L 10 KR 162/24 B ER

Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Abteilung
10.
1. Instanz
SG Kiel (SHS)
Aktenzeichen
S 36 KR 13/24 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 10 KR 162/24 B ER
Datum
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
 
Leitsätze

1. Bei der Widerlegung von Prognoseentscheidungen nach § 136b Abs 5 Satz 6 iVm Abs 5 Sätze 3 bis 5 SGB V ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der (gemeinsamen) Prognosentscheidung der Krankenkassen maßgeblich. Daher muss das Krankenhaus alle für seine Prognose relevanten Unterlagen im Verwaltungsverfahren vorlegen. Nachträglich im Gerichtsverfahren vorgelegte Unterlagen sind nicht mehr zu berücksichtigen.

2. Die Prognose einer Fallzahlsteigerung im kommenden Jahr gegenüber den Referenzzeiträumen muss auf einer plausiblen und den Krankenkassen zu übermittelnden Tatsachengrundlage beruhen.

3. Ob zur Erfüllung einer festgelegten Mindestmenge auch die bisherigen Fallzahlen verschiedener Krankenhäuser zugunsten eines der Krankenhäuser herangezogen werden können, ist vor dem Hintergrund von Sinn und Zweck der Mindestmengenregelung im SGB V zweifelhaft. Das gilt selbst dann, wenn zwischen den Krankenhäusern eine Kooperationsvereinbarung besteht, wonach die Patienten nur in einem der beiden Krankenhäuser operiert und die behandelnden Krankenhausärzte für diese Operationen in dem jeweiligen Krankenhaus (teil-)angestellt werden sollen.

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerinnen wird der Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 17. Dezember 2024 aufgehoben und der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024 abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten im Antrags- und Beschwerdeverfahren.

Der Streitwert wird für das Antrags- und das Beschwerdeverfahren auf 35.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe:

I.

 

Streitig ist die Vollziehbarkeit eines Widerlegungsbescheids hinsichtlich der prognostischen Erfüllung der Mindestmengenregelung für chirurgische Behandlungen des Brustkrebses (Mamma-Ca-Chirurgie) seitens der Antragstellerin im Kalenderjahr 2025.

 

Die Antragstellerin ist Rechtsträgerin des S__________ Krankenhauses K____, einem Plankrankenhaus. Die dort tätigen Krankenhausärzte erbrachten im Jahr 2023 insgesamt 45 und in dem Zeitraum vom 1. Juli 2023 bis 30. Juni 2024 insgesamt 46 Leistungen in dem Bereich „Chirurgische Behandlungen des Brustkrebses (Mamma-Ca-Chirurgie)“. Gegenüber den Antragsgegnerinnen erklärte die Antragstellerin ihre Prognose, die Mindestfallzahl für diese Leistung von 100 im Kalenderjahr 2025 sicherstellen zu können.

 

Im Rahmen der Prüfung und Anhörung zur beabsichtigten Widerlegung der von der Antragstellerin angegebenen Prognose durch die Antragsgegnerinnen (Schreiben vom 9. August 2024, 6. September 2024) teilte die Antragstellerin – auch auf die Nachfragen – zusammengefasst mit, dass die am 1. August 2023 besetzte Funktion der Leitenden Oberärztin (Gynäkologische Onkologie) zwar seit dem 26. Juni 2024 nicht ausgeübt werde, jedoch ab dem 1. März 2025 wieder ausgefüllt werden könne und auch weitere Stellen in der Mamma-Sprechstunde und der Mamma-Chirurgie neu besetzt worden seien. Daher sei insoweit seit Mitte 2024 eine Fallzahlsteigerung eingetreten, die bei einer Vollbesetzung mit 2,5 Oberarztstellen und nunmehr möglicher Terminvergabe innerhalb einer Woche sowie vermehrter Teilnahmen an Tumorkonferenzen auch künftig zu erwarten sei. Überdies führe eine Kooperationsvereinbarung mit der H_____ Klinikum S1_______ GmbH (nur) zur operativen Versorgung von dort behandelten – prognostisch 60 bis 70 – Patientinnen zu weiteren Fallzahlen in ihrem Haus (Schreiben vom 9. August 2024, 19. August 2024, 11. September 2024). Auch auf Nachfrage legte die Antragstellerin allerdings keine Kooperationsvereinbarung mit der H______ Klinikum S1______ GmbH vor und teilte sie außerdem mit, die Anzahl zuvor wegen Personalmangels abgewiesener Patientinnen sei nicht dokumentiert. Allerdings müssten die wiedergewonnenen Behandlungskapazitäten erst noch verbreitet bekannt gemacht werden.

 

Im Anschluss widerlegten die Antragsgegnerinnen die Prognose der Antragstellerin. Die aufgrund einer nicht schriftlich fixierten Kooperation erwartete Entwicklung der Fallzahlen zur Erreichung der Mindestmenge sei zum Zeitpunkt der Widerlegungsentscheidung spekulativ und erfordere überdies die Übernahme der Behandlung aller an Brustkrebs erkrankten Patientinnen, die eine wohnortnahe Behandlung inklusive Operation in der H______ Klinikum S1_______ GmbH wählen würden bzw deren Bereitschaft im Laufe der Behandlungsphase durch die H______ Klinikum S1_______ GmbH (nur) für die Operation durch den ihnen vertrauten Behandler zu dem Krankenhaus der Antragstellerin zu fahren. Ein solches Szenario sei nicht wahrscheinlich. Vielmehr würden die Patientinnen sich für ein Krankenhaus entscheiden, das die gesamte Behandlungsphase an einem Standort gewährleiste. Sie könnten auch nach F______ fahren oder eine Behandlung in K_____ in einem anderen Krankenhaus als demjenigen der Antragstellerin wählen. Da Mamma-Sprechstunden und Screening-Konferenzen keine besonderen, sondern in Krankenhäusern regelmäßig vorgehaltene Angebote seien und weder die Neubesetzung der Chefarztposition im Jahr 2023 noch die der leitenden Oberärztin in dem Zeitraum August 2023 bis 25. Juni 2024 zu einem messbaren Anstieg der Fallzahlen im Hause der Antragstellerin geführt habe, erlaube ihr möglicher Wiedereinsatz ab März 2025 nicht den logischen Schluss stetig weiter und bis zur erforderlichen Mindestmenge steigender Fallzahlen im Jahr 2025 (Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024).

 

Dagegen hat die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Kiel am 18. Oktober 2024 Klage erhoben (S 36 KR 128/24). Mit dem am 8. November 2024 bei dem SG Kiel eingegangenen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung hat die Antragstellerin erstmals die Kooperationsvereinbarung mit der H______ Klinikum S1_______ GmbH vom 29. August 2024 / 9. September 2024 und ergänzend weitere Unterlagen vorgelegt. Sie hat ferner darauf verwiesen, vom 1. Januar bis 31. Oktober 2024 insgesamt 58 Patientinnen behandelt zu haben und im Jahr 2024 prognostisch eine Fallzahl von 67 aufzuweisen, so dass zusammen mit der Fallzahl auf Grundlage der Kooperation mit der H_____ Klinikum S1_______ GmbH die Mindestmenge im Jahr 2025 mit hoher Wahrscheinlichkeit deutlich überschritten werden könne. Wenn sie die Leistungen der Mamma-Chirurgie nicht mehr erbringen könne, wirke sich dieser Verlust an Fallzahlen auch nachteilig auf die Zertifizierung nach OnkoZert und die Leistungserbringung in anderen Fachbereichen aus, so dass Personalabbau drohe, der bei einem später wiederkehrenden Bedarf nur schwer wieder ausgeglichen werden könne und finanzielle Einbußen mit sich bringe.

