S 10 AS 245/23

Sozialgericht
SG Konstanz (BWB)
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 245/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
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Aktenzeichen
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Datum
-
Kategorie
 

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

 

Tatbestand

 

 

Mit seiner Klage strebt der Kläger die Gewährung von Kosten der Unterkunft in Form von Zinszahlungen aufgrund eines Privatdarlehens an.

 

Der Kläger bewohnt gemeinsam mit seiner Frau und seinen 3 in den Jahren 1998, 2000 und 2011 geborenen Söhnen ein eigenes Haus. Zu dessen Finanzierung wurden Darlehen aufgenommen. Unter anderem verfügte der Kläger im Jahr 2009 in Form eines „Privatdarlehens“ über das Vermögen seiner beiden älteren Söhne in Höhe von jeweils 50.000,00 €, wobei er sich hier nach eigenen Angaben von einem Anwalt und Notar beraten ließ, und verwendete dieses Geld zum Hausbau. Die Söhne hatten diesen Betrag jeweils von ihrer Großmutter schenkungsweise erhalten. Nachdem Baumängel festgestellt wurden und der Hausbau sich insgesamt als teurer erwies, sodass weiteres Geld für die Nachfinanzierung des Hauses, für Anwaltskosten und einen Prozess vor dem Landgericht wegen Baumängeln benötigt wurde, wurde ebenso im Jahr 2012 mit dem Vermögen des jüngsten Sohnes, ebenfalls in Höhe von 50.000,00 €, verfahren. Schriftliche Darlehensverträge über die Summe von insgesamt 150.000,00 € und auch eine Vereinbarung über die Rückzahlung existieren nicht. Die Kinder erhalten monatlich jeweils 50,00 € auf ein Sparkonto. Hierbei soll es sich um Zinszahlungen in Höhe von 1,2 % p.a. handeln. Eine Tilgung ist bis heute nicht erfolgt. In zwei inhaltlich identischen Bestätigungsschreiben der beiden älteren Söhne des Klägers vom 17.11.2022 wurde die Vergabe eines „Familiendarlehens“ in Höhe von 50.000,00 € bestätigt. Die Zinszahlung betrage 600,00 € p.a., was einem Jahreszins von 1,2 % p.a. entspreche. Eine Tilgung sei bislang nicht vereinbart.

 

Der Kläger beantragte im Juli 2022 bei dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II. Der Bedarfsgemeinschaft wurden daraufhin mit vorläufigem Bescheid vom 08.09.2022 Leistungen für September 2022 in Höhe von 328,35 € bewilligt. Leistungen für Juli 2022 bis August 2022 sowie Oktober 2022 bis Dezember 2022 wurden wegen übereinsteigenden Einkommens abgelehnt.

 

Mit weiterem vorläufigen Bewilligungsbescheid vom 09.11.2022 wurden dem Kläger Leistungen für Juli 2022 und September 2022 bewilligt. Für August 2022 und Oktober 2022 bis Dezember 2022 wurden Leistungen abgelehnt. Zinszahlungen für die Privatdarlehen an die Kinder wurden nicht berücksichtigt.

 

Gegen den Bescheid erhob der Kläger am 08.12.2022 Widerspruch. Dieser betreffe die versagte Anerkennung der Finanzierungskosten durch Kredite bei seinen Kindern. Die jeweiligen Darlehen in Höhe von 50.000,00 € seien jährlich mit 1,2 % verzinst worden. Die Darlehen seien für die Nachfinanzierung des Hauses, die Finanzierung eines Anwaltes und des Prozesses wegen Baumängeln genommen geworden. Eine Tilgung sei bis heute nicht erfolgt, eine Vereinbarung mit seinen zwei mittlerweile volljährigen Kindern zur Rückzahlung/Tilgung sei nicht erfolgt.

 

Dem Widerspruch beigefügt waren die beiden von den volljährigen Kindern … und …  unterschriebenen und identischen Erklärungen, wonach eine Zinszahlung ununterbrochen erfolge. Eine Tilgung sei bis zum heutigen Stand noch nicht vereinbart.

 

Der Widerspruch wurde mit dem Widerspruchsbescheid vom 11.01.2023 zurückgewiesen. Es sei keine Regelung über die Rückzahlung des Darlehens (insbesondere Rückzahlungszeitpunkt) getroffen worden. Eine Regelung über die konkreten Rückzahlungsmodalitäten sei jedoch Grundvoraussetzung für ein im Rahmen des § 22 SGB II berücksichtigungsfähiges Darlehen. Darüber hinaus sei auch kein Nachweis über die zweckentsprechende Verwendung der vermeintlichen Darlehenssumme vorgelegt worden.

 

Mit dem Bescheid des Beklagten vom 13.01.2023 wurde der Antrag des Klägers für die Zeit ab Januar 2023 abgelehnt. Dem Kläger wurde vom Landkreis Sigmaringen Wohngeld für August 2022 in Höhe von 322,00 € und Oktober 2022 bis Dezember 2022 in Höhe von jeweils 322,00 € sowie ab Januar 2023 in Höhe von monatlich 574,00 € bewilligt.

