Leistungseinschränkung gemäß § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG im Einzelfall bei Schutzgewährung durch anderen Mitgliedstaat ist ohne Vorliegen weiterer ungeschriebener Tatbestandsmerkmale (hier. Zumutbarkeit der Rückkehr in den schutzgewährenden Mitgliedstaat) nicht verfassungswidrig und verstößt bei rechtsmissbräuchlicher Einreise mangels Antragstellereigenschaft wohl auch nicht gegen Unionsrecht.
I. Die Beschwerde gegen Ziffer I und II des Beschlusses des Sozialgerichts Würzburg vom 26.11.2024 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
G r ü n d e :
I.
Streitig ist im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Rücknahme einer Leistungsbewilligung nach §§ 3, 3a Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) unter Bewilligung eingeschränkter Leistungen ab 01.10.2024.
Die nach eigenen Angaben 2005 geborene Antragstellerin, somalische Staatsangehörige, reiste erstmals am 03.04.2024 nach Deutschland ein. Am 15.04.2024 erfolgte ihre Registrierung als Asylsuchende. Sie verfügt über eine zunächst bis 15.10.2024 befristete und bis 24.10.2025 verlängerte Aufenthaltsgestattung der Regierung von Unterfranken - Zent-
rale Ausländerbehörde Unterfranken - (ZAB) zur Durchführung des Asylverfahrens. Nach den Erkenntnissen aus der Datenbank des Europäischen Systems für den Abgleich der Fingerabdruckdaten von Asylbewerbern (EURODAC) vom 06.04.2024 war ihr bereits am 20.12.2023 internationaler Schutz in Rumänien gewährt worden. Die Antragstellerin lebte bis zum 21.05.2024 im Zentrum für Ankunft, Entscheidung und Rückführung (AnkER) Unterfranken. Seit 22.05.2024 ist sie einer dezentralen Unterkunft im Landkreis A zugewiesen und verpflichtet, dort ihren gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage).
Auf ihren Antrag vom 24.05.2024 bewilligte ihr der Antragsgegner ab 22.05.2024 "bis auf Weiteres" Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG, Regelbedarfsstufe 1 (alleinstehende Erwachsene), in Höhe von monatlich 465,60 € (Bescheid vom 10.06.2024 - monatlich 204,00 € für den notwendigen persönlichen Bedarf nach § 3 Abs. 1 Satz 2, § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG, 256,00 € für den notwendigen Bedarf nach § 3 Abs. 1 Satz 1, § 3a Abs. 2 Nr. 1 AsylbLG zuzüglich einer Erhöhung in Höhe von 5,60 €). Der Bedarf für Unterkunft, Heizung, Hausrat, Wohnungsinstandhaltung und Haushaltsenergie werde durch Sachleistungen gedeckt. Die Bewilligung gelte vorerst bis zum Ende des laufenden Monats; bei gleichbleibenden Voraussetzungen verlängere sich der Bewilligungszeitraum um jeden weiteren Monat, in dem die Voraussetzungen erfüllt seien.
Mit Schreiben vom 30.08.2024 hörte er sie zu einer Einschränkung der Leistungen nach § 1a Abs. 4 AsylbLG voraussichtlich ab 01.10.2024 für die Dauer von zunächst bis zu sechs Monaten im Hinblick auf den fortbestehenden internationalen Schutz in Rumänien an; die freiwillige Ausreise dorthin sei der Antragstellerin möglich und zumutbar. Sie könne die Leistungseinschränkung durch freiwillige Ausreise bis zum 16.09.2024 abwenden bzw. eine Leistungseinschränkung mit einer späteren Ausreise beenden. Auch könne sie individuelle Bedarfe vortragen oder Gründe nennen, weshalb die Leistungen nicht in Form von Wertgutscheinen erbracht werden sollten. Hierzu äußerte die Antragstellerin laut eines Aktenvermerks des Antragsgegners vom 10.09.2024, die Lebensverhältnisse in Rumänien seien sehr schlecht; sie habe keine Unterkunft zugewiesen bekommen und ihr sei kein Essen und Trinken gegeben worden. Daher sei ihr nichts Anderes übriggeblieben als nach Deutschland weiterzureisen.
