Nach § 58 Abs. 2 RVG sind alle tatsächlich geleisteten Zahlungen anzurechnen, unabhängig davon, ob sie rechtmäßig erfolgt sind (hier Pauschalhonorar neben der Bewilligung von Beratungshilfe).
Nr. 2503 Abs. 2 Satz 1 RVG, wonach die Geschäftsgebühr der Beratungshilfe nur zur Hälfte auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren anzurechnen ist, ist nicht auf Fallkonstellationen anwendbar, in denen neben einer geleisteten Beratungshilfe für ein Vorverfahren weitergehende Zahlungen auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG erfolgt sind. In einem solchen Fall ist die Beratungshilfe in voller Höhe anzurechnen.
Vergütungsanspruch eines beigeordneten Rechtswaltes aus der Staatskasse - Anrechnung von Zahlungen - gebührenrechtliche Angelegenheit
- Auf die Beschwerde werden der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 8. Mai 2023 aufgehoben und der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20. September 2022 dahingehend geändert, dass die der Beschwerdeführerin aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen für die Klageverfahren S 22 AS 223/21 und S 22 AS 224/21 als eine gebührenrechtliche Angelegenheit auf
655,02 €
(in Worten: sechshundertfünfundfünfzig 02/00)
festgesetzt und der Beschwerdeführerin hieraus noch 16,05 € gezahlt werden.
- Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen einen Beschluss des Sozialgerichts, mit dem ihre Erinnerung gegen einen Festsetzungsbeschluss betreffend ihrer aus der Staatskasse zu zahlenden Rechtsanwaltsvergütung zusammengefasst für zwei Hauptsacheverfahren zurückgewiesen worden ist. Sie begehrt für jedes der zwei Verfahren gesonderte und abweichende Vergütung aus der Staatskasse.
Die Beschwerdeführerin war bereits vorgerichtlich für eine aus drei Personen (Lebenspartnerinnen und Kind) bestehende Bedarfsgemeinschaft tätig. Hierfür wurde ihr für die Lebenspartnerinnen in Höhe von 151,38 € (110,00 € Geschäftsgebühr 2503 nebst Erhöhung für einen weiteren Mandanten + 20,00 € Auslagenpauschale + 20,88 € Umsatzsteuer) bewilligt und gezahlt. Daneben hatte sie von den Mandanten ein Pauschalhonorar in Höhe von 200,00 € (168,07 € netto) erhalten. Gegenstand der Tätigkeit waren drei am 28. Oktober 2020 ergangene Bescheide, die eine endgültige Leistungsfestsetzung nach dem SGB II gemeinsam für alle drei Personen enthielt, und zwei gesondert ergangene Erstattungsbescheide (zum einen für eine Partnerin mit Kind, zum anderen für die weitere Partnerin) mit jeweils für jede Person ausgewiesenen Erstattungsbeträgen. Jede der Bedarfsgemeinschaft angehörende Person hatte Einkommen. Die Beschwerdeführerin zeigte sich im von der Mandantschaft selbst eingeleiteten Widerspruchsverfahren an und reichte einen Begründungsschriftsatz für alle Mandanten ein, in dem sie die Einkommensanrechnung im Hinblick auf coronabedingte Zuflüsse monierte. Der Beklagte der Hauptsache legte zwei Widerspruchsverfahren (je Erstattungsbescheid) an, die jeweils mit teilweise stattgebenden, in der Begründung identischen Widerspruchsbescheiden und - wegen der Beteiligung des Kindes in einer Sache - mit unterschiedlichen Kostenquoten (34% und 26%) endeten. Auf entsprechende Kostenfestsetzungsanträge gegenüber dem Beklagten der Hauptsache zahlte dieser unter der Annahme einer gebührenrechtlichen Einheit und Summierung der Kostenquoten (60%) 357,00 €, wovon auf die Geschäftsgebühr 288,00 € entfielen (300,00 € Geschäftsgebühr + 180,00 € zwei weitere Auftraggeber = 480,00 € : 100 x 60).
Am 18. Februar 2021 erhob die Beschwerdeführerin entsprechend der zwei Widerspruchsbescheide zwei Klagen (S 22 AS 223/21 und S 22 AS 224/21), wobei das Kind nicht Beteiligter wurde, und stellte Prozesskostenhilfeanträge. Die Klagen wurden begründet, es wurde Akteneinsicht genommen und es wurden Schriftsätze gefertigt (25. Februar 2021 kurze Mitteilung, 25. April 2021 rechtlicher Vortrag, 26. August 2021 Fristverlängerungsantrag, 22. September 2021 ausführlicher rechtlicher Vortrag, 21. Dezember 2021 Bitte um Entscheidung, 21. Januar 2022 Zustimmung omV, 25. April 2022 Sachstandsanfrage). Sämtliche Schriftsätze sind - ausgenommen der Namensnennungen der jeweiligen Klägerin- in beiden Verfahren wortidentisch und teilweise unter Benennung beider Aktenzeichen eingereicht. Am 22. November 2021 wurde in beiden Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und die Beschwerdeführerin beigeordnet. Die Klagen wurden abgewiesen, wobei der Beklagte zur Kostenerstattung der Kosten des Vorverfahrens nunmehr allein gegenüber den jeweiligen Klägerinnen und nicht mehr gegenüber dem Kind in Höhe von 26% bzw. 34 % verpflichtet wurde.
Noch vor Abschluss der Verfahren hatte die Beschwerdeführerin im Verfahren S 22 AS 224/21 einen Vorschuss auf die PKH-Vergütung in Höhe von 452,20 € (360,00 € Verfahrensgebühr + 20,00 € Auslagen + 72,20 € Umsatzsteuer) beantragt und ausgezahlt erhalten.
