L 13 AL 3327/23

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AL 889/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 AL 3327/23
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

Arbeitslose, die in den Jahren 2022 und 2023 Arbeitslosengeld bezogen haben, haben keinen Anspruch darauf, dass dieses um einen Inflationsausgleich zu erhöhen ist. Das Fehlen einer entsprechenden gesetzlichen Regelung ist verfassungsrechtlich, insb. im Lichte des Art 3 GG nicht zu beanstanden.

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 31. Oktober 2023 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten



Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung höheren Arbeitslosengeldes unter Berücksichtigung eines Inflationsausgleichs.

Der im Jahr 1962 geborene, ledige und kinderlose Kläger war (seit 2016) bei verschiedenen Steuerberatungskanzleien als Steuerfachangestellter bzw. Bilanzbuchhalter beschäftigt. Zuletzt war er, bis zum 31. Juli 2021, bei der Steuerberaterin K1 F1 tätig und erzielte hieraus, bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 32 Stunden, ein Bruttoarbeitsentgelt von 2.600,- € monatlich. Seit dem 1. Oktober 2015 übt der Kläger auf selbstständiger Basis eine Tätigkeit im Bereich der Softwareentwicklung aus. Vom 1. November 2020 – 30. November 2022 bezog er von der Deutschen Rentenversicherung Bund eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Vom 1. August 2021 - 4. März 2022 bezog der Kläger von der AOK B1 Krankengeld.

Am 4. März 2022 meldete sich der Kläger bei der Beklagten mit Wirkung zum 5. März 2022 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Arbeitslosengeld. Er gab hierbei u.a. an, nur im Umfang von 30 Stunden wöchentlich arbeiten zu können.

Mit Bescheid vom 24. März 2022 bewilligte die Beklagte dem Kläger sodann Arbeitslosengeld ab dem 5. März 2022 für 720 Kalendertage i.H.v. 27,77 € täglich für den Zeitraum vom 5. – 31. März 2022, i.H.v. 26,94 € für den Zeitraum vom 1. April 2022 – 29. Februar 2024 und i.H.v. 28,11 € für den Zeitraum vom 1. – 3. März 2024. Hierbei ging sie von einem Arbeitsentgelt von täglich 85,48 € aus, welches sie wegen der erfolgten Einschränkung auf mögliche 30 wöchentliche Arbeitsstunden auf ein Bemessungsentgelt von täglich 80,14 € reduzierte. Ferner legte sie die Lohnsteuerklasse I, die Lohnsteuertabelle für das Jahr 2022 sowie den allgemeinen Leistungssatz zu Grunde. Einkünfte des Klägers aus dessen selbstständiger Tätigkeit berücksichtigte sie im Umfang von 200,- € monatlich, woraus sie unter Abzug eines Freibetrages von 165,- € einen täglichen Anrechnungsbetrag von 0,34 € (5. – 31. März 2022), von 1,17 € (1. April 2022 – 29. Februar 2024) bzw. i.H.v. 0,- € (1. – 3. März 2024) errechnete und berücksichtigte.

Auf einen Widerspruch des Klägers und nach Vorlage einer betriebswirtschaftlichen Auswertung, aus welcher sich negative Einkünfte aus der selbstständigen Tätigkeit errechneten, änderte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 3. Mai 2022 (Änderungsbescheid vom 13. Juli 2022; Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2022) ab und bewilligte dem Kläger ab dem 1. April 2022 Arbeitslosengeld (bei ansonsten unveränderten Berechnungsgrundlagen) ohne die Anrechnung von Nebeneinkünften i.H.v. 28,19 € täglich. Mit Bescheid vom 9. August 2022 änderte die Beklagte die Leistungsbewilligung ab dem 5. März 2022 (bei ansonsten unveränderten Berechnungsgrundlagen) im Hinblick auf die zu berücksichtigende Steuerklasse ab und bewilligte ein tägliches Arbeitslosengeld i.H.v. 33,64 €.

Eine gegen den Widerspruchsbescheid vom 13. Juli 2022 zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhobene Klage (- S 1 AL 1813/22 -) ist durch Urteil vom 15. November 2022 abgewiesen worden. Die hiergegen eingelegte Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 11. April 2023 zurückgewiesen. Eine zum Bundessozialgericht (BSG) erhobene Nichtzulassungsbeschwerde (- B 11 AL 19/23 B -) hat dieses mit Beschluss vom 15. September 2023 als unzulässig verworfen.