Mit Bescheid vom 20.09.2024 nahm der Antragsgegner den Leistungsbescheid vom 10.06.2024 ab 01.10.2024 zurück und setzte die Leistungen ab diesem Zeitpunkt bis 31.03.2025 in eingeschränkter Höhe auf 228,00 € monatlich (195,30 € für Nahrungsmittel, 12,95 € für Gesundheitspflege und 19,75 € für Hygienebedarf, jeweils in Form von monatlichen Wertgutscheinen) fest. Unterkunft und Heizung würden als Sachleistung erbracht. Die Bewilligung vom 10.06.2024 sei von Anfang an rechtswidrig gewesen und werde unter Vertrauensschutzgesichtspunkten nur für die Zukunft zurückgenommen. Der Antragstellerin sei internationaler Schutz in Rumänien gewährt worden, der fortbestehe. Es liege keine besondere Härte vor und es seien keine weiteren Umstände ersichtlich, die eine Ermessensausübung zugunsten der Antragstellerin nach sich ziehen könne. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 1a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 AsylbLG seien erfüllt. Rumänien sei ein Mitgliedstaat der Europäischen Union; dort bestünden keine systemischen Mängel, so dass keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung drohe. Eine Situation extremer materieller Not sei ebenfalls nicht zu erwarten. Sie könne sich z.B. von Hilfsorganisationen vor Ort bei der Durchsetzung ihrer Ansprüche unterstützen lassen. Besondere Umstände zur Erbringung anderer Leistungen im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylbLG habe sie weder vorgetragen noch seien solche aus der Akte ersichtlich. Für den Zeitraum nach dem 31.03.2025 sei zu prüfen, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anspruchseinschränkung weiter erfüllt würden. Nachdem die Antragstellerin ausweislich eines Aktenvermerks vom 07.10.2024 mitgeteilt hat, sie könne die Gutscheine nicht in Halal-Läden einlösen, wurde eine Leistungserbringung auf Bezahlkarte ab 01.11.2024 zugesagt. Der hiergegen eingelegte Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 23.01.2025 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Antragstellerin am 24.02.2025 Klage beim Sozialgericht Würzburg (SG) erhoben, die unter dem Aktenzeichen S 18 AY 28/25 geführt wird.
Bereits am 23.10.2024 hat die Antragstellerin beim SG die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragt. Die Regelung des § 1a AsylbLG sei evident verfassungswidrig, da sie das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 Grundgesetz -GG-) verletze. § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG sei teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass eine Anspruchseinschränkung nur zulässig sei, wenn Leistungsberechtigten ein pflichtwidriges Verhalten vorzuwerfen sei. Zwar sei der Antragstellerin ein Aufenthaltsrecht in Rumänien gewährt worden. Sie habe sich jedoch weder pflichtwidrig in die Bundesrepublik Deutschland begeben, noch verweile sie pflichtwidrig hier. Mit dem rumänischen Aufenthaltstitel und ihrem Reisepass sei ihre Einreise erlaubt gewesen. Seit der Asylantragstellung sei ihr Aufenthalt gestattet und sie sei zu keinem Zeitpunkt vollziehbar ausreisepflichtig gewesen. § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG verstoße auch gegen Unionsrecht. Es sei zweifelhaft, ob ein Folgeantrag nach Art. 20 Abs. 1 lit. c der Richtlinie 2013/33 EU (Richtlinie zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen -Aufnahmerichtlinie-) auch gegeben sei, wenn der Erstantrag in einem anderen Mitgliedstaat gestellt worden sei. Die Europäische Kommission habe im Verfahren beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit dem Aktenzeichen C-8/20 dahingehend Stellung genommen, dass das Unionsrecht einer mitgliedstaatsübergreifenden Anwendung des Folgeantragskonzepts entgegenstehe. Eine gegenseitige Anerkennung negativer Asylentscheidungen sei im gegenwärtigen Asylrecht der Europäischen Union grundsätzlich nicht vorgesehen; es spreche viel dafür, dass ein Schritt in Richtung gegenseitige Anerkennung vom Unionsgesetzgeber ausdrücklich und in hinreichender Klarheit beschlossen werden müsse. Eine Kürzung nach Art. 20 Abs. 1 lit. c Aufnahmerichtlinie setze zudem ein pflichtwidriges Verhalten voraus. Zudem verstoße § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG gegen Art. 20 Abs. 5 Aufnahmerichtlinie, da die Einschränkung als gebundene Entscheidung ausgestaltet sei und für eine Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips kein Raum sei. Außerdem werde mit den gekürzten Leistungen kein würdiger Lebensstandard i.S.d. Art. 20 Abs. 5 Satz 3 Aufnahmerichtlinie gewährleistet. Es werde auf den Vorlagebeschluss des Bundessozialgerichts (BSG) im Revisionsverfahren mit dem Aktenzeichen B 8 AY 6/23 R vom 25.07.2024 zur Auslegung der Aufnahmerichtlinie in Verbindung mit der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-Verordnung) verwiesen. Die dort im Hinblick auf § 1a Abs. 7 AsylbLG aufgeworfenen Fragen stellten sich für die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG gleichermaßen. Es stehe nicht abschließend fest, ob die Leistungseinschränkung wegen Verstoßes gegen Art. 17 Aufnahmerichtlinie rechtswidrig sei. Jedenfalls im Wege der Folgenabwägung sei die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen. Es sei die grundlegende Existenzsicherung betroffen; eine Unterschreitung sei auch für einen Übergangszeitraum nicht hinnehmbar. Als verfassungswidrig stelle sich auch die Absenkung der Regelbedarfe für in Gemeinschaftsunterkünften Untergebrachte auf 90 % - wie erwachsene Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft - im Vergleich zu Alleinstehenden dar. Die Eilbedürftigkeit ergebe sich aus der Grundrechtsrelevanz der Leistungsentziehung.
