Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Berlin vom 20. Juli 2021 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten die weitergehende Auszahlung rückwirkender Rentenleistungen in Höhe von 5.687,60 Euro, die die Beklagte an den Beigeladenen erstattet hat.
Der am 1966 geborene Kläger beantragte bei der Beklagten mehrfach die Gewährung einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Im Rahmen eines dritten Klageverfahrens welches unter dem Aktenzeichen beim Sozialgericht anhängig war, schlossen der Kläger und die Beklagte einen Vergleich, wonach dem Kläger ab dem 1. Februar 2010 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung bis zum Abschluss eines psychosomatischen Heilverfahrens für Gehörlose, längstens bis 31. Dezember 2011 gewährt wurde. Nachfolgend trug der Kläger dann vor, nicht kurfähig zu sein und nahm die Rente bis 31. Dezember 2011 in Anspruch. Vom 1. Januar 2012 an bezog der Kläger Arbeitslosengeld II. Im Rahmen eines vierten Klageverfahrens welches unter dem Aktenzeichen beim Sozialgericht anhängig war, schlossen der Kläger und die Beklagte in der mündlichen Verhandlung am 1. März 2016 einen Vergleich dahingehend, dass die Beklagte beim Kläger das Vorliegen von teilweiser Erwerbsminderung seit dem 22. November 2012 auf Zeit bis zum 31. Mai 2016 anerkannte.
Die Beklagte setzte den Vergleich mit Bescheid vom 24. März 2016 um und gewährte dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Für den Zeitraum von Juni 2013 bis Mai 2016 wies der Bescheid einen Nachzahlungsbetrag i.H.v. 10.177,81 Euro aus.
Mit Bescheid vom 6. April 2016 nahm die Beklagte eine Neufeststellung der Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für den Zeitraum 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2016 vor und errechnete einen Nachzahlungsbetrag i.H.v. 209,30 Euro.
Der Beigeladene machte mit Schreiben vom 27. April 2016 Erstattungsansprüche betreffend den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 30. April 2016 geltend.
Der Kläger widersprach den beiden vorgenannten Bescheiden am 27. April 2016 und machte sinngemäß geltend, Anspruch auf eine Rente wegen voller Erwerbsminderung infolge des verschlossenen Teilzeitarbeitsmarktes zu haben.
Die Beklagte empfahl in einem Vermerk vom 7. Juni 2016 die Abhilfe des Widerspruches.
Mit Bescheid vom 9. Juni 2016 gewährte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum 1. Juni 2013 bis 31. Mai 2016 Rente wegen voller Erwerbsminderung und errechnete einen Nachzahlbetrag i.H.v. 10.690,58 Euro. Zudem gewährte die Beklagte dem Kläger mit Rentenbescheid vom 10. Juni 2016 auch für den Zeitraum vom 1. Juni 2016 bis 31. Mai 2018 Rente wegen voller Erwerbsminderung, wobei die Beklagte nun von einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich bei bestehender Besserungsaussicht ausging. Für den Juni 2016 ergab sich ein Nachzahlbetrag i.H.v. 607,59 Euro.
Bis zum 30. Juni 2016 bezog der Kläger von dem Beigeladenen Arbeitslosengeld II.
Der Beigeladene machte mit Schreiben vom 5. und 13. Oktober 2016 weitere Erstattungsansprüche geltend, die Beklagte wies den Beigeladenen daraufhin hin, dass die Erstattungsforderungen voneinander abweichen würden.
Mit Schreiben vom 27. Januar 2017 teilte der Beigeladene der Beklagten mit, dass die vorangegangenen Erstattungsansprüche gegenstandslos seien und machte nunmehr eine Erstattungsforderung i.H.v. insgesamt 16.306,13 Euro betreffend den Zeitraum 30. Juni 2013 bis 30. Juni 2016 (ohne den Oktober 2014) geltend.
