L 4 KR 838/24

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4.
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 1 KR 1588/23
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 838/24
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil

Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Februar 2024 wird zurückgewiesen. Die Klage gegen den Bescheid vom 14. Mai 2024 wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten
.



Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die endgültige Festsetzung von Beiträgen zur gesetzlichen Kranken- und sozialen Pflegeversicherung für die Zeit vom 1. Januar bis 31. Dezember 2019 sowie die vorläufige Beitragsfestsetzung ab 1. Mai 2022.

Der 1981 geborene Kläger ist seit dem 1. August 2018 als Rechtsanwalt hauptberuflich selbständig tätig. Die Bundesagentur für Arbeit bewilligte ihm für die Zeit vom 1. August 2018 bis 31. Januar 2019 einen Gründungszuschuss nach §§ 93, 94 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) in Höhe von monatlich 1.967,10 €. Dieser Betrag enthielt eine Pauschale von 300,00 € zur sozialen Sicherung.

Seit dem 1. August 2018 ist der Kläger, Vater zweier 2018 bzw. 2020 geborener Kinder, bei der Beklagten zu 1 ohne Anspruch auf Krankengeld freiwillig kranken- und bei der Beklagten zu 2 sozial pflegeversichert.

Die Beklagte zu 1 setzte – hinsichtlich der Pflegeversicherung im Namen der Beklagten zu 2 – die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zunächst jeweils vorläufig ab 1. Januar 2019 auf insgesamt 473,41 € monatlich sowie aufgrund einer Einkommensauskunft des Klägers ab 1. Februar 2019 auf insgesamt 532,50 € monatlich fest (Bescheide vom 17. Dezember 2018, 1. März 2019). Für Zeiträume ab dem 1. Februar 2020 erfolgten weitere vorläufige Beitragsfestsetzungen. Nach Vorlage des Einkommensteuerbescheides 2018 erfolgte eine endgültige Beitragsfestsetzung für den Zeitraum bis 31. Dezember 2018 (Bescheid vom 26. Januar 2021).

Im Dezember 2022 übermittelte der Kläger den Einkommensteuerbescheid für 2019 vom 28. April 2022. Dieser weist als einzige Einkünfte solche aus selbständiger Arbeit (freiberufliche Tätigkeit) i.H.v. 42.076,00 € aus.

Mit Bescheid vom 28. Dezember 2022 setzte die Beklagte zu 1 – auch im Namen der Beklagten zu 2 – den Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung aufgrund des Einkommensteuerbescheides 2019 für Januar 2019 aus der Beitragsbemessungsgrenze in Höhe von 4.537,50 € auf insgesamt 805,40 € (Krankenversicherung 667,01 €; Pflegeversicherung 138,39 €) und für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2019 aus den im Einkommensteuerbescheid 2019 ausgewiesenen Einkünfte aus selbständiger Arbeit in Höhe von monatlich 3.506,33 € auf monatlich 622,37 € (Krankenversicherung 515,43 €; Pflegeversicherung 106,94 €) endgültig sowie ab dem 1. Mai 2022 vorläufig auf insgesamt 639,91 € (Krankenversicherung 532,97 €; Pflegeversicherung 106,94 €) fest.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch, mit dem er sich sowohl gegen die endgültige als auch die vorläufige Beitragsfestsetzung wandte. Zur Begründung führte er aus, es sei nicht berücksichtigt worden, dass der steuerliche Gewinn auch Privatanteile und Umsatzsteuer enthalte, die bei der Beitragsbemessung nicht hinzuzurechnen seien. Für die Beitragsberechnung seien lediglich die Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 69.763,41 € abzüglich der Summe der Betriebsausgaben in Höhe von 55.899,58 €, mithin ein Betrag in Höhe von 13.863,83 € und damit ein monatliches Arbeitseinkommen in Höhe von 1.155,32 € zugrunde zu legen. Eine Einbeziehung in die Berechnung von anderen Vermögensanteilen als den Einnahmen aus freiberuflicher Tätigkeit und insbesondere der Umsatzsteuer verstieße außerdem gegen den Gleichheitssatz. Auch das Einkommen abhängig Beschäftigter werde nicht unter Einbeziehung anderer Vermögensbestandteile berechnet als dem tatsächlichen Einkommen. Ansonsten würde das Vermögen rechtswidrig doppelt zur Bemessung der Beitragspflicht herangezogen. Die Verletzung des Gleichheitssatzes sei besonders deutlich in der Einbeziehung der Umsatzsteuerbeträge zu erkennen. Die Umsatzsteuerbeträge, die er einnehme, jedoch eins zu eins an den Fiskus durchreiche, stellten für ihn unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einkommen dar. Eine ähnliche Position gebe es bei Arbeitnehmern, die der Beitragspflicht unterworfen seien, nicht. Darüber hinaus sei der unmittelbare Rückschluss von dem Geschäftsjahr 2019 auf das Geschäftsjahr 2021 nicht möglich, da die Corona-Pandemie seit 2020 einen nicht unerheblichen Einfluss auf das gesellschaftliche und geschäftliche Leben habe. Es seien weniger Verkehrsunfälle angefallen, was besonders seine auf das Verkehrsrecht spezialisierten Kanzlei treffe. Außerdem sei er erst seit 1,5 Jahren selbständig und habe noch keinen entsprechend krisensicheren Kundenstamm aufbauen oder ausreichende Rücklagen bilden können. Die Zahlung in der verlangten Höhe stelle eine akute Existenzgefährdung für ihn dar.

