S 48 VJ 54/23

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 48 VJ 54/23
Datum
2. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze

1) Ein Blepharospasmus ( Lidkrampf ) mit funktioneller Blindheit kann nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft nicht als F olge einer Impfschädigung (hier: Booster-Impfung gegen SARS-CoV-2 mit dem Impfstoff von Moderna) anerkannt werden.

2) Zwar kann das Bestehen eines zeitlichen Zusammenhangs zwischen Impfung und Eintritt der Gesundheitsbeeinträchtigung ein Indiz für das Bestehen auch einer kausalen Verbindung sein. Es bedarf jedoch grundsätzlich weiterer konkreter, medizinisch-wissenschaftlich relevanter Umstände, damit sich diese bloße Möglichkeit zur hinreichenden Wahrscheinlichkeit oder zumindest zu einer guten Möglichkeit im Sinne der Kann-Versorgung verdichtet. Das gilt erst recht für die Situation während der Corona-Pandemie, in der weite Teile der deutschen Bevölkerung innerhalb relativ kurzer Zeit (zum Teil mehrfach) mit mRNA-Impfstoffen geimpft wurden, sodass bereits aufgrund statistischer Erwägungen zu erwarten ist, dass in zahlreichen Fällen Gesundheitsstörungen, die (wahrscheinlich) maßgeblich auf anderen Ursachen beruhen, in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu einer solchen Impfung entstehen oder zutage treten.

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.


T a t b e s t a n d :

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung eines Blepharospasmus als Impfschadensfolge und die Gewährung von Entschädigungsleistungen nach dem Infektionsschutzgesetz (IfSG).

Die im Jahre 1965 geborene Klägerin litt seit 2014 an Panikattacken, wiederkehrenden Depressionen mit Somatisierung und psychovegetativer Erschöpfung sowie einer chronischen Entzündung der kleinen Atemwege mit asthmatischer Symptomatik und Atemnot bei Belastung. In der Zeit vom 26.02.2020 bis zum 23.03.2020 nahm sie an einer psychosomatischen Reha-Maßnahme in der V. Klinik B-Stadt. teil (siehe Blatt 18, 57 ff IfSG-Akte). Im August 2021 wurde ein Asthma bronchiale diagnostiziert (siehe Blatt 107 IfSG-Akte).

Am 20.04.2021 und am 01.06.2021 erhielt die Klägerin Impfungen gegen COVID-19 mit dem Impfstoff COMIRNATY von Biontech/Pfizer.

Am 11.12.2021 erhielt sie eine (weitere) Booster-Impfung mit dem Impfstoff von Moderna (siehe Blatt 9 R, 82 IfSG-Akte). Am Abend des Impftages traten bei der Klägerin nach ihren Angaben starke grippeähnliche Symptome auf; in den Wochen danach bestanden erhebliche Beschwerden fort, insbesondere ein allgemeines Schwächegefühl.

Etwa ab dem 8. bis 10. Januar 2022 kam es zu einem zunehmenden unwillkürlichen Zukneifen beider Augen, zum Teil mit Stirnrunzeln, besonders in Stresssituationen (siehe Blatt 12 IfSG-Akte) und, nach dem Eindruck der Klägerin, zu einer Verstärkung der vorbestehenden Belastungsdyspnoe mit Räusperzwang (siehe Blatt 11 IfSG-Akte). Die Klägerin stellte sich deshalb am 31.01.2022 bei ihrer Hausärztin G. E., M-Stadt vor (siehe Blatt 77 Gerichtsakte). Diese veranlasste die Überweisung an den Neurologen Dr. med. L., M-Stadt, der einen Blepharospasmus diagnostizierte (siehe Blatt 64 IfSG-Akte; Blatt 91 Gerichtsakte). Eine ambulante Vorstellung in der S1.-Klinik M1-Stadt S1-Stadt am 18.03.2022 bestätigte die Diagnose (siehe Blatt 11 IfSG-Akte). Die Klägerin war ab dem 31.01.2022 krankgeschrieben (siehe Blatt 88 IfSG-Akte). Am 29.03.2022 wurde ein unauffälliger Herz-Lungen-Befund erhoben (siehe Blatt 66 IfSG-Akte). Trotz einer am 03.02.2022 begonnenen Botox-Behandlung (siehe Blatt 16 IfSG-Akte) verschlechterte sich der Blepharospasmus nach einer zwischenzeitlichen leichten Besserung im Laufe des Sommers 2022 zunehmend (wodurch auch wieder vermehrt psychische Beschwerden auftraten; siehe Blatt 18, 92 IfSG-Akte), bis hin zu einer im Dezember 2022 festgestellten (phasenweisen) "funktionellen Blindheit" (siehe Blatt 15, 74 IfSG-Akte).