Mit Bescheiden vom 31. Januar 2017 teilte die Beklagte dem Kläger die erfolgten Abrechnungen mit und zahlte an den Kläger 5.379,15 Euro (zuzüglich Zinsen). Diese Beträge errechnete die Beklagte wie folgt: Die Nachzahlung aus dem Bescheid vom 24. März 2016 i.H.v. 10.177,81 Euro rechnete die Beklagte dahingehend ab, dass 9.483,60 Euro an den Beigeladenen erstattet und die verbleibenden 694, 21 Euro (zuzüglich Zinsen) an den Kläger gezahlt wurden. Die Nachzahlung aus dem Bescheid vom 6. April 2016 i.H.v. 209,30 Euro rechnete die Beklagte dahingehend ab, dass 185,04 Euro an den Beigeladenen erstattet und die verbleibenden 24,26 Euro (zuzüglich Zinsen) an den Kläger gezahlt wurden. Die Nachzahlung aus dem Bescheid vom 9. Juni 2016 i.H.v. 10.690,58 Euro rechnete die Beklagte dahingehend ab, dass 6.331,63 Euro an den Beigeladenen erstattet und die verbleibenden 4.358,95 Euro (zuzüglich Zinsen) an den Kläger gezahlt wurden. Die Nachzahlung aus dem Bescheid vom 10. Juni 2016 i.H.v. 607,59 Euro rechnete die Beklagte dahingehend ab, dass 305,86 Euro an den Beigeladenen erstattet und die verbleibenden 301,73 Euro (zuzüglich Zinsen) an den Kläger gezahlt wurden. An den Beigeladenen erstattete die Beklagte einen Betrag von insgesamt 16.306,13 Euro.
Die Beklagte übersandte dem Kläger am 14. Februar 2017 Kopien der Erstattungsbegehren des Beigeladenen.
Mit an die Beklagte gerichtetem Schreiben vom 8. Dezember 2017 begehrte der Kläger die weitere Auszahlung von 6.617,84 Euro aus den Rentennachzahlungen, weil insoweit nach § 107 SGB X keine Erfüllungswirkung eingetreten sei. Zum einen seien für den Zeitraum von Juni 2013 bis März 2014 sowie für Februar 2015 Gewerkschaftsbeiträge in Höhe von insgesamt 34,75 Euro nicht berücksichtigt worden, zum anderen dürften nach dem Urteil des Landessozialgerichtes Niedersachsen-Bremen vom 29. April 2015 (L 2 R 237/13) gemäß § 40 Abs. 4 SGB II (a.F.) 56 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft (und Heizung) nicht erstattet werden. Hieraus errechne sich ein weiterer Betrag i.H.v. 6.583,09 Euro.
Die Beklagte leitete das Schreiben an den Beigeladenen zur Bearbeitung und Beantwortung weiter und informierte den Kläger hierüber. Mit Schreiben vom 27. Januar 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass der Beigeladene bisher nicht mit einem anderslautenden Erstattungsanspruch an die Beklagte herangetreten sei und dass gebeten werde, sich zwecks Klärung an diesen zu wenden.
Der Kläger hat am 12. Juli 2018 Leistungsklage zum Sozialgericht erhoben, mit der zunächst die Zahlung von 6.617,84 Euro nebst Zinsen begehrt wurde. Zur Begründung wurde darauf abgestellt, dass in Anwendung der Vorschrift des § 40 Abs. 4 SGB Il (a.F.) 56 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II zu berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft und Heizung nicht zu erstatten seien. Zudem seien beim Kläger die Gewerkschaftsbeiträge zusätzlich zur Versicherungspauschale zu berücksichtigen.
Mit Beschluss vom 16. Oktober 2018 hat das Sozialgericht den Beigeladenen gemäß § 75 Abs. 2 SGG zum Verfahren beigeladen.
Mit Schriftsatz vom 19. November 2018 reduzierte der Kläger sein Leistungsbegehren auf einen Betrag i.H.v. 5.687,60 Euro. Bezüglich der Berechnung des nunmehr geltend gemachten Betrages wird auf dessen Schreiben vom 19. November 2018 verwiesen.
Der Beigeladene hat zunächst die Ansicht vertreten, dass Beiträge zur Gewerkschaft nur abgesetzt werden könnten, wenn eine schriftliche Bestätigung der Gewerkschaft betreffend die Mitgliedschaft für diesen Zeitraum vorliege. Zudem bedürfe es der Nachweise, die den genauen monatlichen Abfluss dieser Beiträge belegen würden, also Kontoauszüge oder Barauszahlungsquittungen. Der § 40 Abs. 4 SGB II (a. F.) sei auf Erstattungsansprüche nicht anwendbar.