Bereits am 28. Dezember 2022 hatte der Kläger mit der Beklagten zu 1 wegen ausstehender Beitragszahlungen telefoniert (Inhalt des Telefonats nach dem hierüber gefertigten Aktenvermerk: „Rückstand mitgeteilt. Gewinneinbruch + Ratenzahlung angeboten“). Der Kläger stellte nachfolgend einen Antrag auf Beitragsreduzierung wegen übermäßiger Belastung sowie auf Ratenzahlung. Die Beklagte zu 1 forderte Unterlagen zum Nachweis eines Gewinnrückgangs an, insbesondere einen geänderten Steuervorauszahlungsbescheid. Nachdem dieser nicht vorgelegt worden war, lehnten die Beklagten eine Herabsetzung der Beiträge mit Bescheid vom 22. Februar 2023 ab. Widerspruch erhob der Kläger nicht.

Nach zwischenzeitlicher
Festsetzung von Höchstbeiträgen ab dem 1. Mai 2023 (Bescheid vom 16. April 2023) wegen fehlender Einkommensmitteilung setzte die Beklagte zu 1 – auch im Namen der Beklagten zu 2 – mit Bescheid vom 1. Juli 2023 (LSG 60) aufgrund des Einkommensteuerbescheides 2020 vom 6. März 2023 (Einkünfte aus selbständiger Arbeit 45.842,00 €) u.a. den Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. April 2023 vorläufig neu auf insgesamt 697,18 € fest (Krankenversicherung 580,66 €; Pflegeversicherung 116,52 €).

Mit dem Kläger ohne Absendevermerk per Post übermittelten Widerspruchsbescheid vom 14. August 2023 wies der gemeinsame Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Dezember 2022 als unbegründet zurück. Unter ausführlicher Darstellung der rechtlichen Grundlagen der Beitragsfestsetzung wurde zur Begründung ausgeführt, der Einkommensteuerbescheid 2019 weise Arbeitseinkommen von monatlich 3.506,33 € aus. Da der Kläger im Januar 2019 noch einen Gründungszuschuss bezogen und seine Einkünfte die Beitragsbemessungsgrenze überschritten hätten, seien die Beiträge in diesem Monat zutreffend aus der Beitragsbemessungsgrenze berechnet worden. Der Vortrag, der Beitragsbemessung sei lediglich ein tatsächliches Einkommen in Höhe von monatlich 1.155,32 € zugrunde zu legen, vermöge nicht zu überzeugen. Das Arbeitseinkommen sei der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit und entspreche damit dem Betrag, der im Steuerbescheid nach Abzug der Betriebsausgaben als Einkünfte aus selbständiger Arbeit festgestellt werde. Die im Steuerbescheid ausgewiesenen Sonderausgaben zur sozialen Absicherung dürften nicht berücksichtigt werden.

Mit Bescheid vom 14. September 2023 setzte die Beklagte zu 1 – auch im Namen der Beklagten zu 2 – aufgrund des Einkommensteuerbescheides 2020 den Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1. Juli 2023 vorläufig neu auf insgesamt 701,00 € fest (Krankenversicherung 580,66 €; Pflegeversicherung 120,34 €).

Am 28. September 2023 erhob der Kläger beim Sozialgericht Konstanz (SG) Klage gegen den Bescheid vom 28. Dezember 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2023. Mit Bescheid vom 28. Dezember 2022 seien Beiträge für den Zeitraum vom 1. Januar 2021 bis 31. Dezember 2021 festgesetzt worden. Der Widerspruchsbescheid vom 14. August 2023 sei ihm am 28. August 2023 zugegangen. Im Übrigen wiederholte und vertiefte er sein bisheriges Vorbringen und legte eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung 2019 vor. Darüber hinaus sei der unmittelbare Rückschluss von dem Geschäftsjahr 2019 auf das Geschäftsjahr 2021 hier nicht möglich. Die Corona-Pandemie seit 2020 habe einen nicht unerheblichen Einfluss auf das gesellschaftliche und geschäftliche Leben und insbesondere auf seine verkehrsrechtlich ausgerichtete Kanzlei gehabt. Die Festsetzung der Einkommensteuer 2019 habe er damals nicht näher überprüft, da ihm die Gesamtsumme realistisch erschienen sei. Erst nach Feststellung der Beitragsfestsetzung zur Kranken- und Pflegeversicherung habe er sie näher untersucht.

Mit Gerichtsbescheid vom 12. Februar 2024 wies das SG die Klage ab. Diese sei zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben, da die Beklagten mangels Absendevermerk keinen früheren Bekanntgabezeitpunkt des Widerspruchsbescheides nachweisen könnten als den vom Kläger angegebenen 28. August 2023. Die Klage sei aber nicht begründet. Gegenstand seien allein die in den angefochtenen Bescheiden geregelten Beitragsfestsetzungen für 2019 und ab Mai 2022. Diese seien aus den im Widerspruchsbescheid in Bezug genommenen genannten Gründen rechtmäßig. Die vom Kläger vorgebrachten verfassungsrechtlichen Einwendungen überzeugten nicht. Im Steuerrecht habe der Kläger die Möglichkeit, Aufwendungen für seine selbständige berufliche Tätigkeit als seine Einkünfte mindernd geltend zu machen. Das Sozialrecht vollziehe die steuerrechtliche Einkommensberechnung lediglich nach. Vergleiche zur Berücksichtigung der Umsatzsteuerzahlungen bei Arbeitnehmern gingen fehl, da dort solche Zahlungen nicht anfielen. Die Möglichkeit einer Beitragsreduzierung wegen übermäßiger Belastung habe die Beklagte zu 1 geprüft, aber mit bestandskräftigem Bescheid vom 22. Februar 2023 abgelehnt.