 

Dem Antrag hat das SG Kiel mit Beschluss vom 17. Dezember 2024 stattgegeben, da die Antragstellerin die erforderliche Mindestmenge nach ihrem Vortrag und den ergriffenen Maßnahmen prognostisch erreichen könne.

 

Dagegen richtet sich die am 20. Dezember 2024 eingegangene Beschwerde der Antragsgegnerinnen. Sie hätten alle vorgetragenen Gründe der Antragstellerin für eine erwartete Fallzahlsteigerung geprüft, um Nachweise gebeten und sodann – nach Nichtvorlage weiterer Unterlagen – das prognostische Erreichen der Mindestmenge widerlegt. Welche Umstände die Antragstellerin im Vergleich zu anderen Krankenhäusern, die die Mindestmenge in K_____ erreichten und deutlich überschritten, auszeichneten und zu einer Fallzahlsteigerung führen könnten, sei nicht ersichtlich. Den erst im November 2024 vorgelegten Kooperationsvertrag hätten sie bei ihrer Entscheidung ebenso wenig berücksichtigen können wie weitere nachgereichte Unterlagen. Unabhängig davon sei die beabsichtigte Vorgehensweise, in dem interdisziplinären Team der Antragstellerin zur operativen Versorgung der Brustkrebspatientinnen nicht regelhaft die von ihr fest angestellten Ärzte einsetzen zu wollen, sondern in das vorhandene Team auch Ärzte der Kooperationspartnerin als Operateure zu integrieren, nicht vereinbar mit dem beabsichtigten Sinn und Zweck der Mindestmengenregelungen pro Standort, durch die Konzentration der Behandlung in einem Team die beabsichtigte und angestrebte Qualität sicherzustellen.

 

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

 

den Beschluss des Sozialgerichts Kiel vom 17. Dezember 2024 aufzuheben und den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024 abzulehnen.

 

Die Antragstellerin beantragt,

 

            die Beschwerde zurückzuweisen.

 

In der Sache begegnet sie den Bedenken der Antragsgegnerinnen gegen die Austauschbarkeit des operativen Behandlers in einem Krankenhaus durch den Einwand, dass bei dieser Betrachtung ein Arzt, der bisher die mindestmengenrelevanten Operationen in einem Krankenhaus durchgeführt habe, nie zu einem anderen Krankenhaus wechseln könne, ohne dass seinem bisherigen Arbeitgeber Zweifel an der künftigen Qualität der mindestmengenrelevanten Leistungen entgegengehalten werden könnten. Ergänzend zu ihren bisherigen Ausführungen betont sie, dass sie in ihrer Argumentation zur Folgenabwägung für den Ausgang des Eilverfahrens nicht allein ihre wirtschaftlichen Interessen im Blick habe, sondern auch die Aufrechterhaltung ihrer Behandlungsqualität für die Patientinnen und den Verbleib qualifizierten Personals.

 

Dem Senat haben die Verwaltungsvorgänge der Beklagten und die Gerichtsakte vorgelegen. Für die weiteren Einzelheiten wird auf die aktenkundigen Unterlagen und Schriftsätze Bezug genommen.

 

II.

 

Die Beschwerde der Antragsgegnerinnen ist zulässig und begründet.

 

Das SG Kiel hat die aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache gegen den Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024 erhobene Anfechtungsklage zu Unrecht angeordnet.

 

1. Nach § 86b Abs 1 Satz 1 Nr 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen ganz oder teilweise anordnen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben. Über das "Ob" einer Anordnung entscheidet das Gericht dabei auf der Grundlage einer Interessenabwägung, wobei das private Interesse des belasteten Bescheidadressaten an der Aufschiebung der Vollziehung gegen das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verwaltungsakts abzuwägen ist (vgl hierzu Keller in: Meyer-Ladewig/Kel­ler/ Schmidt, SGG, 14. Aufl 2023, § 86b Rn 12 ff mwN). Die Privatinteressen überwiegen regelmäßig, wenn ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen oder wenn die Vollziehung des angefochtenen Bescheids zu einer unbilligen Härte für den Antragsteller führen würde. Damit lehnt sich der Senat in den Fällen der Widerlegung von Prognosemitteilungen nach § 136b Abs 5 Satz 6 SGB V, die Verwaltungsakte iSv § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) sind (vgl BSG, Urteil vom 25. März 2021 – B 1 KR 16/20 R – juris Rn 10), bei der hier zu treffenden Abwägung wegen der insoweit grundsätzlich vergleichbaren Interessenlage an die Kriterien des § 86a Abs 3 Satz 2 SGG an.

 

Vorliegend hat die von der Antragstellerin in der Hauptsache erhobene Anfechtungsklage zwar keine aufschiebende Wirkung (vgl hierzu die Regelung in § 86a Abs 2 Nr 4 SGG iVm § 136b Abs 5 Satz 10 zweiter Halbs SGB V idF des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung <GVWG> vom 11. Juli 2021, BGBl I S 2754), da der Gesetzgeber dem Schutz der Grundrechte der Patientinnen und Patienten auf Leben und körperliche Unversehrtheit gegenüber den Erwerbsinteressen der Krankenhäuser den Vorrang eingeräumt hat (BT-Drs 19/26822, S 93).

 

Der erkennende Senat geht aber davon aus, dass derzeit keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit der von den Krankenkassenverbänden am 1. Oktober 2024 als gemeinsamer Bescheid erlassenen Widerlegung bestehen.

 

2. Rechtsgrundlage für die Berechtigung der Krankenkassenverbände, die von einem Krankenhausträger abzugebende Prognose (wonach die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht wird) durch eine formal gemeinsame Entscheidung zu widerlegen, ist die Regelung in § 136b Abs 5 Satz 6 SGB V. Danach „müssen“ die Landesverbände der Krankenkassen und die Ersatzkassen für Krankenhausstandorte in ihrer Zuständigkeit ab der Prognose für das Kalenderjahr 2023 bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit die vom Krankenhausträger getroffene Prognose durch einen Bescheid widerlegen; dabei obliegt es außerdem dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), mit Wirkung zum 1. Januar 2022 Regelbeispiele für idS begründete erhebliche Zweifel zu beschließen.

 

Diesem gesetzgeberischen Auftrag ist der G-BA durch die Änderung der sogenannten Mindestmengenregelung (Mm-R) mit Wirkung zum 16. Juli 2022 nachgekommen. Diesem Beschluss folgend liegen ab der Prognose für das Kalenderjahr 2024 begründete erhebliche Zweifel an der Richtigkeit einer von einem Krankenhausträger getroffenen Prognose „in der Regel vor, wenn beispielsweise“ die maßgebliche Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr (hier: 2023) nicht erreicht wurde und auch unter Berücksichtigung weiterer Kriterien (der Leistungsmenge gemäß § 3 Abs 1 Mm-R in den letzten zwei Quartalen des vorausgegangenen Kalenderjahres und den ersten zwei Quartalen des laufenden Kalenderjahres) objektive Umstände der Richtigkeit der Prognose des Krankenhausträgers widersprechen (siehe § 4 Abs 4 Satz 2 lit a) iVm Abs 2 Satz 2 Nr 2 bis 4 Mm-R). Gleiches gilt, wenn die maßgebliche Mindestmenge im vorausgegangenen Kalenderjahr nicht erreicht wurde, sich die vom Krankenhausträger getroffene Prognose ausschließlich auf die erreichte Leistungsmenge im Zeitraum der letzten zwei Quartale des vorausgegangenen Kalenderjahrs und den ersten zwei Quartalen des laufenden Kalenderjahrs stützt und unter Berücksichtigung aller weiteren Kriterien (personelle und strukturelle Veränderungen und weiterer Umstände zur Begründung der berechtigten mengenmäßigen Erwartung) konkrete, objektive Umstände der Richtigkeit der getroffenen Prognose widersprechen (siehe § 4 Abs 4 Satz 2 lit b iVm Abs 2 Satz 2 Nr 3, 4 und Satz 3 Mm-R).

