1. Partielles vorläufiges Berufsverbot nach § 132a StPO und Abrechnung von Leistungen bei einem Radiologen.
2. Ist dem Vertragsarzt durch vorläufiges partielles Berufsverbot verboten, körperliche Untersuchungen und Behandlungen bei weiblichen Patienten durchzuführen, sind sämtliche Röntgenleistungen sachlich und rechnerisch richtigzustellen, weil die gesetzlichen Strahlenschutzvorschriften vorschreiben, dass der Radiologe zur Stellung der rechtfertigenden Indikation die Patientin untersuchen können muss, auch wenn eine solche körperliche Untersuchung im Einzelfall nicht stattfand.
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.09.2022 wird zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
T a t b e s t a n d :
Streitig ist die Rechtmäßigkeit des Honoraraufhebungs- und Neufestsetzungsbescheids vom 28.10.2011 in Gestalt des Teilabhilfebescheids vom 17.02.2012 betr. den Zeitraum 01.04.2008 bis zum 18.05.2009.
Der Kläger war als Radiologe in M1 zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen.
Mit Urteil des Landgerichts Memmingen vom 19.05.2009 wurde der Kläger wegen verschiedener Sexualstraftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und acht Monaten verurteilt. Zugleich hob das Landgericht das gegen den Angeklagten verhängte vorläufige partielle Berufsverbot auf, da es bereits über fünf Jahre und drei Monate angedauert habe. Das Urteil wurde am 24.12.2009 rechtskräftig. Der Kläger hat sodann seine Freiheitsstrafe verbüßt. Diese Entscheidung war der Schlusspunkt eines langjährigen Strafverfahrens:
Nach Anklageerhebung hatte das Amtsgericht Memmingen am 06.04.2005 einen Beschluss erlassen, mit dem es das zuvor ausgesprochene vorläufige Berufsverbot dahingehend eingeschränkt hatte, dass dem Kläger nun verboten sei, „bei der Behandlung von Patienten (…) mit Personen weiblichen Geschlechts unmittelbaren Kontakt aufzunehmen, vor allem eine körperliche Untersuchung weiblicher Personen vorzunehmen“.
Mit Urteil des Amtsgerichtes Memmingen vom 28.04.2005 wurde sodann neben einer Freiheitsstrafe ein partielles Berufsverbot ausgesprochen worden, in dem dem Kläger für zwei Jahre verboten worden war, bei der Behandlung von Patienten mit Personen weiblichen Geschlechts unmittelbaren Kontakt aufzunehmen, insbesondere körperliche Untersuchungen weiblicher Personen vorzunehmen. Das Urteil war mit der Berufung angefochten worden. Mit Beschluss vom 28.04.2005 war aber zugleich das vorläufige Berufsverbot vom 06.04.2005 aufrechterhalten worden.
Mit Berufungsurteil des Landgerichts Memmingen von 25.10.2006 wurde dann unter Abänderung des Urteils des Amtsgerichts M1 gegen den Kläger eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren ausgesprochen und die Ausübung des Arztberufs für ein Jahr insoweit verboten, als er „bei der Behandlung von Patienten keine körperlichen Untersuchungen und Behandlungen weiblicher Patienten vornehmen darf“.
Mit Beschluss vom 25.10.2006 erließ das gleiche Gericht ein vorläufiges Berufsverbot im Umfang des Berufungsurteils vom gleichen Tage.
Gegen das Urteil vom 25.10.2006 erhob der Kläger Revision. Mit Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 14.02.2008 wurde der Ausspruch des Landgerichtes Memmingen hinsichtlich der Rechtsfolgen aufgehoben und im Übrigen die Revision zurückgewiesen. Das Verfahren wurde an eine andere Kammer des Landgerichtes zurückverwiesen.
Mit Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 18.06.2008 wurde der Antrag des Klägers auf Aufhebung des mit Beschluss des LG Memmingen vom 25.10.2006 verhängten vorläufigen Berufsverbots zurückgewiesen.
Sodann kam es zur rechtskräftig gewordenen Entscheidung des Landgerichts Memmingen vom 19.05.2009.