Den am 13.01.2023 eingegangenen Antrag der Klägerin auf Anerkennung und Entschädigung eines Impfschadens lehnte der Beklagte, gestützt auf eine versorgungsärztliche Stellungnahme vom 02.06.2023 (siehe Blatt 126 f IfSG-Akte), mit Bescheid vom 23.06.2023 mit der Begründung ab, ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Gesundheitsstörungen und der Impfung vom 11.12.2021 sei nicht wahrscheinlich. Die häufigsten Ursachen eines Blepharospasmus seien Schlafmangel, Stress und trockene Augen. Im Hinblick auf die vorbestehenden seelischen Leiden sei eine psychische Verursachung der Beschwerden wahrscheinlicher als eine Verursachung durch die Impfung, zumal in den bisherigen Studien und Analysen insoweit kein Risikosignal habe festgestellt werden können. Atemnot und Räusperzwang der Klägerin seien wahrscheinlich durch die vorbestehende Asthmaerkrankung bedingt.

Dieser Entscheidung widersprach die Klägerin und führte zur Begründung mit anwaltlichem Schriftsatz vom 19.09.2023 insbesondere aus, vor allem der zeitliche Ablauf spreche hier für einen Zusammenhang des Blepharospasmus mit der Impfung vom 11.12.2021. Die psychischen Beschwerden der Klägerin hätten durch die Reha im Jahre 2020 gebessert werden können und die Klägerin sei bei Eintritt der Schädigung gerade dabei gewesen, mit einer selbständigen Tätigkeit als freie Rednerin (Trauerrednerin) wieder beruflich Fuß zu fassen. Die Argumentation der Klägerin im Einzelnen ist Blatt 150 ff IfSG-Akte zu entnehmen. Nach Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme vom 24.10.2023 (siehe Blatt 172 f IfSG-Akte) wies der Beklagte den Widerspruch mit Bescheid vom 10.11.2023 (siehe Blatt 176 f IfSG-Akte) zurück.

Gegen den am 13.11.2023 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid richtet sich die am 14.12.2023 beim Sozialgericht München (SG) eingegangene Klage, zu deren Begründung die Klägerin mit Schriftsatz vom 18.04.2024 (siehe Blatt 30 ff Gerichtsakte) insbesondere ihr bisheriges Vorbringen wiederholt hat. Das SG hat zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts aktuelle Befundberichte der behandelnden Ärzte der Klägerin eingeholt sowie diverse medizinische Unterlagen und bildgebende Befunde beigezogen. Des Weiteren hat das Gericht den Facharzt für Neurologie. K. B., G-Stadt, zum Sachverständigen ernannt. Er hat in seinem Gutachten vom 31.10.2024 insbesondere dargelegt, die Ursache eines Blepharospasmus, wie er bei der Klägerin bestehe, sei derzeit noch unbekannt; es werde allerdings davon ausgegangen, dass es sich um eine organische und nicht um eine (in erster Linie) psychisch bedingte Erkrankung handle. Es sei generell unwahrscheinlich, dass der Blepharospasmus als eine nicht-entzündliche Erkrankung durch eine Impfung hervorgerufen werden könne. Aber auch die Umstände des Einzelfalles sprächen hier gegen eine Verursachung durch die angeschuldigte Impfung vom 11.12.2021. Bezüglich der Feststellungen und Bewertungen des Sachverständigen im Einzelnen wird auf Blatt 150 ff der Gerichtsakte Bezug genommen.