Mit Beschluss vom 26.11.2024 hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz mit negativer Kostenfolge (Ziff. I und II des Beschlusses) und den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe (Ziff. III des Beschlusses) "abgewiesen". Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung sei zulässig, aber unbegründet. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20.09.2024 bestünden nicht. Die Antragstellerin sei leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG und habe am 20.12.2023 im EU-Mitgliedstaat Rumänien internationalen Schutz erhalten. Im Fall der Zuerkennung internationalen Schutzes werde gemäß Art. 24 der Richtlinie 2011/95/EU (Richtlinie über Normen der Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status als Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes -Anerkennungsrichtlinie-) anerkannten Flüchtlingen regelmäßig ein Aufenthaltstitel für drei Jahre ausgestellt, subsidiär Schutzberechtigten für ein Jahr mit Verlängerungsmöglichkeit. Demnach bestehe der Schutz im Fall der Antragstellerin noch fort. Von einer kürzeren Erteilung oder einem Widerruf bzw. einer Aberkennung sei nichts bekannt. Die Befristung nach § 14 Abs. 1 AsylbLG sei eingehalten. Unabhängig davon, ob es ungeschriebener Tatbestandsmerkmale bedürfe, verhalte sich die Antragstellerin durch den Verbleib im Bundesgebiet auch pflichtwidrig. Dabei sei unschädlich, dass ein Aufenthaltsrecht in Deutschland bestehe. Die europarechtlich angelegte Zuständigkeitsaufteilung würde ihre praktische Wirksamkeit verlieren, wenn sie unberücksichtigt bliebe. Die Rückkehr nach Rumänien sei der Antragstellerin zumutbar; Nachweise für eine mögliche Unzumutbarkeit seien nicht erbracht worden. Bedenken im Hinblick auf die Vereinbarkeit des § 1a Abs. 4 AsylbLG mit Europarecht oder Verfassungsrecht bestünden nicht. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes könne nicht geklärt werden, ob sich die Fragen zu § 1a Abs. 7 AsylbLG im vorliegenden Fall in gleicher Weise stellten. Jedenfalls fehle es an der Darlegung und Glaubhaftmachung eines konkreten notwendigen, von den abgesenkten Leistungen nicht gedeckten Bedarfs. Der Antragsgegner habe die Rücknahme des Bescheides vom 10.06.2024 mit Wirkung für die Zukunft zutreffend auf § 9 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 45 Abs. 1, 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gestützt. Für zukünftige Leistungen bestehe kein schutzwürdiges Interesse der Antragstellerin.
Dagegen hat die Antragstellerin unter Wiederholung ihres Vortrages Beschwerde beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt und Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren beantragt. Das Beschwerdeverfahren gegen Ziffer III des Beschlusses vom 26.11.2024 wird unter dem Aktenzeichen L 11 AS 15/25 B PKH geführt. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass Leistungen nach § 1a AsylbLG nicht das in Art. 17 Abs. 2 und Abs. 5 Aufnahmerichtlinie beschrieben Mindestniveau abdeckten; davon zwingend umfasst seien Geldleistungen zur Deckung des täglichen Bedarfs.
Auf Nachfrage des Senats hat der Antragsgegner ausgeführt, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sei nicht bekannt, ob die Antragstellerin in Rumänien den Flüchtlingsstatus oder subsidiären Schutz zuerkannt bekommen habe. Informationen über die Gültigkeitsdauer des rumänischen Aufenthaltsstatus lägen ebenfalls nicht vor. In Rumänien erhielten Personen mit Flüchtlingsstatus zunächst eine dreijährige Aufenthaltsbewilligung, subsidiär Schutzberechtigte eine zweijährige. Danach gelte der rumänische Aufenthaltstitel der Antragstellerin mindestens bis zum 19.12.2025 fort. Die Gültigkeit des Aufenthaltstitels habe keinen Einfluss auf den Fortbestand des internationalen Schutzes. Laut Auskunft des BAMF stehe fest, dass der internationale Schutz vorliegend fortgelte, denn er sei nicht widerrufen worden. Solange sich eine Person im Ausland aufhalte, sei ein Widerrufsverfahren nicht möglich. Außerdem sei keine Mitteilung über einen Widerruf des internationalen Schutzes erfolgt. Bei einer Rückkehr nach Rumänien könne dort, falls nötig, ein neuer Aufenthaltstitel beantragt werden. Nach Mitteilung der ZAB würden Aufenthaltsgestattungen bei weiterem Vorliegen der Voraussetzungen stets um 12 Monate verlängert, da die Aufenthaltsgestattung bei Abschluss des Asylverfahrens automatisch erlösche.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten des Antragsgegners sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172 Abs. 1, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist zulässig, aber nicht begründet. Insbesondere überschreitet der Wert des Beschwerdegegenstandes 750,00 €, denn der Antrag zielt auf die Differenz zwischen den mit Bescheid vom 20.09.2024 nur in abgesenkter Höhe bewilligten Leistungen und den mit Bescheid vom 10.06.2024 bewilligten Leistungen für einen Zeitraum von sechs Monaten (monatlich 237,60 €).
