung vorgenommen und dies dem Kläger jeweils schriftlich mitgeteilt hat, steht der Aufhebung nach § 48 SGB X nicht entgegen. Für den Fall der Aufhebung einer Feststellung der Schwerbehinderung nach erfolgreicher Heilungsbewährung hat das BSG nämlich entschieden, dass Sozialbehörden aus einer Änderung der Verhältnisse für die Zukunft jedenfalls grundsätzlich zeitlich unbeschränkt Gestaltungsrechte ableiten können (BSG, Urteile vom 12. Februar 1997 - 9 RVs 12/95 – juris, Rz. 16, und vom 11. August 2015 – B 9 SB 2/15 R –, juris, Rz. 22 ff.). Dies fordert maßgeblich der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit der Verwaltung, der die Wiederherstellung gesetzmäßiger Zustände und die Gleichbehandlung aller Antragsteller gebietet. Verwirken kann die zuständige Behörde ihr Recht, eine rechtswidrig gewordene Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft aufzuheben, allenfalls dann, wenn sie erkennbar auf das Verstreichen einer Phase der Heilungsbewährung Bezug nimmt und darauf hinweist, daraus auch in Zukunft keine Folgerungen mehr ziehen zu wollen (Verwirkungsverhalten, vgl. BSG, Urteil vom 11. August 2015 – a.a.O. Rz. 23). Zumindest im Fall der gebundenen Aufhebung einer Statusentscheidung im Schwerbehindertenrecht wegen Änderung der tatsächlichen Verhältnisse muss die Annahme einer Verwirkung daher auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben, in denen eine wortgetreue Anwendung der gesetzlichen Vorschriften dazu führen würde, insbesondere grundrechtlich geschützte Positionen zu verletzen (BSG, Urteil vom 11. August 2015 – a.a.O. Rz. 23). Da die Verwirkungsvoraussetzungen deshalb eng auszulegen sind, hat der Beklagte sein Aufhebungsrecht trotz seiner langen Untätigkeit nicht verwirkt. Dafür fehlt es schon an einer ausreichenden Verwirkungshandlung des Beklagten und damit auch an der erforderlichen Vertrauensgrundlage sowie unabhängig davon an einem schützenswerten Vertrauensverhalten des Klägers. Denn die ihm in der Vergangenheit gewährten Steuer- bzw. Statusvorteile verbleiben ihm. Für die Zukunft hat der Kläger ganz offensichtlich keine Vertrauensdispositionen getroffen, die er nicht mehr oder nur noch unter unzumutbaren Anstrengungen und Kosten rückgängig machen könnte. Die Aufhebung der rechtswidrig gewordenen Statusentscheidung berührt insbesondere keine grundrechtlich geschützten Positionen des Klägers (BSG, a.a.O.).
Die vorwiegenden Funktionseinschränkungen des Klägers lagen im Funktionssystem „Beine“, wurden durch das High grade Sarkom am linken Oberschenkel begründet und rechtfertigen nunmehr nur noch einen Teil-GdB von 10.
Nach den VG Teil B Nr. 1c gilt hinsichtlich der Heilungsbewährung folgendes: Eine Heilungsbewährung ist nach Transplantationen innerer Organe und nach der Behandlung von Krankheiten abzuwarten. Für die häufigsten und wichtigsten solcher Krankheiten sind im Folgenden Anhaltswerte für den GdB angegeben, die auf den Zustand nach operativer oder anderweitiger Beseitigung der Geschwulst bezogen sind. Der Zeitraum des Abwartens einer Heilungsbewährung beträgt in der Regel fünf Jahre. Der aufgeführte GdB bezieht den regelhaft verbleibenden Organ- oder Gliedmaßenschaden ein. Außergewöhnliche Folgen oder Begleiterscheinungen der Behandlung – z.B. lang dauernde schwere Auswirkungen einer wiederholten Chemotherapie – sind zu berücksichtigen. Bei den im Folgenden nicht genannten malignen Geschwulstkrankheiten ist von folgenden Grundsätzen auszugehen: Bis zum Ablauf der Heilungsbewährung – in der Regel bis zum Ablauf des fünften Jahres nach der Geschwulstbeseitigung – ist in den Fällen, in denen der verbliebene Organ- oder Gliedmaßenschaden für sich allein keinen GdB von wenigstens 50 bedingt, im Allgemeinen nach Geschwulstbeseitigung im Frühstadium ein GdB von 50 und nach Geschwulstbeseitigung in höheren Stadien ein GdB von 80 angemessen. Bedingen der verbliebene Körperschaden oder die Therapiefolgen einen GdB von 50 oder mehr, ist der bis zum Ablauf der Heilungsbewährung anzusetzende GdB entsprechend höher zu bewerten.