 

Der Kläger erhob am 12.02.2023 Klage beim Sozialgericht Konstanz, mit welcher er weiterhin die Übernahme der Zahlungen an seine Kinder in Höhe von jeweils monatlich 50,00 €, mithin insgesamt 150,00 € monatlich, als Kosten der Unterkunft anstrebt.

 

Er trägt vor, eine Regelung über die Rückzahlung sei nicht erforderlich. Er habe sich diesbezüglich von einem Notar und einen Rechtsanwalt beraten lassen. Die zwei erwachsenen Kinder seien mit den Modalitäten vertraut. Ihnen sei bekannt, dass die Darlehen jederzeit kündbar und dann fällig seien. Es sei richtig und werde auch nicht bestritten, dass Rückzahlungsmodalitäten zum Zeitpunkt der Darlehensgewährung nicht vereinbart gewesen seien. Für die Wirksamkeit eines Darlehens sei dies auch nicht notwendig. 

 

Der Kläger beantragt,

 

den Beklagten zu verurteilen, ihm unter Abänderung des Bescheides vom 09.11.2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.01.2023 weitere Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 150,00 € für die Zinszahlungen für seine drei Kinder anzuerkennen.

 

Der Beklagte beantragt,

 

die Klage abzuweisen.

 

Er trägt vor, es sei bereits nicht nachgewiesen, dass es sich um eine Darlehensgewährung der Kinder an den Kläger handele. Auch, dass es sich bei den monatlich 150,00 € um Zinsen handele, sei nicht dargelegt.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Entscheidungsgründe

 

 

Die Klage ist zulässig, jedoch nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft in Höhe monatlich 150,00 € in Form von (Zins-)Zahlungen an seine Kinder.

 

Streitgegenständlich ist vorliegend der Bescheid vom 09.11.2022, mit welchem Leistungen für Juli 2022 und September 2022 bewilligt und für August 2022 und Oktober 2022 bis Dezember 2022 abgelehnt wurden. Der Kläger hat seine Klage zulässigerweise auf die Kosten der Unterkunft beschränkt. Streitgegenständlich sind mithin die Kosten der Unterkunft für den Zeitraum Juli 2022 bis Dezember 2023. Für die Zeit ab Januar 2023 wurde ein weiterer Bescheid erlassen, welcher nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens ist.

 

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft in Höhe von monatlich 150,00 € als Zinszahlungen für ein ihm von seinen Kindern gewährten Darlehen.

 

Erwerbsfähige Leistungsberechtigte erhalten als Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes Arbeitslosengeld II, das den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung umfasst, §§ 7 Abs. 119 Abs. 1 Satz 1 und 3 SGB II. Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit die Aufwendungen angemessen sind, § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Als Bedarf nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind die Aufwendungen als Bedarf für die Unterkunft und Heizung zu berücksichtigen, die sich bei selbstgenutztem Eigentum aus anfallenden Schuldzinsen für ein Darlehen zum Erwerb, aber auch aus Nebenkosten ergeben, also allen notwendigen, auch einmaligen Aufwendungen, die tatsächlich und untrennbar mit der Nutzung des Hausgrundstücks oder der Eigentumswohnung zu Wohnzwecken verbunden sind (vgl. BSG, Urteil vom 18.2.2010 – B 14 AS 74/08 R; BSG, Urteil vom 7.7.2011 – B 14 AS 51/10 R; Luthe in: Hauck/Noftz SGB II, Stand 01/25, § 22 Rn. 208). Nicht berücksichtigt wird der Aufwand zur Tilgung eines zum Erwerb des Hausgrundstückes oder der Eigentumswohnung erhaltenen Darlehens, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes sollen nicht dem Aufbau von Vermögen dienen (vgl. BSG, Urteil vom 18.6.2008 – B 14/11b AS 67/06 R). Tilgungsleistungen stellen damit keine anerkennungsfähigen Bedarfe für die Unterkunft dar. Nur ausnahmsweise können Tilgungsleistungen übernommen werden, wenn nur noch eine Restschuld abzutragen ist, da dann wegen der Besonderheit von Annuitätendarlehen, bei denen anfangs ein höherer Anteil der monatlichen Raten für Zinsleistungen und später ein höherer Anteil für Tilgungsleistungen aufgewendet wird, der Aspekt der Vermögensbildung in den Hintergrund tritt (vgl. BSG, Urteil vom 7.7.2011 – B 14 AS 79/10 R; BSG, Urteil vom 12.12.2019 – B 14 AS 26/18 R). 

 

Eine Übernahme der Zahlungen des Klägers in Höhe von monatlich jeweils 50,00 € an seine drei Kinder im Rahmen der KdU war vorliegend nicht möglich, da eine Einordnung der Zahlungen entweder als Zinsen, wie vom Kläger behauptet, oder aber als Tilgungszahlungen, mangels Regelung im Rahmen der nach dem Vortrag des Klägers bestehenden Darlehensverträge nicht möglich ist. Auch bestehen Zweifel daran, dass ein zur Durchführung bestimmter Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen wurde.