Streitgegenstand des Beschwerdeverfahrens ist das Begehren der Antragstellerin, entgegen der mit Bescheid vom 20.09.2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2025 verfügten Rücknahme und Neufestsetzung in eingeschränkter Höhe weiterhin Leistungen nach § 3, 3a AsylbLG auf Grundlage der bis auf weiteres ergangenen Leistungsbewilligung vom 10.06.2024 zu erhalten. Hierbei handelte es sich nach Auslegung aus Sicht eines verständigen Empfängers um eine Bewilligung ohne weitere Sachprüfung für einen längeren, zunächst nicht befristeten Zeitraum (vgl. zu Zulässigkeit einer solchen Dauerbewilligung BSG, Urteil vom 17.06.2008 - B 8/9b AY 1/07 R - und zur Auslegung widersprüchlicher Formulierungen in Leistungen "bis auf Weiteres" bewilligenden Bescheiden BSG, Urteil vom 25.07.2024 - B 8 AY 7/23 R - beide zit. nach juris), wie das SG zutreffend dargestellt hat. Gegen die Gewährung von Leistungen auf die Bezahlkarte hat sie sich nicht gewandt.
Ihr Rechtsschutzziel verfolgt sie richtigerweise mit einem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nunmehr der Klage gegen den Bescheid vom 20.09.2024 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.01.2025 nach § 86b Abs. 1 SGG, denn in der Hauptsache wäre statthaft die reine Anfechtungsklage. Im Falle einer erfolgreichen Anfechtungsklage würde der Rücknahmebescheid mit Wirkung ab 01.10.2024 aufgehoben werden und die Antragstellerin erhielte wieder die ursprünglich ab 22.05.2024 bis auf weiteres bewilligten Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG.
Die Beschwerde ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht entschieden, dass die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. nunmehr der Klage gegen den Bescheid vom 20.09.2024 nicht anzuordnen ist.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Vorliegend haben Widerspruch und Klage gegen den Bescheid vom 20.09.2024 nicht bereits selbst aufschiebende Wirkung. Der Widerspruch richtet sich gegen einen Verwaltungsakt, der eine Leistung nach dem AsylbLG aufhebt bzw. die Einschränkung des Leistungsanspruchs nach § 1a AsylbLG feststellt (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 11 Abs. 4 AsylbLG).
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer Klage ist nur möglich, wenn das besondere Interesse der Antragstellerin an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung das vom Gesetz vorausgesetzte Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes überwiegt, wobei bei der Prüfung der Interessen zuerst auf die Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen ist. Unter Berücksichtigung des § 11 Abs. 4 AsylbLG ist von einem Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des Suspensiveffektes auszugehen, da der Gesetzgeber die sofortige Vollziehung zunächst angeordnet hat. Davon abzuweichen besteht nur Anlass, wenn ein überwiegendes Interesse des durch den Verwaltungsakt Belasteten feststellbar ist (vgl. bereits Beschluss des Senats vom 26.10.2017 - L 11 AS 693/17 B ER - juris). Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung muss eine mit gewichtigen Argumenten zu begründende Ausnahme bleiben (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl., § 86b Rn. 12c). Ist der Verwaltungsakt offenbar rechtswidrig und ist der Betroffene dadurch in seinen subjektiven Rechten verletzt, wird ausgesetzt, weil dann ein überwiegendes öffentliches Interesse oder Interesse eines Dritten an der Vollziehung nicht erkennbar ist. Ist die Klage aussichtslos, wird die aufschiebende Wirkung nicht angeordnet. Sind die Erfolgsaussichten nicht in dieser Weise abschätzbar, bleibt eine allgemeine Interessenabwägung, wobei die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens und die Entscheidung des Gesetzgebers in § 11 Abs. 4 AsylbLG mitberücksichtigt werden (vgl. zum Ganzen: Keller a.a.O., Rn. 12f; Beschluss des Senats a.a.O.).
Unter Anwendung dieser Maßstäbe ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs nicht anzuordnen. Es bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20.09.2024.
Die Rechtmäßigkeit des Bescheides vom 20.09.2024 misst sich an § 9 Abs. 4 Nr. 1 AsylbLG i.V.m. § 45 SGB X. Nach § 45 Abs. 1 SGB X darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
Der Bescheid ist formell rechtmäßig; insbesondere ist die Antragstellerin mit Schreiben vom 30.08.2024 zu der geplanten Leistungseinschränkung ab 01.10.2024 - und damit auch inzident zu der Aufhebung bisherigen Bewilligung - angehört worden (Art. 28 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz -BayVwVfG-) und hat von ihrem Anhörungsrecht auch Gebrauch gemacht.