Am 2. Juni 2022 stellte sie in beiden Klageverfahren Vergütungsfestsetzungsanträge. In dem Verfahren S 22 AS 223/21 gab sie die Zahlung der Mandantschaft und die erhaltene an und forderte (zunächst ohne Anrechnung der vorgenannten Zahlungen) 850,85 € (360,00 € Verfahrensgebühr + 335,00 € Terminsgebühr + 20,00 € Auslagen + 135,85 € Umsatzsteuer). Diesen Antrag korrigierte sie am 7. Juli 2022 dahingehend, dass sie nunmehr eine Anrechnung von 150,00 € (Geschäftsgebühr) vornahm und 672,35 € erstattet verlangte. In dem Verfahren S 22 AS 224/21 gab sie den erhaltenen Vorschuss der Staatskasse an und machte „weitere“ 398,65 € (335,00 € Terminsgebühr + 63,65 € Umsatzsteuer) geltend.
Mit für beide Verfahren einheitlichem Festsetzungsbeschluss vom 20. September 2022 (im Original veraktet im Verfahren S 22 AS 223/21) setzte die Urkundsbeamtin die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung für beide Klageverfahren unter der Annahme einer gebührenrechtlichen Einheit auf 638,97 € fest (360,00 € Verfahrensgebühr + 108,00 € Erhöhung ein weiterer Auftraggeber + 324,00 € fiktive Terminsgebühr + 20,00 € Auslagen –
275,05 € Anrechnung nach § 58 Abs. 2 RVG + 102,02 € Umsatzsteuer) fest und ermittelte unter Abzug des Vorschusses in Höhe von 452,20 € einen noch zu zahlenden Betrag in Höhe von 186,77 €, der angewiesen wurde. Auf die Gründe des Beschlusses wird verwiesen.
Am 12. Oktober 2022 legte die Beschwerdeführerin unter Benennung beider Aktenzeichen gegen diesen Beschluss Erinnerung ein. Im Verfahren S 22 AS 224/21 erbat sie zudem um Sachstandsmitteilung in Bezug auf den Antrag auf Prozesskostenhilfe, ohne dies näher zu erläutern. Die Erinnerung begründete sie damit, dass es sich um zwei Klageverfahren gehandelt habe und sie deshalb für jedes Verfahren die Verfahrens- und Terminsgebühr verlangen könne. Es sei auch nicht von einem Sachverhalt und Synergieeffekten auszugehen, da sich Ausführungen zu gesonderten Sachverhalten in den jeweiligen Schriftsätzen fänden, selbst wenn diese identisch verfasst worden seien. Eine Anrechnung der außergerichtlichen Zahlung des Beklagten habe nicht zu erfolgen, da diese Zahlung zunächst auf die Gebühren anzurechnen sei, die sie nicht von der Staatskasse erstattet erhalte. Es müsse berücksichtigt werden, dass nur für die Klägerinnen, nicht aber das Kind gewährt worden sei.
Das Sozialgericht hat bezogen auf jedes Klageverfahren ein Erinnerungsverfahren angelegt (S 22 SF 547/22 E für S 22 AS 224/21 und S 22 SF 548/22 für S 22 AS 223/21) und beide Erinnerungen mit (nahezu: in den Gründen I. sind leichte Verfahrensunterschiede aufgenommen) wortidentischer Begründung mit zwei Beschlüssen vom 8. Mai 2023 zurückgewiesen. Es habe sich gebührenrechtlich um eine Angelegenheit gehandelt. Auch die Anrechnungen seien unter Verweis auf die Rechtsprechung des 5. Senates des Sächsischen Landessozialgerichts nicht zu beanstanden.
Gegen die jeweils am 9. Mai 2023 zugestellten Beschlüsse hat die Beschwerdeführerin jeweils gesondert am 9. Juni 2023 Beschwerde eingelegt, die zunächst im 5. Senat des Sächsischen Landessozialgerichts geführt wurden. Das Parallelverfahren erhielt das Aktenzeichen L 5 AS 371/23). Es wurde auf bisherigen Schriftverkehr verwiesen und ergänzend ausgeführt, dass der Vorschuss von 200 € ausdrücklich auf die PKH-Differenzgebühr geleistet worden sei, und deshalb gerade keine Anrechnung auf die Prozesskostenhilfegebühren vorzunehmen sei. Des Weiteren sei wiederum die reduzierte Terminsgebühr zugrunde gelegt worden, ohne eine Erläuterung dazu zu geben. Insofern werde noch einmal betont, dass es sich um zwei unterschiedliche Angelegenheiten und Fragestellungen gehandelt habe, welche im Hinblick auf die Berechnung lediglich miteinander verwoben gewesen seien, aber sich nicht als Verfahrensidentität darstellten. Insofern sei in den einheitlichen Schriftsätzen eine Thematisierung von beiden Problemen vorgenommen worden. Dieser hätte es nicht bedurft, wenn nur ein Verfahren geführt worden wäre. Es seien auch verschiedene Bescheide erlassen worden.
Der Beschwerdegegner weist darauf hin, dass die Festsetzung der Vergütung in den grundsätzlichen Annahmen rechtmäßig erfolgt sei, lediglich die Anrechnung nach § 58 Abs. 2 RVG sei zu korrigieren. Er hat insoweit Überrechnungen vorgenommen, die aber noch in Unkenntnis der konkreten Netto-Beträge der Zahlung der Mandantschaft und der erfolgten.
Das Verfahren ist aufgrund des Geschäftsverteilungsplanes des Sächsischen Landessozialgerichts in der Fassung des Beschlusses vom 22. Juli 2024 zum 1. August 2024 auf den 10. Senat übergegangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akten des Vergütungsfestsetzungs- (PKH-Beiheft) und des hiesigen Hauptsacheverfahrens S 22 AS 223/21 sowie der Akten des Verfahrens S 22 AS 224/21 nebst Beiheften verwiesen.
II.
Die Entscheidung ergeht durch die Vorsitzende als Einzelrichterin, nachdem die angefochtene Entscheidung von dem Kammervorsitzenden des Sozialgerichts erlassen worden ist (§ 56 Abs. 2 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG).
Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens ist neben dem die Erinnerung zurückweisenden Beschluss der erstinstanzliche Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 20. September 2022. Dieser Beschluss hat die von der Beschwerdeführerin gesondert gestellten Vergütungsfestsetzungsanträge zusammen verbeschieden, und zwar in dem Sinne, dass angesichts des Vorliegens einer gebührenrechtlichen Angelegenheit, nur ein Vergütungsanspruch gegen die Staatskasse besteht. Die Urkundsbeamtin hat mithin die Geltendmachung zweier Vergütungsansprüche als unbillig angesehen und entsprechend korrigierend eingegriffen. Es existiert mithin nur ein Vergütungsfestsetzungsbeschluss, der sich auf beide Verfahren erstreckt. Es kann mithin rechtlich auch nur einen Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel hiergegen in der Sache geben. In diesem ist zu prüfen, ob die Annahme der Urkundsbeamtin rechtlich zutreffend war. Selbst wenn festgestellt würde, dass die Urkundsbeamtin zu Unrecht eine gebührenrechtliche Angelegenheit angenommen habe, verbliebe es dennoch zunächst bei einem kostenrechtlichen Überprüfungsverfahren. Es müssten dann im Zweifel in einem einheitlichen Beschluss zwei Vergütungsansprüche festgesetzt werden oder es müsste im Rechtsbehelf oder Rechtsmittel wieder eine Abtrennung vorgenommen werden.
Vorliegend hat das Sozialgericht allerdings auf die (im Übrigen für beide Verfahren gemeinsam) eingelegte Erinnerung zwei Erinnerungsverfahren angelegt und zwei zurückweisende Beschlüsse erlassen, die jeweils gesondert mit der Beschwerde angefochten wurden. Dies ist fehlerhaft, führt aber nicht dazu, dass der einheitliche Vergütungsfestsetzungsbeschluss nunmehr wieder aufgespalten wäre. Vielmehr ist die Konsequenz, dass in einem der zwei Beschwerdeverfahren der Vergütungsfestsetzungsbeschluss unter allen in Betracht kommenden Gesichtspunkten und für beide Klageverfahren inhaltlich geprüft wird. In der anderen Sache kann keine nochmalige Überprüfung erfolgen, hier wird die Beschwerde zurückzuweisen sein, weil schon die (vom Sozialgericht „verdoppelte“) Erinnerung unzulässig war.
Rechtsverluste sind damit für die Beschwerdeführerin nicht verbunden.
Da der Vergütungsfestsetzungsbeschluss im Original in dem Kostenheft der Akte S 22 AS 223/21 veraktet wurde, ist dieser einheitliche Beschluss in diesem Verfahren ergangen und damit auf die hiesige Beschwerde in der Sache für beide Klageverfahren zu überprüfen.
Die danach statthafte und auch sonst zulässige Beschwerde, ist teilweise begründet. Es liegt zwar eine gebührenrechtliche Angelegenheit vor (vgl. unten1.) und es sind auch die aus der Staatskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen in ihrem Ansatz zutreffend ermittelt worden (vgl. unten 2.), allerdings ist der nach § 58 Abs. 2 RVG zu ermittelnde Anrechnungsbetrag - worauf der Antragsgegner zu Recht hinweist – zu korrigieren (vgl.
unten 3.)
1. Zu der Frage, wann dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt, hat das Bundessozialgericht wie folgt grundsätzlich entschieden (Urteil vom 2. April 2014, B 4 AS 27/13 R, juris Rdnr. 15 und 16):
„Wann dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne vorliegt, ist im RVG nicht abschließend geregelt (vgl BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 4/07 R - SozR 4-1935 § 17 Nr 1 RdNr 16). Die anwaltlichen Tätigkeitskataloge des § 16 RVG ("dieselbe Angelegenheit") und des § 17 RVG ("verschiedene Angelegenheiten") benennen nur Regelbeispiele. Der Gesetzgeber hat die abschließende Klärung des Begriffs "derselben Angelegenheit" iS des § 7 Abs 1 RVG sowie des § 15 Abs 2 S 1 RVG der Rechtsprechung und dem Schrifttum überlassen (BSG Urteil vom 17.10.2007 - B 6 KA 4/07 R - SozR 41935 § 17 Nr 1 mwN). Es handelt sich um einen gebührenrechtlichen Begriff, der sich mit dem prozessrechtlichen Begriff des (Verfahrens-)Gegenstandes decken kann, aber nicht muss. Während die Angelegenheit den für den Einzelfall definierten Rahmen der konkreten Interessenvertretung bezeichnet, umschreibt der Begriff des Gegenstandes inhaltlich die Rechtsposition, für deren Wahrnehmung die Angelegenheit den äußeren Rahmen abgibt (Schnapp/Volpert in Schneider/Wolff, AnwK RVG, 6. Aufl 2012, RdNr 21 f). Daher kommt es zur Bestimmung, ob dieselbe Angelegenheit vorliegt, auf die Umstände des konkreten Einzelfalls sowie auf den Inhalt des erteilten Auftrags an. Von derselben Angelegenheit iS des § 15 Abs 2 S 1 RVG aF (bzw nunmehr § 15 Abs 2 RVG) ist in der Regel auszugehen, wenn zwischen den weisungsgemäß erbrachten anwaltlichen Leistungen, also den verschiedenen Gegenständen, ein innerer Zusammenhang gegeben ist, also ein einheitlicher Auftrag und ein einheitlicher Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit vorliegt (vgl BGH Urteil vom 21.6.2011 - VI ZR 73/10 - NJW 2011, 3167 mwN). Für ein Tätigwerden "in derselben Angelegenheit" (§ 7 Abs 1 RVG) kann es im gerichtlichen Verfahren regelmäßig schon genügen, dass die Begehren mehrerer Auftraggeber einheitlich in demselben Verfahren geltend gemacht werden und zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht (vgl BVerfG Beschluss vom 4.12.2013 - 1 BvQ 33/11; BVerfG Beschluss vom 15.7.1997 - 1 BvR 1174/90 - BVerfGE 96, 251).