Der Kläger hat eine Bescheinigung übersandt, dass er seit 1994 ohne Unterbrechungen Gewerkschaftsmitglied sei und dass er für Juni 2013 bis März 2014 ordnungsgemäß Beiträge entrichtet habe (insoweit wurde eine Mitgliedsbuchung übersandt).
Hierzu hat der Beigeladene darauf aufmerksam gemacht, dass diese Buchung nicht als Nachweis des taggenauen Abflusses der Mitgliedsbeiträge genüge.
Nunmehr hat der Kläger ein Schreiben vom 23. Mai 2019 übersandt, das die Abbuchung von Gewerkschaftsbeiträgen am 3. Juni 2013, am 3. September 2013, am 3. Dezember 2013 und am 3. März 2014 jeweils für drei Monate auswies.
Der Beigeladene hat mit Schreiben vom 4. Juli 2019 auf die bestehende Weisungslage hingewiesen. Danach könne eine Erwerbsminderungsrente, die tatsächlich im streitigen Zeitraum noch nicht bezogen worden sei, auch nicht als Einkommen berücksichtigt und um den Gewerkschaftsbeitrag bereinigt werden. Die tatsächlich erfolgte Bereinigung um die Versicherungspauschale in Höhe von monatlich 30 Euro sei rechtswidrig begünstigend gewesen.
Der Kläger hat mit Schreiben vom 23. August 2019 und 1. Oktober 2019 darauf hingewiesen, dass ihm eine „befristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Verschlossenheit des Arbeitsmarktes" gewährt worden sei. Er habe bis Mai 2016 noch über ein Leistungsvermögen von mehr als drei Stunden täglich verfügt und sei damit leistungsfähig im Sinne des § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II gewesen. Zudem verwies der Kläger auf § 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X, wonach ein Erstattungsanspruch nicht bestehe, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistungen auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Demnach seien auch die Freibeträge bei der Höhe des anzurechnenden Einkommens zu berücksichtigen. Hätte die Beklagte die Erwerbminderungsrente rechtzeitig geleistet, hätte er gegenüber dem Beigeladenen monatlich die Gewerkschaftsbeiträge neben der Versicherungspauschale in Abzug bringen können.
Mit Gerichtsbescheid vom 20. Juli 2021 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen und ausgeführt, die zulässige Leistungsklage sei unbegründet, der Kläger habe keinen Anspruch auf die weitere teilweise Auszahlung einer Rentennachzahlung in Höhe von 5.687,60 Euro. Der Beigeladene habe bei der Beklagten am 27. Januar 2017 für von ihm nach dem SGB II gezahlte Leistungen Erstattungen in Höhe von insgesamt 16.306,13 Euro geltend gemacht, diesen Erstattungsanspruch habe die Beklagte in voller Höhe erfüllt. Der Kläger habe weder einen Anspruch auf weitere Auszahlungen unter Berücksichtigung der von ihm gezahlten Gewerkschaftsbeiträge noch unter dem Aspekt, dass 56 Prozent der Kosten der Unterkunft und Heizung nicht zu erstatten seien. Gewerkschaftsbeiträge seien nicht zu erstatten, da die Erwerbsminderungsrente tatsächlich im Bezugszeitraum des SGB II nicht zugeflossen sei und somit nicht als Einkommen zu berücksichtigen seien. Eine Begrenzung auf 44 Prozent nach der zwischenzeitig aufgehobenen Vorschrift des § 40 Abs. 4 SGB II (56 Prozent seien nicht zu erstatten) hatte nicht zu erfolgen. Die Vorschrift des § 40 Abs. 4 SGB II sei zum 1. Januar 2017 durch das Neunte Gesetz zur Änderung des SGB II (BGBI. l 2016 Seite 1824ff) aufgehoben worden, weil nunmehr die nachträgliche Bewilligung von Wohngeld nach Aufhebung der Bewilligung von Arbeitsentgelt II möglich geworden war (Begründung aus dem Referentenentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, dort S. 54 und 55). Mit dem vorgenannten Gesetz sei der ehemalige Absatz 4 des § 40 SGB II zunächst in den Absatz 9 der Vorschrift verschoben und sodann dort aufgehoben worden. Vorliegend seien die Erstattungsansprüche über 16.306,13 Euro vom Beigeladenen bei der Beklagten am 27. Januar 2017 geltend gemacht worden, wobei zugleich die zuvor geltend