Überwiegende Gründe sprechen dafür, dass die Bewilligung von Leistungen nach §§ 3, 3a AsylbLG mit Bescheid vom 10.06.2024 auch von Anfang an rechtswidrig gewesen ist.
Die einfachgesetzlichen Voraussetzungen für eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG sind schon bei Erlass des Bescheides vom 10.06.2024 erfüllt gewesen. Danach erhalten u.a. Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 1a AsylbLG, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union 1. internationaler Schutz oder 2. aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt worden ist, nur Leistungen entsprechend § 1a Abs. 1 AsylbLG, wenn der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht fortbesteht. Die Antragstellerin verfügt nach Auskunft der ZAB über eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens (§ 55 AsylG), die zuletzt bis zum 24.10.2025 verlängert wurde, und ist damit leistungsberechtigt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG. Ihr ist nach der vom BAMF mitgeteilten Information des Europäischen Systems für den Abgleich der Fingerabdruckdaten von Asylbewerbern (EURODAC) am 20.12.2023 in Rumänien - einem Mitgliedstaat der Europäischen Union - internationaler Schutz gewährt worden. Dieser besteht nach den Ergebnissen der Ermittlungen zum aktuellen Zeitpunkt auch fort. Nach Mitteilung des Antragsgegners wird nach rumänischem Recht nach Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder Gewährung subsidiären Schutzes eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, und zwar nach Art. 20 Abs. 6 des Gesetzes Nr. 122 vom 04.05.2006 https://legislatie.just.ro/Public/DetaliiDocument/267100, besucht am 24.02.2025) im Falle der Anerkennung der Flüchtlingseigenschaft für drei Jahre und im Falle der Gewährung subsidiären Schutzes für zwei Jahre. Damit ist davon auszugehen, dass der internationale Schutz der Antragstellerin in Rumänien fortbesteht. Gegenteiliges hat sie im Verfahren auch nicht vorgetragen.
Einer bisher von den Instanzgerichten (vgl. Bayer. LSG, Urteil vom 31.05.2023 - L 8 AY 7/23 und L 8 AY 136/22 - juris) vertretenen einschränkenden Auslegung des § 1a Abs. 7 AsylbLG dahingehend, dass die dort geregelte Anspruchseinschränkung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal subjektiv ein Vertretenmüssen des Antragstellers erfordere, ist das BSG nicht gefolgt (vgl. Beschluss vom 25.07.2024 - B 8 AY 6/23 R -; Urteil vom 25.07.2024 - B 8 AY 7/23 R -). Die Regelung in § 1a Abs. 7 AsylbLG sei nicht als Sanktion für die Nichtausreise zu verstehen, sondern flankiere die Ausreisepflicht auf Grundlage der Dublin-III-VO im Fall der Sekundärmigration innerhalb der Europäischen Union (vgl. BSG, Urteil vom 25.07.2024, a.a.O., Rn. 23). Diese Rechtsprechung ist nach Auffassung des Senats auch auf die vorliegend streitgegenständliche Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG zu übertragen, denn auch diese knüpft nicht an ein Fehlverhalten, sondern ausschließlich an einen rechtlichen Status an (vgl. Cantzler, AsylbLG, § 1a Rn. 104). Der Sinn des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG liegt in der Begrenzung der Sekundärmigration insbesondere aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Deutschland (Oppermann in: Schlegel/Voelzke- jurisPK-SGB XII, 4. Aufl., § 1a AsylbLG, Rn. 133). Nach dem Gesetzesentwurf zum Integrationsgesetz vom 31.05.2016 (BT-Drucksache 18/8615, S. 35) dient die Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG der Vervollständigung der Regelung nach § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG bei Zuständigkeit eines anderen EU-Mitgliedstaats um die Fälle bereits gewährten internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat oder am Dublin-Verfahren teilnehmenden Drittstaat. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zu § 1a Abs. 4 AsylbLG in der ab dem 24.10.2015 geltenden Fassung war gefordert worden, dass eine Leistungseinschränkung auch ("erst recht") bei Personen erfolgt, deren Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat durch Gewährung eines Schutzstatus bereits positiv abgeschlossen worden ist (BR-Drucksache 446/1/15, S. 7).