Vor diesem Hintergrund sind die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG davon ausgegangen, dass es sich auch bei Individualansprüchen nach dem SGB II grundsätzlich um dieselbe Angelegenheit iS des § 15 Abs 2 S 1 RVG aF bzw § 15 Abs 2 RVG handeln kann, wobei die Konstellation einer Bedarfsgemeinschaft dann eine Erhöhungsgebühr nach Nr 1008 VV RVG auslöst (vgl BSG Urteil vom 21.12.2009 - B 14 AS 83/08 R - SozR 4-1300 § 63 Nr 11 RdNr 20 ff; BSG Urteil vom 27.9.2011 - B 4 AS 155/10 R - SozR 4-1935 § 7 Nr 1 RdNr 22 mwN). Grundsätzlich können daher auch im SGB II mehrere Aufträge verschiedener Auftraggeber "dieselbe Angelegenheit" sein. Gleiches gilt unter Berücksichtigung der maßgebenden Umstände des Einzelfalls grundsätzlich auch, wenn die Angelegenheit verschiedene Gegenstände und teilweise getrennte Prüfaufgaben betrifft (BGH Urteil vom 21.6.2011 - VI ZR 73/10 - NJW 2011, 3167).
Die danach nicht allgemein, sondern für jeden Einzelfall gesondert vorzunehmende Prüfung ergibt, dass vorliegend eine gebührenrechtliche Angelegenheit gegeben ist, auch wenn die endgültige Leistungsfestsetzung und die daraus resultierenden Erstattungsforderungen für denselben Leistungszeitraum in drei zeitgleich erlassenen Bescheiden verfügt worden sind und zu zwei parallel geführten Vor- und Klageverfahren geführt haben.
Eine endgültige Leistungsfestsetzung und hieraus resultierende Erstattungsbescheide für denselben Leistungszeitraum (hier Februar 2020 bis Juli 2020) weisen zwangsläufig einen rechtlichen und inneren Zusammenhang auf, weil die geforderte Erstattung Folge der von der vorläufigen Bewilligung abweichenden endgültigen Leistungsfestsetzung ist, die Erstattung mithin eine rechtswirksame und zugleich niedrigere endgültige Leistungsfestsetzung voraussetzt. Der Erstattungsbescheid ist damit im Regelfall immer vom Bestand der endgültigen Leistungsfestsetzung rechtlich abhängig und beruht zwangsläufig auf demselben Lebenssachverhalt. Dass vorliegend insoweit drei separate Bescheide ergangen sind, was einem durchaus üblichen Vorgehen der Jobcenter entspricht, ändert hieran nichts. Es hebt weder den inneren Zusammenhang noch den einheitlichen Lebenssachverhalt auf. Im Übrigen hinge es sonst auch vom Zufall ab, ob die Behörde den Sachverhalt in mehreren gesonderten oder nur in einem zusammengefassten Bescheid regelt und ob ein oder mehrere Betroffene hiergegen im Wege eines zusammengefassten oder in getrennten Widerspruches vorgehen oder nicht und wie die Behörde die Widerspruchsverfahren letztlich anlegt. Davon kann indes nicht abhängen, ob es sich um eine oder mehrere gebührenrechtliche Angelegenheiten handelt; dies ist vielmehr nach einheitlichen objektiven Kriterien zu bewerten. Einen zeitlichen Versatz zwischen den Bescheiden, der unter Umständen zu gesonderten Angelegenheiten führen könnte, gab es vorliegend nicht. Die denkbaren materiellen Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der Bescheide sind deckungsgleich, was letztlich auch die identische Klagebegründung in beiden Verfahren zeigt. Die Entscheidungen konnten auch in der Sache nur unter gleicher rechtlicher Bewertung entschieden werden, weil die horizontale Einkommensverteilung in einer Bedarfsgemeinschaft immer eine einheitliche Bewertung verlangt, egal ob diese in einem oder in mehreren Verfahren erfolgt. Vorliegend sind auch nicht im Ansatz weitere tatsächliche oder rechtliche Gesichtspunkte ersichtlich, die trotz des einheitlichen Lebenssachverhaltes zu einer unterschiedlichen Bewertung oder überhaupt zu unterschiedlichen rechtlichen Fragestellungen in den Verfahren hätten führen können. Solche trägt auch die Beschwerdeführerin nicht vor.
2. Ausgehend von einer gebührenrechtlichen Angelegenheit hat die Urkundsbeamtin zutreffend festgestellt, dass in den vorliegenden Klageverfahren eine Verfahrensgebühr in Höhe der Mittelgebühr von 360,00 €, zu erhöhen wegen mehrerer Auftraggeber um 108,00 € und eine davon der Höhe nach abhängige fiktive Terminsgebühr in Höhe von 324,00 € sowie zusätzlich die Auslagen entstanden sind.
a) Angemessene Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 Vergütungsverzeichnis der Anlage 1 zum RVG (VV RVG in der hier nach § 60 Abs. 1 RVG anzuwendenden ab 1. Januar 2021 geltenden Fassung: Auftragserteilung/Klageerhebung im Februar 2021) ist vorliegend die Mittelgebühr in Höhe von 360,00 €, auch wenn die Beschwerdeführerin zwei Klageverfahren für Ihre Mandantinnen geführt hat.
Die Beschwerdeführerin hat mit ihren Vergütungsfestsetzungsanträgen das einzelne Klageverfahren in der in ihrer Obliegenheit liegenden Auswertung der Bemessungskriterien nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG jeweils als durchschnittlich bewertet und jeweils eine Mittelgebühr geltend gemacht. Hieran ist im Grundsatz für das einzelne Verfahren nichts zu erinnern, weil auch bei Prüfung durch die Einzelrichterin keine Gründe für eine Minderung oder Erhöhung ersichtlich sind. Es handelt sich durchweg um eine nach Umfang und Schwierigkeit durchschnittliche Angelegenheit.
Die Einzelrichterin sieht auch keine Gründe, ausgehend von der Annahme einer gebührenrechtlichen Angelegenheit, einzelne Bewertungskriterien höher zu gewichten.