Die Klägerin kritisiert, der Gutachter habe die Symptome der Klägerin allzu sehr isoliert betrachtet. Das Krankheitsbild sei sehr selten und auch deshalb bislang nur wenig erforscht. Dies könne jedoch nicht dazu führen, dass ein Zusammenhang automatisch abgelehnt werde. Das ausführliche Vorbringen der Klägerin im Detail (Schriftsatz vom 03.02.2025) ist Blatt 183 ff der Gerichtsakte zu entnehmen. In der mündlichen Verhandlung vor dem SG am 12.03.2025 hat die Klägerin nochmals hervorgehoben, dass sie nach ihrer dritten Impfung eine heftige Impfreaktion gezeigt habe und auch in den darauffolgenden Wochen nicht wieder richtig gesund geworden sei. Somit liege entgegen der Auffassung des Sachverständigen doch nahe, dass der Blepharospasmus aufgrund der Folgen der Impfung entstanden sei. Der Umstand, dass das Krankheitsbild noch nicht hinreichend erforscht sei, könne dabei der Klägerin nicht zur Last gelegt werden. Jedenfalls seien die Voraussetzungen der Kann-Versorgung zu bejahen.

Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 23.06.2023 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.11.2023 zu verurteilen, einen Blepharospasmus und/oder eine funktionelle Blindheit als Folge einer Impfschädigung anzuerkennen und der Klägerin ausgehend davon Entschädigungsleistungen nach dem IfSG einschließlich einer Grundrente nach einem GdS von mindestens 80 ab den 01.01.2023 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Dem Gericht lagen die IfSG-Akte des Beklagten sowie die Behindertenakte bei seiner Entscheidung vor.


E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Nach § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG, der hier gem. § 137 des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch weiterhin anwendbar ist, erhält, wer durch eine Schutzimpfung oder durch eine andere Maßnahme der spezifischen Prophylaxe, die (1.) von einer zuständigen Landesbehörde öffentlich empfohlen und in ihrem Bereich vorgenommen wurde, (1 a) gegen das Coronavirus SARS-CoV-2 aufgrund einer Rechtsverordnung nach § 20 i Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 lit. a, auch in Verbindung mit Nr. 2, des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vorgenommen wurde, (2.) auf Grund dieses Gesetzes angeordnet wurde, (3.) gesetzlich vorgeschrieben war oder (4.) auf Grund der Verordnungen zur Ausführung der Internationalen Gesundheitsvorschriften durchgeführt worden ist, eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, nach der Schutzimpfung wegen des Impfschadens im Sinne des § 2 Nr. 11 IfSG oder in dessen entsprechender Anwendung bei einer anderen Maßnahme wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen der Schädigung auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG), soweit das IfSG nichts Abweichendes bestimmt. Der Impfschaden wird in § 2 Nr. 11 IfSG definiert als die gesundheitliche und wirtschaftliche Folge einer über das übliche Ausmaß einer Impfreaktion hinausgehenden gesundheitlichen Schädigung durch die Schutzimpfung. Nach § 61 Satz 1 IfSG genügt zur Anerkennung eines Gesundheitsschadens als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG die Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhangs. Wenn diese Wahrscheinlichkeit nur deshalb nicht gegeben ist, weil über die Ursache des festgestellten Leidens in der medizinischen Wissenschaft Ungewissheit besteht, "kann" mit Zustimmung der für die Kriegsopferversorgung zuständigen obersten Landesbehörde der Gesundheitsschaden als Folge einer Schädigung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 IfSG anerkannt werden, wobei die Zustimmung allgemein erteilt werden kann (vgl. § 61 Sätze 2 und 3 IfSG).