Gegen diesen ihm am 14. Februar 2024 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 13. März 2024 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt.

Nach zwischenzeitlicher Festsetzung von Höchstbeiträgen ab dem 1. Mai 2024 (Bescheid vom 17. April 2024) wegen fehlender Einkommensmitteilung hat die Beklagte zu 1 – auch im Namen der Beklagten zu 2 – mit Bescheid vom 14. Mai 2024 weiterhin aufgrund des Einkommensteuerbescheides 2020 den Beitrag für die Kranken- und Pflegeversicherung ab dem 1.
Mai 2023 vorläufig neu auf insgesamt 701,00 € festgesetzt (Krankenversicherung 580,66 €; Pflegeversicherung 120,34 €).

Zur Begründung seiner Berufung hat der Kläger sein bisheriges Vorbringen wiederholt. Soweit das SG dem Vergleich mit der Beitragsberechnung von Arbeitnehmern pauschal entgegentrete, weil bei diesen Zahlungen aus der Umsatzsteuer nicht anfielen, sei dies gerade der Grund für den hier gerügten Verstoß gegen den Gleichheitssatz. Arbeitnehmer müssten sich bei der Berechnung ihrer Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nicht das Vermögen, sondern lediglich das Einkommen entgegenhalten lassen, das ihnen tatsächlich als Einkommen zukomme und verbleibe. Ihm, dem Kläger, würden aber für die exakt gleiche Berechnung auch Umsatzsteuerbeträge entgegengehalten, die er von Anfang an feststehend an den Fiskus weiterleiten müsse, und Vermögensgegenstände, aus denen er kein Einkommen beziehe. Darin liege eine unzulässige Gleichbehandlung von Ungleichem.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz vom 12. Februar 2024 und den Bescheid der Beklagten vom 28. Dezember 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2023 ganz sowie die Bescheide vom 1. Juli und 14. September 2023 sowie vom 14.
Mai 2024 hinsichtlich der vorläufigen Beitragsfestsetzung aufzuheben.


Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage gegen den Bescheid vom 14.
Mai 2024 abzuweisen.

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Aufgrund der vollen Parallelität zwischen Einkommensteuerrecht und Sozialversicherungsrecht hätten sie bei dem heranzuziehenden Arbeitseinkommen den steuerrechtlichen Gewinn als Arbeitseinkommen zu werten.

Mit Verfügung vom 18. April 2024 hat der Berichterstatter die Beteiligten auf das Senatsurteil vom 20. Januar 2023 (L 4 KR 2180/22) über die Bindung der Beitragsfestsetzung aus dem Arbeitseinkommen an die Feststellungen im Einkommensteuerbescheid hingewiesen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.  



Entscheidungsgründe

1. Die nach § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, die über die der Senat gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß §§ 105 Abs. 2 Satz 1, 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Denn die angefochtenen Beitragsfestsetzungen übersteigen den Beschwerdewert von 750,00 €.

2. a) Gegenstand des Verfahrens sind die endgültige Festsetzung der Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung für das Kalenderjahr 2019 sowie die vorläufige Beitragsfestsetzung für die Zeit ab dem 1. Mai 2022. Nur diese Zeiträume waren Regelungsgegenstand des angefochtenen Bescheides vom 28. Dezember 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2023 (§ 95 SGG). Soweit der Kläger in der Klagebegründung Ausführungen zu einer Beitragsfestsetzung für 2021 machte, handelt es sich offenbar um ein Versehen. Denn er bezieht sich allein auf die genannten Bescheide, die zu diesem Zeitraum gerade keine Regelung treffen.

Soweit die vorläufige Beitragsfestsetzung ab dem 1.
Mai 2022 angefochten ist, sind die diese für spätere Zeiträume abändernden Bescheide kraft Gesetzes Gegenstand des Verfahrens geworden, so der Bescheid vom 1. Juli 2023 (ab 1. April 2023) bereits des Widerspruchsverfahrens nach § 86 Satz 1 SGG, der nach Abschluss des Widerspruchsverfahrens ergangene Bescheid vom 1. September 2023 (ab 1. Juli 2023) des Klageverfahrens nach § 96 Abs. 1 SGG (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 25. April 2018 – B 8 SO 23/16 R – juris, Rn. 21; B. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Schmidt, SGG, 14. Aufl. 2023, § 96 Rn. 3a) sowie der Bescheid vom 14. Mai 2024 (ab 1. Mai 2024) des Verfahrens vor dem Senat nach §§ 153 Abs. 1, 96 Abs. 1 SGG. Über letzteren entscheidet der Senat auf Klage (BSG, Urteile vom 14. Juli 2021 – B 6 KA 1/20 R – juris, Rn. 23 und vom 26. Mai 2011 – B 10 EG 12/10 R – juris, Rn. 17). Da das SG über den während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid vom 1. September 2023 versehentlich nicht entschieden hat, holt der Senat als Berufungsgericht die Entscheidung über diesen nach (BSG, Urteil vom 20. Dezember 2012 – B 10 EG 19/11 R – juris, Rn. 17, B. Schmidt, a.a.O., Rn. 12a).