Wegen der mit dem Steuerentlastungsgesetz 2022 beschlossenen Erhöhungen des Grundfreibetrages und des Arbeitnehmer-Pauschbetrages änderte die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 24. Februar 2023 ab dem 5. März 2022 ab und bewilligte dem Kläger Arbeitslosengeld i.H.v. 33,84 € täglich (Bemessungsentgelt: 80,43 € täglich; Lohnsteuerklasse I, Lohnsteuertabelle 2022, allgemeiner Leistungssatz).

Hiergegen erhob der Kläger am 23. März 2023 Widerspruch, mit dem er geltend machte, dass die Inflationsrate von 8,7% im Januar und Februar 2023 bei der Leistungsgewährung angemessen berücksichtigt werden müsse.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2023 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung ihrer Entscheidung führte sie aus, der Kläger habe im Bemessungsrahmen vom 5. März 2020 – 4. März 2022 an 487 Tagen ein beitragspflichtiges Arbeitsentgelt von insg. 41.780,- € erzielt, woraus sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt (Bemessungsentgelt) von 85,79 € errechne. Da der Kläger jedoch hierbei durchschnittlich 32 Stunden wöchentlich gearbeitet habe, er sodann jedoch seine Arbeitsbereitschaft auf 30 Stunden wöchentlich eingeschränkt habe, vermindere sich das Bemessungsentgelt auf täglich 80,43 €. Bei der Leistungsberechnung bleibe die Höhe der jeweils aktuellen Inflationsrate außer Betracht.

Hiergegen hat der Kläger am 2. Mai 2023, einem Montag, Klage zum SG erhoben. Zu deren Begründung hat er vorgetragen, bei der Gewährung von Arbeitslosengeld habe die überproportional stark angestiegene Inflation, im Gegensatz zu anderen staatlichen Leistungen wie bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) oder dem Wohngeld und auch anders als bei Arbeitnehmern keine (ausreichende) Berücksichtigung gefunden. Die konkrete Berechnung der Beklagten im Hinblick auf das ihm zu gewährenden Arbeitslosengeld, ohne konkrete Berücksichtigung der aktuellen Inflationsrate, verstoße gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), der dem Gesetzgeber gebiete, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Dies gelte für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergäben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeit reichten. Für die Anforderungen an Rechtfertigungsgründe für gesetzliche Differenzierungen komme es wesentlich darauf an, in welchem Maße sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken könne. Genauere Maßstäbe und Kriterien dafür, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber den Gleichheitssatz verletze, ließen sich nicht abstrakt und allgemein, sondern nur in Bezug auf die jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereiche bestimmen. Gegenüber Arbeitnehmern erlaube es der gesetzlich vorgesehene Inflationsausgleich den Arbeitgebern, den Arbeitnehmern eine Prämie i.H.v. bis zu 3.000,- € steuerfrei und frei von Sozialabgaben auszubezahlen. Gleichfalls könnten Bezieher von Krankengeld in den Genuss der steuer- und sozialabgabenfreien Prämie kommen. Zudem sei das Krankengeld zum 1. Juli 2023 um 4,69 % erhöht worden, nachdem sich die Bruttoarbeitsentgelte von Arbeitnehmern in dem vorangegangenen Jahr um den entsprechenden Wert erhöht hätten. Im Geltungsbereich des SGB II sei der Regelsatz zum 1. Januar 2023 von bisher 449,- € für einen alleinstehende Hilfebedürftige auf 502,- € monatlich angehoben worden. Zum 1. Januar 2024 sei wegen der gestiegenen Lebenshaltungskosten eine weitere Erhöhung um 12 % geplant. Vergleichbare Anpassungen seien beim Arbeitslosengeld nicht erfolgt. Arbeitslose, die jahrzehntelang in die Arbeitslosenversicherung einbezahlt hätten, seien den starken Preissteigerungen für Wohnen, Heizen und Lebensmittel vollständig ausgeliefert, ohne dass sie aktiv etwas daran ändern könnten, denn die Arbeitslosenunterstützung berechne sich auf Basis des letzten Nettolohns. Sei die Arbeitslosigkeit vor den extremen Preissteigerungen Anfang 2023 eingetreten, werde ein Arbeitslosengeldempfänger gegenüber den Beziehern der benannten Leistungen ohne ersichtliche Rechtfertigung ungleich behandelt. Mangels Angleichung der Arbeitslosengeld-Leistungen sei deren Gewährung daher verfassungswidrig.