 

So sind an den Nachweis des Abschlusses und der Ernstlichkeit eines Darlehensvertrags unter Verwandten, gerade bei einem derartig engen Verwandtschaftsverhältnis wie zwischen Eltern und Kindern, strenge Anforderungen zu stellen. Entscheidend ist, ob der Darlehensvertrag entsprechend § 488 BGB zivilrechtlich wirksam geschlossen worden ist und sich die Darlehensgewährung auch anhand der tatsächlichen Durchführung klar und eindeutig von einer verschleierten Schenkung oder einer verdeckten, auch freiwilligen Unterhaltsgewährung abgrenzen lässt. Bei der Frage, ob überhaupt ein wirksamer Darlehensvertrag geschlossen worden ist, können einzelne Kriterien des sogenannten Fremdvergleichs herangezogen und bei der abschließenden, umfassenden Würdigung aller relevanten Umstände des Einzelfalles mit eingestellt werden. Die Wahrung von im Geschäftsverkehr üblichen Modalitäten, wie der Vereinbarung der in § 488 Abs. 1 BGB genannten weiteren Vertragspflichten, kann dabei als ein Indiz dafür gewertet werden, dass ein Darlehensvertrag tatsächlich geschlossen worden ist. Demgegenüber spricht es etwa gegen die Glaubhaftigkeit einer solchen Behauptung, wenn der Inhalt der Abrede, insbesondere die Darlehenshöhe sowie die Rückzahlungsmodalitäten, und der Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht substantiiert dargelegt werden oder ein plausibler Grund für den Abschluss des Darlehensvertrages nicht genannt werden kann. Es ist aber nicht erforderlich, dass sowohl die Gestaltung als auch die Durchführung des Vereinbarten in jedem Punkte dem zwischen Fremden - insbesondere mit einem Kreditinstitut - Üblichen zu entsprechen hat. Die Darlegungs- und objektive Beweislast trägt dabei, wie in Bezug auf die Feststellbarkeit der Hilfebedürftigkeit bzw. eines Bedarfes, der Hilfesuchende (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 08.09.2021 – L 12 AS 2009/19 –, Rn. 69, juris).

 

Dem vorzunehmenden Fremdvergleich hält die Vereinbarung zwischen dem Kläger und seinen Kindern vorliegend nicht stand. Ein wesentlicher Mangel ist bereits darin zu sehen, dass eine Schriftform als im Geschäftsverkehr üblicher Modalität vorliegend nicht besteht. Darüber hinaus fehlt es nach Auffassung der Kammer auch an Regelungen hinsichtlich der Zinszahlung und hinsichtlich der Darlehenstilgung. Die tatsächliche Zahlung in Form von monatlich jeweils 50,00 € an die drei Kinder des Klägers wird von diesen zwar als Zinszahlung deklariert. Der tatsächliche Charakter dieser Zahlungen ist jedoch mangels jeglicher Rückzahlungsvereinbarung als unklar zu bezeichnen. Der Kläger hat insofern unstreitig mitgeteilt, dass eine Vereinbarung zu der Frage, wann und wie die Tilgung des Darlehens erfolgen soll, nicht besteht. Gleiches geht auch aus den von seinen Söhnen unterschriebenen Erklärungen hervor. Dies hält einem Fremdvergleich nicht stand. Eine Vereinbarung zur Rückzahlung ist für die Parteien eines Darlehensvertrages ein wesentliches Kriterium für den Abschluss eines Darlehensvertrages. Dies folgt bereits daraus, dass durch die fehlende Rückzahlungsvereinbarung überhaupt nicht bestimmbar ist, ob es sich bei der tatsächlichen monatlichen Zahlung von insgesamt 150,00 € nicht doch eigentlich um eine verschleierte Tilgungszahlung handelt, und eine Zinszahlung dementsprechend gar nicht erfolgt. Auch aus dem Verwendungszweck der Überweisungen ist ein Charakter der Zahlungen nicht erkennbar. Als Tilgungsraten wäre die Zahlung jedoch nach den o.g. genannten Grundsätzen bereits nicht im Rahmen der Kosten der Unterkunft berücksichtigungsfähig. Das Bestehen eines tatsächlich zur Durchführung bestimmten Darlehensvertrages ist daher nicht hinreichend belegt, sodass eine Berücksichtigung der monatlichen Zahlungen als Kosten der Unterkunft ausscheidet.

 

Soweit der Kläger den Darlehensbetrag zur Finanzierung des Bauprozesses vor dem Landgericht und für die Bezahlung seines Anwaltes verwendet hat, scheidet eine Übernahme durch den Beklagte bereits aus, da es sich hierbei nicht um Kosten der Unterkunft im Sinne von § 22 SGB II handelt.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

 

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