 

3. Gemessen an diesen Maßgaben erweist sich der Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024 bei summarischer Prüfung zunächst als formell rechtmäßig.

 

a) In formeller Hinsicht ist in der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass die Krankenkassenverbände die Antragstellerin ausreichend iSv § 24 Abs 1 SGB X angehört haben.

 

Nach dieser Regelung im SGB X ist einem Beteiligten, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der – wie hier – in seine Rechte eingreift, grundsätzlich Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung „erheblichen Tatsachen“ zu äußern. Die Vorschrift dient der Wahrung rechtlichen Gehörs und soll den Adressaten einer Verwaltungsentscheidung insbesondere vor Überraschungsentscheidungen schützen sowie sicherstellen, dass die an einem Verwaltungsverfahren Beteiligten alle für sie günstigen Umstände vorbringen können. Hierzu ist es insbesondere erforderlich, dass die jeweilige Behörde die entscheidungserheblichen Tatsachen dem Betroffenen in einer Weise unterbreitet, dass er sie als solche erkennen und sich zu ihnen – ggf nach einer ergänzenden Anfrage bei der Behörde – sachgerecht äußern kann (vgl hierzu Bundessozialgericht <BSG> Urteil vom 25. März 2021- B 1 KR 16/20 R – juris Rn 26 ff mwN). Dabei kommt der Anhörung in dem Verwaltungsverfahren zur Widerlegung einer von einem Krankenhausträger abgegebenen Prognose zur möglichen Entwicklung einer Mindestmengenleistung nach § 136b Abs 5 Satz 6 SGB V nach der höchstrichterlichen Rspr eine besondere Bedeutung für das Recht auf ein faires Verfahren zu. Hintergrund ist, dass zum einen ein Vorverfahren nicht stattfindet (§ 136b Abs 5 Satz 11 erster Halbs SGB V) und zum anderen – zumindest ab den Prognosen für das Jahr 2023 – den Klagen gegen die Widerlegungsentscheidungen der Krankenkassenverbände keine aufschiebende Wirkung mehr zukommt (§ 136b Abs 5 Satz 11 zweiter Halbs SGB V). Daher ist einem Krankenhausträgern ggf bereits vor der Widerlegung seiner Prognose Gelegenheit zu geben, erkennbar unvollständige oder unplausible Angaben zu konkretisieren oder zu ergänzen. Das gilt in besonderer Weise, wenn die Widerlegung der von dem Krankenhausträger abgegebenen Prognose von den Krankenkassenverbänden ua mit einer Unplausibilität der Angaben begründet wird. Dann müssen die Verbände die ihnen möglichen und zumutbaren Anstrengungen unternehmen, dem Krankenhausträger – ggf unter Setzung einer kurzen Frist – eine Ergänzung des angeblich unvollständigen Vorbringens zu ermöglichen (vgl zu alledem BSG, aaO, juris Rn 29).

 

Diesen verfahrensrechtlichen Anforderungen sind die Krankenkassenverbände bei der Widerlegung der von der Antragstellerin für 2025 abgegebenen Prognose mindestmengenrelevanter Brustkrebsoperationen gerecht geworden. Die Krankenkassenverbände hörten die Antragstellerin mit Schreiben vom 9. August 2024 erstmals an. Auf die Argumentation der Antragstellerin vom 19. August 2024 zur erwarteten Fallzahlsteigerung forderten die Antragsgegnerinnen sie unter Aufnahme deren Vortrags mit weiterem Schreiben vom 6. September 2024 zu weiteren Ausführungen und zur Vorlage weiterer Unterlagen, insbesondere einer schriftlichen Kooperationsvereinbarung mit der H_____ Klinikum S1_______ GmbH, bis zum 18. September 2024 auf. Dabei griffen sie die gesamte bisherige Argumentation der Antragstellerin auf. Die Antragstellerin reagierte jedoch nicht und legte auch die bereits am 29. August 2024 bzw 9. September 2024 unterschriebene Kooperationsvereinbarung nicht vor.

 

b) Aus Sicht des erkennenden Senats bestehen bei summarischer Prüfung überdies auch keine Zweifel daran, dass der Widerlegungsbescheid der Krankenkassenverbände vom 1. Oktober 2024 die nach § 33 SGB X verfahrensrechtlich erforderliche Form aufweist. Nach dem eindeutigen und einer anderweitigen Auslegung nicht zugänglichen Gesetzeswortlaut in § 33 Abs 3 Satz 1 SGB X muss ein – wie hier – schriftlicher Verwaltungsakt als Formerfordernis die erlassende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder seines Beauftragten enthalten. Dieser formellen Anforderung wird der Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober 2024 gerecht. In der Kopfzeile des gemeinsamen Bescheids werden die einzelnen Kranken- und Ersatzkassenverbände aufgeführt, sodass die hier in der Mehrzahl erlassenden Behörden ohne Weiteres erkennbar sind. Ferner wird er mit namentlicher Bezeichnung des jeweiligen Behördenleiters bzw des von ihm beauftragten Mitarbeiters gezeichnet.

 

4. Unter Berücksichtigung der besonderen Prüfungsmaßstäbe bei der Widerlegung von Prognoseentscheidungen nach § 136b Abs 5 Satz 6 iVm Abs 5 Sätze 3 bis 5 SGB V <hierzu a) bis d)> trägt die Begründung der Antragsgegnerinnen bei summarischer Prüfung die von ihnen angenommene Widerlegung der Prognose der Antragstellerin <hierzu e)>; der Widerlegungsbescheid vom 1. Oktober erweist sich bei einer summarischen Prüfung daher auch als materiell rechtmäßig.

 

a) Aufgrund seiner besonderen regulatorischen Ausgestaltung – durch einen Leistungserbringer zu erstellende Prognose über seine Leistungsberechtigung; zeitnahe Überprüfung der Prognose; gesetzlich angeordneter Regelfall – gelten für die Beteiligten sowie die Tatsachengerichte bei der Prognose einer Mindestmenge und ihrer Widerlegung besondere Anforderungen.

 

Ausgangspunkt der Prüfung seitens der Krankenkassen(-verbände) sowie ggf der Gerichte ist die Prognose des Krankenhausträgers gemäß § 136b Abs 5 Satz 3 SGB V, dh seine Darlegung, dass die erforderliche Mindestmenge im jeweils nächsten Kalenderjahr auf Grund berechtigter mengenmäßiger Erwartungen voraussichtlich erreicht werde. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers „liegt die Prognosekompetenz grundsätzlich beim Krankenhausträger, da er über die Gesamtheit der Informationen verfügt, die notwendig ist, um die zukünftige Leistungsentwicklung beurteilen zu können. Maßgeblich für die Entscheidung ist die prospektive Leistungsentwicklung; damit soll der Anreiz einer Indikationsausweitung im laufenden Jahr zur Erfüllung der festgelegten Mindestmenge von vornherein ausgeschlossen werden“ (BT-Drs 18/5372, Seite 86 f). Die von ihm zur Begründung seiner Prognose vorgebrachten Tatsachen hat der Krankenhausträger gemäß § 5 Abs 2 lit d) Mm-R mit Nachweisen aussagekräftig zu belegen. Sein Vorbringen darf er (unter Beifügung entsprechender Belege) bis zur Entscheidung der Krankenkassen(-ver­bände) – auch ohne ausdrückliche Aufforderung durch diese – ergänzen, aber auch ändern (vgl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn 114 mwN).