Im vertragsarztrechtlichen Zulassungsentziehungsverfahren entzog der Berufungsausschuss Ärzte Bayern dem Kläger mit Beschluss vom 24.04.2008 die vertragsärztliche Zulassung und ordnete Sofortvollzug an. U. a. gegen den Sofortvollzug wandte sich der Kläger. Das Sozialgericht München lehnte eine Äbänderung der Sofortvollzugsanordnung mit Beschluss vom 09.05.2008 ab.
Mit Beschlüssen des Bayerischen Landessozialgerichts vom 16.06.2008 sowie 15.12.2008 (L 12 B 415/08 KA ER) änderte das Landessozialgericht den vorgängigen Beschluss des Sozialgerichts ab und untersagte dem Kläger
„ohne Anwesenheit von Hilfspersonen (ärztliches oder nicht fachärztliches Personal), weibliche Patienten zu behandeln; darüber hinaus wird ihm untersagt an weiblichen Patienten körperliche Behandlungen vorzunehmen.“
Im streitigen Zeitraum beschäftigte der Kläger bis zum 31.03.2008 Frau R1 als Sicherstellungsassistentin. Nach diesem Zeitpunkt wurden Assistenten oder ärztliche Angestellte nicht mehr beschäftigt.
Mit streitigem Honoraraufhebungs- und Neufestsetzungsbescheid vom 28.10.2011 hob die Beklagte die Honorarbescheide für die Quartale 1/08-2/10 auf, soweit sie den Honoraranspruch für Regional- und Ersatzkassen betreffen und setzte das Honorar quartalsbezogen niedriger fest. Daraus leitete die Beklagte eine Rückforderung von 223.334,95 € ab. In den Gründen ist zu lesen, dass der Bescheid aufgrund einer Plausibilitätsprüfung ergehe. Denn die Analyse der Kassenärztlichen Vereinigung habe ergeben, dass der Kläger trotz des partiellen Berufsverbots in den streitigen Quartalen für weibliche Patienten über seine Abrechnungsnummer Leistungen abgerechnet habe, die eine unmittelbare Kontaktaufnahme erfordert haben. Nachdem für diesen Zeitraum keine Assistentin beschäftigt worden sei, sei eine Absetzung erforderlich. Der Kläger habe im Anhörungsverfahren nicht reagiert. Für Vorquartale gebe es ebenfalls Entscheidungen; man gehe davon aus, dass keine ärztlichen Leistungen erbringbar gewesen seien, die einen persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt voraussetzten. Einzelfälle zu den einzelnen Quartalen, an denen eine vorsätzliche oder grob fahrlässige Falschabrechnung dargetan wurde, sind nicht benannt worden.
Mit Teilabhilfebescheid vom 17.02.2012 wurde der Vorbescheid hinsichtlich der Berichtigungen des Quartals 1/2008 sowie ab dem 19.05.2009 aufgehoben (verbleibende Rückforderung 90.974,11 €). Grund hierfür war, dass bis zum 31.03.2008 eine Sicherstellungsassistentin genehmigt gewesen sei. Ab dem 19.05.2009 sei das vorläufige Berufsverbot aufgehoben worden. Aus den Anlagen geht hervor, dass alle Leistungsansätze bestimmter GOP-Nummern abgesetzt wurden (GOPs betreffen Konsiliarkomplexe, Röntgenkontrastuntersuchungen, MRT, Sachkosten Kontrastmittel).
Im Übrigen wies die Beklagte den eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 22.07.2012 zurück.
Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht München erhoben.
Er trägt vor, dass ein anderer Sachverhalt als der im Urteil des LSG vom 21.02.2018 (L 12 KA 23/15) vorliege. Damals habe es tatsächlich ein solches Berufsverbot gegeben, das den unmittelbaren Kontakt mit weiblichen Patienten untersagt habe, nämlich den Beschluss vom 06.04.2005. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 25.10.2006 sei jedoch aus Gründen der Verhältnismäßigkeit diese Formulierung ersatzlos gestrichen worden.