Für das Impfschadensrecht sind die Rechtsgrundsätze des BVG maßgebend, soweit nicht Besonderheiten vom Gesetzgeber ausdrücklich angeordnet worden sind (siehe Bundessozialgericht - BSG, Urteil vom 19.08.1981, 9 RVi 5/80). Nach diesen Grundsätzen müssen - für die Impfopferversorgung wie für die Kriegsopferversorgung - die schädigende Einwirkung (Impfung), die gesundheitliche Schädigung (unübliche Impfreaktion) und die Schädigungsfolge (Dauerleiden) nachgewiesen, nicht nur wahrscheinlich sein (so: BSG, Urteil vom 19.03.1986, 9 a RVi 2/84). Nur für den ursächlichen Zusammenhang genügt der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit (§ 61 Satz 1 IfSG), wobei die Kausalität dann wahrscheinlich ist, wenn mehr für als gegen sie spricht, wenn also die für den Zusammenhang sprechenden Umstände deutlich überwiegen. Eine gute Möglichkeit der Kausalität reicht hierfür nicht aus.

Vorliegend fehlt es nach diesen Grundsätzen bereits am Nachweis einer Primärschädigung durch die angeschuldigte Impfung vom 11.12.2021. Dahinstehen kann, ob es sich bei den nach dieser Impfung aufgetretenen grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen (noch) um eine normale Impfreaktion gehandelt hat oder nicht. Denn jedenfalls ist nicht belegt, dass die Klägerin (in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu der genannten Impfung) eine konkret nachweisbare gesundheitliche Schädigung erlitten hat, die - nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft - als Ursache des später aufgetretenen Blepharospasmus in Betracht kommt.

Unter Blepharospasmus versteht man einen beidseitigen, unwillkürlichen Lidkrampf. Die nicht beherrschbare Kontraktion betrifft hauptsächlich den Augenringmuskel, teils auch andere Muskeln in Augennähe. Im Verlauf der Erkrankung tritt der Lidkrampf zunehmend häufiger auf (alle 15 bis 20 Sekunden) und hält länger an (Sekunden bis Minuten). Das beeinträchtigt die Sehfähigkeit oder führt sogar zeitweise zu funktioneller Blindheit. Der Blepharospasmus tritt in Europa bei drei bis vier von 100.000 Menschen auf. Betroffen sind vorwiegend Frauen im mittleren bis höheren Alter. Die Ursache bleibt meist unbekannt (siehe www.netdoktor.de/symptome/blepharospasmus).

Im vorliegenden Fall kann nach den schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen des gerichtlich bestellten ärztlichen Sachverständigen. B. nicht mit der vom Gesetz geforderten Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die angeschuldigte Impfung einen rechtlich wesentlichen Verursachungsbeitrag zum Auftreten des Blepharospasmus etwa vier Wochen später geleistet hat. Die Entstehung eines Blepharospasmus lässt sich nach dem derzeitigen Erkenntnisstand der medizinischen Wissenschaft im Regelfall medizinisch nicht erklären; so verhält es sich auch im Falle der Klägerin. Insbesondere handelt es sich dabei, wie der Sachverständige betont, um eine nicht-entzündliche Erkrankung, sodass die Verursachung durch eine Autoimmunreaktion, an die man im Falle einer Impfung denken könnte, ausscheidet.