Der solcherart in § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG normierte anspruchseinschränkende Tatbestand, mit dem auf die Gewährung eines Schutzstatus in einem anderen Mitgliedstaat der europäischen Union reagiert wird, begegnet nach Auffassung des Senats jedenfalls unter der Voraussetzung einer verfassungskonformen Auslegung hinsichtlich seiner Rechtsfolgen keinen durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Bedenken bestehen zunächst deshalb, weil der verfassungsrechtlich garantierte Leistungsanspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums sich auf die unbedingt erforderlichen Mittel als einheitliche Gewährleistung zur Sicherung sowohl der physischen Existenz als auch zur Sicherung eines Mindestmaßes an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben erstreckt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.05.2021 - 1 BvR 2682/17 - juris), während § 1a Abs. 1 Satz 2 und 3 AsylbLG nur Leistungen zur Deckung des Bedarfs an Ernährung und Unterkunft einschließlich Heizung sowie Körper- und Gesundheitspflege und aufgrund besonderer Umstände im Einzelfall andere Leistungen nach § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG (zusätzlich Kleidung und Gebrauchs- und Verbrauchsgüter des Haushalts) vorsieht, nicht aber Leistungen zur Deckung persönlicher Bedürfnisse des täglichen Lebens (notwendiger persönlicher Bedarf). Damit wird als Regelfall eingeschränkter Leistungen eine Unterdeckung des Existenzminimums insbesondere im Bereich der sozialen Teilhabe bewirkt. Der Senat vertritt hierzu jedoch die Auffassung (vgl. Beschluss vom 11.06.2024 - L 11 AY 23/24 B PKH - juris), dass die Härtefallregelung des § 1a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG wegen der dem Wortlaut nach bedarfsbezogenen Rechtsfolge einer verfassungskonformen Auslegung dahingehend zugänglich ist, dass ergänzend die weiteren in §§ 3, 3a und 6 AsylbLG vorgesehenen Leistungen zu gewähren sind, wenn und soweit dies nach der Bedarfssituation des Berechtigten im Einzelfall geboten ist. Die Einzelfallregelung des § 1a Abs. 1 Satz 3 AsylbLG zur Berücksichtigung besonderer Umstände muss jeden Bedarfsfall des § 3 Abs. 1 AsylbLG und nicht nur den des § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG erfassen (vgl. Bayer. LSG, Beschluss vom 11.05.2022 - L 8 AY 27/22 B ER - juris). Dies hat zur Folge, dass die Antragstellerin im Rahmen der Leistungseinschränkung des § 1a AsylbLG von dem pauschalierten Leistungsmodell der §§ 3, 3a AsylbLG auf die Anmeldung des individuellen Bedarfs insbesondere im Bereich der soziokulturellen Existenz verwiesen wird und im Falle der fehlenden Darlegung des Bedarfes auch nicht von der Pauschalierung profitieren kann (vgl. Beschluss des Senats a.a.O.; Bayer. LSG, Beschluss vom 11.05.2022, a.a.O.).
Zur vorherigen Fassung des § 1a AsylbLG (§ 1a Nr. 2 AsylbLG in der vom 1. September 1998 bis zum 28. Februar 2015 geltenden Fassung), die eine Gewährung von "im Einzelfall nach den Umständen unabweisbar gebotenen" Leistungen vorsah, hat das BVerfG festgestellt, dass es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist, wenn der gesamte existenzsichernde Bedarf weiterhin zu decken ist, aber nun von der bedarfsorientierten Prüfung im Einzelfall abhängig gemacht wird (BVerfG vom 12.05.2021 a.a.O.). Die beschriebene verfassungskonforme Auslegung entspricht damit im Ergebnis der vom BVerfG als noch verfassungsrechtlich zulässig erachteten Beschränkung von Leistungen nach dem AsylbLG auf das Maß des unabweisbar Gebotenen (Bayerisches LSG, Beschluss vom 20.12.2023 - L 8 AY 45/23 B ER -; so auch: LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 04.04 2023 - L 7 AY 335/23 ER-B - alle zitiert nach juris). Eine entsprechende individuelle Bedarfssituation ist aber von der Antragstellerin vorliegend nicht dargelegt worden und ist auch sonst nicht erkennbar.
In Anbetracht der verfassungskonformen Modifizierung auf der Rechtsfolgeseite teilt der Senat nicht die Auffassung des 19. Senats des Bayer. LSG, dass eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG nur unter der einschränkenden Voraussetzung möglich sei, dass die Inanspruchnahme des internationalen Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat - für die Antragstellerin: in Rumänien - nicht zu unzumutbaren Folgen führt. Nachdem es sich mit der vorgenommenen Auslegung nur um eine - vorübergehende, vgl. § 14 AsylbLG - Änderung des Modus der Leistungserbringung handelt, die allein auf dem Status des Leistungsberechtigten und nicht auf einer Pflichtverletzung beruht, besteht nicht - wie im Fall von Sanktionen für ein pflichtwidriges Verhalten - die Notwendigkeit, dass sich Betroffene der Leistungseinschränkung durch ein zumutbares Verhalten entziehen können müssen.