Die Bescheide vom 16.
April 2023 und 17. April 2024 über die Festsetzung von Höchstbeträgen haben sich durch die späteren – niedrigeren – Beitragsfestsetzungen in den Bescheiden vom 1. Juli 2023 und 14. Mai 2024 erledigt (§ 39 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X]).

b) Nicht Gegenstand des Verfahrens ist eine Beitragsherabsetzung wegen Gewinneinbruchs auf den Antrag des Klägers vom 23. Januar 2023, den die Beklagten mit Bescheid vom 22. Februar 2023 abgelehnt hatten. Dieser Bescheid wurde nicht gemäß § 86 Satz 1 SGG kraft Gesetzes Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 28. Dezember 2022, denn er änderte diesen nicht ab. Auch eine Ersetzung dieses Bescheides liegt nicht vor. Denn die Beklagten haben mit dem Bescheid vom 22. Februar 2023 keine (nach erneuter Prüfung des maßgeblichen Bemessungsentgelts) neue Entscheidung über die vorläufige Beitragsfestsetzung aufgrund des Einkommensteuerbescheides 2019 getroffen, sondern einen auf einen anderen Lebenssachverhalt (Arbeitseinkommen aus Einkommensteuerbescheid gegenüber Gewinneinbruch) gestützten Antrag abgelehnt. Der Kläger hat den Bescheid vom 22. Februar 2023 nicht mit Widerspruch angefochten, die Beklagten haben dementsprechend im Widerspruchsbescheid nicht über diesen, sondern nur über den Bescheid vom 28. Dezember 2022 entschieden. In den Anträgen des rechtskundigen Klägers in der Klage- und der Berufungsschrift wurde der Bescheid vom 22. Februar 2023 nicht einbezogen.

3. Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die zulässige (dazu a) Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 28. Dezember 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2023 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung wurden für den streitbefangenen Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2019 zu Recht endgültig neu (dazu b) und in zutreffender Höhe festgesetzt (dazu c). Auch die vorläufige Beitragsfestsetzung ab 1. Mai 2022 ist zutreffend erfolgt (dazu d).

a) Das SG ist zu Recht davon ausgegangen, dass die am 28. September 2023 erhobene Klage die einmonatige Klagefrist des § 87 Abs. 2 SGG gewahrt hat. Insoweit nimmt der Senat nach eigener Prüfung auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheides Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG).

b) Die Beklagte zu 1 durfte – auch im Namen der Beklagten zu 2 – die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung endgültig neu festsetzen.

aa) Die Beklagte zu 1 war berechtigt, im Namen der Beklagten zu 2 auch die Beiträge zur sozialen Pflegeversicherung festzusetzen. Nach § 46 Abs. 2 Satz 4 Elftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XI) in der ab dem 1. Juli 2008 geltenden Fassung (Art. 1 Nr. 31 des Gesetzes zur strukturellen Weiterentwicklung der Pflegeversicherung [Pflege-Weiterentwicklungsgesetz] vom 28. Mai 2008, BGBl. I, S. 874) können Krankenkassen und Pflegekassen für Mitglieder, die – wie vorliegend – ihre Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung selbst zu zahlen haben, die Höhe der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung und zur sozialen Pflegeversicherung in einem gemeinsamen Beitragsbescheid festsetzen. Hierbei ist das Mitglied darauf hinzuweisen, dass der Bescheid über den Beitrag zur sozialen Pflegeversicherung im Namen der Pflegekasse ergeht (§ 46 Abs. 2 Satz 5 SGB XI). Den erforderlichen Hinweis auf den gemeinsamen Bescheid hat die Beklagte zu 1 in den angefochtenen Bescheiden gegeben.

bb) Für die Neufestsetzung der Beiträge zur freiwilligen Kranken- und zur sozialen Pflegeversicherung bedurfte es keiner Aufhebung oder Rücknahme der vorangegangenen Beitragsfestsetzung für den streitbefangenen Zeitraum.

Bei freiwilligen Mitgliedern in der gesetzlichen Krankenversicherung, wie vorliegend dem Kläger, werden nach § 240 Abs. 4a Satz 1 Halbsatz 1 SGB V (Abs. 4a in der ab 1. Januar 2018 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 16b Buchst. b Gesetz zur Stärkung der Heil- und Hilfsmittelversorgung [Heil- und Hilfsmittelversorgungsgesetz – HHVG] vom 4. April 2017, BGBl. I, S. 778) die nach dem Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides vorläufig festgesetzt. Die vorläufig festgesetzten Beiträge werden nach Satz 3 auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides endgültig festgesetzt. Nach § 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI ist § 240 SGB V für die Beitragsbemessung bei freiwilligen Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechend anzuwenden.