Auch das LSG habe ausdrücklich die persönliche Behandlung weiblicher Patienten in Anwesenheit von Hilfspersonal erlaubt. Somit sei in Anwesenheit der dritten Person ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt zulässig gewesen. Anamnese, das Arztgespräch, die körperliche bzw. klinische Untersuchung zur Erstellung der rechtfertigenden Indikation anhand der Aktenlage und in Einzelfällen auch durch ergänzende Anamnese und körperliche Untersuchung seien zulässig gewesen. Verboten sei lediglich die körperliche Behandlung an Patienten gewesen. Hätte das LSG den persönlichen Arzt-Patienten-Kontakt ganz verbieten wollen, so hätte es dies so formulieren müssen. Es ergebe keinen Sinn, dass man die Behandlung weiblicher Patienten in Anwesenheit von Hilfspersonal erlaube, aber dann den direkten Arzt-Patienten-Kontakt verbiete.
Mit Urteil vom 20.09.2022 hat das Sozialgericht München die Klage insgesamt abgewiesen. Als Hauptantrag hatte der Kläger einen Vertagungsantrag zum Zwecke weiterer Befragung der Staatsanwaltschaft Memmingen gestellt; der Anfechtungsantrag war als Hilfsantrag gestellt.
Zur Begründung ist ausgeführt (Hilfsantrag), dass das Gericht entgegen der klägerischen Auffassung zu dem Ergebnis komme, dass diesem aufgrund vorläufigen Berufsverbots untersagt worden sei, Leistungen zu erbringen und abzurechnen, die einen unmittelbaren Kontakt zu Personen weiblichen Geschlechts im Regelfall, aber auch im Ausnahmefall (Notfall) voraussetzten. Insoweit gebe es keinen Unterschied zu dem vom Bayerischen LSG mit Urteil vom 21.02.2018, L 12 KA 23/15, entschiedenen Sachverhalt. Dort sei ausgeführt, dass das Berufsverbot nicht unklar und nicht unbestimmt sei. Dem Kläger sei im genannten Zeitraum jeglicher unmittelbare Kontakt mit weiblichen Personen und nicht nur die körperliche Untersuchung weiblicher Personen verboten gewesen; hinzuweisen sei auch auf die Präambel zu Kapitel 34 EBM; dort werde auf die Röntgenverordnung verwiesen, was § 23 Abs. 1 Satz 5 Röntgenverordnung anwendbar mache. Der Kläger habe wegen des ihm auferlegten partiellen Berufsverbotes die Indikationsstellung nicht erbringen dürfen, weil ihm jedenfalls die körperliche Untersuchung verboten gewesen sei. Dass eine rechtfertigende Indikation durch einen anderen Arzt erstellt worden sei, sei nicht vorgetragen. Der Umfang des Berufsverbotes habe sich auch durch den Beschluss des Landgerichts Memmingen vom 25.10.2006 nicht maßgeblich geändert. Dem Kläger sei weiterhin die Behandlung weiblicher Personen verboten gewesen. Dies schließe jeglichen Kontakt zum Zwecke der Untersuchung und Behandlung ein. Die gegen das zitierte Urteil eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zum BSG sei damals mit Beschluss vom 24.10.2018, B 6 KA 10/18 B, zurückgewiesen worden.
Dagegen hat der Kläger unter Wiederholung seines Vortrags Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts München vom 20.09.2022 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28.10.2011 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 17.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2020 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Im Termin zur mündlichen Verhandlung erläuterte der Kläger, dass dem partiellen Berufsverbot vom 25.10.2006 ein reduzierterer Untersuchungsbegriff zugrunde liege. Er habe mit der Patientin sprechen und Leistungen erbringen dürfen, solange er keine körperliche manuelle Untersuchungstätigkeit entfalte, wie zum Beispiel Sonografien. Röntgenuntersuchungen mit und ohne Kontrastmittelgabe nehme ohnehin die Röntgenassistentin vor; die rechtfertigende Indikation sei zumeist durch Gespräch mit der Patientin zu stellen, nur im Ausnahmefall sei eine körperliche Untersuchungstätigkeit durch den Arzt erforderlich. Damit unterscheide sich der Verbotsgehalt von einem unmittelbaren Kontakt, der auch das bloße direkte Arzt-Patientengespräch verbiete.
Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der Streitakte des Sozialgerichts München sowie der Akte des Bayer. Landessozialgerichts Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die zulässige Berufung erweist sich als nicht unbegründet
Die Beklagte hat mit Bescheid vom 28.10.2011 in der Fassung des Teilabhilfebescheids vom 17.02.2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.07.2020 die streitigen Leistungen rechtlich zulässig durch Honorarbescheidaufhebungen und – neufestsetzungen nachträglich richtiggestellt, wenngleich sich die Absetzungen nicht auf die Regeln der sog. Plausibilitätsprüfung, jedoch auf diejenigen der klassischen sachlich-rechnerischen Richtigstellung stützen können. Im Ergebnis zutreffend hat das Sozialgericht daher die Klage mit Urteil vom 20.09.2022 abgewiesen.