Die in diesem Zusammenhang aufzuwerfende Frage, ob einem international Schutzberechtigten in dem Schutz gewährenden Mitgliedstaat der Europäischen Union eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) bzw. des Art. 3 EMRK droht, ist von den für die Bearbeitung des Asylantrages zuständigen Behörden sowie den Verwaltungsgerichten zu klären. Dabei gilt im Kontext des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems und insbesondere der Dublin-III-Verordnung, die auf dem Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens beruht und durch eine Rationalisierung der Anträge auf internationalen Schutz deren Bearbeitung im Interesse sowohl der Antragsteller als auch der teilnehmenden Staaten beschleunigen soll, die Vermutung, dass die Behandlung der Antragsteller in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der GRCh und der EMRK steht (vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - juris). Soweit und sobald eine hiervon abweichende Feststellung getroffen worden ist - die für die Leistungen erbringenden Behörden Tatbestandswirkung hat - fallen die Voraussetzungen für die Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG ex nunc weg; dem Berechtigten sind dann - vorbehaltlich der Erfüllung anderer Tatbestände und ohne sein Zutun - uneingeschränkte Leistungen zu gewähren. Wird der Asylantrag als unzulässig sowie eine Feststellung in diesem Sinne abgelehnt, führt dies ohnehin zur Ausreisepflicht des in einem anderen Mitgliedstaat Schutzberechtigten.
Lediglich ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass nach der aktuellen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte - soweit ersichtlich - nach Rumänien zurückkehrenden international Schutzberechtigten, die wie die Antragstellerin nicht zu vulnerablen Gruppen gehören, keine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung auf Grund der staatlich zu verantwortenden Lebensverhältnisse droht (vgl. hierzu ausführlich OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.08.2022 - 11 A 861/20.A - m.w.N.). Zu den Gründen ihrer Weiterreise nach Deutschland hat die Antragstellerin nur pauschal vorgetragen, es habe in Rumänien keine Unterkunft, kein Essen und kein Trinken gegeben. Welche Bemühungen sie selbst unternommen hat, um Hilfeleistungen zu erhalten, ob sie am rumänischen Integrationsprogramm teilgenommen hat und ob ein - grundsätzlich vorgesehener - individueller Integrationsplan für sie aufgestellt worden ist, hat sie nicht dargelegt. Nach dem Update der "Asylum Information Database" für Rumänien (AIDA-RO-2023-Update, Stand: 31.12.2023, verfügbar unter https://asylumineurope.org/reports/country/romania/, S. 167) werden international Schutzberechtigte in Rumänien auf ihren Antrag in ein Integrationsprogramm aufgenommen. Auf Grundlage eines individuellen Bedarfsplans werden den Teilnehmern am Integrationsprogramm Leistungen wie Beratungsdienstleistungen, Integrations- und Sprachkurse, finanzielle Hilfe und Unterbringung vom rumänischen Staat gewährt. Daneben bestehen weitere regionale Integrationsprojekte, an die sich Schutzberechtigte wenden können. Aus dem Vortrag der Antragstellerin wird die aus den aktuellen Erkenntnisquellen herzuleitende Vermutung, dass sich Schutzberechtigte unter Aufbietung ihrer Eigenleistungsfähigkeit und unter Zuhilfenahme staatlicher Programme in Rumänien ein menschenwürdiges Leben aufbauen kann, nicht widerlegt.
Der Senat hat auch keine durchgreifenden Zweifel daran, dass der Leistungseinschränkung im konkreten Fall auch europäisches Recht nicht entgegensteht. Hierzu ist zunächst festzustellen, dass gewichtige Gründe dagegensprechen, dass sich die Antragstellerin überhaupt auf die Regelungen der Aufnahmerichtlinie berufen kann. Bei rechtsmissbräuchlicher Einreise liegt keine Antragstellereigenschaft im Sinne des Art. 2 lit. b Aufnahmerichtlinie vor, sofern ein Antrag auf internationalen Schutz nur vorgeschoben war (vgl. Hohm in: Hohm, AsylbLG, Stand: Januar 2022, § 1a Rn. 602; Birk in: Bieritz-Harder/Conradis/Palsherm, SGB XII, § 1a Rn. 33). Für eine rechtsmissbräuchliche Einreise - um in Deutschland ein besseres Leistungsniveau zu erhalten - spricht, dass der hierzu geäußerte Vortrag der Antragstellerin, die Lebensverhältnisse in Rumänien seien schlecht, sie habe keine Unterkunft und kein Essen und Trinken erhalten, wenig glaubhaft und in keiner Form substantiiert ist. Ihre Auskunft deckt sich bereits nicht mit dem Länderbericht (AIDA-RO-2023-Update, S. 199), wonach internationale Schutzberechtigte für sechs Monate - mit Verlängerungsmöglichkeit auf zwölf Monate - zuschussweise Hilfen in Höhe von 115,00 € monatlich erhalten, vorausgesetzt, sie nehmen an Integrationsprogrammen teil. Auch geht aus dem Bericht hervor (S. 122), dass im Berichtszeitraum keine Situation bekannt geworden ist, in der Asylsuchende wegen eines Mangels an Unterkünften in Aufnahmezentren ohne Unterkunft geblieben wären. In Anbetracht dieses Umstandes wäre von der anwaltlich vertretenen Antragstellerin zumindest zu erwarten gewesen, darzutun, wie sie bis zur Ausreise in Rumänien gelebt hat und welche - ggf. vergeblichen - Anstrengungen sie unternommen hat, um dort Unterkunft und Versorgung zu erhalten.