Zuletzt war die Höhe der für den streitbefangenen Zeitraum zu zahlenden Beiträge mit den für die Beteiligten bindend gewordenen Bescheiden vom 17. Dezember 2018 und 1. März 2019 ausdrücklich lediglich vorläufig nach § 240 Abs. 4a Satz 1 und 5 SGB V festgesetzt worden. Solche vorläufigen Festsetzungen entfalten keine Bindungswirkung für die endgültige Beitragsfestsetzung, sondern erledigen sich i.S.d. § 39 Abs. 2 SGB X mit der formellen endgültigen Festsetzung (BSG, Urteil vom 30. März 2011 – B 12 KR 18/09 R – juris, Rn. 18; Vossen, in: Krauskopf, SGB V, Stand November 2023, § 240 Rn. 81). 

c) Der Kläger ist im streitbefangenen Zeitraum nach §§ 223 Abs. 1 und 2 SGB V, 54 Abs. 2 SGB XI zur Zahlung von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung aus den beitragspflichtigen Einnahmen für jeden Kalendertag der Mitgliedschaft nach § 9 SGB V und § 20 Abs. 3 SGB XI verpflichtet. Die Beklagten haben die Beitragshöhe zutreffend festgesetzt.

aa) Die beitragspflichtigen Einnahmen freiwilliger Mitglieder werden in § 240 SGB V bestimmt, der entsprechend für die Beiträge zur Pflegeversicherung anzuwenden ist (§ 57 Abs. 4 Satz 1 SGB XI). Nach Abs. 1 Satz 1 (hier in der Fassung seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung des Art. 2 Nr. 29a1 Buchst. a Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung [GKV-WSG] vom 26. März 2007, BGBl. I S. 378) wird diese Beitragsbemessung - im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben in den weiteren Bestimmungen des § 240 SGB V - einheitlich durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen geregelt, der hierzu die Einheitlichen Grundsätze zur Beitragsbemessung freiwilliger Mitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung und weiterer Mitgliedergruppen sowie zur Zahlung und Fälligkeit der von Mitgliedern selbst zu entrichtenden Beiträge des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen (Beitragsverfahrensgrundsätze Selbstzahler [BeitrVerfGrds SelbstZ]) erlassen hat. Die BeitrVerfGrds SelbstZ sind als untergesetzliche Normen eine hinreichende Rechtsgrundlage für die Beitragsfestsetzung gegenüber freiwillig Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung, die als solche im Einklang mit höherrangigem Recht stehen (BSG, Urteile vom 18. Oktober 2022 – B 12 KR 6/20 R – juris, Rn. 11 m.w.N.; vom 28. Mai 2015 – B 12 KR 12/13 R – juris, Rn. 28; vom 15. Oktober 2014 – B 12 KR 10/12 R – juris, Rn. 15, vom 19. Dezember 2012 – B 12 KR 20/11 R – juris, Rn. 13 ff. und vom 18. Dezember 2013 – B 12 KR 15/11 – juris, Rn. 13). Bei der Beitragsbemessung ist sicherzustellen, dass die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (§ 240 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz SGB V in der seit 1. Januar 1989 geltenden Fassung des Art. 1 Gesundheits-Reformgesetzes [GRG] vom 20. Dezember 1988, BGBl. I, S. 2477). Bei der Bestimmung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit sind mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds zu berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 240 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der Fassung seit 1. Januar 2009 geltenden Fassung Art. 2 Nr. 29a1 Buchst. b Doppelbuchst. aa GKV-WSG). Zu den beitragspflichtigen Einnahmen zählt insbesondere das hier von den Beklagten herangezogene Arbeitseinkommen aus selbständiger Tätigkeit (so schon § 240 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 226 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB V, § 3 Abs. 1 Satz 1 BeitrVerfGrds SelbstZ).