 

Für die Widerlegung der Prognose fordert § 136b Abs 5 Satz 6 SGB V begründete erhebliche Zweifel an deren Richtigkeit. Notwendig, aber auch hinreichend sind tatsächliche Anhaltspunkte, die begründeten Anlass zu solchen Zweifeln geben (vgl BT-Drucks 18/5372, Seite 87; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn 115). Dem Sinn und Zweck der Verfahrensregelungen in § 136b Abs 5 Sätze 3 bis 8 SGB V, eine verbindliche Klärung der Berechtigung des Krankenhauses zur Erbringung und Abrechnung der mindestmengenbelegten Leistungen vor Beginn des maßgeblichen Kalenderjahres herbeizuführen, entspricht es, dass sich die Krankenkasse in ihrem Widerlegungsbescheid nach § 136b Abs 5 Satz 6 SGB V mit allen bis zu diesem Zeitpunkt ihr bekannten, die Prognose des Krankenhausträgers tragenden Argumenten/Elementen sorgfältig auseinandersetzen muss.

 

b) Bei der Überprüfung von Prognosen durch Sozialleistungsbehörden und die Tatsachengerichte gilt ein eigener Prüfungsmaßstab.

 

Sachgerechte Prognosen beruhen auf erhobenen Daten und Fakten aus der Vergangenheit, auf deren Basis unter Berücksichtigung zu erwartender Veränderungen eine Vorausschau für eine künftige, ungewisse Entwicklung getroffen wird. Prognosen sind begriffsnotwendig zukunftsbezogen. Für eine Prognose sind alle für die Beurteilung der künftigen Entwicklung erkennbaren Umstände zu berücksichtigen, die mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind und Einfluss auf die zu beurteilenden Umstände haben, wobei regelmäßig die unmittelbar zurückliegenden Jahre eine größere Bedeutung haben als die weiter zurückliegende Vergangenheit. Maßgebend sind die Verhältnisse zur Zeit der Prognoseentscheidung. Spätere Entwicklungen können die Richtigkeit einer Prognose weder bestätigen noch widerlegen. Eine Prognose ist unrichtig, wenn sie auf unzutreffenden Tatsachen, auf unzureichender Tatsachenwürdigung oder auf sonstigen unrichtigen oder unsachlichen Erwägungen beruhen. Insoweit ist die behördliche Prognoseentscheidung gerichtlich darauf zu überprüfen, ob die Grundlagen für die Prognose richtig festgestellt sowie alle in Betracht kommenden Umstände hinreichend und sachgerecht gewürdigt wurden und den von der Behörde gezogenen Schluss rechtfertigen (vgl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn 117; BSG Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 KR 2/21 R – juris Rn 16, 21-22).

 

c) Anhaltspunkte für Zweifel an der Richtigkeit der Mindestmengenprognose können sich auf vielfältige Weise ergeben. Denkbar sind Zweifel an den der Prognose zugrunde liegenden Tatsachen (zB an Fallzahlen oder an den personelle oder strukturelle Veränderungen begründenden Umständen). Zweifel können auch berechtigt sein, wenn es an hinreichenden Belegen fehlt oder aus sonstigen Gründen an der Plausibilität ins Feld geführter Tatsachen bzw gezogener Schlussfolgerungen mangelt (vgl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn 118)

 

Nach dem Wortlaut von § 136b Abs 5 Satz 6 SGB V genügen für eine Widerlegung der Prognose des Krankenhausträgers nicht beliebige Zweifel an deren Richtigkeit, gefordert werden „begründete erhebliche Zweifel“. Hierbei kommt dem Attribut „begründete“ keine eigenständige Bedeutung, weil generell nur begründete – nicht hingegen unbegründete oder unzureichend begründete – Zweifel rechtlich von Relevanz sein können. Mit dem Attribut „erhebliche“ bringt der Gesetzgeber hingegen zum Ausdruck, dass Zweifel, die nur leicht, von geringer oder von untergeordneter Art sind, zur Widerlegung nicht geeignet sind. Korrespondierend mit der unsicheren Tatsachengrundlage, auf der Prognosen naturgemäß beruhen, genügt es für eine Widerlegung, wenn die rechtlich relevanten Zweifel die sonstigen Umstände überwiegen. Lässt sich ein solches Überwiegen nicht feststellen, geht indes die Einschätzung des Krankenhausträgers vor (vgl Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn 119).

 

d) Die Pflicht zur Amtsermittlung nach § 20 SGB X bzw § 103 SGG ist im Zusammenhang mit der Prüfung von Mindestmengenprognosen für die Krankenkassen(-verbände) und für die Tatsachengerichte eingeschränkt. Dies findet seinen Grund – zum einen – in der (auch die Einreichung von Belegen umfassenden) Darlegungslast der Krankenhausträger und korreliert mit anderen Konstellationen, in denen die Rechtsprechung wegen gesetzlich angeordneter Darlegungsobliegenheiten (zB zu Potential-Entscheidungen des G-BA nach § 137e Abs 7 SGB V) oder bei aus der Sphäre eines Beteiligten stammenden, nur diesem zugänglichen Informationen eine Begrenzung der Amtsermittlungspflicht angenommen hat. Diese rechtfertigt sich – zum anderen – aus dem durch § 5 Abs 1, Abs 5 Satz 1 Mm-R vorgegebenen Zeitrahmen zwischen der Mitteilung der Prognose durch die Krankenhausträger und der Entscheidung der Krankenkassen(-verbände) über die Prognose zwischen dem 7. August und dem 7. Oktober des laufenden Kalenderjahres. In dieser Zeitspanne sind (ggf umfangreiche) Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen in der Regel nicht durchführbar. Sie würden vielmehr das gesetzgeberische Ziel, das Verfahren einschließlich gerichtlichen Eilrechtsschutzes wenn möglich vor Beginn des maßgeblichen Kalenderjahres abzuschließen (BT-Drs 18/5372, 87), gefährden. Sind unterschiedliche Aspekte zu würdigen, die teils für die Prognose, teils gegen sie sprechen, müssen die Krankenkassen(-verbände) alle ihnen bekannten Umstände zutreffend erfassen, in ihrer Bedeutung für den konkreten Fall gewichten und schließlich nachvollziehbar, dh den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, einer Gesamtabwägung unterziehen und bei Unklarheiten nicht von Amts wegen ermitteln, aber ggfs – einmalig – das Krankenhaus unter Fristsetzung zu ergänzendem Vortrag auffordern. Der Hinweis, dass eine weitergehende Plausibilisierung für bereits erfolgten Vortrag fehle, reicht nicht (vgl zum Vorstehenden Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 18. Juli 2024 – L 4 KR 128/21 – juris Rn 121, 123, 126 mwN; Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 16. Juni 2020 – L 16 KR 64/20 – juris Rn 31; BSG, Urteil vom 18. Dezember 2018 – B 1 KR 11/18 R – juris Rn 34 f zu Potential-Entscheidungen des G-BA nach § 137e Abs 7 SGB V)

 