Soweit keine außergewöhnlichen Folgen oder Begleiterscheinungen der Krebserkrankung vorliegen, legen die VG die Höhe des GdB daher pauschal fest. Erst für die Zeit danach ist der GdB nach den konkreten Auswirkungen der vorliegenden Gesundheitsstörung zu bemessen. Beruht daher die Höhe des GdB auf einer Erkrankung, für welche die einschlägigen Normen einen erhöhten GdB-Wert während des Zeitraums der Heilungsbewährung ansetzen, ändert das Verstreichen dieses Zeitraums die wesentlichen, d.h. rechtserheblichen tatsächlichen Verhältnisse, die der Feststellung des GdB zu Grunde lagen (BSG, Urteil vom 11. August 2015 – B 9 SB 2/15 R –, juris, Rz. 15; BSG, Urteil vom 12. Februar 1997 – 9 RVs 12/95 –, juris, Rz. 14). Somit begründet schon der reine rezidivfreie Zeitablauf den Eintritt der Heilungsbewährung und damit die wesentliche Änderung. Eine Beschwerdefreiheit oder eine folgenlose Ausheilung der Erkrankung wird nicht vorausgesetzt.
Die VG stellen damit auf die medizinstatistisch ermittelte Rezidivgefahr und deren signifikante Abnahme innerhalb der Zeit nach Heilungsbewährung ab. Deshalb ist weder der Überlegung des Klägers zu folgen, dass ein trotzdem erhöhter GdB dann auch auf Dauer gelten müsse, weil die Angst, erneut an Krebs zu erkranken, lebenslang anhalte. Der Kläger vernachlässigt dabei, dass mit der Verringerung der Rückfallgefahr auch die subjektive Angst davor regelmäßig zurückgehen wird. Darüber hinaus beschreibt der Begriff Heilungsbewährung nicht nur - wie vom Kläger angenommen -, dass nach Ablauf der Bewährungszeit keine erhebliche Rezidivgefahr mehr besteht. Heilungsbewährung erfasst daneben auch die vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, Beseitigung und Nachbehandlung des Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind. Dies rechtfertigt es nach der in den VG zusammengefassten sozial-medizinischen Erfahrung, bei Krebskrankheiten nicht nur den Organverlust zu bewerten, der im Einzelfall zu einem GdB von lediglich 10 führen könnte, sondern unter Berücksichtigung der Krebserkrankung als solcher einen GdB von mindestens 50 anzunehmen und Krebskranken damit unterschiedslos zunächst den Schwerbehindertenstatus zuzubilligen. Diese umfassende Berücksichtigung körperlicher und seelischer Auswirkungen der Erkrankung nötigt andererseits dazu, den GdB herabzusetzen, wenn die Krebskrankheit nach rückfallfreiem Ablauf von fünf Jahren aufgrund medizinischer Erfahrungen mit hoher Wahrscheinlichkeit überwunden ist und außer der unmittelbaren Lebensbedrohung damit auch die vielfältigen Auswirkungen der Krankheit auf die gesamte Lebensführung entfallen sind (so ausdrücklich BSG, Urteil vom 9. August 1995 – 9 RVs 14/94 –, juris, Rz. 13).
Nach den VG, Teil B, Nr. 1c ist maßgeblich für den Beginn der Heilungsbewährung derjenige Zeitpunkt, an dem die Geschwulst durch Operation oder andere Primärtherapie als beseitigt angesehen werden kann, wobei eine zusätzliche adjuvante Therapie keinen Einfluss auf den Beginn der Heilungsbewährung hat.
Bei dem Kläger ist am 10. Juni 2013 erfolgreich nach einer neoadjuvanten Radiochemotherapie eine en-bloc-Tumorresektion der Außenrotatoren des Hüftgelenks links erfolgt, wie der Senat den Befundberichten des Universitätsklinikums T1 entnimmt, die er wie die anderen Befundberichte im Wege des Urkundsbeweises (§ 118 Abs. 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff. Zivilprozessordnung [ZPO]) verwertet. Die Heilungsbewährung hat somit am 11. Juni 2013 begonnen und damit grundsätzlich im Juni 2018 geendet; allein im Hinblick auf unklare, abklärungswürdige Befunde wurde der Zeitraum bis 2020 verlängert, ist also jedenfalls zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Beklagten abgelaufen. Dass unter Zugrundelegung der Maßstäbe zur Abweichung von dem Regelfall die Voraussetzungen für eine Verlängerung der Fünfjahresfrist im konkreten Einzelfall des Klägers nicht vorliegen, hat die P1 schlüssig dargelegt, denn eine solche ist nicht allein durch die weiter begründete Nachsorge gerechtfertigt. Eine solche Nachsorge ist nämlich geradezu der Regelfall nach einer Krebserkrankung und kann deshalb keinen Ausnahmefall darstellen.