Etwas anderes ergibt sich hier insbesondere auch nicht aufgrund der Anwendung der Regeln der sog. "Kann-Versorgung", wonach in besonderen Fällen die Anerkennung von Schädigungsfolgen unter erleichterten Voraussetzungen möglich ist. Zu den kausalitätsbezogenen Voraussetzungen der "Kann-Versorgung" hat das BSG entschieden, dass für deren Anwendung ein bloßer zeitlicher Zusammenhang nicht ausreicht, sondern nach zumindest einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Lehrmeinung (hinreichend konkrete) Erkenntnisse vorliegen müssen, die für einen generellen, in der Regel durch statistische Erhebungen untermauerten Zusammenhang zwischen bestimmten Belastungen bzw. Einwirkungen (hier: der angeschuldigten Impfung) und der festgestellten Erkrankung sprechen. Es darf nicht nur eine theoretische Möglichkeit des Zusammenhangs bestehen, sondern vielmehr eine "gute Möglichkeit", die sich in der medizinischen Wissenschaft nur noch nicht so zur allgemeinen Lehrmeinung verdichtet hat, dass von gesicherten Erkenntnissen gesprochen werden kann. Auch in diesen Fällen reicht jedoch die bloße (einfache) Möglichkeit des Ursachenzusammenhangs nicht aus. Es muss vielmehr wenigstens eine wissenschaftliche Lehrmeinung geben, die die Wahrscheinlichkeit eines solchen Ursachenzusammenhangs vertritt. Wird eine solche Meinung überhaupt nicht vertreten, fehlt es an der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nicht infolge einer Ungewissheit; denn alle Meinungen stimmen dann darin überein (siehe BSG, Beschluss vom 07.07.2022, B 9 V 2/22 B, Beck RS 2022, 23868 Rn. 9, BAYERN.RECHT).

Es existiert derzeit keine medizinische Lehrmeinung, die die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen einer mRNA-Impfung und dem Auftreten eines Blepharospasmus annimmt.

Der Klägerin ist zwar einzuräumen, dass ein gewisser zeitlicher Bezug hier gegeben ist. Die Klägerin litt nach ihrer dritten Impfung an starken grippeähnlichen Symptomen und hatte, wie sie glaubhaft dargelegt hat, auch in den darauffolgenden Wochen noch Beschwerden.

Das Bestehen eines solchen zeitlichen Zusammenhangs kann durchaus ein Indiz für das Bestehen auch einer kausalen Verbindung sein. Es bedarf jedoch grundsätzlich weiterer konkreter, medizinisch-wissenschaftlich relevanter Umstände, damit sich diese bloße Möglichkeit zur hinreichenden Wahrscheinlichkeit oder zumindest zu einer "guten Möglichkeit" im Sinne der Kann-Versorgung verdichtet. Denn die Verwaltung und die Gerichte sind nicht ermächtigt, bei Krankheiten ungewisser Genese (wie dem Blepharospasmus) stets die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs - die so gut wie nie widerlegt werden kann - ausreichen zu lassen (siehe BSG, Urteil vom 10.11.1993, 9/9 a RV 41/92, BSGE 73, 190 ff, SozR 3-3200 § 81 Nr. 9, Rn. 19). Dies gilt erst recht für die Situation während der Corona-Pandemie, in der weite Teile der deutschen Bevölkerung innerhalb relativ kurzer Zeit (zum Teil mehrfach) mit mRNA-Impfstoffen geimpft wurden, sodass bereits aufgrund statistischer Erwägungen zu erwarten ist, dass in zahlreichen Fällen Gesundheitsstörungen, die (wahrscheinlich) maßgeblich auf anderen Ursachen beruhen, in einem engen zeitlichen Zusammenhang zu einer solchen Impfung entstehen oder zutage treten.

Nach alledem kann der Klage nicht stattgegeben werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG); das Klageverfahren ist gerichtskostenfrei (§ 183 SGG).

Abschließend sei angemerkt, dass die Klägerin - auch im Falle einer bindenden Entscheidung zu ihren Ungunsten - dann, wenn neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse bekannt werden, die geeignet sein könnten, eine veränderte medizinische und rechtliche Beurteilung des Falles zu begründen, die Möglichkeit hat, durch einen beim Beklagten gestellten Antrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) eine nochmalige Überprüfung der Sache und ggf. die (für einen Zeitraum von bis zu fünf Jahre rückwirkende; vgl. § 44 Abs. 4 SGB X) Gewährung von Entschädigungsleistungen zu erwirken.

 

Rechtskraft
Aus
Saved