Aufgrund der Fristenregelung in § 5 Abs 1 Satz 1 Mm-R, die zwar keine materielle Präklusion bewirkt (vgl Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 7. Mai 2024 – L 8 KR 88/24 B ER – juris Rn 35), ist allerdings die Möglichkeit, Argumente und Unterlagen für die Prüfung der Landesverbände der Krankenkassen vorzulegen, zeitlich begrenzt. Das Verwaltungsverfahren für das Nachvollziehen der Prognose des Krankenhauses und die eigene Prognoseentscheidung der Krankenkassen ist mangels Erforderlichkeit eines Vorverfahrens (§ 78 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG iVm § 136b Abs 4 Satz 8 SGB V) mit Erlass des Widerlegungsbescheides abgeschlossen (vgl dazu auch Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. März 2024 – L 5 KR 22/24 B ER – juris Rn 47). Bei Prognoseentscheidungen ist auf den zum Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung ermittelten Kenntnisstand der Behörde abzustellen (BSG, Urteil vom 18. Oktober 2022 – B 12 KR 2/21 R – juris Rn 17; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Juni 2023 – L 10 KR 119/23 B ER – juris Rn 36). Wenn das Krankenhaus die Frist bis zum 7. August eines Jahres nicht nutzt und auch innerhalb einer von den Krankenkassen gesetzten Nachfrist zur Vorlage von Unterlagen nicht reagiert, liegt darin die Verletzung einer dem Krankenhaus obliegenden Mitwirkungslast. Sie führt gegebenenfalls zu einer Unmöglichkeit, den Vortrag des Krankenhauses zu prüfen, was im Rahmen der Beweiswürdigung zu berücksichtigen sein kann (vgl Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 7. Mai 2024 – L 8 KR 88/24 B ER – juris Rn 36).

 

e) Die Antragstellerin konnte ihre Prognose in 2024 für das Erreichen der Mindestmenge von 100 Brustkrebsoperationen im Jahr 2025 nicht allein mit der tatsächlichen Leistungsmenge im vorausgegangenen Jahr 2023 (Fallzahl 45) begründen (§ 4 Abs 2 Nr 1 iVm § 3 Abs 1 MM-R). Sie begründete ihre Prognose unter Berücksichtigung einer Leistungsmenge (§ 3 Abs 1 Mm-R) von 46 in den letzten zwei Quartalen des vorausgegangenen Kalenderjahres (Quartale III und IV/2023) und den ersten zwei Quartalen des laufenden Kalenderjahres (Quartal I und II/2024) (§ 4 Abs 2 Nr 2 Mm-R und weiterer Umstände iSv § 4 Abs 2 Satz 2 Nr 3, 4, Satz 3 und 4 Mm-R). An diesen Parametern war ihre Prognose zu messen (vgl § 4 Abs 4 Satz 2 lit b) Mm-R). Auch diese weiteren Umstände müssen eine Tatsachengrundlage haben und eine Prognose plausibilisieren können. Die Antragstellerin schilderte zum einen die prognostizierten Auswirkungen vorgenommener personeller Besetzungen (2,5 Vollzeitkräfte) auf ihre Kapazität für die Teilnahme an Tumorkonferenzen und das Angebot von Mamma-Sprechstunden mit der Möglichkeit kurzfristiger Terminvergaben (aa) und des weiteren einen erwarteten Fallzahlzuwachs durch eine eingegangene Kooperation mit der H______ Klinikum S1______ GmbH (bb).

 

(aa) Sämtliche vorgebrachten personellen „Veränderungen“ widerlegten die Antragsgegnerinnen allerdings.

 

(1) Die personelle „Veränderung“ in der Form der Wiederbesetzung der Funktion des leitenden Oberarztes zum 1. August 2023 wurde bereits im Jahr 2023 für die Prognose für das Kalenderjahr 2024 vorgebracht, so dass dieser Umstand allein nicht noch einmal zur Begründung einer positiven Prognose vorgebracht werden kann (vgl § 4 Abs 3 Mm-R). Insoweit und auch zu dem vorgebrachten Argument, die leitende Oberärztin habe zwar ab 26. Juni 2024 pausieren müssen, stehe jedoch ab 1. März 2025 wieder zur Verfügung, wiesen die Krankenkassenverbände zutreffend auf die Tatsache hin, dass während der Zeit ihrer Tätigkeit von August 2023 bis Ende Juni 2024 nur 46 Brustkrebsoperationen durchgeführt wurden. Die von ihnen im Prüfverfahren gezogene Schlussfolgerung, allein ihr (Wieder-)Einsatz ab März 2025 belege nicht, dass diese Besetzung im Vergleich zu dem Referenzzeitraum III/2023 bis II/2014 im Jahr 2025 zu einer doppelten Anzahl an Brustkrebsoperationen führen werde, ist plausibel. Den Vortrag, im Jahr 2023 etwa 15 Eingriffe nicht durchgeführt haben zu können, im Übrigen jedoch ihr entgangene Fälle nicht dokumentiert zu haben, bewerteten die Antragsgegnerinnen zutreffend als nicht hinreichende Tatsachengrundlage für eine prognostische Anzahl von 100 Brustkrebsoperationen im Jahr 2025 im Hause der Antragstellerin. Die Antragstellerin hätte ergänzend weitere Umstände vortragen müssen.

 

(2) Solche Umstände liegen aber bei summarischer Prüfung nicht in dem – wiederholten - Vortrag, dass in den Jahren 2023 und 2024 (mit der leitenden Oberärztin) durchschnittlich insgesamt 2,5 Vollkraft Oberarztstellen zwischenzeitlich nachbesetzt und ab 2025 wieder voll einsatzbereit seien und diese Ärzte ihre Teilnahme an den Mammographie-Screening-Konferenzen sicherstellen und seit Juni 2024 eine spezielle Mamma-Sprechstunde anbieten können. Die Antragsgegnerinnen wiesen zur Begründung ihrer Widerlegung – methodisch zulässig und zutreffend – auf die Tatsache hin, dass diese Besetzungen bereits im ersten Halbjahr 2024 nicht zu einer Fallzahlerhöhung gegenüber dem ersten Halbjahr 2023 geführt habe. Insoweit hätte die Antragstellerin in ihrer Erwiderung vom 11. September 2024 weitere Umstände vortragen und gemäß § 5 Abs 2 lit d) Mm-R nachweisen müssen, die ihre Prognose plausibel erscheinen lassen, mit dem vorhandenen – jedoch nicht insgesamt erweiterten – Personalbestand zB durch Umverteilung zu Lasten anderer Eingriffe ein Niveau von mindestens 100 Brustkrebsoperationen erreichen zu können.

 

(3) Zu dem – ohne Vorlage von Nachweisen – weiteren Vortrag eines ausgeweiteten und weiter auszuweitenden Leistungsangebots für die Mamma-Sprechstunde und Teilnahme an Tumorkonferenzen seitens der Antragstellerin wiesen die Antragsgegnerinnen überdies nachvollziehbar auf den Umstand hin, dass diese Leistungen auch in anderen Krankenhäusern angeboten werden und weder die Vorgehensweise noch die Struktur im Hause der Antragstellerin auszeichnen, um ihre Attraktivität bei einer Auswahlentscheidung für Patientinnen im Vergleich mit anderen Krankenhäusern zu erhöhen. Sofern die Antragstellerin mit diesem Vortrag kein exklusives Leistungsangebot ins Feld führte, sondern lediglich darauf hinweisen wollte, (wieder) ein mit anderen Krankenhäusern gleichwertiges Versorgungsangebot anbieten zu können, zielt dieser Vortrag darauf ab, jedenfalls während der Phase der Wiederaufnahme dieses Versorgungsangebots durch die freien Kapazitäten aktuell kurze Wartezeiten anbieten zu können und dadurch attraktiv zu sein. Wenn die Antragsgegnerinnen diese „(Wieder-)aufbauphase“ mit kurzen Wartezeiten nicht als tatsächlichen Umstand würdigten, der die Prognose einer signifikanten Fallzahlsteigerung auf mindestens 100 im Kalender 2025 plausibilisiert, ist diese Schlussfolgerung nicht unsachlich und daher nicht zu beanstanden. Denn es ist nicht erkennbar oder von der Antragstellerin dargelegt worden, wie diese „Wiederaufnahme“ dazu führt, dass sich die Gesamtanzahl notwendiger operativer Versorgungen in K_____ und Umgebung in dem für die Mindestmengenregelung notwendigen quantitativen Umfang zu ihren Gunsten auf ihr Haus verteilen wird. Ein solcher Vortrag der Antragstellerin für eine erwartete Fallzahlsteigerung hatte bereits keine gesicherte Tatsachengrundlage. Soweit diese schließlich im Eilverfahren vorträgt, dass die personelle Entwicklung bzw der Einsatz vorhandenen Personals für die Teilnahme an Screening-Konferenzen und eine Mamma-Sprechstunde bereits im September 2024 zu einer Steigerung geführt habe, die bis zum Jahresende 68 Fälle erwarten lasse, ist zu bedenken, dass eine Entwicklung über den 1. Juli 2024 hinaus in der Stellungnahme der Antragstellerin vom 11. September 2024 im Verwaltungsverfahren nicht dargelegt wurde und die tatsächliche Entwicklung nach dem Zeitpunkt der Prognoseentscheidung bereits grundsätzlich nicht berücksichtigt wird.