Die Beklagte ist der Klage unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid vom 28. März 2023 entgegengetreten. Eine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer inflationsbedingten Erhöhung der Leistungssätze habe nicht bestanden; ein Verfassungsverstoß liege hierin nicht begründet.

Nachdem der Kläger ab dem 5. Juli 2023 durchgängig arbeitsunfähig erkrankt gewesen ist, hob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld mit Bescheid vom 20. Oktober 2023 ab dem 20. Oktober 2023 wegen des Endes der Leistungsfortzahlung im Krankheitsfall nach § 48 Abs. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch auf.

Mit Gerichtsbescheid vom 31. Oktober 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, die Höhe der dem Kläger bewilligten Arbeitslosengeld-Leistungen sei von der Beklagten zutreffend berechnet worden. Unter Verweis auf den Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 28. März 2023 (§ 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) hat es ausgeführt, die klägerseits begehrte Berücksichtigung einer Inflationsrate bei der Leistungsgewährung finde in den gesetzlichen Regelungen der Höhe des Arbeitslosengeldes keine Stütze. Eine Verfassungswidrigkeit der Berechnung könne es, das SG, nicht erkennen. Eine Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG im Vergleich zu Leistungen nach dem SGB II liege bereits deswegen nicht vor, weil die existenzsichernden Leistungen des SGB II die Regelbedarfe für den notwendigen Lebensunterhalt, Unterkunft und Heizung umfassten und Leistungen nach dem SGB II nur Personen erhielten, die hilfebedürftig seien. Demgegenüber hänge die Höhe des Arbeitslosengeldes maßgeblich vom Familienstatus, von der Lohnsteuerklasse und dem Arbeitsentgelt ab. Das zugrunde zu legende Arbeitsentgelt sei nach den §§ 151 ff. Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) zu berechnen, die Höhe der Abzüge ergebe sich aus § 153 SGB III, wobei individuelle Abzüge und Freibeträge bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes nicht zu berücksichtigen seien. Eine Vergleichbarkeit des nach dem SGB III zu berechnenden Arbeitslosengeldes mit den im SGB II vorgesehenen existenzsichernden Leistungssätzen bestehe daher nicht. Der sog. Inflationsausgleichsprämie, die Arbeitnehmer von den Arbeitgebern erhalten könnten, liege eine freiwillige Entscheidung des jeweiligen Arbeitgebers zu Grunde. Eine Vergleichbarkeit mit den Leistungen nach dem SGB III sei daher nicht ersichtlich. Schließlich könne es, das SG, auch eine Verpflichtung des Gesetzgebers zu einer inflationsbedingten Erhöhung der Leistungssätze nach dem SGB III nicht erkennen.

Gegen den ihm am 6. November 2023 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 1. Dezember 2023 Berufung beim LSG Baden-Württemberg eingelegt. Zu deren Begründung wiederholt und vertieft er sein erstinstanzliches Vorbringen. Er betont, der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG beziehe sich auch auf den Zuwachs der Leistungen. Dieser habe bei seinem Arbeitslosengeld 5,9 Promille in zwei Jahren, beim Bürgergeld jedoch 2 x 12% betragen. Dieser eklatante Unterschied sei ungerecht. Das durchschnittliche Arbeitslosengeld habe sich im Jahr 2022 auf monatlich 1.109,- € belaufen. Die Armutsgrenze habe hingegen 1.250,- € betragen. Die Unterschreitung dieser Grenze stelle eine Menschenrechtsverletzung dar. Zuletzt hat er unter Vorlage von vergleichenden Diagrammen vorgetragen, dass einkommensreiche Haushalte grundsätzlich besser mit steigenden Preisen umgehen könnten als einkommensarme Haushalte, weswegen unter grundgesetzlichen Aspekten alle Sozialleistungen automatisch an die Inflation angepasst werden müssten. Dies sei dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, hilfsweise sei die Revision zuzulassen.


Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 31. Oktober 2023 aufzuheben und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 24. Februar 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2023 zu verurteilen, dem Kläger Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe, unter Berücksichtigung eines Ausgleiches für Inflation, zu gewähren,


hilfsweise,

das Verfahren nach Art. 100 des Grundgesetzes auszusetzen und dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.


Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung ihres Antrages verweist die Beklagte auf die aus ihrer Sicht zutreffenden Ausführungen des SG im angefochtenen Gerichtsbescheid. Ergänzend führt sie aus, dass das Arbeitslosengeld, im Gegensatz zum Bürgergeld, keine staatliche Hilfe in Form von einer Sozialleistung, sondern eine reine Versicherungsleistung darstelle. Die Höhe der Versicherungsleistung (60% bzw. 67% des Nettolohnes) sei individuell und richte sich nach dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt der letzten zwölf Monate. Der Bezug von Arbeitslosengeld hänge nicht von einer Bedürftigkeit ab. Die Finanzierung erfolge nicht aus Steuermitteln, sondern allein aus den Beitragseinzahlungen von Lohn oder Gehalt in die Arbeitslosenversicherung. Eine Vergleichbarkeit der beiden Leistungen sei daher nicht gegeben.


Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes, insb. des Vorbringens der Beteiligten wird auf die (elektronisch geführten) Prozessakten beider Rechtszüge sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2025 geworden sind, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 18. März 2025 verwiesen.


Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht (vgl. § 151 Abs. 1 SGG) eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft. Ungeachtet der Frage, auf welchen konkreten Betrag sich die begehrte Berücksichtigung eines Inflationsausgleichs bei der Gewährung des Arbeitslosengeldes beläuft, ist vorliegend bei einer Arbeitslosengeldgewährung vom 5. März 2022 – 19. Oktober 2023 ein Zeitraum von mehr als einem Jahr streitig (vgl. § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG), weswegen die Berufung statthaft (vgl. § 143 SGG) und auch im Übrigen zulässig ist.

Streitgegenständlich ist der Bescheid der Beklagten vom 24. Februar 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2023, mit welchem die Beklagte dem Kläger Arbeitslosengeld ab dem 5. März 2022 für 720 Kalendertage i.H.v. 33,84 € täglich bewilligt hat. Da die Beklagte jedoch die Leistungsbewilligung mit bestandskräftigem Bescheid vom 20. Oktober 2023 ab diesem Tag aufgehoben hat, dieser Bescheid auch nicht nach § 96 SGG Gegenstand des zum Zeitpunkt des Erlasses des Bescheides noch anhängigen erstinstanzlichen Verfahrens geworden ist, ist hiernach nur der Zeitraum vom 5. März 2022 – 19. Oktober 2023 streitgegenständlich.

Die Berufung führt für den Kläger inhaltlich nicht zum Erfolg; das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Diese ist zwar, unter Heranziehung des § 64 Abs. 3 SGG, noch fristgerecht erhoben worden, der Bescheid vom 24. Februar 2023 (Widerspruchsbescheid vom 28. März 2023) ist jedoch inhaltlich rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinem Rechten.

Der Kläger kann von der Beklagten im Zeitraum vom 5. März 2022 – 19. Oktober 2023 kein höheres Arbeitslosengeld beanspruchen.

Der Kläger hat nach §§ 136 Abs. 1 Nr. 1, 137 Abs. 1 SGB III in der ab dem 1. April 2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20. Dezember 2011 (BGBl. I. S. 2854) im streitgegenständlichen Zeitraum vom 5. März 2022 – 19. Oktober 2023 Anspruch auf Arbeitslosengeld bei Arbeitslosigkeit, weil er, was zwischen den Beteiligten nicht in Streit steht, arbeitslos gewesen ist, sich bei der Agentur für Arbeit arbeitslos gemeldet und die Anwartschaftszeit erfüllt hatte.