Die Voraussetzungen des § 48 SGB X sind vorliegend erfüllt, da gegenüber dem maßgebenden Vergleichsbescheid vom 22. August 2013 infolge Eintritts der Heilungsbewährung eine wesentliche Änderung in der Höhe des GdB eingetreten ist. Der Senat entnimmt dem Bericht des Universitätsklinikums T1 vom 26. September 2018 und den Angaben des behandelnden H1, dass sich insbesondere im PET-CT kein Nachweis eines Rezidivs oder Metastasen-suspekten Befundes ergeben hat, also ein Rezidiv ausgeschlossen werden kann. Zuletzt hat der W1 aufgrund der kernspintomographischen Diagnostik vom 22. Dezember 2021 bestätigt, dass nach wie vor kein sicherer Hinweis auf ein lokales Tumorrezidiv oder Fernmetastasen, also keine tumoröse Veränderung bestand, vielmehr die Kontrastmittelaufnahme im voroperierten und bestrahlten Bereich weiterhin als reaktiv zu werten ist.
Dass der Kläger den Hinweis der P1 auf sein durchaus dilatorisch wirkendes Vorgehen im Herabsetzungsverfahren als abfällig empfunden haben will, ändert daran nichts. Ausgehend von der Entfernung des Tumors im Juni 2013 war damit nach Ablauf von fünf Jahren, jedenfalls aber im Zeitpunkt, der in dem angefochtenen Bescheid bestimmt war (1. Juli 2021), Heilungsbewährung eingetreten.
Die Heilungsbewährung folgt entgegen der Auffassung des SG allerdings nicht aus den Vorgaben der VG in Teil B Nr. 17.13, da es sich bei dem seltenen Weichteilsarkom als von Zellen des Weichgewebes (Fett-, Muskel- oder Bindegewebe, Blutgefäße und Nerven) ausgehend nicht um einen Tumor der Haut handelt. Das folgt mittelbar schon aus dem Arztbrief des W2. Der Senat entnimmt dessen Aussage, dass schon keine für den GdB relevante Hauterkrankung bestand bzw. besteht.
Das Abwarten einer Heilungsbewährung von fünf Jahren ergibt sich aber, entgegen der Auffassung des Klägers, für solche nicht ausdrücklich in den VG erwähnten Geschwulsterkrankungen aus den allgemeinen Regelungen in den VG Teil B Nr. 1 c). Dessen ungeachtet bestand auch nach den Angaben von H1 vom 18. März 2021 – also beinahe acht Jahre nach der Entfernung des Tumors – kein weiterer Anhalt für ein Rezidiv.
Ab dem Eintritt der Heilungsbewährung war kein GdB mehr festzustellen, da dieser nur noch 10 beträgt.
Der Anspruch auf Feststellung des GdB richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Danach stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Vierzehntes Buches zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat, wenn dafür ein besonderes Interesse glaubhaft gemacht wird (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 4 SGB IX). Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Nachdem noch keine Verordnung nach § 153 Abs. 2 SGB IX erlassen ist, gelten die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen, somit die am 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung – VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl I S. 2412), entsprechend (§ 241 Abs. 5 SGB IX). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden „Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht“ (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteil vom 1. September 1999 – B 9 V 25/98 R –, juris, Rz. 14 f.). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als „Alterskrankheiten“ (etwa „Altersdiabetes“ oder „Altersstar“) bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 Satz 1 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 – B 9 SB 1/03 R –, juris, Rz. 17 m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 – B 9 SB 35/10 B –, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrundeliegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 – B 9 SB 17/97 R –, juris, Rz. 24). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird. Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Gesamtzustand der Behinderung, den gegebenenfalls mehrere Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit bestimmen (vgl. BSG, Beschluss vom 1. Juni 2015 – B 9 SB 10/15 B –, juris, Rz. 15).