Die Bedeutung der Angelegenheit für die Mandanten, deren Einkommensverhältnisse, ebenso wie die Schwierigkeit der Rechtssache bleiben durch die Annahme nur einer gebührenrechtlichen Angelegenheit unverändert.
Auch den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit sieht die Einzelrichterin nicht als überdurchschnittlich dadurch an, dass in einer Angelegenheit zwei Verfahren geführt wurden. Richtig ist zwar, dass sämtliche Schriftsätze doppelt verfasst und hinsichtlich der persönlichen Daten der jeweiligen Klägerin (gegebenenfalls) angepasst werden mussten. Dies lässt aber den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit nicht dergestalt ansteigen, dass er nunmehr als überdurchschnittlich zu bewerten wäre. Denn der Inhalt der Schriftsätze war - wenngleich die Beschwerdeführerin anderes behauptet, ohne dies indes an einzelnen Schriftsätzen oder Textpassagen zu belegen - identisch. Einen Betreff oder in der Klageschrift ein Rubrum zu ändern, löst keinen erheblichen Arbeitsaufwand aus. Die Verfahren wurden komplett im Gleichlauf bearbeitet, so dass sich die Beschwerdeführerin auch nicht auf unterschiedliche Prozesssituationen einstellen und hierauf gegebenenfalls mit Mehraufwand reagieren musste. Dass die Beschwerdeführerin nunmehr in einer Angelegenheit mit zwei Mandanten konfrontiert war und damit höheren Aufwand hatte, wird durch die Gewährung der Erhöhung nach Nr. 1008 VV RVG ausgeglichen.
Der Ansatz der Mittelgebühr in Höhe von 360,00 € zuzüglich der Erhöhung für eine weitere Mandantin in Höhe von 108,00 € (entspricht 30 %) erfolgte mithin rechtmäßig.
b) Ausgehend von der Verfahrensgebühr in Höhe von 360,00 € ist auch die festgesetzte Terminsgebühr in Höhe von 324,00 € nicht zu beanstanden.
Im vorliegenden Fall hat keine mündliche Verhandlung stattgefunden. Vielmehr haben sich die Klägerinnen mit einer Entscheidung ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung einverstanden erklärt.
Die Terminsgebühr ist damit nicht nach dem Gebührenrahmen der Nr. 3106 VV RVG, der die beantragte Mittelgebühr in Höhe von 335,00 € grundsätzlich zuließe, sondern nach den Sätzen 1 und 2 der Nr. 3106 VV RVG zu bestimmen. Danach beträgt die Gebühr 90 % der in derselben Angelegenheit zustehenden Verfahrensgebühr ohne Berücksichtigung einer Erhöhung nach Nr. 1008. Die sog. fiktive Terminsgebühr ist damit der Höhe nach explizit festgelegt und kann von der Beschwerdeführerin gerade nicht nach den Kriterien des § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG bemessen werden. 90% der Verfahrensgebühr - hier in Höhe von 360,00 € - betragen 324,00 €. Auch dieser Ansatz ist mithin rechtmäßig.
c) Die angesetzten Auslagen in Höhe von 20,00 € folgen Nr. 7002 VV RVG.
Damit ergibt sich - ohne Beachtung von Anrechnungsvorschriften - eine aus der PKH zu erstattende Nettovergütung in Höhe von 812,00 € (360,00 € + 108,00 € + 324,00 € + 20,00 €).
3. Auf die aus der PKH zu erstattende Vergütung sind die für das Vorverfahren geleisteten verschiedenen Zahlungen (151,38 € brutto, Pauschalhonorar 200,00 € brutto und Kostenerstattung des Beklagten 357,00 € brutto) teilweise anzurechnen.
Der 5. Senat des Sächsischen Landessozialgericht hat insoweit in ständiger Rechtsprechung (vgl. nur Beschluss vom 25. November 2020, L 5 AS 1416/19 B KO) folgende Grundsätze herausgearbeitet, denen die Einzelrichterin nach eigener Prüfung folgt:
„Maßgebliche Anrechnungsregel ist insoweit § 58 Abs. 2 RVG und zwar auch hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit Zahlungen auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens anzurechnen sind. Nach § 58 Abs. 2 RVG sind Vorschüsse und Zahlungen, die der Rechtsanwalt vor oder nach der Beiordnung erhalten hat, zunächst auf die Vergütung anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, dass der Anspruch aus der PKH ungeachtet einer eventuellen Kostenquote immer voll entsteht. Tatsächliche Zahlungen Dritter auf gleiche Gebühren wie diejenigen, die im Rahmen der PKH zu erstatten sind, werden nach dieser Norm angerechnet und somit die schon eingetretene Erfüllung des Gebührenanspruchs durch Dritte im Rahmen der PKH berücksichtigt. Dabei werden erhaltene Vorschüsse und Zahlungen zunächst auf die Differenzvergütung des Rechtsanwalts verrechnet, das heißt auf Beträge, für welche ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur im Umfang des § 50 RVG besteht. Damit erfolgt eine Anrechnung auf die Vergütung gegenüber der Staatskasse erst nachrangig. Die Intention des Gesetzgebers ist hierbei, die Grundansprüche des Rechtsanwalts gegenüber der Staatskasse aus der Beiordnung zunächst nicht zu schmälern. Eine Anrechnung erhaltener Zahlungen kommt im Verhältnis zur Staatskasse damit nur dann und insoweit in Betracht, wenn anderenfalls der Rechtsanwalt mehr als seine vollen Regelanwaltsgebühren erhalten würde (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17.10.2012 – 14 W 88/12 –, juris RdNr. 6 f.; Müller-Rabe, in: Gerold/C., RVG, 24. Auflage 2019, § 58 RVG RdNr. 12).
Dies gilt auch, soweit das Gesetz die Anrechnung von Gebühren vorsieht.