Die Höhe des Arbeitslosengeldes beträgt nach § 149 SGB III in der ab dem 1. Januar 2013 geltenden Fassung des Gesetzes zur Neuordnung der Altersversorgung der Bezirksschornsteinfegermeister und zur Änderung anderer Gesetze vom 5. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2467) für Arbeitslose, die mindestens ein Kind i.S.d. § 32 Abs. 1, 3 bis 5 des Einkommensteuergesetzes (EStG) haben, sowie für Arbeitslose, deren Ehegattin, Ehegatte, Lebenspartnerin oder Lebenspartner mindestens ein Kind i.S.d. § 32 Absatz 1, 3 bis 5 EStG hat, wenn beide Ehegatten oder Lebenspartner unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind und nicht dauernd getrennt leben, 67 Prozent (erhöhter Leistungssatz; Nr. 1), für die übrigen Arbeitslosen 60 Prozent (allgemeiner Leistungssatz; Nr. 2) des pauschalierten Nettoentgelts (Leistungsentgelt), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat (Bemessungsentgelt).

Der Bemessungszeitraum umfasst nach § 150 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab dem 1. April 2012 geltenden Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (a.a.O.) die beim Ausscheiden aus dem jeweiligen Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Entgeltabrechnungszeiträume der versicherungspflichtigen Beschäftigungen im Bemessungsrahmen. Der Bemessungsrahmen umfasst ein Jahr; er endet mit dem letzten Tag des letzten Versicherungspflichtverhältnisses vor der Entstehung des Anspruchs (a.a.O. Satz 2). Der Bemessungsrahmen wird nach § 150 Abs. 3 Nr. 1 SGB III auf zwei Jahre erweitert, wenn der Bemessungszeitraum weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt enthält.

Bemessungsentgelt ist nach § 151 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab dem 1. Juli 2020 geltenden Fassung des Siebten Gesetzes zur Änderung des Vierten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 12. Juni 2020 (BGBl. I S. 1248) das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das die oder der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat.  Ist die oder der Arbeitslose nicht mehr bereit oder in der Lage, die im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Zahl von Arbeitsstunden zu leisten, vermindert sich das Bemessungsentgelt für die Zeit der Einschränkung entsprechend dem Verhältnis der Zahl der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden, die die oder der Arbeitslose künftig leisten will oder kann, zu der Zahl der durchschnittlich auf die Woche entfallenden Arbeitsstunden im Bemessungszeitraum (a.a.O. Abs. 5 Satz 1).

Leistungsentgelt ist nach § 153 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der ab dem 1. Januar 2019 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Chancen für Qualifizierung und für mehr Schutz in der Arbeitslosenversicherung vom 18. Dezember 2018 (BGBl. I S. 2651) das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Nach Satz 2 (a.a.O.) sind eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 20 Prozent des Bemessungsentgelts (Nr. 1), die Lohnsteuer, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen auf Grund des § 51 Absatz 4 Nummer 1a des Einkommensteuergesetzes bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 39b Absatz 2 Satz 5 Nummer 3 Buchstabe a bis c des Einkommensteuergesetzes zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt (Nr. 2) und der Solidaritätszuschlag (Nr. 3) Abzüge i.S.d. Satzes 1. Bei der Berechnung der Abzüge nach Satz 2 Nummer 2 und 3 sind Freibeträge und Pauschalen, die nicht jeder Arbeitnehmerin oder jedem Arbeitnehmer zustehen, nicht zu berücksichtigen (§ 153 Abs. 1 Satz 3 SGB III). Die Feststellung der Lohnsteuer richtet sich hierbei nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, als Lohnsteuerabzugsmerkmal gebildet war (§ 153 Abs. 2 Satz 1 SGB III).

In Anlegung dieser (zwingenden) gesetzlichen Vorgaben ist die Beklagte zu der zutreffenden Leistungshöhe von 33,84 € täglich gelangt. Sie hat hierbei in nicht zu beanstandender Weise die Entgeltabrechnungszeiträume vom 01. April 2020 - 31. Juli 2021 als Bemessungszeitraum zu Grunde gelegt und aus dem innerhalb dieses Zeitraums an 487 Tagen erarbeiteten beitragspflichtigen Arbeitsentgelt von insg. 41.780,- € ein durchschnittliches tägliches Entgelt (Bemessungsentgelt) von 85,79 € errechnet. Da der Kläger im Bemessungszeitraum durchschnittlich 32 Stunden wöchentlich gearbeitet hat, er jedoch seine Arbeitsbereitschaft mit seiner Arbeitslosmeldung auf wöchentlich 30 Stunden eingeschränkt hat, hat die Beklagte das Bemessungsentgelt getragen von § 151 Abs. 5 Satz 1 SGB III auf täglich 80,43 € vermindert. In Anlegung der maßgeblichen Lohnsteuerklasse 1 hat sie sodann unter Berücksichtigung der sich hieraus ergebenden Abzüge ein Leistungsentgelt i.H.v. 56,40 € täglich errechnet. Da der Kläger kein nach § 149 SGB III zu berücksichtigendes Kind hat, hat die Beklagte hieraus bei Anlegung des allgemeinen Leistungssatzes von 60 % einen Anspruch auf Arbeitslosengeld i.H.v. 33,84 € bewilligt.