Rechtsgrundlage der sachlich-rechnerischen Richtigstellungen ist § 106a Abs. 2 SGB V in den hier anwendbaren Fassungen vom 01.04.2007 bzw. 01.07.2008 (heute: § 106d Abs. 2 SGB V). Danach stellt die Beklagte die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte und Einrichtungen fest. Die Prüfung der Abrechnungen des Vertragsarztes auf sachlich-rechnerische Richtigkeit zielt auf die Feststellung, ob die Leistungen rechtmäßig, also im Einklang mit den gesetzlichen, vertraglichen oder satzungsrechtlichen Vorschriften des Vertragsarztrechts - mit Ausnahme des Wirtschaftlichkeitsgebots - erbracht und abgerechnet worden sind (BSG Urteil vom 29.11.2017, B 6 KA 33/16 R; BSG Urteil vom 2.4.2014, B 6 KA 20/13 R ; vgl. auch BSG Urteil vom 24.10.2018,; BSG Urteil vom 24.10.2018, B 6 KA 42/17 R, jeweils m. w. N., alle Juris).
Die klassische Abrechnungsprüfung weist demgemäß für jeden konkreten Behandlungsfall einen Abrechnungsverstoß nach. In der Rechtsfolge sind dann alle diese konkreten Einzelansätze, in denen der Nachweis der Falschabrechnung gelingt, ohne dass es dabei auf Verschulden ankommt, sachlich richtigzustellen, mithin abzusetzen.
Zu den Abrechnungsprüfungen gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität. Diese stützt sich nicht auf einen streng einzelfallbezogenen Nachweis der Unrichtigkeit. Ergibt sich nach einer Prüfung vielmehr, dass nicht sämtliche abgerechneten Leistungen zutreffend angesetzt sind, weil z. B. ein ungenehmigter Assistent ebenfalls Leistungen erbrachte oder eine Prüfung nach Tagesprofilen einen Arbeitstag von 28 Stunden mit Leistungsansätzen offen legt, jedoch bei konkreter Einzelfallbetrachtung nicht sicher gesagt werden kann, welcher Behandlungsfall zutreffend und welcher unter Verstoß gegen vertragsarztrechtliche Regeln abgerechnet ist, bietet sich die Plausibilitätsprüfung an.
Im Gegensatz zum Nachweis in jedem konkreten Einzelfall genügt hier der Nachweis bereits eines unrichtig abgerechneten Behandlungsfalls je Quartal, wobei zusätzlich eine vorsätzliche oder zumindest grob fahrlässige Begehungsweise nachgewiesen werden muss. Erweist sich so zumindest eine Abrechnung zu einem Behandlungsfall in einem Quartal als vorsätzlich oder grob fahrlässig falsch, darf die Beklagte den Honorarbescheid insgesamt aufheben. Denn damit zeigt sich die Richtigkeit der Honorarsammelerklärung des Vertragsarztes, der diese jedes Quartal mit seiner Abrechnung abgibt, als widerlegt. Die mit der Honorarsammelerklärung verbundene Garantiewirkung ist damit zerstört. Bei der dann vorzunehmenden Honorarneufestsetzung kommt der Beklagten ein Schätzungsermessen zu, welches nur bei Überschreitung des Schätzungsspielraums gerichtlich überprüfbar ist. Die Beklagte hat keinen zumindest grob fahrlässigen Falschansatz in je einem Behandlungsfall der hier streitigen Quartale konkret benannt.
Allerdings vermag die Beklagte in jedem Behandlungsfall, in dem Absetzungen erfolgten, den Nachweis konkreter Falschabrechnung zu führen, weil der Kläger in dieser Zeit einem vorläufigen Berufsverbot gem. § 132a StPO unterlag, das die Erbringung der abgesetzten Leistungen in allen betroffenen Behandlungsfällen weiblicher Patienten erfasste. Damit bedarf es des Rekurses auf die Plausibilitätsprüfung überhaupt nicht. Da es sich bei der Richtigstellung um gebundene Verwaltung handelt, bleibt eine fehlerhafte Begründung ohne rechtliche Konsequenz.