bb) Nach § 15 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) ist Arbeitseinkommen der nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften des Einkommensteuerrechts ermittelte Gewinn aus einer selbständigen Tätigkeit. Einkommen ist als Arbeitseinkommen zu werten, wenn es als solches nach dem Einkommensteuerrecht zu bewerten ist. Für die Bestimmung der Höhe der zu berücksichtigenden beitragspflichtigen Einnahmen trifft § 240 Abs. 4a Satz 1 und 3 SGB V für das Arbeitseinkommen allerdings eine spezielle gesetzliche Regelung. Bereits die vorläufige Beitragsfestsetzung erfolgt nach Satz 1 „auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides“. Die nach den Satz 1 vorläufig festgesetzten Beiträge werden dann nach Satz 3 „auf Grundlage der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen für das jeweilige Kalenderjahr nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides“ endgültig festgesetzt. Bereits nach dem systematischen Zusammenhang der Regelungen in Satz 1 und Satz 3 bezieht sich das Tatbestandsmerkmal der „tatsächlich erzielten“ Einnahmen in Satz 3 allein auf die Abgrenzung zu den – letztlich fiktiv – fortgeschriebenen Einnahmen aufgrund des letzten, nicht das Beitragsjahr betreffenden Einkommensteuerbescheides. Eine Ermittlung der „tatsächlichen“ Einnahmen im Gegensatz zu den im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen ergibt sich hieraus nicht. Die Regelung zeigt vielmehr, dass der Nachweis durch den Einkommensteuerbescheid zu erfolgen hat („nach Vorlage des jeweiligen Einkommensteuerbescheides“), dieser also sozialrechtlich maßgeblich ist (wie hier Peters, in: Kasseler Kommentar, SGB V, Stand Dezember 2021, § 240 Rn. 65; Vossen, a.a.O., § 240 Rn. 78; a.A. Ulmer, in: BeckOK SozR, Stand September 2024, SGB V § 240 Rn. 24a). Dafür spricht auch die amtliche Begründung der Neuregelung (Beschlussempfehlung und Bericht BT-Drs. 18/11205, S. 71 bis 73 zu Nr. 16b). Verwiesen wird dort auf die typischerweise starken Schwankungen, denen neben dem Arbeitseinkommen auch die Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unterworfen seien und deren Höhe erst nachträglich über den Einkommensteuerbescheid endgültig festgestellt werde. Diese seien über den Einkommensteuerbescheid nachzuweisen. Weiter wird ausgeführt: „Mit Vorlage des Einkommensteuerbescheids sind die Beiträge rückwirkend für das Kalenderjahr, für das der Einkommensteuerbescheid erlassen wurde, endgültig festzusetzen. Bei der endgültigen Beitragsfestsetzung sind diese Beiträge entsprechend der tatsächlich erzielten beitragspflichtigen Einnahmen zu berechnen, so dass es möglicherweise zu Erstattungen oder Nacherhebungen von Beiträgen kommen kann. Zugleich sind die vorläufigen Beiträge für die Zukunft auf Grundlage des nun vorliegenden Einkommensteuerbescheides neu festzusetzen. Auf diese Weise wird der Verwaltungsaufwand für die Krankenkassen möglichst gering gehalten, da die ermittelte Höhe der beitragspflichtigen Einnahmen auf Grundlage des eingereichten Einkommensteuerbescheides sowohl für die rückwirkende endgültige Beitragsfestsetzung für das Kalenderjahr, für das der Einkommensteuerbescheid die tatsächlichen Einkünfte nachweist, als auch für die vorläufige Beitragsfestsetzung für die Zukunft maßgebend ist.“ Ausdrücklich wird also von einer Maßgeblichkeit der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einnahmen sowohl für die rückwirkende als auch für die zukünftige Beitragsfestsetzung ausgegangen, die die Krankenkassen zur Vermeidung von Verwaltungsaufwand zu berücksichtigen haben. Eine Überprüfung der im Einkommensteuerbescheid ausgewiesenen Einnahmen für die Zwecke der Beitragsfestsetzung wird damit ausgeschlossen.

cc) Die Bindung der Beitragsfestsetzung aus dem Arbeitseinkommen an die Feststellungen im Einkommensteuerbescheid verstößt nicht gegen die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG. Dem freiwillig versicherten Mitglied ist eine gerichtliche Prüfung und gegebenenfalls Korrektur der Feststellungen zu den beitragspflichtigen Einnahmen durch die Bindungswirkung nicht abgeschnitten. Den Rechtsschutz kann und muss er allerdings gegen den von ihm als fehlerhaft angesehenen Einkommensteuerbescheid richten. Dies ist selbst dann möglich, wenn eine Änderung der Steuerlast nicht eintreten würde. Auch enthält der Einkommensteuerbescheid eine einen Rechtsbehelf ermöglichende selbständige Beschwer im unzutreffenden Ansatz einzelner Besteuerungsgrundlagen, weil diese für andere Verfahren bindend sind (Bundesfinanzhof [BFH], Urteil vom 24. Januar 1975 – VI R 148/72 – juris, Rn. 8 ff; Finanzgericht [FG] Baden-Württemberg, Urteile vom 20. April 2015 – 6 K 2643/10 – juris, Rn. 25 und vom 11. März 2005 – 8 K 168/03 – juris, Rn. 19; FG München, Urteil vom 11. August 2011 – 5 K 3983/09 – juris, Rn. 13; von Beckerath, in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung [AO/FGO], Stand August 2024, FGO § 40 Rn. 147 und 197 m.w.N.; Güroff, in: Gosch, a.a.O., AO § 157 Rn. 18; Rosenke, in BeckOK AO, Stand Juli 2024, § 157 Rn. 180; Teller, in: Gräber, 9. Aufl. 2019, FGO § 40 Rn. 96). Dem entsprechend wurde eine ausreichende Beschwer trotz fehlender Auswirkung auf die Steuerlast bejaht aufgrund einer gesetzlichen Bindung an die Ansätze im Einkommensteuerbescheid im Rahmen des §§ 21 Abs. 1, 24 Abs. 2 Sätze 2 und 3 Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) oder § 11a Abs.1 Satz 1 Bundeskindergeldgesetz (BFH, Urteile vom 20. Dezember 1994 – IX R 124/92 – juris, Rn. 12 und vom 20. Dezember 1994 – IX R 80/92 – juris, Rn. 26 ff.). Dabei wurde die Bindungswirkung im Rahmen des BAföG der Regelung entnommen, dass über einen zunächst unter dem Vorbehalt der Rückforderung beschiedenen Antrag auf Ausbildungsförderung abschließend entschieden wird, sobald der Steuerbescheid dem Amt für Ausbildungsförderung vorliegt (BFH, Urteil vom 20. Dezember 1994, a.a.O., m.w.N. zur übereinstimmenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Gerade eine solche Bindungswirkung ordnet vorliegend auch § 240 Abs. 4a Satz 3 SGB V an. Damit stand auch dem Kläger eine entsprechende Rechtsschutzmöglichkeit zur Verfügung. Er hat diese lediglich nicht genutzt, da er nach seinen eigenen Angaben im Verfahren vor dem SG die Festsetzung der Einkommensteuer 2019, deren Gesamtsumme ihm realistisch erschien, nicht näher überprüft hatte.