Für die Staatskasse tritt daher bei regelgerechter Anrechnung gemäß § 58 Abs. 2 RVG auch im Fall erfolgter Zahlungen auf eine vorgerichtliche Geschäftsgebühr (hier nach Nr. 2302 VV RVG) das gleiche Gesamtergebnis ein, welches der Auftraggeber über § 15a Abs. 1 RVG erreicht. Hiernach kann ein Rechtsanwalt, wenn das RVG die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren.
Dies bedeutet, dass grundsätzlich beide Gebührenansprüche unangetastet erhalten bleiben. Der Rechtsanwalt kann beide Gebühren jeweils bis zu ihrer vollen Höhe geltend machen. Er hat insbesondere die Wahl, welche Gebühr er fordert und - falls die Gebühren von unterschiedlichen Personen geschuldet werden - welchen Schuldner er in Anspruch nimmt. Ihm ist lediglich verwehrt, insgesamt mehr als den Betrag zu verlangen, der sich aus der Summe der beiden Gebühren abzüglich des anzurechnenden Betrags (hier nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG) ergibt. Erst soweit eine Forderung jenen Betrag überschreitet, kann der Auftraggeber dem Rechtsanwalt die Anrechnung entgegenhalten (BT-Drs. 16/12717, S. 58). Nach § 15a Abs. 1 RVG kann der Rechtsanwalt damit alle Gebühren fordern, ist in der Summe jedoch auf den um die Anrechnungsquote reduzierten Betrag beschränkt. § 15a Abs. 1 RVG ist auch im Verhältnis zwischen der Staatskasse und dem Rechtsanwalt maßgeblich (vgl. auch Müller-Rabe, in: Gerold/C., RVG, 24. Auflage 2019, § 15a RVG, RdNr. 11). Die Staatskasse kann sich mithin nicht auf eine direkte Anrechnung – hier nach Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG – berufen und von der von ihr geforderten Verfahrensgebühr aufgrund von § 15a Abs. 1 RVG die hälftige Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG in Abzug bringen, auch nicht die hälftige der gezahlten Geschäftsgebühr. Denn § 15a Abs.1 RVG enthält eine solche Anrechnungsregelung gerade nicht, sondern regelt nur, welche Folgen die Anrechnung im Innenverhältnis hat (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/C., RVG, 24. Auflage 2019, § 58 RVG, RdNr. 8). § 15a Abs. 1 RVG gewährleistet damit, durch die Begrenzung auf den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag, dass die volle gesetzliche Vergütung, die dem beigeordneten Anwalt gegen seine Auftraggeber zustehen würde, nicht überschritten wird.“
Da im vorliegenden Verfahren allein Zahlungen auf die Vergütung des Rechtsanwaltes für das Vorverfahren erfolgt sind, nicht aber auf die Vergütung für das Betreiben des erstinstanzlichen Klageverfahrens, kommen allein die Regelung des § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG und die dazu entwickelten Grundsätze zum Zuge, denn in Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG ist nur eine teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr vorgesehen, so dass auch nur hierauf geleistete Zahlungen zur Minderung des Vergütungsanspruches aus der Prozesskostenhilfe führen können. Danach ergibt sich vorliegend ein Anrechnungsbetrag in Höhe von 261,57 € netto, der sich wie folgt ermittelt:
Zunächst ist die Höhe des Regelanspruches des Rechtsanwaltes bezüglich der Geschäftsgebühren für das Vorverfahren und der Verfahrensgebühren für das anschließende gerichtliche Verfahren zu bestimmen, weil in diesem Verhältnis die Anrechnung nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG greift. Diese Regelvergütung beläuft sich hier auf 773,00 €:
Vorverfahren: |
Nr. 2302 VV RVG (2020) 300,00 € |
|
Nr. 1008 VV RVG (2020) 180,00 € |
Klageverfahren: |
Nr. 3102 VV RVG (2021) 360,00 € |
|
Nr. 1008 VV RVG (2021) 108,00 € |
|
Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG (2020) - 175,00 € |
|
773,00 € |
Im Hinblick auf das Vorverfahren ist zunächst zu beachten, dass die Auftragserteilung für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin jedenfalls im Dezember 2020 vorgelegen haben muss, weil sie sich zu diesem Zeitpunkt gegenüber dem Beklagten angezeigt hat. Damit ist noch die bis 31. Dezember 2020 geltende Gebührenhöhe maßgeblich (§ 60 Abs. 1 Satz 1 RVG). Dies ist von der Urkundsbeamtin nicht beachtet worden.
Da die Beschwerdeführerin im Vorverfahren im Sinne einer gebührenrechtlichen Angelegenheit nicht nur für die (die erhaltenen) Klägerinnen, sondern auch für deren Kind, für das keine bewilligt worden war, tätig gewesen ist, bestimmt sich ihr Gebührenanspruch für das Vorverfahren nicht nach den Vorschriften für die (Teil 2 Abschnitt 5), sondern nach den für die Vertretung im Verwaltungsverfahren (Teil 2 Abschnitt 3) geltenden Vorschriften, auch wenn den Klägerinnen bewilligt worden ist. Der gebührenrechtliche Anspruch lässt sich angesichts des Vorliegens einer gebührenrechtlichen Angelegenheit nicht auf einzelne Personen aufsplitten. In der Folge ist die Geschäftsgebühr nach Nr. 1008 VV RVG entsprechend für zwei weitere Auftraggeber zu erhöhen, da die Beschwerdeführerin im Vorverfahren für drei Personen tätig war, auch wenn letztlich die Vergütung aus der Staatskasse nur für zwei Auftraggeber erfolgt. Damit wird gerade auch dem Einwand der Beschwerdeführerin Rechnung getragen, dass erhaltene Zahlungen (auch oder zunächst) für den Gebührenanteil des Kindes verwendet werden dürfen, bevor insoweit eine Anrechnung auf die PKH-Vergütung erfolgt. Genau entspricht auch dem Regelungsgehalt von § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG, der sicherstellen will, dass eine Anrechnung von Zahlungen (hier) auf Geschäftsgebühren nur dann erfolgt, wenn hierdurch der Regelvergütungsanspruch überschritten wird. Da vorliegend der Beschwerdeführerin angesichts des Vorliegens einer gebührenrechtlichen Angelegenheit für das Vorverfahren die Gebühren für drei Auftraggeber zustehen, sind sie bei der Berechnung der Regelvergütung der Geschäftsgebühren auch zu berücksichtigen.