Alle abgesetzten Leistungen waren von einem vorläufigen partiellen Berufsverbot erfasst. Ein solches Berufsverbot erstreckt sich im Rahmen seiner inhaltlichen und zeitlichen Reichweite auch auf die vertragsärztliche Tätigkeit. In Ansehung der streitigen Quartale kann zeitlich und inhaltlich der Beschluss des LG Memmingen vom 25.10.2006 Geltungswirkung beanspruchen. Danach war dem Kläger die ärztliche Berufsausübung, damit auch im Rahmen seiner vertragsärztlichen Tätigkeit, insoweit partiell verboten, als er bei der Behandlung von Patienten keine körperlichen Untersuchungen und Behandlungen weiblicher Patienten vornehmen durfte. Dieses vorläufige partielle Berufsverbot löste den Beschluss vom 06.04.2005 ab, mit dem es verboten worden war, bei Behandlung von Patienten mit Personen weiblichen Geschlechts unmittelbaren Kontakt aufzunehmen, insbesondere körperliche Untersuchungen weiblicher Personen vorzunehmen.
Der Senat stellt bei Feststellung von Inhalt und Umfang des Verbots vom 25.10.2006 darauf ab, dass bei weiblichen Patienten nur körperliche Untersuchungen und Behandlungen untersagt sind. Dies unterscheidet das Verbot vom 25.10.2006 vom zuvor geltenden Verbot vom 06.04.2005, das – bei diffuser Formulierung – jeden Arzt-Patienten-Kontakt untersagte. Mithin war dem Kläger in den streitigen Quartalen die Vornahme jeglicher körperlich- manueller Untersuchung und Behandlung verboten, während umgekehrt reine Gesprächsleistungen, wie Beratungen etc., nicht erfasst waren.
MRT- Leistungen sowie Röntgenleistungen stellen jedoch verbotserfasste körperliche Untersuchungen im Sinne des vorl. Berufsverbots dar.
Soweit der Kläger darauf rekurriert, dass die Röntgenleistungen letztlich von Röntgenassistentinnen erbracht würde und er nur das Vorgespräch bestreitet, ist ihm die damals geltende Vorschrift des § 23 Abs. 1 RöV i.d.bis zum 31.10.2011 geltenden Fassung vom 30.04.2003 entgegenzuhalten (vgl. heute § 83 Abs. 3 Strahlenschutzgesetz). Die Vorschrift lautete:
1Röntgenstrahlung darf unmittelbar am Menschen in Ausübung der Heilkunde oder Zahnheilkunde nur angewendet werden, wenn eine Person nach § 24 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 hierfür die rechtfertigende Indikation gestellt hat. 2Die rechtfertigende Indikation erfordert die Feststellung, dass der gesundheitliche Nutzen der Anwendung am Menschen gegenüber dem Strahlenrisiko überwiegt. 3Andere Verfahren mit vergleichbarem gesundheitlichen Nutzen, die mit keiner oder einer geringeren Strahlenexposition verbunden sind, sind bei der Abwägung zu berücksichtigen. 4Eine rechtfertigende Indikation nach Satz 1 ist auch dann zu stellen, wenn die Anforderung eines überweisenden Arztes vorliegt. 5Die rechtfertigende Indikation darf nur gestellt werden, wenn der die rechtfertigende Indikation stellende Arzt den Patienten vor Ort persönlich untersuchen kann, es sei denn, es liegt ein Anwendungsfall des § 3 Abs. 4 vor. (…)
Die Durchführung der Röntgenuntersuchung setzt somit die Stellung einer rechtfertigenden Indikation voraus. Ihr liegt der Gedanke zugrunde, dass der behandelnde Arzt vor Anwendung der ionisierenden Strahlung eine Abwägung zwischen dem gesundheitlichen Nutzen der einzelnen Anwendung und den mit der Strahlenexposition verbundenen Risiken vorzunehmen hat. Dieser Abwägungsvorgang gehört zur täglichen Routine eines Radiologen.