Auch wenn man von einer Anwendbarkeit der Aufnahmerichtlinie ausgeht, bestehen keine gravierenden Zweifel daran, dass das der Antragstellerin gewährte Leistungsniveau - unter Berücksichtigung der Möglichkeit, besondere Bedarfe individuell auf gesonderten Antrag zu berücksichtigen - jedenfalls dem Art. 20 Abs. 1 Aufnahmerichtlinie entspricht. Danach können die Mitgliedstaaten die im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen in begründeten Ausnahmefällen unter anderem dann einschränken oder entziehen, wenn ein Antragsteller einen Folgeantrag nach Art. 2 lit. q Richtlinie 2013/32 EU (Richtlinie zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes -Verfahrensrichtlinie-) gestellt hat. Zu Art. 2 lit. q Verfahrensrichtlinie hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in systematischer Auslegung unter Zusammenschau mit Art. 40 Abs. 1 Verfahrensrichtlinie entschieden (Urteil vom 19.12.2024 - C 123/23 und C 202-23 -, juris), dass der in Art. 2 lit. q definierte Begriff des Folgeantrags auch den Fall eines neuen Antrags umfasst, der nach der Entscheidung eines anderen Mitgliedstaats über einen früheren Antrag desselben Antragstellers gestellt wird. Damit hat er letztlich die Vorlagefrage 2 a des BSG aus dem Beschluss vom 25.07.2024 (B 8 AY 7/23 R - juris) bereits beantwortet. Nachdem also zugunsten der Antragstellerin eine rechtskräftige Entscheidung Rumäniens über die Zuerkennung internationalen Schutzes vorliegt, ist europarechtlich eine Einschränkung oder Entziehung der im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen unter Einhaltung eines objektiven und unparteiischen Verfahrens, unter Beachtung der besonderen Situation der betroffenen Personen und des Verhältnismäßigkeitsprinzips (Art. 20 Abs. 5 Aufnahmerichtlinie) möglich. Das der Antragstellerin unter Beachtung des Verwaltungsverfahrensrechts gewährte Leistungsniveau - unter Berücksichtigung der nach besonderer Geltendmachung ebenfalls zu gewährenden Leistungen zur Deckung des soziokulturellen Existenzminimums - erfüllt nach Auffassung des Senats diese Maßstäbe.
Gründe dafür, dass die vom Antragsgegner mit Wirkung für die Zukunft vorgenommene Rücknahme der Leistungsbewilligung ausgeschlossen gewesen wäre, hat die Antragstellerin nicht dargetan. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Damit ist grundsätzlich erforderlich, dass der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und dieses Vertrauen objektiv ins Werk gesetzt hat (vgl. Schütze in: Schütze, SGB X, 9. Aufl., § 45 Rn. 44). Zwar dürfte die objektive Beweisführungslast dafür, dass Vertrauen nicht bestanden hat, grundsätzlich bei der Behörde liegen (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 05.11.1997 - 9 RV 20/96 - juris, wonach für das Vorliegen von Vertrauen eine Vermutung spreche). Jedoch trifft den Begünstigten zunächst die Darlegungslast für die tatsächlich geübte Vertrauensbetätigung (vgl. Schütze a.a.O., Rn 45). Zu einer solchen hat die Antragstellerin jedoch nichts ausgeführt.
Die Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X (zwei Jahre nach Bekanntgabe) wurde eingehalten.
Weiterhin hat der Antragsgegner erkannt, dass ihm im Rahmen der Rücknahmeentscheidung Ermessen zusteht, und im Rahmen der Ermessensausübung keine willkürlichen Erwägungen angestellt, sondern das öffentliche Interesse daran, dass Leistungen aus öffentlichen Mitteln auf unbestimmte Zeit zu Unrecht erbracht würden, gegen die Interessen der Antragstellerin abgewogen und berücksichtigt, dass zu ihren Gunsten weder eine besondere Härte noch sonstige Umstände sprechen würden. Dies genügt gerade noch den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessenausübung.
Nach alledem war die Beschwerde zurückzuweisen. Über die Beschwerde gegen Ziff. III des Beschlusses des SG ist im Beschwerdeverfahren mit dem Aktenzeichen L 11 AY 15/25 B PKH zu entscheiden.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Nachdem nach dem Gesagten keine Erfolgsaussichten für das Beschwerdeverfahren bestanden, war auch der Antrag auf Prozesskostenhilfe abzulehnen.
Dieser Beschluss ist gemäß § 177 SGG unanfechtbar.