gemachten Erstattungsansprüche als gegenstandslos bezeichnet wurden. Die Beklagte habe dann am 31. Januar 2017 die Nachzahlungen abgerechnet und an die Beigeladene die begehrten 16.306,13 Euro gezahlt. Im Januar 2017, als die vorliegend streitigen Erstattungsansprüche angemeldet wurden, sei die Vorschrift des § 40 Abs. 4 SGB II, aus der der Kläger Ansprüche geltend mache, also bereits aufgehoben gewesen. Bereits dieser Umstand führe dazu, dass für diesen Erstattungsanspruch die vorgenannte Vorschrift keine Relevanz mehr haben könne. Selbst wenn man dies anders sehen wollte, sei der Entscheidung des LSG Niedersachsen-Bremen vom 29. April 2015 - L 2 R 237/13 - nicht zu folgen, diesbezüglich könne auf die anschaulichen und aus Sicht des Gerichtes nachvollziehbaren und überzeugenden Gründe der Entscheidung des LSG Berlin-Brandenburg vom 15. August 2019 - L 3 R 769/17 - (NZB hiergegen verworfen durch Beschluss des BSG vom 22. September 2020 - B 13 R 229/19 B -) und zuletzt des Urteiles des Sächsischen LSG vom 10. Mai 2021 - 6 R 136/19 - verwiesen werden: Eine unmittelbare Anwendung des § 40 Abs. 4 SGB II (a.F.) scheide schon nach dem eindeutigen Wortlaut der damaligen Vorschrift aus, weil die Erstattungsforderung nicht auf § 50 SGB X beruhe. Eine analoge Anwendung komme schon deshalb nicht in Betracht, weil es an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehle. Schließlich sei im Rahmen der Erstattungsfälle der Leistungsträger untereinander eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 4 SGB II (a. F.) nicht erforderlich, da in diesen Fällen ein Ausschluss vom Wohngeld nicht bestehe.
Gegen den dem Kläger am 22. Juli 2021 zugestellten Gerichtsbescheid hat dieser am 18. August 2021 Berufung eingelegt und den geltend gemachten Anspruch weiterverfolgt. Die Rechtsauffassung des Sozialgerichts überzeuge angesichts anderslautender Rechtsprechung nicht (Hinweis auf die Urteile des LSG Niedersachsen-Bremen vom 29. April 2015 - L 2 R 237/13 - und des Bayerischen LSG vom 15. Februar 2017 - L 10 AL 163/16 -). Die Gewerkschaftsbeiträge seien gemäß § 104 Abs. 1 Satz 3 SGB X für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis zum 31. März 2014 zu erstatten.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts vom 20. Juli 2021 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. Oktober 2024 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an ihn (den Kläger) 5.687,60 Euro zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Beigeladene beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die angegriffene Entscheidung ebenfalls für zutreffend und verweist auf die Ausführungen des 3. Senates des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg.
Mit gerichtlichem Schreiben vom 29. August 2024 wurden die Beteiligten auf die Rechtsprechung des BSG über die Abrechnung von Rentenzahlung (Urteil vom 7. April 2022 - B 5 R 24/21 R -) hingewiesen und es wurde angeregt, das fehlende Vorverfahren nachzuholen. Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Oktober 2024 hat die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 31. Januar 2017 zurückgewiesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Prozessakten und der Verwaltungsakten der Beklagten und des Beigeladenen Bezug genommen, die Gegenstand der Beratung gewesen sind und der Entscheidungsfindung des Senats zugrunde gelegen haben.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil der Kläger keinen über den ausgezahlten Betrag von 5.379,15 Euro hinausgehenden Zahlungsanspruch hat.
Zutreffende Klageart ist die Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs.1, 4 SGG (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2022, a.a.O.).
In der Sache bleibt das Klagebegehren des Klägers jedoch ohne Erfolg.
Der auf Zahlung weiterer Rentenleistungen geltend gemachte Anspruch ist nicht begründet.