 

(bb) Die Krankenkassenverbände haben in ihrer Entscheidung auch die Prognose der Antragstellerin einer im Jahr 2025 erwarteten Fallzahlsteigerung auf über 100 Behandlungsfälle mit Brustkrebsoperationen aufgrund einer Kooperation mit der H_____ Klinikum S1_______ GmbH mit zulässiger und nachvollziehbarer Argumentation widerlegt. Dieses Argument war nicht geeignet, die Prognose einer Fallzahlsteigerung auf über 100 Brustkrebsoperationen zu begründen.

 

(1) Dabei konnten die Antragsgegnerinnen die erst im gerichtlichen Eilverfahren vorgelegte Kooperationsvereinbarung vom 29. August 2024 / 9. September 2024 und das Schreiben der H______ Klinikum S1_______ GmbH vom 8. November 2024 nicht würdigen. Da auf den ermittelten Erkenntnisstand der Behörde zum Zeitpunkt ihrer Entscheidung abzustellen ist, kann der Wortlaut der vorgelegten Kooperationsvereinbarung auch nicht mehr in der gerichtlichen Entscheidung im (Eil-)Verfahren berücksichtigt werden. Diese Argumentation der Antragstellerin war von den Antragsgegnerinnen lediglich in dem Umfang in die Prognoseprüfung einzubinden, wie er von der Antragstellerin bis zum 1. Oktober 2024 vorgetragen wurde. Denn in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Prognosekompetenz zunächst beim Krankenhausträger liegt und dessen Prognose in einem zweiten Schritt bei begründeten erheblichen Zweifeln an der Richtigkeit von den Landesverbänden der Krankenkassen und der Ersatzkassen widerlegt werden kann (§ 136b Abs 4 Satz 6 SGB V), ist für die Prüfung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren grundsätzlich auf den gleichen Zeitpunkt abzustellen wie im Verfahren in der Hauptsache.

 

(2) Der Vortrag einer abgesprochenen Kooperation zur Steuerung der Patientenentscheidung für eine Brustkrebsoperation im Hause der Antragstellerin ist keine strukturelle Veränderung iSv § 4 Abs 2 Nr 4 Mm-R, da die Strukturen für die Durchführung der Brustkrebsoperationen am Standort der Klägerin und die Trägerschaft der beiden Standorte eines Krankenhauses dadurch nicht verändert, insbesondere auch nicht zusammengelegt werden. Da bis zuletzt im Verwaltungsverfahren auch keine Arbeitsverträge mit weiteren Ärzten für eine Teilzeitbeschäftigung bei der Antragstellerin gezielt für die Durchführung solcher operativen Eingriffe vorgelegt wurden, die in der Mm-R für Brustkrebsoperationen mittels OPS gelistet sind, kann der Vortrag außerdem nicht als eine personelle Veränderung iSv § 4 Abs 2 Satz 2 Nr 3 Mm-R gewertet werden. Dieser Vortrag kann allenfalls als ein „weiterer Umstand“ iSv § 4 Abs 2 Satz 3 Mm-R in die Prüfung einfließen. Dazu kann aus Sicht des Senats der Wegfall eines wohnortnahen Angebots einer Leistung zählen, der für betroffene Patientinnen damit verbunden ist, während des gesamten Behandlungsprozesses von der Verdachtsdiagnose, der Bestätigung vorhandenen kanzerogenen Gewebes, der Entscheidung zur Operation und der Nachbeobachtung und –behandlung bis zur Rezidivfreiheit für alle Behandlungsphasen oder auch nur eine Behandlungsphase – die Operation – ein wohnortentferntes Krankenhaus aufzusuchen und dabei eine Auswahlentscheidung treffen zu müssen.

 

(3) Die in ihren Schreiben vom 19. August 2024 und 11. September 2024 vorgebrachte Erwartung der Antragstellerin, nach dem Wegfall eines Leistungsangebots für Brustkrebsoperationen in R______ und unter Berücksichtigung eines in H1______ nicht vorhandenen Mammazentrums führe der weitere Wegfall von Brustkrebsoperationen am Standort der H______ Klinikum S1_______ GmbH in S1_______ dazu, dass sie selbst die Patientinnen zur operativen Versorgung übernehme, beruht naturgemäß nicht auf einer gesicherten Tatsachengrundlage, da die Entscheidungen künftiger Patientinnen für ein Krankenhaus zu dem Zeitpunkt der abzugebenden Prognose für das Folgejahr nicht dokumentiert sind. Für die Prognose der für eine Fallzahlsteigerung maßgeblichen Patientenentscheidungen sind daher Fakten auszuwerten wie zB Entfernung und Fahrzeit sowie zugängliche Informationen über wohnortentfernte Krankenhäuser, die nach bisher erhobenen Daten oder allgemeiner Lebenserfahrung von Patientinnen in die Entscheidung einfließen. Die Entfernungen zwischen S1______ und K_____ einerseits und F_______ und K______ andererseits sind – wie die Antragsgegnerinnen zutreffend ausführen – in etwa in der gleichen Fahrzeit zu bewältigen. Diese beiden Entfernungen bzw Fahrzeiten sind untereinander gleichwertig und bieten Patientinnen für den – einmaligen – Weg zum stationären Aufenthalt und zurück objektiv keinen Vorteil gegenüber dem jeweils anderen Standort. Die Entfernung / Fahrzeit lässt daher keine plausible Schlussfolgerung zu, dass Patientinnen aus S1________ und Umgebung sich einhellig für eine Behandlung / operative Versorgung in K______ und dort gegen ein Krankenhaus mit fallzahlengestützter Erfahrung und für eine Operation im Hause der Antragstellerin entscheiden würden.