Hinsichtlich der Vergütung für das erstinstanzliche Klageverfahren wird auf die vorstehenden Ausführungen verwiesen. Den Anrechnungsbetrag nach Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG hat die Einzelrichterin abweichend zum Vorgehen der Urkundsbeamtin noch mit dem maximalen Anrechnungsbetrag nach der bis 31. Dezember 2020 geltenden Rechtslage in Höhe von 175,00 € und nicht mit 207,00 € bemessen. Die Höhe der Geschäftsgebühr und deren Anrechnung müssen nach Einschätzung der Einzelrichterin derselben Rechtslage folgen. Wenn die Geschäftsgebühr noch in geringerer Höhe nach der alten Rechtslage zu bemessen ist, muss auch der Anrechnungsbetrag, der auf diese Gebührenhöhe abgestimmt war, zur Anwendung kommen. Dies ergibt sich auch aus dem Rechtsgedanken von § 60 Abs. 2 RVG.
In einem nächsten Schritt ist zu prüfen, ob die Regelvergütung durch eine anrechnungsfreie Gewährung der Verfahrensgebühr für das Klageverfahren aus der Staatskasse zusammen mit den erhaltenen Zahlungen, die auf die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren erfolgt sind, überschritten wird. Ist dies der Fall, ist der überschreitende Betrag nach § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG i. V. m. Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG von der PKH-Vergütung in Abzug zu bringen.
Hier ermittelt sich insoweit ein anzurechnender Betrag in Höhe von 261,57 € wie folgt:
PKH-Vergütung ungekürzt |
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Nr. 3102 VV RVG (2021) |
360,00 € |
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Nr. 1008 VV RVG (2021) |
108,00 € |
Anrechenbare Zahlungen: |
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Beklagter |
288,00 € |
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Mandanten |
168,07 € |
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110,50 € |
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1.034,57 € |
Anrechnungsbetrag: |
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1.034,57 € - 773,00 € = 261,57 € |
Der Beklagte hat vorliegend nach seinem Kostenfestsetzungsbescheid auf die von ihm ermittelte Geschäftsgebühr in Höhe von 480,00 € einen Anteil von 60%, mithin 288,00 € geleistet.
Die Zahlung der Mandanten in der Form eines (für sozialgerichtliche Verfahren unüblichen) Pauschalhonorars ist mit dem Nettobetrag in Anrechnung zu bringen, da das Pauschalhonorar für die Tätigkeit der Beschwerdeführerin im Vorverfahren geleistet wurde. Es entspricht damit inhaltlich der bei Anwendung des Kostenverzeichnisses allein in Betracht kommenden Geschäftsgebühr. Ob die Beschwerdeführerin angesichts der Übernahme eines mandats überhaupt berechtigt war, ein solches Honorar zu fordern (nach § 44 RVG i. V. m. Vorbemerkung 2.5 VV RVG, § 8 Abs. 2 BerHG darf nur die Eigenbeteiligung Nr. 2500 VV RVG beansprucht werden), kann letztlich dahinstehen. § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG erfasst alle tatsächlich erfolgten Zahlungen und setzt deren Rechtmäßigkeit nicht voraus. Hinsichtlich dieser Zahlung kann die Beschwerdeführerin auch nicht einwenden, sie sei nicht anzurechnen, weil sie für die Differenzvergütung vorgesehen gewesen sei. Denn diesem Gesichtspunkt wird gerade durch § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG Rechnung getragen, der sicherstellt, dass eine Anrechnung erst bei Überschreitung der Differenz von PKH-Vergütung zu Regelvergütung erfolgt. Ist dies – wie hier – der Fall, hat die Beschwerdeführerin auch kein schützenswertes Interesse am Behalten einer die Regelvergütung überschreitenden Zahlung zu Lasten der Staatskasse.
Schließlich ist im vorliegenden Fall auch die gebühr - soweit sie sich auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG bezieht (hier 110,50 €) - in voller Höhe anzurechnen. Nr. 2503 Abs. 2 Satz 1 RVG, wonach die Geschäftsgebühr der nur zur Hälfte auf die Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren anzurechnen ist, ist nicht auf Fallkonstellationen anwendbar, in denen neben einer geleisteten für ein Vorverfahren weitergehende Zahlungen auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG erfolgt sind. Anders ausgedrückt, eine hälftige Anrechnung der gebühr erfolgt nur dann, wenn diese (abgesehen von der Eigenbeteiligung und einer etwaigen Auslagenerstattung) die einzige Vergütung für die anwaltliche Tätigkeit im Vorverfahren geblieben ist. Dann ist die hälftige gebühr auch unmittelbar anzurechnen (SächsLSG, Beschluss vom 11. Januar 2021, L 5 AS 384/20 B KO). Nur dieses Verständnis wird dem Sinn und Zweck der gebühr gerecht.
Nach § 44 Satz 1 RVG erhält der Rechtsanwalt für die Tätigkeit im Rahmen der eine Vergütung nach diesem Gesetz aus der Landeskasse. Die Vergütung gegenüber der Landeskasse beschränkt sich nach Vorb. 2.5 VV RVG ausschließlich auf die Gebühren nach Abschnitt 5. Insoweit ist in Nr. 2503 VV RVG eine Geschäftsgebühr als Festgebühr vorgesehen. Gegenüber dem Mandanten darf nur die in Nr. 2500 VV RVG bestimmte Gebühr in Höhe von derzeit 15,00 € verlangt werden. Wenn nicht ein kostenpflichtiger Dritter vorhanden ist (vgl. dazu nachfolgend), kann der Rechtsanwalt mithin die sonst für das Vorverfahren nach Nr. 2302 VV RVG anfallende Geschäftsgebühr nicht verlangen. Geschäftsgebühr aus der neben der Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG ist gesetzlich nicht vorgesehen. Erhält ein Rechtsanwalt lediglich die Gebühr für ein Vorverfahren und schließt sich ein Klageverfahren an, sieht das Gesetz (ähnlich der Regelung in Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG für die Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG) die Anrechnung der hälftigen gebühr vor.