Denn der Anspruch des Klägers auf Auszahlung der Nachzahlung ist aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X i. V. m. § 104 SGB X durch Auszahlung an den Beigeladenen erloschen. Danach gilt der Anspruch des Berechtigten (hier: Kläger) gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger (hier: Beklagte) als erfüllt, soweit ein Erstattungsanspruch nach den §§ 102 ff. SGB X besteht.
Diese Voraussetzungen liegen vor. Dem Beigeladenen steht auch bezüglich des noch im Berufungsverfahren begehrten Betrages ein berechtigter Erstattungsanspruch nach § 104 Abs. 1 SGB X (i.V.m. § 40a SGB II) zu.
Danach ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen. Der Erstattungsanspruch besteht gegenüber demjenigen, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.
Der Beigeladene ist "nachrangig" verpflichteter Leistungsträger. Nachrangig verpflichtet ist gemäß § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X ein Leistungsträger nur, soweit er bei rechtzeitiger Erfüllung der Leistungsverpflichtung eines anderen Leistungsträgers (hier: der Beklagten) selbst nicht zur Leistung verpflichtet gewesen wäre. Die von dem Kläger beantragte Rente wegen Erwerbsminderung ist gemäß § 5 Abs. 1 SGB II i. V. m. § 12a SGB II gegenüber Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts eine vorrangige Leistung i. S. d. § 104 Abs. 1 Satz 2 SGB X. Die gewährte Rente lässt den Leistungsanspruch nach dem SGB II im maßgeblichen Zeitraum mithin als nachrangige Leistung entfallen.
Bei rechtzeitiger Erbringung der Rentenleistung wäre der Beigeladene von Anfang an nicht zur Leistung verpflichtet gewesen, soweit der Kläger angesichts der gewährten Rentenleistung nicht hilfebedürftig i. S. d. § 7 Abs. 1 Nr. 3 SGB II i. V. m. § 9 Abs. 5 SGB II gewesen wäre.
Auch die weiteren Voraussetzungen des Erstattungsanspruches gemäß § 104 Abs. 1 SGB X sind erfüllt. So muss nach herrschender Meinung zwischen den Leistungen, die tatsächlich erbracht worden sind, und den Leistungen, welche der vorrangig verpflichtete Sozialleistungsträger schuldet, eine Gleichartigkeit bestehen; d. h. beide Leistungen müssen zur Vermeidung der Erbringung zweckidentischer Leistungen demselben Zweck dienen. Das ist hier die Sicherung des Lebensunterhalts (vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 25. Juli 2018 - L 13 R 729/16 - juris Rn. 43). Auch ist der Anspruch rechtzeitig geltend gemacht worden (§ 111 SGB X) und es sind nur die im Nachzahlungszeitraum an den Kläger erbrachten Leistungen abgerechnet worden. Die Beklagte hatte die streitige Nachzahlung auch noch nicht an den Kläger ausgezahlt.
Die sich aus dem Bewilligungsbescheiden vom 24. März 2016, 6. April 2016, 9. Juni 2016 und 10. Juni 2016 ergebenden Rechte des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung der für den Zeitraum 30. Juni 2013 bis 30. Juni 2016 fällig gewordenen monatlichen Einzelansprüche des Rechts auf Rente waren in dem mit der Klage geltend gemachten Umfang aufgrund der Erfüllungsfiktion des § 107 SGB X untergegangen, weil der Beigeladene Leistungen in entsprechender Höhe bereits erbracht hatte und zwischen dem Beigeladenen und der Beklagten eine Erstattungslage bestand.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der Erstattungsbetrag nicht nach § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. auf null zu reduzieren. Eine unmittelbare Anwendung des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. scheidet schon nach dessen eindeutigem Wortlaut aus. Hiernach sind abweichend von § 50 SGB X 56 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigten Bedarfe für Unterkunft nicht zu erstatten. Die Vorschrift bezieht damit lediglich Erstattungsbeiträge in ihren Regelungsbereich ein, die auf § 50 SGB X beruhen (BSG, Urteil vom 23. August 2012 - B 4 AS 169/11 R -, juris Rn. 17; LSG Hamburg, Urteil vom 30. Juni 2021 - L 4 AS 42/21 -, juris Rn. 35).