Der die Indikation stellende Arzt muss zwingend den Patienten vor Ort persönlich „untersuchen können“. Der fachkundig mit zwei Vertragsärzten besetzte Senat meint, dass der Indikation stellende Radiologe im Sinne des Könnens und Dürfens in der Lage sein muss, den Patienten vor Ort auch körperlich-manuell zu untersuchen. Die Notwendigkeit einer solche Untersuchung wird sich nicht im Regelfall zeigen. Gleichwohl ist sie im radiologischen Alltag, wie letztlich der Kläger selbst einräumt, erforderlich, wobei sich die Erforderlichkeit erst nach Beginn der Konsultation im Gespräch mit dem Patienten ergeben wird. Der Radiologe muss daher bei jeder Konsultation durch einen Versicherten damit rechnen, dass doch ein manuelles Tätigwerden erforderlich wird.
Muss der Vertragsarzt vor der Röntgenuntersuchung körperlich untersuchen können, darf er, wenn ihm körperliche Untersuchungen verboten sind, Röntgenuntersuchungen nicht erbringen und abrechnen. Das „untersuchen können“ schließt das „untersuchen dürfen“ zwingend mit ein. Dies wird noch dadurch verstärkt, dass sich die Notwendigkeit der körperlichen Untersuchung erst nach Beginn des Arzt-Patienten-Kontakts erweist.
Bereits aus diesem Grund sind die Röntgenleistungen gem. 34242 GOP ff., die dafür angesetzten Kontrastmittelsachkostenpauschalen sowie die mit den Röntgenleistungen abgerechneten Konsiliarpauschalen der GOP 24210 bis 24312 EBM richtig zu stellen.
Im Übrigen geht der Senat davon aus, dass der Kläger bereit sein muss, während der laufenden Röntgenuntersuchung sowie der MRT-Untersuchung, zumindest in atypischen Situationen, körperlich zu untersuchen und/oder zu behandeln, wenn beispielsweise Kontrastmittelunverträglichkeiten (allergische Reaktionen) zu besorgen sind oder Kreislaufschwierigkeiten etc. ein eigenes manuelles Eingreifen gebieten. Diese unplanbaren körperlichen Behandlungsnotwendigkeiten, die insbesondere bei Kontrastmitteluntersuchungen (MRT, Rö.) auftreten, qualifizieren entsprechende Leistungen als berufsverbotserfasst.
Zudem erklärt § 132a StPO als die gesetzliche Ermächtigungsgrundlage des vorläufigen Berufsverbots § 70 Abs. 3 StGB für entsprechend anwendbar.
Die Norm verbietet dem Verbotsunterworfenen, den Beruf, den Berufszweig, das Gewerbe oder den Gewerbezweig auch durch eine von seinen Weisungen abhängige Person für sich ausüben zu lassen. Damit kann sich der Kläger der Verbotswirkung nicht dadurch entziehen, dass er körperliche Untersuchungen und Behandlungen durch Röntgenassistentinnen erbringen lässt. Nach Auffassung des Senats gilt dies auch dann, wenn nur ein Teilspektrum der beruflichen Tätigkeit verboten ist. Die Erbringung durch angestellte Mitarbeiter wird so ebenfalls vom Berufsverbot erfasst.
Damit durfte die Beklagte sämtliche an weiblichen Patienten erbrachte Röntgen-, und MRT-Leistungen mit und ohne Kontrastmittelgabe, Sachkosten- und Konsiliarpauschalen richtigstellen.
Das Berufsverbot gem. § 132a StPO wird auch nicht verdrängt durch die Untersagung vertragsärztlicher Tätigkeit im Rahmen des Sofortvollzugsstreits gem. Beschlusses des Bayer. LSG vom 16.06.2008. Diese Untersagung verdrängt nicht das vorläufige Berufsverbot. Vorläufiges Berufsverbot und sozialgerichtliche Untersagung stehen in ihrer Regelungswirkung nebeneinander. Die sozialgerichtliche Untersagung verbot gleichermaßen die körperliche Behandlung von Patientinnen, wobei der hier gebrauchte Behandlungsbegriff auch körperliche Untersuchungen umfasst. Diese körperlichen Behandlungen / Untersuchungen waren ihm auch nicht in Anwesenheit von ärztlichem oder nichtärztlichem Fachpersonal erlaubt.
Damit ist die Berufung des Klägers vollumfänglich zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs. 2 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht erkennbar.