 

(4) Sofern bereits in dem Schreiben vom 11. September 2024 dargelegt wurde, dass die bei der H_______ Klinikum S1_______ GmbH angestellten, behandelnden Operateure eingegangene Behandlungsverhältnisse zu künftigen Patientinnen aufrechterhalten und – mit dem Einverständnis der Patientinnen – am Standort der Antragstellerin – anstelle der von der Antragstellerin beschäftigten Operateure – die Operation zu übernehmen beabsichtigen, kann es plausibel sein, dass ein solcher skizzierter Ablauf zu einer Patientensteuerung hin zum Hause der Antragstellerin und daher zu einer Fallzahlerhöhung gerade im Hause der Antragstellerin führen kann. Denn wenn die Operateure für diese Zwecke – wie als Absicht vorgetragen – bei der Antragstellerin teilzeitbeschäftigt würden, ist die Antragstellerin und nicht die H________ Klinikum S1________ GmbH berechtigt, die Leistungen der in der Mindestmengenregelung für Brustkrebsoperationen aufgezählten OPS zu erbringen und in die Abrechnung der stationären Krankenhausbehandlung einzustellen. Die chirurgische Versorgung führt bei Umsetzung dieses beabsichtigten Vorgehens dann zu einer Fallzählung zugunsten der Antragstellerin. Es ist allerdings keine belegbare Tatsache, sondern allenfalls ein bei lebensnaher Betrachtung mögliches Szenario, dass sich Patientinnen aufgrund eines entstandenen Vertrauensverhältnisses eine Operation durch den sie behandelnden Arzt wünschen und ihm zu seinem Operationsstandort – hier in K_____ – folgen. Diese Unsicherheit im Ausgang der Patientenentscheidungen kann – zumal sie für insgesamt lediglich rund 60 Patientinnen immer zugunsten der Absprache der beiden Krankenhäuser ausgehen müsste – im Rahmen eines ausschließlich zahlenbasierten Verfahrens allein keine Prognoseentscheidung zugunsten der Antragstellerin tragen.

 

(5) Darüber hinaus geht der Senat davon aus, dass für jegliche Kooperationsabsprachen zweier Leistungserbringer zur Erfüllung von Leistungs- und Abrechnungsvoraussetzungen eine rechtssichere Kooperationsvereinbarung erforderlich ist (vgl zur Kooperation zwecks Erfüllung von Strukturmerkmalen eines OPS Senatsurteil vom 12. Oktober 2023 – L 10 KR 8/20 – juris Rn 44; Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Juni 2023 – L 10 KR 119/23 B ER – juris Rn 36). Danach ist eine wie vorliegend vorgetragene Kooperationsvereinbarung ohne Vorlage der für diese Kooperation notwendigen Arbeitsverträge bereits dem Grunde nach nicht geeignet, eine Tatsachengrundlage für eine positive Prognose für das Erreichen der Mindestmenge im Kalenderjahr 2025 zu begründen. Dieser Prozess für die Sicherstellung einer Fallzahlsteigerung auf die erforderliche Mindestmenge im Haus der Antragstellerin war weder im Zeitpunkt der Abgabe aller Unterlagen für die Prognose bis zum 7. August 2024 noch im Zeitpunkt der bis zum 7. Oktober 2024 zu erwartenden Widerlegungsentscheidung abgeschlossen. Der Stand der Absprache bietet an sich daher bis zum 7. Oktober 2024 bereits keine gefestigte Tatsachengrundlage für die von der Antragstellerin abgegebene Prognose für eine Fallzahlsteigerung in ihrem Hause.

 

(6) Ferner gibt der Senat zu bedenken, dass sich behandelnde Ärzte im Rahmen einer Verlegung, Verweisung oder Therapieempfehlung regelmäßig ausschließlich von medizinischen Aspekten leiten lassen dürfen (siehe auch Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 5. Juni 2023 – L 10 KR 119/23 B ER – juris Rn 38), nicht jedoch von Absprachen dazu, welches Krankenhaus welche der geltenden Mindestmengenregelungen erfüllen soll und wie sich unterschiedliche Krankenhausträger gegenseitig dabei unterstützen können. Die behandelnden Ärzte haben bei Empfehlungen außerdem die Wahlfreiheit der Versicherten (§ 76 Abs 1 SGB V) zu beachten. Auch unter Berücksichtigung dieser Wahlfreiheit ist vorliegend bereits nicht sichergestellt, dass weiterhin rund 60 Patientinnen im Hause der H_______ Klinikum S1________ GmbH vorstellig werden, sich auf das dort offenbar anvisierte standortübergreifende Behandlungsprozedere einlassen und dann im Hause der Antragstellerin operativ versorgt werden möchten. Eine solche Schlussfolgerung beruht nicht auf einer validen Tatsachengrundlage und ist – wie die Antragsgegnerinnen zutreffend ausführten – daher nicht plausibel (aA Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 7. Mai 2024 – L 8 KR 88/24 B ER – Rn 32, juris).

 

(7) Aber selbst dann, wenn die Antragstellerin die Kooperationsvereinbarung vom 29. August 2024 /9. September 2024 bereits bis zum 18. September 2024 vorgelegt hätte und sich aus dieser plausibel eine Patientensteuerung hin zu einer operativen Versorgung im Hause der Antragstellerin für gesichert rund 60 Patientinnen ableiten lassen könnte, gibt der Senat zu bedenken, dass die Festlegung von Mindestmengen pro Standort eines Krankenhauses – und nicht pro Arzt – eine qualitätsgesicherte Behandlung gerade durch ein interdisziplinäres Team gewährleisten soll. Denn die Festlegung von Mindestmengen pro Standort beruht auf der Auswertung evidenzbasierter Studien zu einem Zusammenhang zwischen der Anzahl erbrachter Operationsleistungen durch ein interdisziplinäres Team oder einen Arzt und der Qualität der operativen Versorgung. Dafür ist nicht nur die Kontinuität des nichtärztlichen Personals von Bedeutung, das durch die Vielzahl von Operationen seine Fachkenntnisse festigt und ausweitet. Auch und insbesondere die Qualifikation des Operateurs ist von Bedeutung. Diese wird (erst) durch eine Vielzahl von Operationen gesichert, in denen er unter anderem seine Kompetenz zur Unterscheidung von gesundem und kanzerogenen Gewebe regelmäßig einsetzen und erweitern kann. Ferner zählt dazu auch die ärztliche Begleitung der postoperativen Versorgung im Krankenhaus inklusive der Beobachtung der Wundheilung nach durchgeführter Operation. Dieser Prozess ist in der „den Patienten tatsächlich versorgenden Einheit“ (BT-Drs 18/5372, Seite 85 zu § 136b Absatz 1 Satz 1 Nr 2) zu gewährleisten. Dieses Team muss dann jedoch nach dem Sinn und Zweck der qualitätssichernden Mindestmengenregelung – und vorbehaltlich eines durch Altersabgang oder Kündigung bedingten Personalwechsels – eine gewisse Kontinuität aufweisen und den mehrtägigen Behandlungsprozess von der Aufnahme bis zur Entlassung begleiten können. Der Senat hat daher erhebliche Zweifel daran, dass der beschriebene Sinn und Zweck der Mindestmengenregelung es zulässt, durch eine Vielzahl an aus Patientensicht regelmäßig wohnortnah tätigen und nur für vereinzelte Operationen an anderen Krankenhäusern teilzeitbeschäftigte Operateure eine Fallzahlkonzentrierung an dem Standort eines anderen Krankenhauses zu erzielen, das dann durch die Fallzählung aufgrund einer Vielzahl an nur für diese Operationen beschäftigten Ärzten die Mindestmenge erfüllt. Eine solche Vorgehensweise würde aus Sicht des Senats zu einer Umgehung der beabsichtigten Regelungen zur Qualitätssicherung für mindestmengenrelevante Leistungen führen.

 

Vor diesem Hintergrund ist nach der gebotenen summarischen Prüfung von der materiellen Rechtmäßigkeit des hier streitbefangenen Widerlegungsbescheids der Krankenkassenverbände vom 1. Oktober 2024 auszugehen. Insbesondere bestehen vorliegend begründete erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der vom Krankenhausträger für das Jahr 2025 getroffenen Prognose hinsichtlich der Erfüllung der Mindestmenge bei Brustkrebsoperationen.