Für das klägerische Begehren einer Berücksichtigung der Inflation bei der Leistungshöhe findet sich in den Bestimmungen über die Höhe des zu gewährenden Arbeitslosengeldes keine gesetzliche Regelung, weswegen der geltend gemachte weitergehende Leistungsanspruch nicht besteht.

Dies unterliegt, anders als vom Kläger geltend gemacht, keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Der Senat vermag insb. keinen Verstoß gegen den in Art. 3 Abs. 1 GG normierten Gleichheitsgrundsatz, dass alle Menschen vor dem Gesetz gleich sind, zu erkennen. Der Gleichheitssatz enthält die allgemeine Weisung, bei steter Orientierung am Gerechtigkeitsgedanken Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts [BVerfG] u.a. Urteil vom 17. Dezember 1953 - 1 BvR 147/52 -; Beschluss vom 7. Dezember 2022 - 2 BvR 988/16 -, beide in juris) oder m.a.W. Art. 3 Abs. 1 GG enthält das Gebot „weder wesentlich Gleiches willkürlich ungleich, noch wesentlich Ungleiches willkürlich gleich“ zu behandeln (BVerfG, Urteil vom 16. März 1955 - 2 BvK 1/54 -, in juris). Der Gleichheitssatz verlangt weder, dass bei der Ordnung eines bestimmten Lebensgebietes alle tatsächlichen Verschiedenheiten vernachlässigt werden, noch, dass alle vorgegebenen Ungleichheiten berücksichtigt werden. Entscheidend ist vielmehr, ob die tatsächlichen Ungleichheiten in dem jeweils in Betracht kommenden Zusammenhang so bedeutsam sind, dass sie beachtet werden müssen (BVerfG, Urteil vom 30. April 1952 – 1 BvR 14/52 –, in juris). Er ist verletzt, wenn sich ein vernünftiger, sich aus der Natur der Sache ergebender oder sonstwie sachlich einleuchtender Grund für die gesetzliche Differenzierung oder Gleichbehandlung nicht finden lässt, m.a.W., wenn die Bestimmung als willkürlich bezeichnet werden muss. Art. 3 Abs. 1 GG enthält mithin ein auch den Gesetzgeber bindendes Willkürverbot. Das bedeutet, dass bei der Auswahl der Tatbestände, für die eine gesetzliche Regelung getroffen wird, sachgemäß, d.h. nach Gesichtspunkten, die sich aus der Eigenart des zu regelnden Sachverhalts ergeben, in diesem Sinne als nicht „willkürlich“, zu verfahren ist (BVerfG, Beschluss vom 1. Juni 1989 - 2 BvR 239/88 -). Räumt der Gesetzgeber dem Bürger einen Anspruch auf staatliche Leistungen ein und begünstigt er dabei einzelne Gruppen, dann verletzt er die Grenzen des Art. 3 Abs. 1 GG nicht, wenn sich aus dem Gegenstand der Regelung für die Art der Differenzierung ein sachlich vertretbarer Gesichtspunkt anführen lässt und wenn die besonderen Wertentscheidungen der Verfassung beachtet bleiben (BVerfG, Beschluss vom 11. Dezember 1973 - 2 BvL 47/71 -, in juris).