Die hier maßgebliche Erstattungsforderung beruht aber nicht auf § 50 SGB X, sondern auf §§ 107, 104 SGB X. Hierbei handelt es sich um eine spezialgesetzliche Regelung für die Erstattung von Leistungsträgern untereinander. In diesem Fall haben die ursprünglichen Leistungsbescheide weiterhin Bestand. Es gilt lediglich nach § 107 SGB X der Anspruch des Berechtigten (hier: der Kläger) gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger (hier: die Beklagte) als erfüllt.
Da § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. ausdrücklich nur auf Fälle des § 50 SGB X abstellt, lässt der Wortlaut eine Verallgemeinerung auf Fälle der Erstattung zwischen verschiedenen Leistungsträgern von Anfang an nicht zu. Auch die systematische Auslegung führt zu keinem anderen Ergebnis. Nach § 40 Abs. 4 Satz 2 SGB II a. F. gilt die Vorschrift nicht in den Fällen fehlenden Vertrauensschutzes nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X und § 48 Abs. 1 Satz 2 Nrn. 2 und 4 SGB X sowie in Fällen, in denen die Bewilligung lediglich teilweise aufgehoben wird. Damit ist der Gesetzgeber bereits von einem eingeschränkten Anwendungsbereich von § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. ausgegangen.
Auch eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 4 Satz 1 SGB II a. F. scheidet aus. Der Senat folgt nicht der Auffassung des LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 29. April 2015 - L 2 R 237/13 -, juris Rn. 36 ff. Dort hat das LSG Niedersachsen-Bremen ausgeführt, für die Anwendung des § 107 SGB X ergebe sich, dass die erbrachten Unterkunftsleistungen nach § 22 SGB II im Ausgangspunkt nur insoweit mit nachträglich zuerkannten vorrangigen Sozialleistungen wie dem im vorliegenden Fall maßgeblichen Rentenleistungen verrechnet werden dürften, wie bei rechtzeitiger Gewährung dieser vorrangigen Leistungen keine entsprechenden Unterkunftsleistungen, und zwar auch nicht in Form der in den Leistungen nach § 22 SGB II der Sache nach inkludierten Wohngeldleistungen zu erbringen gewesen wären. Diese Wertung liege auch den gesetzlichen Vorgaben des § 40 Abs. 4 SGB II a. F. zugrunde, wonach bei Erstattungsforderungen gegenüber dem Leistungsempfänger lediglich (abweichend von § 50 SGB X) 44 Prozent der bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II und des Sozialgeldes berücksichtigen Bedarfe für Unterkunft zu erstatten seien. Auf eine Erstattung der weiteren 56 Prozent sei nach den gesetzlichen Vorgaben zu verzichten, weil insoweit - im Rahmen der typisierenden, eine aufwendige nachträgliche konkrete Berechnung der Ansprüche nach dem WoGG ersparenden Bewertung des Gesetzgebers - auch bei Nichtgewährung der Leistungen nach dem SGB II Leistungsansprüche nach dem WoGG bestanden hätten.
Für eine analoge Anwendung fehlt es bereits an einer planwidrigen Gesetzeslücke (SächsLSG, Urteil vom 10. Mai 2021 - L 6 R 136/19 -, juris Rn. 45; LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. August 2019 - L 3 R 769/17 -, juris Rn. 14 und Beschluss vom 2. Juni 2020 - L 8 R 714/17 -, juris Rn. 33 ff.). Der eindeutig im Gesetzeswortlaut zum Ausdruck kommende Plan des Gesetzgebers war es, die Einschränkung der Rückforderungen auf bestimmte Fälle des § 50 SGB X zu beschränken. Andernfalls wäre es ihm unbenommen gewesen, eine derartige Regelung in den unmittelbar benachbarten § 40a SGB II mitaufzunehmen (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 15. August 2019 - L 3 R 769/17 -, juris Rn. 14).