 

5. Bei einer derartigen Konstellation überwiegen die Privatinteressen der Antragstellerin an dem Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung und damit im Ergebnis an der vorläufigen Berechtigung zur Erbringung mindestmengenrelevanter Brustkrebsoperationen im Jahr 2025 regelmäßig nicht gegenüber dem öffentlichen Interesse der Krankenkassenverbände an der sofortigen Vollziehbarkeit einer Widerlegungsentscheidung nach § 136b Abs 5 Satz 6 SGB V. Der Gesetzgeber hat das Gewinninteresse der Krankenhäuser hinter die Qualitätssicherung zugunsten der Patientensicherheit zurücktreten lassen. Diesen Grundsatz entkräftende Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend von dieser Regelbetrachtung ausnahmsweise zugunsten der Antragstellerin abzuweichen wäre, sind im Ergebnis nicht vorgetragen worden.

 

a) Die von der Antragstellerin geltend gemachten wirtschaftlichen Folgen der Widerlegungsentscheidung sind zwangsläufig mit der Rechtsfolge der Mindestmengenregelung des § 136b SGB V verbunden, dessen grundsätzliche Verfassungsmäßigkeit auch die Antragstellerin nicht in Zweifel zieht (dazu: BSG vom 17. November 2015 – B 1 KR 15/15 R – juris Rn 40 ff). Sofern die Antragstellerin den Verlust von Case-Mix-Punkten im Rahmen der Zertifizierung des Onkologischen Zentrums durch das Deutsche Krebszentrum („OnkoZert“) geltend macht, ist dieser Umstand vorliegend nicht von Bedeutung. Die OnkoZert GmbH ist kein im SGB V vorgesehener Träger von Aufgaben zur Qualitätssicherung, sondern ein Zertifizierungssystem der Deutschen Krebsgesellschaft. Dass der Ausschluss der Antragstellerin von den hier streitgegenständlichen Leistungen zu einer Gefährdung des Krankenhauses in seinem Bestand führt, ist zudem weder dargelegt noch anderweitig ersichtlich. Insoweit ist der entworfene Dominoeffekt des Leistungsverbots nach § 136b Abs 5 Satz 1 SGB V für Brustkrebsoperationen auf die Behandlung anderer Erkrankungen in den Kliniken anderer Fachgebiete am Standort der Antragstellerin von den hier maßgeblichen Regelungen des SGB V nicht determiniert und in sich nicht plausibel. Der Antragstellerin bleibt es unbenommen, für Brustkrebsoperationen das Verfahren nach § 6 Mm-R durchzuführen oder einen Antrag nach § 136b Abs 5a SGB V zu stellen.

 

b) Die Argumentation der Antragstellerin, Patientinnen tatsächlich qualitätsgerecht zu behandeln und dieses Versorgungsangebot weiter so anbieten zu wollen, widerspricht den Grundannahmen der Mindestmengenregelung. Es bedarf im Interesse einer Risikominimierung gerade der Festsetzung einer Mindestmenge als eine über das Weiterbildungs- und das Krankenhausplanungsrecht hinausgehende Qualitätsanforderung, um bundeseinheitlich an allen Krankenhausstandorten, die chirurgische Behandlung des Brustkrebses durchführen, eine Routine und Erfahrung zu erlangen und aufrechtzuerhalten, die eine gebotene Ergebnisqualität gewährleistet. Die Ermächtigungsgrundlage des § 136b Abs 1 S 1 Nr 2 SGB V selbst gibt die mit Mindestmengenregelungen verbundene Pauschalierung zu Lasten der „guten kleinen“ Krankenhäuser vor. Eine Patientengefährdung damit abzuschwächen, weil die Mindestmenge von ihr künftig prognostisch nicht mehr unterschritten werde, ist unter Berücksichtigung der vom G-BA ausgewerteten aktuellen fachwissenschaftlichen Erkenntnisse und Erfahrungssätze zur chirurgischen Behandlung des Brustkrebses unhaltbar, insbesondere wenn bedacht wird, dass bereits die Mindestmenge von 100 einen notwendigen Kompromiss unter Abwägung der gegenläufigen Interessen darstellt und die bisherige vorläufige Mindestmenge von 50 allein den Interessen der Leistungserbringer an einer Übergangsregelung geschuldet war, die an sich überhaupt nicht in Einklang zu bringen ist mit den unter Qualitätsgesichtspunkten erforderlichen weit höheren Leistungsmengen (vgl auch Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 25. März 2024 – L 6 KR 2/24 B ER – juris Rn 77 - 79). Diese zur Qualitätssicherung erforderlichen Leistungsmengen werden von zwei weiteren Krankenhäusern in K_____ mit 532 bzw 409 Fällen im Jahr 2023 erfüllt (Schriftsatz der Antragsgegnerinnen vom 28. Januar 2025), so dass Versorgungsengpässe für an Brustkrebs erkrankte Patientinnen in K____ und in S1________ nicht zu erwarten sind, wenn die Antragstellerin diese Leistung im Jahr 2025 nicht erbringen darf. Einer behaupteten Gefährdung der flächendeckenden Patientenversorgung wäre überdies im Verfahren nach § 136b Abs 5a SGB V nachzugehen und ggf zu begegnen.

 

Unter diesen Bedingungen überwiegt schlicht das öffentliche Interesse an einer an der Leistungsmenge anknüpfenden zusätzlichen Qualitätssicherung. Die aufschiebende Wirkung würde potentiell die Patientensicherheit gefährden, denn in Krankenhäusern, welche festgelegte Mindestmengen nicht erreichen, werden voraussichtlich die positiven Effekte der Mindestmengen (Minimierung von Behandlungsrisiken, Verhinderung von Komplikationen bis hin zu Mortalität) nicht erreicht (vgl die Gesetzesbegründung zur Aufhebung des Suspensiveffektes: BT-Drs 19/26822 S. 93). Ein milderes Mittel steht aus Sicht des Senats nicht zur Verfügung.

 

6. Nach alledem hat der hier angefochtene Beschluss des SG Kiel keinen Bestand haben können; vielmehr ist die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin in der Hauptsache gegen den Widerlegungsbescheid der Krankenkassenverbände vom 1. Oktober 2024 erhobene Anfechtungsklage nicht anzuordnen gewesen.

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 dritter Halbs SGG iVm § 154 Abs 1der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

 

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 erster Halbs SGG iVm den §§ 47 Abs 1 Satz 1, 52 Abs 1, 53 Abs 2 Nr 4 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei hat der erkennende Senat auf den von der Antragstellerin im Schriftsatz vom 18. Februar 2025 unwidersprochen angegebenen Erlöswert einer Brustkrebsoperation von durchschnittlich 4.200 Euro abgestellt (vgl zu diesem vom Senat herangezogenen Vorgehen BSG, Urteil vom 25. März 2021 – B 1 KR 16/20 R – juris Rn 34). Unter Zugrundelegung der vom Krankenhausträger für 2025 angestrebten Mindestmenge von 100 Behandlungsfällen er­gibt sich bei einem jährlichen Gesamtumsatz von 420.000 Euro und einer durchschnittlichen pauschalierten Schätzung des Gewinns von 25 vH somit ein wirtschaftlicher Vorteil für die Antragstellerin iHv 105.000 Euro, wobei der erkennende Senat in einem vorläufigen Rechtsschutzverfahren regelmäßig ein Drittel dieses Betrags als Streitwert heranzieht.

 

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

 

 

            Dr. Blöcher     Dr. Hamdorf   Dr. Fahlbusch
 

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Aus
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