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze sowie unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass zum maßgebenden Zeitpunkt der Herabsetzungsentscheidung bei dem Kläger ausgehend von den tatsächlich vorhandenen Funktionseinschränkungen kein GdB von mindestens 20 mehr festzustellen war.
Bei dem im Vordergrund stehenden Funktionssystem „Beine“ ist nur noch ein Teil-GdB von 10 gerechtfertigt. Am linken Oberschenkel ist infolge der operativen Exzision des Weichteilsarkoms eine deutliche muskuläre Differenz zum rechten Oberschenkel im Hinblick auf Umfang, Kraft und Belastbarkeit eingetreten, die mit rezidivierenden Schmerzen, Reizungen im linken Bein und einem erheblichen Kraftdefizit einhergehen. Diese begründen Anlaufschmerzen nach längerem Sitzen wie einen muskulären Spannungsschmerz im gesamten linken Bein beim Aufstehen. Eine Oberschenkel-Umfangsdifferenz und eine Hypotrophie der Muskulatur hat auch der radiologische Befundbericht von W1 aus November 2021 bestätigt. Die Beweglichkeit des Klägers wird dadurch aber, worauf es wesentlich ankommt, nicht wesentlich eingeschränkt, was der Senat der Einschätzung des H1 entnimmt. Die damit vorliegende geringfügige Minderbelastbarkeit des linken Beines ohne relevante Bewegungsbehinderung und Mitbeteiligung anderer Organsysteme bewertet der Senat ausgehend von den Vorgaben der VG Teil B Nr. 18.1 in Übereinstimmung mit der versorgungsärztlichen Stellungnahme von B1 mit einem GdB von 10. Diese Einschätzung wird auch durch den Vergleich mit den ausdrücklichen Bewertungsvorgaben für eine Muskelhernie am Oberschenkel mit einem GdB von 0 bis 10 in den VG Teil B Nr. 18.14 bestätigt.
Im Funktionssystem „Haut“ lässt sich bei dem von W2 angegebenen unauffälligen Hautbefund bei verschiedenen Naevi nach den Vorgaben der VG Teil B Nr. 17 und Nr. 17.12 kein Teil-GdB von mindestens 10 feststellen. Der Senat schließt sich insoweit der Auffassung des versorgungsärztlichen Dienstes an.
Im Funktionssystem „Gehirn einschließlich Psyche“ folgt auch unter Berücksichtigung der von H1 zuletzt am 7. Februar 2022 geschilderten nachvollziehbaren Angst vor einem Tumorrezidiv und einen zunehmenden psychischen Schwerpunkt der Leiden ebenfalls kein Teil-GdB von mindestens 10. Denn daraus ergibt sich kein Hinweis auf eine (fach-)ärztlich diagnostizierte psychische Erkrankung. Dazu passend befand sich der Kläger auch nicht in psychiatrischer oder psychologischer Behandlung. Erst recht sind damit keine Funktionseinschränkungen objektiviert, die über die üblichen seelischen Begleiterscheinungen der Erkrankung hinausgehen (vgl. VG, Teil A, Nr. 2 i) und j)).
Der Begriff der Heilungsbewährung beschreibt dabei nicht nur, dass nach Ablauf der Bewährungszeit keine erhebliche Rezidivgefahr mehr besteht. Der unabhängig von den tatsächlichen Funktionseinschränkungen regelhaft mit 50 festgestellte GdB während der Zeit der Heilungsbewährung erfasst daneben die vielfältigen Auswirkungen, die mit der Feststellung, Beseitigung und Nachbehandlung des Tumors in allen Lebensbereichen verbunden sind und die mit dem Ablauf der Bewährungszeit regelmäßig weggefallen sind (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 1995 – 9 RVs 14/94 –, juris, Rz. 13; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Juni 2023 – L 12 SB 3160/22 –, juris, Rz. 31), wobei auch die subjektive Angst vor einem Rezidiv bereits berücksichtigt ist (vgl. BSG, Urteil vom 9. August 1995 – a.a.O.). Konkrete Beeinträchtigungen, die zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt noch vorlagen, hat auch der Kläger nicht erwähnt.
Weitere Funktionseinschränkungen, die mit einem Teil-GdB von mindestens 10 zu bewerten wären, sind damit nicht ersichtlich.
Weiterer Ermittlungsbedarf von Amts wegen hat nicht bestanden; von dem Antragsrecht nach § 109 SGG hat der Kläger auch auf den entsprechenden Hinweis des SG hin schon erstinstanzlich keinen Gebrauch gemacht (vgl. Schreiben vom 3. August 2022).