dd) Auch ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

(1) Dieser enthält das Gebot, Gleiches gleich, Ungleiches seiner Eigenart entsprechend verschieden zu behandeln (BVerfG, Beschluss vom 10. Dezember 1985 – 2 BvL 18/83 – juris, Rn. 51). Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Er verletzt aber das Grundrecht, „wenn eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders und nachteilig behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten“ (BVerfG, Urteil vom 3. April 2001 – 1 BvR 1681/94 – juris, Rn. 63) und „sich für eine Ungleichbehandlung kein in angemessenem Verhältnis zu dem Grad der Ungleichbehandlung stehender Rechtfertigungsgrund finden lässt“ (BVerfG, Beschluss vom 15. März 2000 – 1 BvL 16/96 – juris, Rn. 72). Differenzierungen bedürfen somit stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (BVerfG, Beschluss vom 8. Juli 2021 – 1 BvR 2237/14 – juris, Rn. 110).

(2) Die gesetzlich vorgesehene Anbindung der Berechnung des Arbeitseinkommens als beitragspflichtige Einnahme an die Gewinnermittlung nach dem Einkommensteuerrecht stellt sicher, dass zur Beitragsfestsetzung lediglich Einkommen, nicht aber Vermögensbestandteile herangezogen werden. Insoweit erfolgt gerade eine Gleichbehandlung mit versicherungspflichtigen Arbeitnehmern. Falls bei der steuerrechtlichen Ermittlung des Gewinns im Einkommensteuerbescheid insoweit Fehler auftreten, besteht – mit Wirkung auch für die Beitragsfestsetzung – die oben dargestellte Möglichkeit der Anfechtung und Korrektur dieses Bescheides, die der Kläger vorliegend lediglich nicht genutzt hat.

(3) Auch hinsichtlich der Umsatzsteuer liegt der vom Kläger gerügte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor. Der Kläger macht geltend, ihm würden im Gegensatz zu versicherungspflichtigen Arbeitnehmern für die „exakt gleiche Berechnung“, also die Beitragsfestsetzung, auch Umsatzsteuerbeträge entgegengehalten, die er von Anfang an feststehend an den Fiskus weiterleiten müsse; darin liege eine unzulässige Gleichbehandlung von Ungleichem. Bereits der Ansatz des Klägers hinsichtlich einer „exakt gleichen Berechnung“ trifft nicht zu. Den Eigenheiten der unterschiedlichen Einnahmearten (Arbeitsentgelt, Arbeitseinkommen) entsprechend, folgt die Berechnung der konkret beitragspflichtigen Einnahme zulässig auf unterschiedlichen Wegen. So ist das Arbeitseinkommen anders als das Arbeitsentgelt zunächst als Jahreseinkommen und unter Abzug der betrieblich veranlassten Aufwendungen, die bei Arbeitnehmern nicht mindernd berücksichtigt werden (zur sachlichen Rechtfertigung vgl. Fischer, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB IV, 4. Aufl., Stand April 2024, § 15 Rn. 52 m.w.N.), zu ermitteln. Zwar weist der Kläger zutreffend darauf hin, dass bei ihm Umsatzsteuerbeträge beitragsrelevant berücksichtigt werden, die bei Arbeitnehmern nicht anfallen. Er verkennt jedoch, dass diese sich, wenn auch in anderen Beitragszeiträumen, auch beitragsmindernd auswirken. Bei der Gewinnermittlung durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG – wie hier – sind vereinnahmte und verausgabte Umsatzsteuerbeträge keine auszuscheidenden durchlaufenden Posten i.S. des § 4 Abs. 3 Satz 2 EStG, sondern bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 Satz 1 EStG zu berücksichtigen (Knospe, in: Hauck/Noftz, SGB IV, 2. Ergänzungslieferung 2024, § 15 Rn. 24, Fn. 118). Die Umsatzsteuerbeträge, die der Unternehmer einem Dritten in Rechnung stellt und von diesem erhält, sind ihm mit endgültiger Wirkung zugeflossen und zählen bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG zu den Betriebseinnahmen. Umsatzsteuerbeträge, die dem Steuerpflichtigen im Rahmen seines Betriebs von Dritten in Rechnung gestellt werden und die er an Dritte zahlt (Vorsteuerbeträge) sowie Umsatzsteuerbeträge, die er – gegebenenfalls nach Abzug der Vorsteuer – an das Finanzamt abführt, sind hingegen Betriebsausgaben (BFH, Beschluss vom 29. Oktober 2020 – VIII B 54/20 – juris, Rn. 6 m.w.N. zur st. Rspr.). Diese in der Argumentation des Klägers nicht berücksichtigte beitragsmindernde Wirkung der (abgeführten) Umsatzsteuer rechtfertigt die beitragserhöhende Wirkung im Zeitraum des Zuflusses.

ee) Die endgültig festgesetzten Beiträge für 2019 sind zutreffend berechnet.

(1) Die Beklagten haben zutreffend die im Einkommensteuerbescheid 2019 ausgewiesenen Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 42.076 € als (jährliches) Arbeitseinkommen berücksichtigt. Diese beitragspflichtige Einnahme war nach § 5 Abs. 2 Satz 2 BeitrVerfGrds SelbstZ, geteilt durch die Zahl der Kalendermonate, in denen sie erzielt wurden, dem jeweiligen Beitragsmonat dieses Kalenderjahres zuzuordnen, mithin mit einem monatlichen Betrag von einem Zwölftel des Gesamtbetrags zu berücksichtigen, hier 3.506,33 €. Diesen Betrag haben die Beklagten im angefochtenen Bescheid für die Monate Februar bis Dezember 2019 somit zutreffend zugrunde gelegt.