Soweit der Kläger meint, der Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG sei dadurch verletzt, dass Leistungen nach dem SGB II in den Jahren 2022 und 2023 jeweils um 12 % erhöht worden seien, sein Anspruch auf Arbeitslosengeld hingegen nur um 5,9 Promille angestiegen sei, begründet dies keine willkürliche Ungleichbehandlung i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG. Der Vortrag verkennt bereits, dass es sich bei Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts um existenzsichernde Leistungen handelt, während dem Arbeitslosengeld eine Lohnersatzfunktion (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 27. Januar 1977 - 7 RAr 47/75 -, in juris, dort Rn. 24) zukommt. Das Arbeitslosengeld ist, anders als das Bürgergeld, auch keine steuerfinanzierte Leistung, sondern beruht auf einkommensabhängigen Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung. Korrelierend hierzu hängt die Höhe des Arbeitslosengeldes auch von der Höhe des zuletzt bezogenen Einkommens ab. Allein diese Unterschiede stellen einen sachlichen Grund dafür dar, die Höhe des Arbeitslosengeldes nicht an Kaufkraftveränderungen zu koppeln. Dies widerspräche vielmehr dem Versicherungsprinzip.

Soweit zur Begründung des geltend gemachten Anspruchs darauf verwiesen wird, dass die Höhe des Krankengeldes zum 1. Juli 2023 um 4,69 % erhöht worden sei, vermag auch dies keine willkürliche Ungleichbehandlung gegenüber Beziehern von Arbeitslosengeld zu begründen. Die Erhöhung von Krankengeld erfolgte auf Grundlage des § 70 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch. Durch diese Regelung soll einer (positiven) wirtschaftlichen Entwicklung bei der Bemessung u.a. von Krankengeld Rechnung getragen werden. Die Erhöhung verfolgt mithin einen anderen Zweck und ist mit der vorliegend begehrten inflationsbedingten Erhöhung nicht vergleichbar.

Soweit auch angeführt wird, dass der Gesetzgeber geregelt habe, dass Arbeitgebern erlaubt sei, Arbeitnehmern eine Inflationsausgleichprämie i.H.v. bis zu 3.000,- € steuer- und sozialversicherungsfrei auszubezahlen, Arbeitslose hingegen nicht in den Genuss dieser Prämie kommen können, ist dies bereits dadurch sachlich gerechtfertigt, als die tatsächliche Auszahlung der Prämie nicht gesetzlich vorgeschrieben gewesen ist, mithin der jeweiligen unternehmerischen Entscheidung des Arbeitgebers bzw. Dienstherrn unterlag. Eine Verpflichtung, diesen Vorteil auch Beziehern von Lohnersatzleistungen zur Verfügung stellen zu müssen, ist verfassungsrechtlich nicht geboten gewesen.

Soweit der Kläger schließlich seinen Anspruch auf eine inflationsbedingte Erhöhung auf die konkrete Höhe der bezogenen Leistungen gestützt sieht, die die Armutsgrenze unterschreite, steht ihm die Möglichkeit offen, ergänzend bzw. aufstockend Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II zu beantragen. Hierdurch könnte einem ggf. bestehenden Unterschreiten des soziokulturellen Existenzminimums begegnet werden. Ein Anspruch darauf, das Arbeitslosengeld in einer existenzsichernden Höhe erhalten zu können, besteht daneben nicht.

Mithin hat der Kläger keinen Anspruch auf ein höheres Arbeitslosengeld als ihm mit dem Bescheid vom 24. Februar 2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. März 2023 von der Beklagten bewilligt worden ist.

Die Berufung des Klägers gegen den klageabweisenden Gerichtsbescheid des SG vom 31. Oktober 2023 ist zurückzuweisen.

Da der Senat auch nicht davon überzeugt ist, dass die nicht gesetzlich vorgesehene automatische Anpassung des Arbeitslosengeldes bzw. wie der Kläger meint, aller Sozialleistungen, verfassungswidrig ist, ist das Verfahren nicht nach Art. 100 GG auszusetzen und dem BVerfG vorzulegen.


Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt im Rahmen der anzustellenden gerichtlichen Ermessensentscheidung (vgl. BSG, Beschluss vom 25. Mai 1957 - 6 RKa 16/54 -, in juris, dort Rn. 8), dass der Kläger auch in der Rechtsmittelinstanz mit seinem Begehren nicht durchgedrungen ist und die Beklagte keine Veranlassung für die Durchführung eines gerichtlichen Verfahrens gegeben hat.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht. Allein die Geltendmachung einer vermeintlichen Verfassungswidrigkeit rechtfertigt die Zulassung der Revision nicht.


 

Rechtskraft
Aus
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