Es verbleibt damit bei einem Gesamt-GdB von 10.
Soweit der Kläger schließlich die Ausstellung eines unbefristeten Schwerbehindertenausweises begehrt, so hat er darauf schon deswegen keinen Anspruch, weil kein GdB mehr festzustellen ist. Der Senat weist aber ergänzend darauf hin, dass es sich bei der Befristung eines Schwerbehindertenausweises nicht um einen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X handelt (vgl. Thüringer LSG, Urteil vom 14. Oktober 2021 – L 5 SB 1259/19 –, juris, Rz. 19; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 21. April 2016 – L 10 SB 87/15 –, juris, Rz. 21; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24. April 2020 – L 13 SB 74/20 B ER –, juris, Rz. 4; vgl. auch BSG, Beschluss vom 29. April 2024 – B 9 SB 29/23 B –, juris, Rz. 9). In den Bescheiden vom 22. August 2013 und 28. Juni 2021 ist nur über die Höhe des GdB entschieden worden. Eine Entscheidung über die Befristung des Schwerbehindertenausweises erfolgte in diesen Bescheiden nicht.
Der Ausweis dient dem Nachweis für die Inanspruchnahme von Leistungen und sonstigen Hilfen, die schwerbehinderten Menschen nach diesem Teil oder nach anderen Vorschriften zustehen (§ 152 Abs. 5 Satz 2 SGB IX). Er weist als öffentliche Urkunde lediglich die gesondert im Ausgangsbescheid getroffene Feststellung der Schwerbehinderung gegenüber Dritten nach und hat keine eigene konstitutive Bedeutung für die in ihm verlautbarten Feststellungen (BSG, Urteil vom 11. August 2015 – B 9 SB 2/15 R –, juris, Rz. 26; BSG, Beschluss vom 24. November 2020 – B 9 SB 2/20 BH –, juris, Rz. 9).
Die Befristung des Ausweises ist jedoch rechtmäßig erfolgt. Nach § 152 Abs. 5 SGB Satz 3 IX soll die Gültigkeitsdauer des Ausweises befristet werden. Ein Anspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Ausweises ergibt sich daher auch im Hinblick auf die dem Ausweis zu Grunde liegende – regelmäßig erfolgende – unbefristete Feststellung des GdB und der damit verbundenen Schwerbehinderteneigenschaft nicht. Aus dem Wort „soll“ in § 152 Abs. 5 Satz 3 SGB IX folgt, dass der Beklagte den Ausweis in der Regel befristen muss, er jedoch in atypischen Fällen hiervon abweichen kann. Dies ergibt sich auch aus einer Parallele zu den von dem BSG insoweit zur Sollvorschrift des § 48 Abs. 1 Satz 2 SGB X angestellten Erwägungen (so Thüringer LSG, Urteil vom 14. Oktober 2021 – a.a.O. unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 30. Juni 2016 – B 5 RE 1/15 R –, juris; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Februar 2022 – L 8 SB 2527/21 –, juris, Rz. 26).
§ 6 Abs. 2 Satz 1 Schwerbehindertenausweisverordnung (SchwbAwV) sieht eine Befristung auf längstens fünf Jahre vom Monat der Ausstellung an vor. Die Befristung hat den Grund, dass geprüft werden kann, ob die im Ausweis dokumentierten Merkmale noch den tatsächlichen Gegebenheiten entsprechen und ob die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Nachteilsausgleichen noch vorliegen (vgl. BT-Drs. 15/2318 S. 23; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Februar 2022 – a.a.O. Rz. 26). Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 SchbAwV kann der Ausweis in den Fällen, in denen eine Neufeststellung wegen einer wesentlichen Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen, die für die Feststellung maßgebend gewesen sind, nicht zu erwarten ist, unbefristet ausgestellt werden. Es kann hier offenbleiben, ob sich daraus ein weitergehender Anspruch auf Ausstellung eines unbefristeten Ausweises ergeben kann. Denn bei einer – wie hier – auf einer Heilungsbewährung beruhenden Feststellung eines GdB kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass eine derartige wesentliche Änderung nicht zu erwarten sei (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Februar 2022 – a.a.O. Rz. 27). Dem Beklagten wäre daher auch im Hinblick auf diese Vorschrift kein Ermessen bei der Entscheidung über die Ausstellung eines unbefristeten Ausweises eröffnet gewesen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 29. September 2023 – L 8 SB 1641/23 –, juris, Rz. 26 f.).
Die Berufung konnte daher keinen Erfolg haben und war zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.