Im Januar 2019 war zusätzlich der in diesem Monat noch in Höhe von 1.967,10 € gewährte Gründungszuschuss nach §§ 93, 94 SGB III zu berücksichtigen. Dieser ist mit Ausnahme des zur sozialen Sicherung vorgesehenen Teils in Höhe von monatlich 300,00 € beitragspflichtige Einnahme (vgl. § 240 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Die Beklagten haben den Gründungszuschuss lediglich in Höhe des Differenzbetrags zwischen der 2019 geltenden monatlichen Beitragsbemessungsgrenze (4.537,50 €) und dem monatlichen Betrag des Arbeitseinkommens (3.506,33 €), mithin in Höhe von 1.031,17 €, berücksichtigt. Damit wurde der zur sozialen Sicherung vorgesehene Teil in Höhe von monatlich 300,00 € nicht der Beitragsfestsetzung unterworfen.

(2) Unter Berücksichtigung des ermäßigten Beitragssatzes für Versicherte, die – wie der Kläger – keinen Anspruch auf Krankengeld haben, von 14,0 % (§ 243 SGB V), des kassenindividuellen Zusatzbeitrags der Beklagten von 0,7 % (§ 242 SGB V i.V.m. § 10 der Satzung der Beklagten zu 1 in der 2019 geltenden Fassung) sowie des Beitragssatzes in der Pflegeversicherung für Versicherte, die wie der Kläger das Elternmerkmal erfüllen, von 3,05 % (§ 55 Abs. 1 Satz 1 SGB XI in der Fassung des Art. 1 Fünftes Gesetz zur Änderung des Elften Buches Sozialgesetzbuch – Beitragssatzanpassung vom 17. Dezember 2018, BGBl. I, S. 2587; BVerfG, Beschluss vom 7. April 2022 – 1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16, 1 BvR 2257/16, 1 BvR 2824/17, BGBl. I, S. 1023) ergeben sich die im Bescheid vom 28. Dezember 2022 festgesetzten Beiträge für Januar 2019 (Krankenversicherung 667,01 €; Pflegeversicherung 138,39 €) und für die Zeit vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2019 (Krankenversicherung 515,43 €; Pflegeversicherung 106,94 €).

c) Auch die vorläufige Beitragsfestsetzung ab dem 1. Mai 2022 ist rechtmäßig.

Nach § 240 Abs. 4a Satz 1, Halbs. 1 SGB V werden die nach dem Arbeitseinkommen zu bemessenden Beiträge auf der Grundlage des zuletzt erlassenen Einkommensteuerbescheides vorläufig festgesetzt; dabei ist der Einkommensteuerbescheid für die Beitragsbemessung ab Beginn des auf die Ausfertigung folgenden Monats heranzuziehen. Wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt, erfolgt auch die vorläufige Beitragsfestsetzung aus dem dem Einkommensteuerbescheid zu entnehmenden Arbeitseinkommen. Insoweit gilt das bereits oben Ausgeführte auch hier. Die vorläufige Beitragsfestsetzung war aufgrund des am 28. April 2022 ausgefertigten Einkommensteuerbescheides neu ab dem 1. Mai 2022 vorzunehmen. Unter Berücksichtigung der o.g. Beitragssätze nach § 243 SGB V, § 55 Abs. 1 SGB XI sowie des kassenindividuellen Zusatzbeitrags nach § 10 der ab 2022 geltenden Satzung der Beklagten zu 1 (1,2 %) ergeben sich die im Bescheid vom 28. Dezember 2022 festgesetzten Beiträge (Krankenversicherung 532,97 €; Pflegeversicherung 106,94 €).

Nach Erlass des Einkommensteuerbescheides 2020 vom 6. März 2023 erfolgte die vorläufige Beitragsfestsetzung ab 1.
April 2023 zu Recht anhand des dort ausgewiesenen Arbeitseinkommens (Einkünfte aus selbständiger Arbeit 45.842,00 €/12 = 3.820,17 €) und betrugen die Beiträge bei zunächst unveränderten Beitragssätzen in der Krankenversicherung 580,66 € und in der Pflegeversicherung 116,52 €. Zum 1. Juli 2023 wurde der Beitragssatz in der Pflegeversicherung auf 3,4 % erhöht. Für Eltern reduziert sich dieser Beitragssatz für jedes Kind ab dem zweiten Kind bis zum fünften Kind um jeweils einen Abschlag in Höhe von 0,25 Beitragssatzpunkten bis zum Ablauf des Monats, in dem das jeweilige Kind das 25. Lebensjahr vollendet hat oder vollendet hätte (§ 55 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB XI in der Fassung des Art. 1 Nr. 20 Buchst. d Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz – PUEG – vom 19. Juni 2023, BGBl. I, Nr. 155). Für den Kläger, Vater zweier Kinder, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, galt mithin ein Beitragssatz von 3,15 % und damit ein Beitrag zur Pflegeversicherung in Höhe von 120,34 €. In dieser Höhe wurden die Beiträge in den streitbefangenen Bescheiden jeweils vorläufig festgesetzt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.


 

Rechtskraft
Aus
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