Auch ist bezüglich der Erstattungsfälle der Leistungsträger untereinander nach §§ 102 ff. SGB X eine entsprechende Anwendung des § 40 Abs. 4 SGB II a. F. zugunsten der Betroffenen nicht erforderlich, da in diesen Fällen ein Ausschluss von Wohngeld nicht besteht. Erbringt ein Sozialleistungsträger eine der in § 7 Abs. 1 Satz 1 WoGG genannten Transferleistungen und fällt diese Leistungspflicht nachträglich weg oder ist er lediglich nachrangig verpflichtet bzw. unzuständig, erfolgt die Erstattung der Transferleistung nach den §§ 102 ff. SGB X im Verhältnis der beiden Leistungsträger untereinander. Die Erstattungsregelungen dienen der Realisierung des Zustandes, der vorgelegen hätte, wenn die dem Leistungsberechtigten endgültig zustehende Sozialleistung vom zuständigen Leistungsträger rechtzeitig erbracht worden wäre. Dementsprechend regelt § 107 Abs. 1 SGB X, dass der Anspruch des Berechtigten gegen den zur Leistung verpflichteten Leistungsträger als erfüllt gilt, soweit ein Erstattungsanspruch besteht. Eine Rückabwicklung im Verhältnis zum Betroffenen durch eine nachträglich rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung durch den erstattungsberechtigten Träger bedarf es nach dem Regelungsinhalt der Erstattungsvorschriften in §§ 104, 107 SGB X nicht. Mit der Erfüllungsfiktion des § 107 Abs. 1 SGB X hat der Gesetzgeber sich aus Gründen der Rechtsklarheit und der Verwaltungsökonomie für eine unkomplizierte und im Rahmen des Sozialleistungsrechts einheitliche Form des Ausgleichs von Leistungsbewilligungen entschieden, die eine Rückabwicklung im Verhältnis zwischen vorleistendem Träger und Leistungsberechtigen sowie ein Nachholen der Leistung im Verhältnis zwischen leistungspflichtigem Träger und Leistungsberechtigtem ausschließen soll (SächsLSG, Urteil vom 10. Mai 2021 - L 6 R 136/19 -, juris Rn. 46).
Wird die zu erstattende Leistung im Falle einer Erstattung vollständig ersetzt, ist ein Ausschluss vom Wohngeld trotz fortbestehenden Transferleistungsbescheids nicht eingetreten. Der erstattungsberechtigte Sozialleistungsträger (hier: der Beigeladene) hat über die Fiktion des § 107 SGB X keine Transferleistung, sondern die zu erstattende Leistung gegenüber dem Betroffenen erbracht. Die ursprünglich als Arbeitslosengeld II bewilligte Leistung des Beigeladenen gilt als Rente wegen voller Erwerbsminderung. Insoweit erfährt das Transferleistungsverhältnis eine Novation. Kommt es also in Fällen, in denen ein Betroffener zunächst Leistungen nach dem SGB II erhält und wegen § 7 Abs. 1 Satz 1 WoGG vom Wohngeld ausgeschlossen ist, weil über einen Rentenantrag noch nicht entschieden ist, rückwirkend zu einer Rentenbewilligung, die zu einer vollständigen Erstattung der Transferleistung führt, besteht in einem solchen Fall grundsätzlich ein Wohngeldanspruch auch für die Vergangenheit. Klarstellend hat der Gesetzgeber das ab 1. Januar 2016 ausdrücklich geregelt. Nach § 8 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 WoGG in der seit 1. Januar 2016 geltenden Fassung gilt der Ausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 1 WoGG u. a. für den Zeitraum als nicht erfolgt, für den der Anspruch auf eine Leistung nach § 7 Abs. 1 WoGG nachträglich i. S. d. § 103 Abs. 1 SGB X ganz entfallen ist oder nach § 104 Abs. 1 oder 2 SGB X oder nach § 40a SGB II nachrangig ist.
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die geltend gemachten Gewerkschaftsbeiträge. Ein gegebenenfalls bestehender Anspruch des Klägers gilt gemäß § 107 SGB X als erfüllt.
Die Höhe des seitens des Beigeladenen gegen die Beklagte geltend gemachten Erstattungsanspruches ist nicht zu beanstanden. Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich.
Nach all dem musste die Berufung ohne Erfolg bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil kein Zulassungsgrund i.S.v. § 160 Abs. 2 SGG erkennbar ist. Insbesondere ist die Sache angesichts der bereits abgelaufenen Rechtslage nicht von grundsätzlicher Bedeutung i.S.v. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.