Der Rechtsanwalt ist aber dann nicht auf die Geschäftsgebühr der beschränkt, wenn es - wie im vorliegenden Fall - einen kostenpflichtigen Gegner gibt. Dies regelt § 9 Sätze 1 und 2 BerHG, wonach ein Gegner, der zur Kostenerstattung verpflichtet ist, für die Tätigkeit der Beratungsperson (also hier des Rechtsanwaltes) die Vergütung nach den allgemeinen Vorschriften zu zahlen hat, wobei dieser Anspruch auf die Beratungsperson übergeht. Der kostenpflichtige Gegner soll mithin durch die nicht begünstigt werden, was bedeutet, dass vorliegend der Beklagte der Hauptsache die (quotenmäßige) Erstattung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG geschuldet hat. Um sicherzustellen, dass in einer solchen Konstellation der Rechtsanwalt nicht die Gebühren sowohl aus der als auch aus dem Kostenerstattungsanspruch erhält, weil dies zu einer von der nicht gewünschten Überzahlung führte, sieht das Gesetz zwei Regelungen vor:
So bestimmt § 59 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 RVG, dass der Anspruch des Rechtsanwaltes nach § 9 BerHG gegen den erstattungspflichtigen Gegner auf die Staatskasse übergeht, wenn aus der Staatskasse geleistet wurde. Das bedeutet, dass der Rechtsanwalt von dem erstattungspflichtigen Gegner zwar seine Vergütung für das Vorverfahren nach Teil 2 Abschnitt 3 VV RVG verlangen kann, aber in der Höhe gemindert um die geleistete gebühr (einschließlich Auslagen und Umsatzsteuer). Die Staatskasse, auf die der Anspruch gegen den erstattungspflichtigen Gegner übergegangen ist, kann ihrerseits die geleistete Gebühr vom Gegner erstattet verlangen.
Des Weiteren bestimmt § 58 Abs. 1 Satz 1 RVG, dass Zahlungen, die der Rechtsanwalt nach § 9 BerHG erhalten hat, auf die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung anzurechnen sind. Hier wird sichergestellt, dass, wenn der Rechtsanwalt bei noch offenem Antrag oder nachträglich gestelltem Antrag auf bereits eine Vergütung vom Prozessgegner nach Teil 2 Abschnitt 3 VV RVG erhalten hat, diese auf die später zu leistende angerechnet wird, mithin bei Zahlung des erstattungspflichtigen Gegners die gekürzt wird oder in Wegfall gerät.
Im Ergebnis erhält der Rechtsanwalt also die Gebühren nach Teil 2 Abschnitt 3 VV RVG, gegebenenfalls aber nur in einer Quote und - soweit der Erstattungsanspruch gegen den Gegner der Höhe nach hinter der Höhe der zurückbleibt - ergänzend. Hierin erschöpfte sich dann aber auch die Regelvergütung, die nach obigen Ausführungen für § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG in dem ersten Schritt zu bestimmen ist.
Aus diesem Regelungsgefüge ist zweifelsfrei erkennbar, dass ein Rechtsanwalt nicht die Geschäftsgebühr aus der und daneben die Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG verlangen kann, sondern dass die Geschäftsgebühr der sukzessive in der Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG aufgeht. Die Zahlung der stellt sich dann als Zahlung der Geschäftsgebühr des Prozessgegners dar. Die Staatskasse liquidiert ihrerseits gegenüber dem Prozessgegner. Mit dieser „Wandlung“ entfällt aber die direkte nur hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr aus der Beratungshilfe. Diese ist vielmehr in voller Höhe eine tatsächliche Zahlung auf die Geschäftsgebühr, deren Anrechnung sich nach § 58 Abs. 2 Satz 2 RVG i. V. m. Vorb. 3 Abs. 4 VV RVG bestimmt.
Im vorliegenden Einzelfall tritt zudem noch die Besonderheit hinzu, dass das Sicherungssystem, dass eine Überzahlung aus der bei kostenerstattungspflichtigem Gegner verhindern soll, nicht gegriffen hat, weil die Beschwerdeführerin gegenüber dem nach § 9 BerHG erstattungspflichtigen Beklagten ersichtlich die geleistete weder angegeben noch in ihrem Kostenfestsetzungsantrag in Abzug gebracht hat. Die war der Beschwerdeführerin am 27. Januar 2021 angewiesen worden. Am 1. Februar 2021 hat sie gegenüber dem Beklagten Kostenerstattung entsprechend der Quote aber ohne Abzug der verlangt, obwohl ihr diese Ansprüche wegen des Forderungsübergangs teilweise nicht mehr zustanden. Der Beklagte hat entsprechend der Quote gezahlt, ohne die in Abzug zu bringen. Die Beschwerdeführerin hat mithin in Höhe der eine doppelte Leistung auf die Geschäftsgebühr erhalten. Dies rechtfertigt und erfordert erst recht die Anrechnung der auf die Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG geleisteten vollen Beratungshilfe.
Die unter 2. ermittelte Nettovergütung aus der Staatskasse in Höhe von 812,00 € ist mithin um einen Anrechnungsbetrag in Höhe von 261,57 € zu kürzen, woraus sich der Nettobetrag der aus der Staatskasse zu leistenden Vergütung in Höhe von 550,43 € ergibt. Zuzüglich der Umsatzsteuer in Höhe von 19% ergibt sich der festgesetzte Vergütungsanspruch in Höhe von 655,02 €.
Auf diesen sind bereits der Vorschuss in Höhe von 452,20 € und die weitere Zahlung aufgrund des angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschlusses in Höhe von 186,77 € geleistet worden, so dass noch ein Betrag in Höhe von 16,05 € aus der Staatskasse zu zahlen ist.
Diese Entscheidung ergeht gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).